:: 9/2012

Effizientere Nutzung des Ressourcenpotenzials häuslicher Abfälle

Die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushalten durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hat sich in der Vergangenheit bewährt. Darum schreibt das am 1. Juni 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) – wie bisher – den Kommunen die Aufgabe der Entsorgung privater Haushaltsabfälle zu. Dies ist verbunden mit der Verantwortung für den Aufbau einer umweltschonenden Entsorgungsinfrastruktur. Ob und in welchem Umfang eingeführte Maßnahmen zur Vermeidung von Abfällen sowie zur verbesserten Nutzung von Ressourcenpotenzialen in Baden-Württemberg bisher wirksam waren, soll im vorliegenden Beitrag dargestellt werden. Im Fokus steht dabei die Entsorgung häuslicher Abfälle. Die Ergebnisse resultieren aus der Abfallbilanzerhebung, die vom Statistischen Landesamt jährlich durchgeführt wird (i-Punkt).

Rückläufiger Trend der Haus- und Sperrmüllmengen seit 1990

Die hier als häuslich definierten Abfälle setzen sich aus den Kategorien Haus- und Sperrmüll, getrennt erfasste Bioabfälle und Wertstoffe aus Haushalten zusammen. Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) überlassenen Haus- und Sperrmüllmengen wiesen in der Vergangenheit einen stark rückläufigen Trend auf. Seit 1990 konnte die Menge von über 2,7 Mill. Tonnen (t) um rund 43 % auf knapp 1,6 Mill. t im Jahr 2011 reduziert werden. Das Aufkommen je Einwohner1 (kg/Ea) hat im gleichen Zeitraum von rund 269 kg/Ea auf 144 kg/Ea abgenommen1. Das entspricht einem Rückgang von knapp 46 %.

Die Aufkommenshöhe der Haus- und Sperrmüllmengen ist auch von der gesonderten Erfassung der verwertbaren Abfälle als getrennte Fraktionen abhängig. Dementsprechend besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem zu Beginn der 1990er-Jahre einsetzenden Rückgang der Haus- und Sperrmüllmengen und der zeitgleichen Einführung der systematischen Getrennterfassung von Wertstoffen einschließlich Gelbe Tonne bzw. Gelber Sack für Verpackungsabfälle sowie der Biotonne in einigen Stadt- und Landkreisen. Seit 2005 stagniert das Aufkommen um den Wert von 145 kg/Ea bei geringen jährlichen Schwankungen.

Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sieht eine hochwertigere und effizientere Nutzung des Ressourcenpotenzials werthaltiger Abfälle vor. Zur Steigerung der Recyclingquote soll ab 2015 die gemischte Wertstofftonne eingeführt werden, in der neben Verpackungen zusätzlich auch stoffgleiche Nicht-Verpackungen gemeinsam erfasst werden. Zudem schreibt das Gesetz im selben Jahr eine grundsätzlich flächendeckende Getrenntsammlung von Bioabfällen vor, um weitere Potenziale biologisch abbaubarer Abfälle aus Haushalten abzuschöpfen. Inwiefern dadurch die Stagnation der Haus- und Sperrmüllmengen überwunden und ein weiterer Rückgang erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.

Nur indirekte Vermeidungserfolge festzustellen

Da die Abnahme der Haus- und Sperrmüllmengen im Wesentlichen parallel zur Zunahme getrennt erfasster Bioabfälle inklusive Wertstoffe aus Haushalten verläuft, hat eine Abfallvermeidung faktisch bisher noch nicht stattgefunden. Die Entwicklung des Aufkommens häuslicher Abfälle in Baden-Württemberg stagnierte in den letzten Jahren weitestgehend. Seit 1990 hat die Menge von rund 3,4 Mill. t auf knapp 3,8 Mill. t zugenommen. Zwischen den einzelnen Jahren sind nur geringe Schwankungen um den Durchschnittswert von 3,6 Mill. t festzustellen. Das Aufkommen je Einwohner hat im gleichen Zeitraum von 352 kg/Ea um 1 kg auf jetzt rund 351 kg/Ea abgenommen.

Die dargestellten Ergebnisse legen den Schluss nahe, Anstrengungen um eine Vermeidung häuslicher Abfälle blieben bisher wirkungslos. Um den tatsächlichen Erfolg entsprechend eingeleiteter Maßnahmen messen zu können, kann das Aufkommen in Relation zu den privaten Konsumausgaben2 gesetzt werden. Für die auf dieser Grundlage ermittelte Abfallintensität des privaten Konsums, berechnet als Quotient aus den häuslichen Abfällen und den privaten Konsumausgaben, ergibt sich zwischen den Jahren 1991 und 2009 eine Abnahme um rund 9 %. Der Rückgang der Abfallintensität hat sich bei deutlicher Steigerung der Konsumausgaben in den Jahren 2010 und 2011 weiter fortgesetzt.3 So kam es in den zurückliegenden Jahren zumindest ansatzweise zu einer Abkoppelung des Aufkommens häuslicher Abfälle von den privaten Konsumausgaben.

Verbesserte Nutzung von Ressourcenpotenzialen

In beträchtlichem Umfang gesteigert wurde hingegen seit 1990 die Abschöpfungsquote für Bioabfälle und Wertstoffe aus privaten Haushalten. Das Haus- und Sperrmüllaufkommen überstieg bis einschließlich 1995 das Aufkommen der getrennt erfassten Wertstoffe und Bioabfälle. Danach kehrte sich das Verhältnis um und die Menge der für Zwecke der Verwertung gesondert erfassten Materialien nimmt seither einen höheren Anteil an den häuslichen Abfällen ein. Wertstoffe aus Haushalten setzen sich aus den Fraktionen Altpapier, Glas, Kunststoffe, Metalle sowie aus anderen sonstigen Stoffen zusammen. In allen Kreisen Baden-Württembergs erfolgte die Getrenntsammlung von Wertstoffen bereits vor Inkrafttreten der Verpackungsverordnung im Jahr 1991, jedoch anfangs in meist systemloser Form durch zum Beispiel Vereine, karitative Verbände oder Gewerbebetriebe. So kam es bereits bis Mitte der 1980er-Jahre zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der häuslichen Abfälle.

Wertstoffmenge gegenüber dem Vorjahr um 2 kg/Ea gestiegen

Seit 1990 hat sich das Aufkommen getrennt erfasster Wertstoffe aus Haushalten mehr als verdoppelt und liegt aktuell bei rund 165 kg/Ea (1,8 Mill. t). Gegenüber dem Vorjahr ist eine Zunahme um 2 kg/Ea festzustellen. Ebenfalls fast verdoppelt hat sich der Anteil der Wertstoffmenge am Gesamtaufkommen häuslicher Abfälle. Dieser hat seit 1990 um 24 Prozentpunkte auf aktuell 47 % zugenommen. Seit einigen Jahren stagniert die abgeschöpfte Wertstoffmenge im Land bei rund 160 kg/Ea. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Konsum- und Entsorgungsverhaltens wird sich das Pro-Kopf-Aufkommen ohne weitere neue Initiativen bis zum Jahr 2020 kaum verändern.

Weitere Wertstoffpotenziale im Restabfall

Unter den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs weicht die Höhe der über die örE erfassten Wertstoffmengen teils stark voneinander ab. Auch die Erfassungssysteme variieren zwischen den Kreisen. Die regional heterogenen Abschöpfungsquoten führen zu der Annahme, dass in unterschiedlichem Ausmaß weitere Wertstoffpotenziale vorhanden sind. Eine Steigerung der Mengen könnte durch entsprechende Maßnahmen seitens der Kommunen – beispielsweise durch die Einführung der gemischten Wertstofftonne – erfolgen. Ergebnisse einer Studie des ATZ Entwicklungszentrums – Teil des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik – bestätigen dies. Unter der Annahme des Maximalszenarios mit einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit sowie einer Umstellung der Erfassungssysteme auf Holsysteme für die Fraktionen Papier und Glas sowie der gleichzeitigen Einführung der gemischten Wertstofftonne wird ein zusätzliches Abschöpfungspotenzial von 17 kg/Ea ermittelt. Allein durch die Einführung der gemischten Wertstofftonne könnte – wie beispielsweise Erfahrungen mit der »Gelben Tonne Plus« in Leipzig zeigen – im Mittel eine zusätzliche Abschöpfung von 6 bis 8 kg/Ea erreicht werden.4

Ob und inwieweit die Erfassung von Elektro-Kleingeräten mit in die gemischte Wertstofftonne integriert werden kann und soll, steht derzeit noch in der Diskussion. Die von Haushalten gesondert erfassten Elektro- und Elektronikaltgeräte sind im weitesten Sinne Teil der häuslichen Abfälle, werden jedoch derzeit aus methodisch-statistischen Gründen diesen nicht zugerechnet, sondern gesondert betrachtet. Mit Blick auf eine geplante Steigerung der Wertstoffmengen zur Schonung natürlicher Ressourcen wird aufgrund des hohen Anteils verwertbarer Materialien auf diese Fraktion künftig ein erhöhtes Augenmerk gerichtet. Die Menge der Elektro- und Elektronikaltgeräte hat sich seit 1996 von rund 2,9 kg/Ea auf aktuell 7,5 kg/Ea mehr als verdoppelt. Mit dem Inkrafttreten des Elektrogesetzes im Jahr 2005 erfuhr das Aufkommen die stärkste Zunahme um 1,3 kg/Ea (2005: 5,2 kg; 20065: 6,5 kg). Im Jahr 2011 lag das absolute Aufkommen im Land der über die örE erfassten Elektro- und Elektronikaltgeräte bei über 80 000 t.

42 kg Bioabfälle je Einwohner getrennt erfasst

Die von den örE nachgewiesene Menge an getrennt erfassten Bioabfällen ist von 1990 (2 kg/Ea) bis zum Jahr 1996 (34 kg/Ea) stark angestiegen und stagniert seit 2000 bei rund 40 kg/Ea. Gegenüber dem Vorjahr nahm die Menge um rund 1 kg zu und liegt derzeit bei 42 kg/Ea. Der Anteil der Bioabfälle an den häuslichen Abfällen insgesamt konnte im Zeitraum von 1990 bis zum Jahr 2011 von nur 1 % auf 12 % erhöht werden. Diese Steigerung hängt stark mit der Etablierung der Biotonne zusammen. Diese wurde ab dem Jahr 1990 in den einzelnen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs schrittweise eingeführt, um eine verbesserte Nutzung von Bioabfallpotenzialen zu erreichen. In elf der 44 Stadt- und Landkreise werden Bioabfälle derzeit noch nicht getrennt eingesammelt, sondern zusammen mit dem Hausmüll entsorgt.6 32 Kreise haben eine flächendeckende Einführung der Biotonne vollzogen. In einem Kreis findet zwar eine separate Bioabfallerfassung statt, jedoch nicht flächendeckend.

Durch die im KrWG vorgesehene flächendeckende separate Bioabfallerfassung ab dem Jahr 2015 besteht die Möglichkeit, die Stagnation aufzubrechen. Auch ohne die Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs, das bedeutet ohne Überlassungspflicht der Bioabfälle an die kommunale Abfallentsorgung, wäre dadurch im Land eine Steigerung der getrennt erfassten Bioabfälle um bis zu 23 % zu erreichen.7

Zusätzlich abschöpfbare Bioabfallpotenziale regional sehr unterschiedlich

Die in den letzten Jahren beobachtbare Stagnation der Bioabfallmenge resultiert mitunter daraus, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Abfälle im Hausmüll landet. Auch bei den Stadt- und Landkreisen, die eine separate Entsorgung der Bioabfälle anbieten, weicht das Aufkommen teils sehr stark voneinander ab. Die Menge streut zwischen 11 kg/Ea und 133 kg/Ea um den Landesdurchschnitt von 42 kg/Ea. In Baden-Baden kann mit rund 133 kg/Ea eine besonders hohe Menge getrennt erfasster Bioabfälle nachgewiesen werden, gefolgt vom Landkreis Konstanz mit 110 kg/Ea. In Kreisen mit geringem Bioabfallaufkommen sind größere Potenziale an Bioabfällen im Hausmüll anzunehmen als in Kreisen mit jetzt schon hohen Erfassungsmengen. Das zusätzliche Bioabfallpotenzial wird in den Kreisen mit separater Bioabfallerfassung im Jahr 2011 auf Mengen zwischen 3 kg/Ea und 38 kg/Ea, in Kreisen ohne Biotonne8 zwischen 30 kg/Ea und 87 kg/Ea beziffert.9 Ziel der abfallwirtschaftlichen Maßnahmen ist es, diese Potenziale durch verbesserte Abschöpfung zukünftig für die stoffliche oder energetische Verwertung verstärkt zu nutzen.

Ausblick

Die bisherigen Anstrengungen zur Nutzung von Ressourcenpotenzialen in häuslichen Abfällen können durchaus beachtliche Erfolge aufweisen. Es lässt sich eine gegenläufige Entwicklung der Haus- und Sperrmüllmengen auf der einen und der davon separat erfassten Wertstoff- und Bioabfallmengen auf der anderen Seite erkennen. Inzwischen macht das Aufkommen verwertbarer Materialien den höheren Anteil aus. Die in den letzten Jahren nur noch geringe Steigerung der Menge verwertbarer Abfallfraktionen kann möglicherweise mit den entsprechend festgelegten Maßnahmen im neuen KrWG wieder beschleunigt werden. Durch die flächendeckende Getrenntsammlung des Bioabfalls, aber auch durch die Einführung der erweiterten Wertstofferfassung soll die getrennte Erfassung verwertbarer Abfallfraktionen gesteigert und die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft weiter forciert werden.

Eine Vermeidung häuslicher Abfälle hat bislang kaum statt gefunden. Setzt man das Aufkommen ins Verhältnis zu den steigenden privaten Konsumausgaben, können allerdings indirekte Vermeidungserfolge festgestellt werden. In welche Richtung sich das Aufkommen häuslicher Abfälle künftig entwickeln wird, hängt von einer Reihe verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von der Konzeption und Umsetzung entsprechender Maßnahmen seitens der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger – auch unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und seinen Folgen. Aber auch von Verhaltensweisen und Entscheidungen der Produkthersteller. Mit der ausdrücklichen Aufnahme der erweiterten Produktverantwortung der Hersteller im neuen KrWG wurde demgemäß ein politisches Signal gesetzt. Letztendlich spielt das Konsumverhalten der Verbraucher für den Erfolg von Vermeidungsanstrengungen eine zentrale Rolle.

1 Bevölkerungsstand jeweils am 30. Juni eines Jahres.

2 Preisbereinigt, verkettet – je Einwohner.

3 Bundesergebnisse. Landeszahlen liegen aufgrund der Revision der VGRdL noch nicht vor.

4 ATZ Entwicklungszentrum (2011): Analyse von Status und Entwicklung der Abfallwirtschaft in Baden-Württemberg zur Fortschreibung des Teilplans Siedlungsabfälle, 2. Entwurf, Sulzbach-Rosenberg, S. 12 und 103 ff.

5 Hochgerechnete Werte.

6 Einschließlich Neckar-Odenwald-Kreis. Als Pilotprojekt wurde die Bioenergietonne in der Gemeinde Rosenberg eingeführt.

7 ATZ Entwicklungszentrum (2011): Analyse von Status und Entwicklung der Abfallwirtschaft in Baden-Württemberg zur Fortschreibung des Teilplans Siedlungsabfälle, 2. Entwurf, Sulzbach-Rosenberg, S. 142 ff.

8 Einschließlich Neckar-Odenwald-Kreis.

9 Berechnungen nach ATZ-Studie.