:: 10/2012

IKT, Innovationen und Wachstum in Baden-Württemberg

Von der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) gehen vielfältige Innovationswirkungen aus. Der nachfolgende Beitrag, der auf Teilen der unlängst erschienen Studie »Digitales Baden-Württemberg«1 beruht, stellt die Bedeutung der IKT für das Innovationsgeschehen dar. Es ist jedoch außerordentlich schwierig, die Innovationstätigkeit wirtschaftsstatistisch zu erfassen. Das gilt natürlich auch für Innovationen im Bereich der IKT. Ein wesentliches Indiz für die hohe Innovationstätigkeit in diesem Techniksegment in Baden-Württemberg dürfte die hohe wirtschaftliche Dynamik des IKT-Sektors im Land sein.

IKT stimuliert Innovationen

Der »Stoff«, mit dem die Informations- und Kommunikationstechnik arbeitet, sind digitale Daten. Diese Daten lassen sich in Informationen verwandeln, die ihrerseits das Wissen der Nutzer von IKT-Geräten und -Anwendungen erhöhen. Wissen ist aber auch ein wichtiger »Rohstoff« bei der Erzeugung von Innovationen. Denn Innovationen beruhen auf Erfindungen und diese sind gekennzeichnet durch ihren Gehalt an neuem Wissen oder durch die neuartige Kombination von bestehendem Wissen. Deshalb steht wohl keine andere Technologie in einer so engen Beziehung zum Innovationsprozess wie die Informations- und Kommunikationstechnologie. Zudem besitzen nur wenige Technologien ein so hohes eigenes Potenzial für die Erzeugung von Innovationen, denn Daten und Informationen sind allgegenwärtig und die IKT lässt sich mit vielen anderen Technologien kombinieren.

Als wahre »Innovationsmaschine« hat sich das Internet erwiesen. Und zwar sowohl im Hinblick auf das Hervorbringen eigener Innovationen als auch auf die Unterstützung der Innovationstätigkeit in den verschiedensten Bereichen. Insbesondere die Steigerung der Forschungsproduktivität durch das Internet ist von außerordentlicher Bedeutung. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten profitieren von dem globalen »Informationsraum«, der durch das Internet entstanden ist und den Zugang zu neuen Daten, Wissen und Innovationspartnern ermöglicht2. Die besondere Bedeutung des Internet beruht zudem auf der Tatsache, dass der Innovationsprozess in immer stärkerem Maße arbeitsteilig abläuft. Das gilt sowohl innerhalb der innovierenden Unternehmen oder Einrichtungen, ganz besonders aber für die Koordinierung mit externen Innovationspartnern. Das können Forschungseinrichtungen, Hochschulen, beratende Institutionen, Lieferanten oder Kunden sein. Diese Akteure, die an der Entstehung einer Innovation beteiligt sind, bilden häufig ein sogenanntes Innovationssystem. Das Internet ist ein unverzichtbares Instrument zur Schaffung und effizienten Nutzung derartiger Innovationssysteme.

Innovationen messen, aber wie?

Bei Innovationen handelt es sich um neuartige oder verbesserte Produkte oder Prozesse, die wirtschaftliche Bedeutung erlangt haben. Innovationen lassen sich nur schwer messen. Häufig wird der Forschungsinput herangezogen, beispielsweise die Ausgaben oder der Personaleinsatz im Bereich von Forschung und Entwicklung. Diese inputbezogenen Maße tragen zwar dem Sachverhalt Rechnung, dass es sich bei Innovationen grundsätzlich um Produkte oder Prozesse handelt, die auf neuartigem Wissen beruhen. Aber auch wenn heute dieses neue Wissen in der Regel in einem Forschungsprozess erzeugt wird, so führt doch nicht jede Forschungsanstrengung zu einer Innovation. Ähnliches gilt für den Output des Forschungsprozesses, der sich beispielsweise in Patentanmeldungen niederschlägt. Denn nur ein Bruchteil der Patente werden zu Innovationen. Im Bereich der IKT-Patente kommt hinzu, dass die Patentierbarkeit von Software nach wie vor umstritten ist. Nur unter bestimmten Bedingungen ist Software in Deutschland und in der EU patentfähig.

In der folgenden Analyse wird dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass Innovationen kein Selbstzweck sind, sondern die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen sollen. Dies sollte sich in der anhaltende Steigerung der Wirtschaftsleistung einer Branche niederschlagen. Dabei dürfte sich die Innovationstätigkeit vor allem in Produktivitätserhöhungen, beispielsweise der Beschäftigten, manifestieren. Denn aus volkswirtschaftlicher Sicht sind Innovationen nichts anderes als eine Neukombination von Produktionsfaktoren mit dem Ergebnis erhöhter Effizienz. Diese Gleichsetzung von Innovationen und Effizienzsteigerungen wird allerdings der wirtschaftspolitischen Agenda nicht gerecht, denn Innovationen sollen auch immer zum Aufbau neuer Produktionskapazitäten führen. Deshalb dürften nachhaltige Innovationen in einem Wirtschaftszweig oder gesamtwirtschaftlich nur dann vorliegen, wenn die Produktivitätssteigerungen mit einem Kapazitätsaufbau einhergehen.

IKT-Sektor in Baden-Württemberg: hoher Wertschöpfungsbeitrag …

Wirtschaftliches Wachstum ist somit eng mit der Innovationstätigkeit verbunden. Um die Wachstumswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnik zu erfassen, wird in der Regel zwischen den Wachstumswirkungen des IKT-Sektors und dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik in der übrigen Wirtschaft unterschieden. Der IKT-Sektor umfasst dabei die Wirtschaftszweige, in denen physische Güter der Informations- und Kommunikationstechnologie produziert werden oder in denen IKT-bezogene Dienstleistungen erbracht werden.

Angaben zur Wirtschaftleistung im IKT-Sektor sind auf Landesebene nur auf sehr hohem Aggregationsniveau und aus statistischen Gründen für längere Zeiträume momentan (August 2012) nur bis zum Jahr 2010 verfügbar. Auf die drei IKT-relevanten Wirtschaftszweige »Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten«, »Rundfunk und Nachrichtentechnik« sowie »Datenverarbeitung und Datenbanken«3 entfielen im Jahr 2010 rund 3,5 % der Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg, gemessen als Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen. Die fast 150 000 Erwerbstätigen in den drei Wirtschaftszweigen des IKT-Sektors machten rund 2,6 % der Gesamtbeschäftigung in Baden-Württemberg aus. Für Deutschland lagen beide Anteilswerte etwas niedriger. Der Anteil an der Wirtschaftsleistung belief sich auf 2,5 %, der Erwerbstätigenanteil betrug 2 %. Insgesamt waren 2010 in Deutschland zusammen fast 820 000 Personen in den drei Wirtschaftszweigen »Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten«, »Rundfunk und Nachrichtentechnik« sowie »Datenverarbeitung und Datenbanken« tätig.

Seit 1995 hat die Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen im baden-württembergischen IKT-Sektor im Durchschnitt um jährlich 4,9 % zugenommen4. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum betrug dagegen lediglich 2,1 % pro Jahr. Ähnlich ausgeprägt war der Wachstumsunterschied in Deutschland. Hier belief sich die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen für den IKT-Sektor auf 4,6 %, gesamtwirtschaftlich auf 2 %. Der Beitrag des IKT-Sektors zum gesamtwirtschaftlichen jährlichen Wachstum erreichte im Zeitraum von 1995 bis 2010 in Baden-Württemberg im Mittel einen Wert von 0,14 Prozentpunkten, in Deutschland trug der IKT-Sektor im Mittel 0,09 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum bei. Damit war der Wachstumsbeitrag des IKT-Sektors im Land bezogen auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum um rund ein Drittel höher als in Deutschland. Auch im Vergleich mit anderen Branchen fällt der Wachstumsbeitrag des baden-württembergischen IKT-Sektors sehr hoch aus. So liegt er gleichauf mit dem Beitrag des Maschinenbaus in Höhe von 0,13 Prozentpunkten, obwohl der mittlere Wertschöpfungsanteil des Maschinenbaus im Zeitraum von 1995 bis 2010 mit 6,9 % mehr als doppelt so hoch war wie der mittlere Wertschöpfungsanteil des IKT-Sektors von 3,2 %.

… und starke Zunahme der Arbeitsproduktivität

Lässt sich der vergleichsweise hohe Wertschöpfungsbeitrag des IKT-Sektors im Land auf eine verstärkte Innovationstätigkeit zurückführen? Die Arbeitsproduktivität hat im Zeitraum von 1995 bis 2010 im baden-württembergischen IKT-Sektor nominal um durchschnittlich 2,6 % zugenommen. Das war eine deutlich höhere Zuwachsrate als in der Gesamtwirtschaft, in der die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen lediglich um 1,4 % gestiegen ist. Auch die Produktivitätssteigerung in so wichtigen Branchen wie dem Maschinenbau und dem Fahrzeugbau reichte mit 1,8 % und 2,3 % nicht oder nur knapp an die Zunahme im IKT-Sektor heran. Diese starke Produktivitätszunahme spricht für die hohe Bedeutung von Innovationen im IKT-Sektor des Landes, zumal auch die Zahl der Erwerbstätigen im baden-württembergischen IKT-Sektor im Zeitraum von 1995 bis 2010 um durchschnittlich 2,3 % zunahm und damit erheblich stärker stieg als die Zahl der Erwerbstätigen in der gesamten Wirtschaft mit durchschnittlich 0,7 % pro Jahr. Die Beschäftigungsdynamik im IKT-Sektor war auch deutlich höher als im Fahrzeugbau, in dem die Zuwachsrate 1,3 % betrug. Im Maschinenbau lag die Zunahme sogar nur bei 0,2 % pro Jahr.

Bundesweit erhöhte sich im IKT-Sektor die Erwerbstätigenzahl sogar noch stärker als in seinem baden-württembergischen Pendant, allerdings nahm dort die Arbeitsproduktivität weniger stark zu. In Deutschland hat offenbar vor allem der Kapazitätsaufbau im Vordergrund gestanden. Das setzt zwar eine kräftige Nachfrage (oder Förderung) voraus, ist aber nicht unbedingt ein Zeichen für eine nachhaltige Innovationstätigkeit. Aktuelle Beispiele, wie die Entwicklungen in der deutschen Solarbranche, belegen dies.

Starke Dynamik des IKT-Sektors Ende der 1990er-Jahre

Allerdings hat sich der baden-württembergische IKT-Sektor im Zeitraum von 1995 bis 2010 nicht einheitlich entwickelt. Es lässt sich eine deutliche Zweiteilung feststellen, wobei die Zäsur ungefähr durch das Platzen der »Dotcom-Blase« an den Aktienmärkten im Jahr 2001 markiert wird.5 In den Jahren von 1995 bis 2000 war die Wachstumsdynamik des IKT-Sektors in Baden-Württemberg mit einer jährlichen Steigerungsrate der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen von durchschnittlich 10 % erheblich höher als in der Dekade von 2000 bis 2010. Nach der Jahrtausendwende lag die durchschnittliche jährliche Zunahme nur noch bei 2,5 %. Entsprechendes gilt für Deutschland. Die Wachstumsraten des IKT-Sektors erreichten hier Ende der 1990er-Jahre im Mittel 9,5 %, ab dem Jahr 2000 beliefen sie sich durchschnittlich nur noch auf 2,1 % pro Jahr.

Wie verteilte sich nun die Zunahme der Wertschöpfung auf die Veränderung der Produktivität und auf Kapazitätserhöhungen? Das hohe Wachstum des IKT-Sektors in der Periode von 1995 bis 2000 ging mit einer sehr starken Zunahme der Arbeitsproduktivität einher. Die Zuwachsrate von durchschnittlich 5,7 % pro Jahr lag erheblich über der gesamtwirtschaftlichen Zunahme der Arbeitsproduktivität in Höhe von 1,3 %. Selbst im baden-württembergischen Maschinenbau, der in dieser Periode ebenfalls starke Produktivitätssteigerungen erzielte, lag die Steigerungsrate mit 3,8 % deutlich niedriger als im IKT-Sektor. Generell setzen hohe Produktivitätssteigerungen bei der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen voraus, dass an irgendeiner Stelle des Produktionsprozesses der Input an Wissen erhöht wurde, und es damit auch zu einer Neukombination von Wissen gekommen ist. Auf einer abstrakten Ebene wäre so eine der beiden Bedingungen für das Vorliegen von Innovationen erfüllt. Aber haben diese Verbesserungen, sei es in Form neuer Produkte oder verbesserter Produktionsprozesse, auch eine nachhaltige wirtschaftliche Bedeutung erlangt? Der Aufbau von Produktionskapazitäten könnte als Hinweis darauf zu werten sein. Er würde belegen, dass die Produktivitätssteigerungen zu einer substantiellen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beigetragen haben. Während im Maschinenbau in den Jahren von 1995 bis 2000 die Beschäftigung stagnierte, kam es im baden-württembergischen IKT-Sektor zu einer massiven Beschäftigungsausweitung mit einer Zuwachsrate von im Mittel 4,4 % pro Jahr. Gerade diese Konstellation aus dynamischem Kapazitätsaufbau und starker Produktivitätsausweitung lässt darauf schließen, dass Innovationen bei den Produkten und bei den Produktionsprozessen im baden-württembergischen IKT-Sektor Ende der 1990er-Jahre eine wichtige Rolle gespielt haben.

In den Jahren von 2000 bis 2010 war die Wachstumsrate des IKT-Sektors sowohl in Baden-Württemberg als auch in Deutschland deutlich geringer als Ende der 1990er-Jahre. Im baden-württembergischen IKT-Sektor lag die Steigerungsrate der Arbeitsproduktivität mit einem Plus von durchschnittlich 1,2 % pro Jahr sogar etwas unter dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs in Höhe von durchschnittlich 1,5 %. Im deutschen IKT-Sektor stagnierte in den Jahren seit 2000 sogar die Arbeitsproduktivität, allerdings war der Beschäftigungsaufbau im deutschen IKT-Sektor stärker als in seinem baden-württembergischen Pendant. Deutschlandweit stieg die Zahl der IKT-Beschäftigten nach 2000 um durchschnittlich 2,3 % pro Jahr während in Baden-Württemberg die mittlere Zuwachsrate nur bei 1,3 % lag.

Auch in den Jahren nach 2000 setzten sich damit, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau, im baden-württembergischen und im deutschen IKT-Sektor die Entwicklungsmuster fort, die schon Ende der 1990er-Jahre zu beobachten waren: Im baden-württembergischen IKT-Sektor nahm die Arbeitsproduktivität stärker zu als die Beschäftigung, während deutschlandweit genau das Umgekehrte galt. Da eine nachhaltige Innovationstätigkeit nicht ohne eine anhaltende Erhöhung der Produktivität möglich ist, dürfte dies belegen, dass auch in der Zeit nach 2000 die Innovationstätigkeit im baden-württembergischen IKT-Sektor zumindest im Vergleich mit der Branche in Deutschland ein überdurchschnittlich hohes Gewicht hatte.

Der IKT-Sektor im Land hat sich seit 1995 grundlegend gewandelt

Der bisherige Befund relativiert sich etwas, wenn man die einzelnen Branchen, aus denen sich der IKT-Sektor zusammensetzt, separat betrachtet. Die Wirtschaftszweige entwickelten sich höchst unterschiedlich.

Die Wirtschaftsleistung im IKT-Dienstleistungssektor, der durch den Wirtschaftszweig »Datenverarbeitung und Datenbanken« repräsentiert wird, wuchs Ende der 1990er-Jahre mit durchschnittlichen jährlichen Steigerungsraten der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen in Höhe von 15,6 %. Auch noch nach 2000 erhöhte sich die Wertschöpfung in diesem Wirtschaftszweig mit einem Plus von 5,2 % stärker als die gesamtwirtschaftliche Wirtschaftsleistung. Während aber im Zeitraum von 1995 bis 2000 die Zunahme der Erwerbstätigenzahl mit 11,2 % pro Jahr mehr als doppelt so stark war wie die Zunahme der Arbeitsproduktivität in Höhe von 4,4 %, glich sich die Entwicklung der beiden Größen nach 2000 an. Im Zeitraum von 2000 bis 2010 war das Beschäftigungsplus von 3 % nur noch um die Hälfte höher als die Veränderungsrate der Arbeitsproduktivität mit 2,2 %. Die Effizienzsteigerung hat gegenüber der Kapazitätsausweitung also relativ an Bedeutung gewonnen.

Bei den beiden Wirtschaftszweigen, die die Herstellung von physischen IKT-Gütern repräsentieren, der »Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten und -einrichtungen« sowie der »Rundfunk- und Nachrichtentechnik«, verlief die Entwicklung der Wertschöpfung bereits Ende der 1990er-Jahre erheblich weniger dynamisch als bei den IKT-Dienstleistungen. Die Hersteller von Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten konnten die branchenspezifische Wirtschaftsleistung lediglich um 2,2 % pro Jahr steigern, die Hersteller von Rundfunk- und Nachrichtentechnik erreichten immerhin eine Steigerungsrate von 5 %. Bereits die hohen Zuwächse bei der Arbeitsproduktivität Ende der 1990er-Jahre, die deutlich über der Effizienzsteigerung bei den Anbietern von IKT-Dienstleistungen lagen, wurden durch Beschäftigungsabbau erzielt. Dieser fiel insbesondere bei den Herstellern von Büromaschinen mit einer Veränderungsrate von – 6,8 % sehr stark aus. Der Beschäftigungsrückgang in den beiden Branchen hielt auch nach der Jahrtausendwende an, allerdings ging in diesen Jahren auch die Arbeitsproduktivität in beiden Branchen zurück.

Im IKT-Sektor sind Wirtschaftszweige zusammengefasst, die sich im Hinblick auf die erstellten Güter sowie die Markt- und Produktionsverhältnisse sehr stark voneinander unterscheiden. Diese Heterogenität hat dazu geführt, dass sich der IKT-Sektor in Baden-Württemberg und in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre grundlegend gewandelt hat. Die Hersteller von IKT-Geräten, die 1995 noch den »Löwenanteil« der Wertschöpfung in der Branche erbrachten, trugen 2010 nur noch knapp ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei. Die Bedeutung der IKT-Dienstleistungen hat demgegenüber ganz erheblich zugenommen. Gefördert wurde dieser starke Wandel der IKT-Branche durch die hohe Dynamik der Informations- und Kommunikationstechnologie. Während die Anbieter von IKT-Dienstleistungen massiv von der steigenden Informatisierung weiter Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche sowie der Verbreitung des Internets profitiert haben dürften, konnten die Produzenten von IKT-Geräten dem sehr hohen internationalen Wettbewerbsdruck im Produktionsbereich offenbar nicht standhalten.

Wachstumswirkungen durch die Nutzung von IKT sind in Deutschland zwar gering, …

In Baden-Württemberg dürften wie in den meisten Industrieländern die Wachstumseffekte durch die Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnik in den unterschiedlichsten Branchen und in der Verwaltung weitaus größer sein als der direkte Wachstumsimpuls aus der IKT-Branche selbst. Allerdings lassen sich die Wachstumswirkungen des IKT-Einsatzes in den Anwenderbranchen nur schwer quantifizieren. Die OECD geht davon aus, dass im Zeitraum von 2000 bis 2009 Investitionen in IKT-Güter, die stellvertretend für die Nutzung des IKT-Kapitals herangezogen wurden, rund 0,19 Prozentpunkte zum preisbereinigten durchschnittlichen jährlichen Wachstum in Deutschland in Höhe von 0,54 % beigetragen haben. Anders als der Faktor »Arbeit«, der laut OECD in Deutschland das Wachstum um durchschnittlich 0,24 Prozentpunkte vermindert hat, haben die IKT-Investitionen damit einen positiven Wachstumsbeitrag geleistet. Dieser fällt sogar etwas höher aus als der Beitrag der Investitionen in sonstige Kapitalgüter zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Allerdings ist der Wachstumsbeitrag der IKT-Investitionen in Deutschland unter den 20 Ländern, die von der OECD betrachtet wurden, am geringsten. In den Vereinigten Staaten, die mit – 0,35 Prozentpunkten ebenfalls einen negativen Wachstumsbeitrag des Faktors Arbeit aufweisen, war der Beitrag der IKT-Investitionen mehr als doppelt so hoch.

… der IKT-Beitrag zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist jedoch vergleichsweise hoch

Die Innovationswirkungen durch die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie sollten sich insbesondere in der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität niederschlagen. Dabei lassen sich zwei Wirkungskanäle unterscheiden:

  • 1. Die direkten Effekte der IKT-Nutzung auf die Arbeitsproduktivität, die sich auf die Höhe des IKT-Kapitalstocks je Erwerbstätigen zurückführen lassen.
  • 2. Die indirekten Effekte des IKT-Einsatzes auf die Arbeitsproduktivität, die sich zwar ebenfalls aus der Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik ergeben, aber nicht direkt an den IKT-Kapitalstock je Erwerbstätigen gekoppelt sind.

Der vermehrte Einsatz von Kapital je Erwerbstätigen wird als »capital-deepening« bezeichnet. Er wirkt tendenziell erhöhend auf die Arbeitsproduktivität. Bei informations- und kommunikationstechnischen Gütern kommt dem capital-deepening eine besondere Bedeutung zu, weil diese Güter einem starken technologischen Fortschritt unterworfen sind und sie damit die Träger der informationstechnischen Innovationen sind. Die OECD ermittelte für den Zeitraum von 1995 bis 2008 eine durchschnittliche Zunahme der realen Arbeitsproduktivität in Deutschland von 1,19 %. Der Beitrag der IKT-Investitionen zu dieser Erhöhung belief sich auf 0,28 Prozentpunkte, machte damit also immerhin rund ein Viertel des Produktivitätszuwachses aus. Der relative Beitrag der IKT-Investitionen zum Wachstum der Arbeitsproduktivität in Deutschland ist damit durchaus vergleichbar mit Werten von Ländern wie Schweden, Finnland oder den Vereinigten Staaten.

Indirekte Wachstumswirkungen der IKT gewinnen an Bedeutung

Die Informations- und Kommunikationstechnik hat mit dem Internet die Verbreitung und die Verfügbarkeit von Wissen revolutioniert. Dabei spielen insbesondere Effekte eine große Rolle, die sich den traditionellen Marktmechanismen entziehen. Dazu gehören die sogenannten externen Effekte, die dann gegeben sind, wenn Unternehmen durch die Anwendung der IKT in einem anderen Unternehmen oder sonstigen Einrichtungen profitieren, ohne diesen Nutzen zu vergüten.

Ein wichtiger externer Effekt des Internets besteht in seinem Netzwerkeffekt.6 Bei steigender Anwenderzahl nimmt auch der Nutzen des Internets für die bereits vorhandenen Internetnutzer zu. Bei vielen Innovationseffekten des Internets wie beispielsweise der besseren Erreichbarkeit von neuen Innovationspartnern oder der verbesserten Zugänglichkeit von neuen Wissensquellen handelt es sich im Grunde um Netzwerkeffekte. Diese Effekte des Internets sind entscheidend für die Erhöhung der Forschungsproduktivität. Neben den Netzwerkeffekten zählen auch spillover-Effekte zu den externen Effekten des Internets. Unternehmen profitieren dabei von dem Wissen, das in anderen Institutionen geschaffen wurde, ohne eine monetäre Gegenleistung für dieses Wissen zu erbringen. Dieser Effekt kann eng mit dem Netzwerkeffekt verbunden sein, beispielweise wenn es um die Nutzung von im Netz frei verfügbaren Inhalten geht. In Bezug auf IKT-spezifisches Wissen kommt dabei aber auch dem Transfer von IKT-Wissen durch Arbeitskräfte, beispielsweise bei einem Arbeitsplatzwechsel, eine große Bedeutung zu.

Obwohl die externen Effekte gerade von IKT sehr hoch sind, und in ihnen oft ein wichtiger Unterschied zu den übrigen Kapitalgütern gesehen wird, ist es nicht einfach, diesen Effekt quantitativ zu bestimmen. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sind diese externen Effekte in der Restgröße enthalten, die von der OECD bei der Bestimmung der Wachstumsbeiträge der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit ermittelt wurde. Diese Restgröße kann einen beträchtlichen Umfang erreichen. Nach Angaben der OECD entfielen 0,43 Prozentpunkte der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate im Zeitraum von 2000 bis 2009 in Deutschland in Höhe von 0,54 % auf diese sogenannte »totale Faktorproduktivität«7 Allerdings sind die externen Effekte von IKT nicht die einzigen Effekte, die sich in der totalen Faktorproduktivität niederschlagen. Grundsätzlich gehen die Effekte aller Veränderungen der Produktionsbedingungen, die sich nicht den einzelnen Produktionsfaktoren zuschreiben lassen und so durch deren Einsatzmenge erfasst werden, in den Wachstumsbeitrag der totalen Faktorproduktivität ein.

1 Knödler, Reinhard/Tanzmann, Lars (2012), Digitales Baden-Württemberg, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.

2 Boes, Andreas, (2012), Informatisierung der Gesellschaft und Zukunft der Arbeit, Redemanuskript, pdf-Dokument.

3 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003).

4 Die nachfolgende Analyse beschränkt sich auf die Veränderung der nominalen Wirtschaftsleistung im IKT-Sektor. Die beträchtlichen Preisschwankungen bei informations- und kommunikationstechnischen Gütern erschweren nach wie vor die Berechnung von preisbereinigten Werten für diesen Wirtschaftsbereich.

5 Da die drei Teilbranchen allerdings nicht gleichzeitig diese Trendumkehr erlebt haben, werden im Folgenden die Zeiträume von 1995 bis 2000 und von 2000 bis 2010 betrachtet.

6 Dunnewijk, Theo et al. (2007), Accounting for the Impact of Information and Communication Technologies on Total Factor Productivity, Europäische Kommission, pdf-Dokument, S. 13 ff.

7 Der hohe Wachstumsbeitrag der totalen Faktorproduktivität in Deutschland dürfte auch eine Folge des von der OECD berechneten negativen Beitrags des Produktionsfaktors Arbeit sein.