:: 10/2012

Aktuelle Aspekte der Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg

Das Arbeitsmarktgeschehen ist einem stetigen Wandel unterworfen. Der vorliegende Beitrag dokumentiert und analysiert einige Aspekte der aktuellen Entwicklung und Situation. Zu beobachten ist sowohl ein Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen als auch eine wachsende Erwerbsbeteiligung. Allerdings ist eine zunehmende Zahl von Berufstätigen ohne feste Anstellung, vor allem Berufseinsteiger haben überdurchschnittlich häufig einen Zeitvertrag. Unter den Führungskräften im Land dominieren nach wie vor die Männer, obwohl die Zahl der Frauen unter den Berufstätigen in leitender Position stetig größer wird. Auch die Zahl der Selbstständigen ist in den letzten Jahren überproportional angewachsen. Im Jahr 2011 waren somit mehr als 10 % der Erwerbstätigen im Land Selbstständige.

Erwerbsbeteiligung in Baden-Württemberg höher als in Bund und EU

In Baden-Württemberg waren nach den Ergebnissen des Mikrozensus im Jahr 2011 rund 5,5 Mill. Menschen erwerbstätig1, davon gut 2,5 Mill. Frauen und knapp 3 Mill. Männer. Seit 1990 ist somit die Zahl der Erwerbstätigen im Land um rund 750 000 angestiegen, was einem stattlichen Zuwachs von knapp 16 % entspricht. Auch die Erwerbsbeteiligung – das heißt der Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren an der Bevölkerung in dieser Altersgruppe – hat sich seit Anfang der 1990er-Jahre erhöht. Damals lag die Erwerbstätigenquote im Land noch bei 70,4 %, 2011 bereits bei 75,5 %.2 Damit weist Baden-Württemberg im Ländervergleich eine über dem Bundesdurchschnitt liegende Erwerbstätigenquote auf und befindet sich nur knapp hinter dem Spitzenreiter Bayern, wo die Erwerbsbeteiligung im Jahr 2011 bei 76 % lag. Die niedrigsten Erwerbstätigenquoten hatten die beiden Stadtstaaten Bremen (66,7 %) und Berlin (66,9 %).

Die Erwerbsbeteiligung in Baden-Württemberg war mit 75,5 % auch höher als die im Durchschnitt aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union (durchschnittliche Erwerbstätigenquote 64,2 %). Die EU-weit höchste Erwerbsbeteiligung war mit 74,9 % in den Niederlanden zu finden, gefolgt von Schweden (74,1 %) und Dänemark (73,1 %). Schlusslicht in Sachen Erwerbstätigenquoten bilden Griechenland (55,6 %), Ungarn (55,8 %) und Italien (56,9 %).

Auch die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen steigt im Land an. So stehen heute von den 55- bis unter 65-Jährigen noch 66,5 % aktiv im Berufsleben. Anfang der 1990er-Jahre lag die Erwerbstätigenquote der Älteren noch bei 47,5 %.

Selbstständigenanteil in Baden-Württemberg im Ländervergleich im Mittelfeld

Gut 10 % der Berufstätigen in Baden-Württemberg (rund 571 000) sind Selbstständige. Als Selbstständige zählen nach der Definition des Mikrozensus alle Personen, die ein Unternehmen, einen Betrieb oder eine Arbeitsstätte gewerblicher oder landwirtschaftlicher Art wirtschaftlich oder organisatorisch als Eigentümerinnen und Eigentümer oder Pächterinnen und Pächter leiten. Die Selbstständigen sind somit eine sehr heterogene Gruppe, zu der selbstständige Handwerker und Landwirte genauso gehören wie freiberuflich Tätige – zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, Anwältinnen und Anwälte oder Unternehmerinnen und Unternehmer. Von den rund 571 000 Selbstständigen hatten gut 258 000 (etwa 45 %) Beschäftigte, knapp 313 000 (rund 55 %) waren sogenannte »Solo-Selbstständige«. Gegenüber 1990 ist die Zahl der Selbstständigen überproportional, nämlich um rund 35 % angestiegen. Bei der Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen insgesamt war demgegenüber ein Zuwachs von knapp 16 % zu beobachten.

2011 waren bundesweit 11 % aller Berufstätigen Selbstständige. Im Bundesländervergleich liegt der Selbstständigenanteil in Baden-Württemberg mit 10,4 % somit im Mittelfeld. Besonders hohe Selbstständigenanteile sind mit gut 17 bzw. knapp 15 % in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg zu beobachten. Niedriger als in Baden-Württemberg liegen die Selbstständigenanteile in Nordrhein-Westfalen (10,3 %), Thüringen (10,2 %), Niedersachsen (10,1 %), Mecklenburg-Vorpommern (9,6 %), dem Saarland (8,3 %) und mit 8 % in Sachsen-Anhalt.

Übereinstimmend ist für Deutschland und für alle Bundesländer zu beobachten, dass Männer wesentlich häufiger eine Tätigkeit als Selbstständige ausüben als Frauen. So waren im Jahr 2011 in Baden-Württemberg zwar über 13 % der berufstätigen Männer, jedoch nur 7 % der Frauen Selbstständige. In Berlin war sogar mehr als jeder fünfte erwerbstätige Mann (gut 22 %) selbstständig, aber nur rund 12 % der berufstätigen Frauen. In Deutschland arbeiteten 2011 insgesamt 14 % der berufstätigen Männer gegenüber knapp 8 % der Frauen als Selbstständige.

Auffallend ist auch die Altersstruktur der Selbstständigen. Unter den Selbstständigen sind deutlich weniger jüngere Menschen und viel mehr Ältere als unter den Erwerbstätigen insgesamt. So waren unter den erwerbstätigen Baden-Württembergern insgesamt rund 41 % jünger als 40 Jahre, unter den Selbständigen befand sich jedoch nur gut jeder Fünfte in dieser Altersgruppe. Umgekehrt lag der Anteil der 65 Jahre und älteren Personen bei den Erwerbstätigen insgesamt bei gut 2 %, unter den Selbstständigen waren es mit rund 8 % erheblich mehr Ältere.

Selbstständige arbeiten vor allem im Dienstleistungssektor

Nahezu jeder zweite baden-württembergische Selbstständige arbeitete 2011 im Wirtschaftsbereich »Sonstige Dienstleistungen«. Hierzu zählen die Bereiche »Finanz- und Versicherungsdienstleistungen«, »Grundstücks- und Wohnungswesen, wirtschaftliche Dienstleistungen«, »Öffentliche Verwaltung und ähnliches« sowie »Öffentliche und private Dienstleistungen«. Überproportional stark vertreten waren Selbstständige auch im Bereich »Handel und Gastgewerbe, Verkehr und Kommunikation« (rund 26 %) sowie in der Land- und Forstwirtschaft (5 %). Im »Produzierenden Gewerbe« waren Selbstständige mit einem Anteil an allen Erwerbstätigen von rund 19 % nur unterdurchschnittlich vertreten. Von allen Erwerbstätigen arbeiteten knapp 35 % im »Produzierenden Gewerbe«, etwa 41 % in den »Sonstigen Dienstleistungen«, fast 23 % im Bereich »Handel und Gastgewerbe, Verkehr und Kommunikation« und gerade noch gut 1 % in der Land- und Forstwirtschaft.

Unternehmerinnen und Unternehmer bildeten die größte Berufsgruppe der Selbstständigen mit knapp 10 % aller Selbstständigen. An zweiter und dritter Stelle fanden sich die Ärzte und Apotheker sowie die Groß- und Einzelhandelskaufleute mit jeweils knapp 5 %. Gut 4 % aller Selbstständigen waren Landwirte.

Durchschnittlich geleistete Arbeitszeit bei den Selbstständigen deutlich über dem Durchschnitt

Nach wie vor leisten Selbstständige – gemessen an der normalerweise geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit – ein quantitativ gesehen weit überdurchschnittliches Arbeitspensum. Die normalerweise geleistete Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen lag 2011 bei durchschnittlich 35,2 Stunden, wobei bei diesem Wert auch die Wochenarbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten enthalten ist. Die wöchentliche Arbeitszeit der Selbstständigen fiel mit 43,5 Stunden erheblich höher aus, während die wöchentliche Arbeitszeit der abhängig Beschäftigten durchschnittlich 34,3 Stunden betrug.

Immer mehr Berufstätige im Land sind ohne Festanstellung

Im Jahr 2011 hatten von den insgesamt knapp 4,7 Mill. abhängig Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) in Baden-Württemberg rund 495 000 Personen nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Demnach waren nahezu 11 % aller abhängig Erwerbstätigen im Land ohne Festanstellung.

In den letzten 10 Jahren hat die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse überproportional zugenommen. Während die Zahl der abhängig Erwerbstätigen, also der Angestellten, Beamten und Arbeiter, gegenüber 2002 um rund 10 % angestiegen ist, ist bei den abhängig Erwerbstätigen ohne festen Arbeitsvertrag eine Zunahme von knapp 55 % zu verzeichnen. Gegenüber 1992 hat sich die Zahl der Erwerbstätigen ohne festen Arbeitsplatz mit einem Plus von rund 113 % sogar mehr als verdoppelt. Frauen sind dabei etwas häufiger als Männer in befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu finden. Gut 11 % der abhängig beschäftigten Frauen gegenüber 10 % der Männer befanden sich in einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis.

Befristete Arbeitsverträge häufig im Dienstleistungssektor

Junge Berufstätige haben überdurchschnittlich häufig einen Zeitvertrag. So waren im Jahr 2011 rund 28 % der abhängig Erwerbstätigen im Alter von unter 30 Jahren ohne feste Anstellung. Mehr als jeder zweite befristet Beschäftigte im Land (rund 53 %) war 2011 unter 30 Jahre alt. Befristete Arbeitsverträge stellen somit mittlerweile für viele jüngere Arbeitskräfte den Einstieg in das Berufsleben dar. Mit zunehmendem Alter der abhängig Erwerbstätigen sinkt der Anteil der befristet Beschäftigten.

Überdurchschnittlich häufig sind befristete Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor anzutreffen. Nahezu 56 % aller befristet Beschäftigten arbeiteten im Wirtschaftsbereich »Sonstige Dienstleistungen«, der Anteil der Erwerbstätigen dieses Bereichs an allen abhängig Beschäftigten lag hingegen lediglich bei rund 41 %. Insbesondere im Wirtschaftszweig »Öffentliche und private Dienstleistungen« wiesen mit einem Anteil von gut 17 % überproportional viele Erwerbstätige einen Zeitvertrag auf. Die abhängig Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe hatten hingegen seltener befristete Arbeitsverträge. Während gut 36 % aller baden-württembergischen abhängig Erwerbstätigen im sekundären Sektor arbeiteten, entfielen von den abhängig Erwerbstätigen mit befristeter Stelle lediglich rund 25 % auf diese Branche.

Auffällig ist, dass sich Erwerbstätige ohne berufliche Qualifikation weitaus häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen befinden als ihre Kollegen mit einem Berufs- bzw. Hochschulabschluss. So lag im Jahr 2011 der Anteil der abhängig Erwerbstätigen ohne beruflichen Bildungsabschluss bei rund 17 %, unter den Erwerbstätigen, deren Arbeitsvertrag befristet war, jedoch bei knapp 33 %.

Frauen rücken verstärkt in Führungspositionen auf, dennoch sind die »Chefs« nach wie vor überwiegend Männer

Im Jahr 2011 übten in Baden-Württemberg knapp 320 000 Erwerbstätige (das sind rund 6 % aller Erwerbstätigen) eine Führungsposition aus. Chefinnen stellen unter den Führungskräften allerdings noch immer eine Minderheit dar. Rund 245 000 Männer, jedoch nur knapp 75 000 Frauen hatten eine Führungsposition inne. Gemessen am Frauenanteil unter den Erwerbstätigen insgesamt, der im Jahr 2011 bei gut 46 % lag, sind weibliche Führungskräfte mit rund 23 % an allen Führungskräften noch immer deutlich unterrepräsentiert. Drei von vier Führungspositionen sind mit Männern besetzt.

Die Betrachtung nach Branchen zeigt, dass Frauen unter den Führungspositionen aller Wirtschaftsbereiche unterrepräsentiert sind. Prozentual am stärksten vertreten waren Frauen in den Chefetagen der Öffentlichen Verwaltung (rund 38 %) sowie im Wirtschaftsbereich »Grundstücks- und Wohnungswesen, wirtschaftliche Dienstleistungen« (gut 34 %). Im Bereich »Handel, Reparatur von KFZ, Gastgewerbe« lag der Frauenanteil unter den Führungskräften bei rund 26 % und im »Bergbau und verarbeitenden Gewerbe« bei lediglich gut 14 %2.

Teilzeitbeschäftigungen sind bei Erwerbstätigen, die eine Führungsposition ausüben, nur selten zu beobachten. So arbeiteten lediglich rund 6 % der baden-württembergischen Führungskräfte in Teilzeit, von den Frauen in Führungspositionen 17 %. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen Erwerbstätigen liegt hingegen bei knapp 29 %, bei den Frauen bei rund 51 %.

Wesentliche Ursachen für die unterdurchschnittliche Präsenz von Frauen in Führungspositionen dürften unter anderem im durchschnittlich niedrigeren beruflichen Qualifikationsniveau der älteren Frauen, der wesentlich höheren Teilzeitbeschäftigung und in familiär bedingten beruflichen Ausfallzeiten begründet sein. Der längerfristige Vergleich zeigt dennoch, dass immer mehr Frauen im Land in Führungspositionen aufrücken. Im Jahr 1996 waren unter den Berufstätigen in leitender Position knapp 14 % Frauen, im Jahr 2000 waren es rund 16 % und 2011 gut 23 %.

Im Vergleich der Bundesländer und zum Bundesdurchschnitt zeigt sich in Baden-Württemberg in Sachen Frauen in Führungspositionen jedoch noch Nachholbedarf. So liegt Baden-Württemberg mit einem Anteil von Frauen in Führungspositionen von gut 23 % unter dem Bundesdurchschnitt von knapp 26 %. Überdurchschnittliche Frauenanteile sind vor allem in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie in den Neuen Ländern zu finden.

1 Erwerbstätige sind nach dem Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, die in der jeweiligen Berichtswoche mindestens 1 Stunde gearbeitet haben, unabhängig von der Bedeutung dieser Tätigkeit für den Lebensunterhalt. Im Rahmen des Mikrozensus werden Erwerbstätige am Wohnort erfasst.

2 Erwerbstätigenquoten in der Abgrenzung nach Eurostat-Definition.

3 Aufgrund geringer Fallzahlen konnten nur die aufgeführten Branchen in die Betrachtung einbezogen werden.