:: 11/2012

Gerichtlich registrierte Kriminalität im Südwesten auf historischem Tiefststand

Die Verurteiltenhäufigkeit, die als Maß für die gerichtlich registrierte Kriminalitätsbelastung gilt, ist 2011 in Baden-Württemberg das vierte Mal in Folge gesunken. Sie erreichte mit 1 158 Verurteilten je 100 000 Einwohner im strafmündigen Alter ab 14 Jahren den niedrigsten Wert seit der Gründung Baden-Württembergs im Jahr 1952. Darüber hinaus wies Baden-Württemberg bundesweit die zweitniedrigste Straftatenhäufigkeit auf. Von den rund 128 600 Personen, die sich vor baden-württembergischen Gerichten verantworten mussten, wurden 108 200 rechtmäßig verurteilt, 1,8 % weniger als ein Jahr zuvor. Bei den jüngeren Altersgruppen gingen die Verurteiltenzahlen besonders stark zurück. Auch die Zahl der verurteilten Frauen ist gegenüber 2010 um 2,7 % gesunken. Die Zahl der Verurteilten mit ausländischer Staatsangehörigkeit stieg im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht um 0,6 %, die Verurteiltenhäufigkeit ist dennoch zurückgegangen. Fast drei Viertel aller Schuldsprüche betrafen die fünf größten Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte, Betrug und Untreue, Diebstahl, Drogen- und Gewaltdelikte. Bei vier der fünf Straftatengruppen ging die Zahl der Verurteilungen zurück, prozentual am stärksten bei den Gewaltdelikten. Lediglich bei den Straßenverkehrsdelikten setzte sich 2011 der Abwärtstrend bei der Zahl der Verurteilten nicht weiter fort.

Baden-Württemberg: Geringe Straftatenhäufigkeit, hohe Aufklärungsquote

Im Jahr 2011 wurden in Baden-Württemberg 582 800 Straftaten polizeilich registriert. Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern auf der Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik waren dies 10 800 Fälle bzw. 1,9 % mehr als 1 Jahr zuvor. Die Straftatenhäufigkeit, die wegen ihres Bezugs zur Einwohnerzahl einen regionalen Vergleich der polizeilich registrierten Straftaten ermöglicht, ist um 1,8 % auf 5 420 Straftaten je 100 000 Einwohner gestiegen. Vergleicht man diese Straftatenhäufigkeit als Maß für die polizeilich registrierte Kriminalitätsbelastung nach Bundesländern, liegt Baden-Württemberg im Jahr 2011 weit unter dem bundesweiten Durchschnitt von 7 328. Baden-Württemberg wies die zweitniedrigste Straftatenhäufigkeit unter den Bundesländern auf, hinter Bayern mit 4 969 registrierten Straftaten je 100 000 Einwohner. Bei der Straftatenhäufigkeit ist ein Nord-Süd-Gefälle in der Kriminalitätsbelastung zu beobachten.

Auch die Aufklärungsquote – eine weitere wichtige Kennzahl der Polizeilichen Kriminalstatistik – fiel für Baden-Württemberg überdurchschnittlich aus. Im Südwesten konnte die Polizei in 58,6 % aller Fälle den bzw. die Täter ermitteln. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Aufklärungsquote in Baden-Württemberg um 1,3 Prozentpunkte gesunken. Angaben des Landeskriminalamts Baden-Württemberg zufolge war hierfür ausschlaggebend, dass im Jahr 2011 insbesondere die Zahl der Diebstähle und Sachbeschädigungen zugenommen hat, die eine vergleichsweise geringe Aufklärungsquote haben. Gleichzeitig ist die Zahl der Vermögens- und Fälschungsdelikte, die eine hohe Aufklärungsquote aufweisen, zurückgegangen1 Die Aufklärungsquote lag in Baden-Württemberg um fast 4 Prozentpunkte über dem deutschlandweiten Durchschnitt (54,7 %). Thüringen war mit 65,1 % das Land mit der höchsten Aufklärungsquote. Die Zahl der Tatverdächtigen ist in Baden-Württemberg 2011 um 0,7 % auf 228 600 gesunken (siehe i-Punkt).

Geringste Verurteiltenhäufigkeit seit der Landesgründung 1952

Im Jahr 2011 mussten sich 128 600 Personen vor baden-württembergischen Gerichten verantworten. Bei 108 200 Beschuldigten bzw. 84 % kam es zu einer Verurteilung. Das sind 2 000 Personen oder 1,8 % weniger als 1 Jahr zuvor und war seit 2007 die vierte Abnahme in Folge. In den übrigen 20 400 Fällen wurden die Strafverfahren entweder durch Einstellung, Freispruch oder sonstige Entscheidungen wie der Anordnung von Maßnahmen der Besserung und Sicherung abgeschlossen. Für einen zeitlichen Vergleich wird die Verurteiltenhäufigkeit unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung berechnet. Diese betrug aktuell 1 158 Verurteilte je 100 000 Einwohner im strafmündigen Alter ab 14 Jahren und ist im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 % gesunken. Die Verurteiltenhäufigkeit gilt als Maß für die gerichtlich registrierte Kriminalitätsbelastung. Sie erreichte 2011 den niedrigsten Wert seit der Gründung Baden-Württembergs im Jahr 1952.

Unter den gerichtlich Verurteilten insgesamt besaßen 30 000 Personen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Ihre Zahl ist 2011 im Vergleich zum Vorjahr leicht um 180 Schuldsprüche bzw. 0,6 % gestiegen. Der Anteil der nichtdeutschen Verurteilten an den Verurteilten insgesamt betrug 27,7 %. Die Zahl der deutschen Verurteilten fiel dagegen um 2 200 oder 2,7 % auf 78 200. Anders als die Verurteiltenzahl ist die Verurteiltenhäufigkeit der ausländischen Bevölkerung 2011 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, und zwar um 1 %. Bei der deutschen Bevölkerung betrug das Minus bei der Verurteiltenhäufigkeit 2,9 %.

Rückgang der Verurteiltenhäufigkeit vor allem bei Jugendlichen und Heranwachsenden

2011 waren von den insgesamt rund 108 200 Verurteilten 90 300 Erwachsene im Alter von mindestens 21 Jahren, 10 700 Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren und 7 200 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. Während im Vergleich zum Jahr 2010 bei den Erwachsenen die Verurteiltenzahl lediglich um 0,9 % gesunken ist, nahm die Zahl der Schuldsprüche bei den Jugendlichen und den Heranwachsenden um 6,4 bzw. 6,3 % ab. Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung in den drei Altersgruppen ging die Verurteiltenhäufigkeit bei den Jugendlichen um 5,5 %, bei den Heranwachsenden um 5,7 % und bei den Erwachsenen um 1,3 % zurück.

Mit lediglich 1 063 Verurteilungen je 100 000 gleichaltrige Einwohner erreichte die Verurteiltenhäufigkeit in der Altersgruppe der Erwachsenen im Jahr 2011 den niedrigsten Wert seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg. Den zweitniedrigsten Wert mit 1 542 Schuldsprüchen je 100 000 gleichaltrige Einwohner wies die Altersgruppe der Jugendlichen auf. Ihre Verurteiltenhäufigkeit ist das vierte Mal in Folge gesunken und erreichte damit etwa ein so niedriges Niveau wie zuletzt im Jahr 1997. Bei den Heranwachsenden geht die Verurteiltenhäufigkeit seit dem Jahr 2004 spürbar zurück und lag 2011 so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Dennoch ist bei den 18- bis unter 21-Jährigen die Verurteiltenhäufigkeit mit 2 780 Schuldsprüchen je 100 000 gleichaltrige Einwohner unter allen Altersgruppen mit Abstand am höchsten. Anders ausgedrückt wurden im Jahr 2011 in Baden-Württemberg 1,1 % aller Erwachsenen, 1,5 % aller Jugendlichen und 2,8 % aller Heranwachsenden verurteilt.

Geldstrafen mit Abstand am häufigsten

Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde bei etwa drei Viertel der Verurteilten – dies entspricht 80 600 Schuldsprüchen – eine Geldstrafe verhängt. Mehr als 17 300 Personen oder 16 % wurden zu einem Freiheitsentzug verurteilt. Bei den übrigen 10 300 Verurteilten oder 10 % wurden Zuchtmittel wie beispielsweise Verwarnungen oder Jugendarrest sowie Erziehungsmaßregeln wie die Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Unterbringung in einem Heim auferlegt. Von den insgesamt über 17 300 Strafen mit Freiheitsentzug setzten die Gerichte rund 12 300 zur Bewährung aus, so dass letztlich 5 000 Verurteilte bzw. 4,6 % aller Verurteilten nach dem Schuldspruch eine Gefängnisstrafe in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe antreten mussten.

Zahl der verurteilten Frauen um 2,7 % gesunken

Von den insgesamt 108 200 rechtskräftig verurteilten Personen waren im vergangenen Jahr fast 21 000 Frauen (19 %) und 87 200 Männer (81 %). Bei beiden Geschlechtern war ein Rückgang der Schuldsprüche zu verzeichnen. Während die Zahl der verurteilten Männer gegenüber dem Vorjahr um 1 400 Schuldsprüche bzw. 1,6 % gesunken ist, ging die Zahl der verurteilten Frauen mit einem Minus von fast 600 sogar um 2,7 % zurück. Auch die Verurteiltenhäufigkeit nahm bei den Frauen stärker ab als bei den Männern (Frauen: – 2,9 %, Männer: – 2,1 %). Im Jahr 2011 kamen 440 verurteilte Frauen auf 100 000 weibliche Einwohner im strafmündigen Alter. Bei den Männern lag die Verurteiltenhäufigkeit mit 1 900 mehr als viermal so hoch.

Prozentual stärkster Rückgang bei Verurteilungen wegen Gewaltstraftaten

Im Jahr 2011 entfielen fast drei Viertel der insgesamt 108 200 gerichtlichen Schuldsprüche auf die fünf Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte (24 %), Betrug und Untreue (22 %), Diebstahl (15 %), Drogendelikte (7 %) und Gewaltdelikte (5 %). Die Zahl der Schuldsprüche ging in vier der fünf genannten Straftatengruppen gegenüber dem Vorjahr zurück. Lediglich bei den Straßenverkehrsdelikten setzte sich der fallende Trend der vergangenen Jahre mit einem Plus von 0,4 % nicht weiter fort.

Die Deliktstrukturen unterscheiden sich nach Geschlecht recht deutlich. So standen 2011 bei den verurteilten Männern unter den drei größten Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte an erster Stelle (25 %), noch vor Betrug und Untreue (20 %) oder Diebstahl (14 %). Frauen werden dagegen mit Abstand am häufigsten wegen Betrugs und Untreue verurteilt (33 %), Verurteilungen wegen Diebstahls- und Straßenverkehrsdelikten sind im Vergleich dazu deutlich seltener (22 bzw. 21 %).

Gewaltdelikte bilden mit 4 900 Verurteilungen unter den fünf häufigsten Straftatengruppen zahlenmäßig zwar die kleinste, dort gab es 2011 jedoch den stärksten prozentualen Rückgang. Im Vergleich zu 2010 ist ihre Zahl um 300 Verurteilungen bzw. 5,5 % gesunken und erreichte ihren niedrigsten Wert seit dem Jahr 2002. Zu den Gewaltdelikten zählen vor allem gefährliche und schwere Körperverletzungen einschließlich Körperverletzungen mit Todesfolge, aber auch Raubdelikte, Mord, Totschlag und Vergewaltigung. Die Zahl der Schuldsprüche ging in dieser Deliktgruppe in allen Altersgruppen zurück. Mit einem Minus von 8,1 % sank die Verurteiltenzahl bei den Erwachsenen am stärksten. Bei den Heranwachsenden betrug der Rückgang 4,7 %, bei den Jugendlichen 1,4 %.

Innerhalb der Gruppe der Gewaltdelikte nahm die Zahl der Verurteilungen wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung einschließlich Körperverletzungen mit Todesfolge zahlenmäßig am stärksten ab. Auf diese mit einem Anteil von fast drei Vierteln größte Untergruppe der Gewaltdelikte entfielen im vergangenen Jahr 3 600 Schuldsprüche, 300 oder 7,4 % weniger als 2010. Der stärkste prozentuale Rückgang innerhalb der Altersgruppen war bei den Heranwachsenden zu beobachten (– 9,2 %). Wegen Raubdelikten wurden 2011 insgesamt 1 000 Personen verurteilt, geringfügig mehr als ein Jahr zuvor (+ 0,8 %). Die Zahl der wegen Mordes und Totschlags Verurteilten blieb im vergangenen Jahr mit 107 Personen unverändert.

Zahlenmäßig stärkster Rückgang bei Verurteilungen wegen Betrugsdelikten

Zahlenmäßig am stärksten ging die Zahl der Schuldsprüche in der Straftatengruppe Betrug und Untreue zurück. 2011 wurden insgesamt 24 100 Personen wegen dieser Straftaten verurteilt, 1 300 oder 5,1 % weniger als ein Jahr zuvor. In allen Altersgruppen war ein Rückgang der Verurteiltenzahl zu beobachten, prozentual am stärksten allerdings bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren (– 10,9 %). Insgesamt fiel das Minus bei den Frauen (– 6,5 %) etwas stärker aus als bei den Männern (– 4,5 %). Wegen Betrugs und Untreue wurden im vergangenen Jahr 17 100 Männer und 7 000 Frauen verurteilt. Eine Besonderheit bei dieser Straftatengruppe ist der mit 29 % vergleichsweise hohe Frauenanteil, der 10 Prozentpunkte höher liegt als bei der Gesamtheit aller Straftaten (19 %).

Die Zahl der Verurteilungen wegen Diebstahls ist 2011 um fast 600 Fälle oder 3,3 % auf 16 600 gesunken und erreichte ein so niedriges Niveau wie vor 40 Jahren. Fälle von einfachem Diebstahl2, die nicht mit Gewaltanwendung verbunden sind, gingen um 3 % auf 13 800 zurück, Fälle von schwerem Diebstahl wie beispielsweise Einbruch- oder Bandendiebstahl3 sogar um 4,8 % auf 2 800. Auch in dieser Deliktgruppe gab es in allen Altersgruppen weniger Verurteilungen. Am deutlichsten sank hier jedoch die Verurteiltenzahl bei den Heranwachsenden (– 5,2 %) und den Jugendlichen (– 4 %).

Bei den Drogendelikten setzt sich der bereits seit dem Jahr 2005 zu beobachtende fallende Trend fort. Im vergangenen Jahr wurden 7 100 Personen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Das waren 100 oder 1,3 % weniger als noch im Jahr 2010. Während jedoch bei den Heranwachsenden ein starker (– 11,7 %) und bei den Erwachsenen ein leichter Rückgang (– 0,4 %) registriert wurde, stieg die Zahl der verurteilten Jugendlichen um 14,7 % auf 300. Ausschlaggebend hierfür waren mehr Verurteilungen wegen unerlaubten Handels und Anbaus von Betäubungsmitteln. Trotz dieses Anstiegs blieb die Zahl der wegen Drogendelikten verurteilten jungen Menschen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren auf einem niedrigen Niveau. Im Jahr 2005 hatte ihre Zahl in dieser Straftatengruppe noch fast 700 betragen.

Etwas mehr Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten

In der zahlenmäßig größten Straftatengruppe – den Straßenverkehrsdelikten – wurden im Jahr 2011 insgesamt fast 26 100 Personen verurteilt, 100 oder 0,4 % mehr als im Vorjahr. Damit ist der seit 2002 beobachtete fallende Trend in dieser Straftatengruppe zunächst gestoppt. Trotz des aktuell leichten Anstiegs blieb die Verurteiltenzahl im Jahr 2011 gemessen an früheren Niveaus wie beispielsweise Ende der 1990er-Jahre mit über 40 000 Schuldsprüchen niedrig. Die höhere Zahl an Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten beschränkte sich 2011 auf die Altersgruppe der Erwachsenen. In dieser Altersgruppe hat die Zahl der Schuldsprüche das erste Mal seit 2002 gegenüber dem Vorjahr wieder leicht zugenommen, und zwar um 350 Verurteilungen (+ 1,5 %).

1 Landeskriminalamt Baden-Württemberg, Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahresbericht 2011, S. 11.

2 Gemäß § 242 StGB.

3 Gemäß §§ 243 bis 244a StGB.