:: 12/2012

Öffentlicher Personennahverkehr mit Bussen und Bahnen 2010

Im Jahr 2010 nutzten in Baden-Württemberg rund 1,4 Mrd. Fahrgäste den öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen und Bahnen. Das waren täglich rund 3,8 Mill. Personen. Dabei legte im Durchschnitt jeder Fahrgast 9 Kilometer pro Fahrt zurück. Auch wenn der öffentliche Personenverkehr in den vergangenen Jahren regelmäßig steigende Fahrgastzahlen vermelden konnte, werden nach wie vor nur etwa 10 % aller Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt.

Rund 700 Unternehmen mit 20 000 Beschäftigten im öffentlichen Personenverkehr

In der Statistik des öffentlichen Personenverkehrs wird 5-jährlich eine Vollerhebung bei allen Unternehmen durchgeführt, in der neben Verkehrsleistungsdaten zusätzlich Strukturdaten zu Linien, Beschäftigten und Fahrzeugen erfragt werden. Nach dieser zuletzt im Jahr 2009 durchgeführten Totalerhebung waren in Baden-Württemberg 695 Unternehmen als Beförderer im öffentlichen Personenverkehr aktiv. Die 19 530 Beschäftigten übten zu rund zwei Dritteln ausschließlich oder überwiegend eine Beschäftigung im Fahrdienst – hierzu zählen auch Schaffner und Kontrolleure – aus. Das restliche Personal ist dem technischen Dienst und der Verwaltung zuzuordnen. Dabei waren mit 11 500 Beschäftigten fast 60 % in den 35 öffentlichen Unternehmen, aber nur annähernd 7 600 Beschäftigte in den 650 privaten Unternehmen tätig. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen spielen eine untergeordnete Rolle. Die Beförderungsleistung im Linien- und Gelegenheitsverkehr wurde mit einem Fahrzeugbestand erbracht, der knapp 8 000 Omnibusse, fast 700 Eisenbahn- und über 600 Straßenbahnfahrzeuge umfasste1.

Über ein Drittel der Beförderungsleistung aus anderen Bundesländern

Im öffentlichen Personenverkehr, insbesondere im Eisenbahn- und regionalen Omnibusverkehr, fallen Unternehmenssitz des Beförderungsunternehmens und Ort der Leistungserbringung oftmals räumlich auseinander. Um Verzerrungen bei der regionalen Ergebnisdarstellung zu vermeiden, werden seit der Neukonzeption der Statistik im Jahr 2004 Ergebnisse nach der Region der tatsächlichen Leistungserbringung nachgewiesen. Dazu melden die Unternehmen die Beförderungsleistung im Liniennahverkehr nach dem Bundesland der Leistungserbringung.

Nach der Jahreserhebung 2010 waren zwölf Unternehmen mit Sitz außerhalb der Landesgrenzen in Baden-Württemberg tätig. Von diesen Unternehmen wurden 4,6 Mrd. Personenkilometer hierzulande erbracht, was einem guten Drittel der gesamten Beförderungsleistung entsprach. Die Leistungserbringung der nicht baden-württembergischen Unternehmen erfolgte überwiegend mit Eisenbahnen im Schienennahverkehr (4,4 Mrd. Personenkilometer), aber auch mit Omnibussen (191 Mill. Personenkilometer). Leistungen von Straßenbahnen wurden dagegen fast ausschließlich von baden-württembergischen Unternehmen erbracht. Besonders hoch war die Beförderungsleistung der drei in Hessen ansässigen Unternehmen auf baden-württembergischem Gebiet. Sie erreichten einen Anteil von 96 % an der »auswärtigen« Transportleistung, wobei diese weitestgehend auf den Schienennahverkehr mit Eisenbahnen entfiel. Umgekehrt waren baden-württembergische Unternehmen ebenfalls als Beförderer in anderen Bundesländern aktiv. Ihre Beförderungsleistung fiel mit 313 Mill. Kilometern (km) vergleichsweise deutlich geringer aus.

1,7 % mehr Fahrgäste im Liniennahverkehr

Die Jahreserhebung 2010 ergab im Weiteren, dass von den in Baden-Württemberg ansässigen und mit dem Personenverkehr beauftragten Unternehmen über 1,17 Mrd. Fahrgäste befördert wurden. Das waren 1,7 % mehr als im Vorjahr. Die Gesamtzahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr Baden-Württembergs dürfte jedoch – unter Berücksichtigung der Leistung nichtortsansässiger Unternehmen (insbesondere der DB-Regio) – bei rund 1,4 Mrd. liegen2. Nach Verkehrsmitteln betrachtet – das heißt Umsteiger werden mehrfach gezählt – nutzte im Liniennahverkehr mehr als die Hälfte der Fahrgäste (662 Mill. ) den Omnibus. Das waren 0,7 % mehr als im Jahr zuvor. 417 Mill. Gäste waren in Straßenbahnen (+ 1,9 % gegenüber dem Vorjahr) unterwegs. Mit einem Plus von 7,2 % erhöhte sich die Passagierzahl der baden-württembergischen Eisenbahnunternehmen weit überdurchschnittlich auf über 157 Mill.

Busse und teilweise auch Eisenbahnen werden hauptsächlich im Regionalverkehr genutzt, während Straßenbahnen, zu denen in Baden-Württemberg Stadtbahnen und U-Bahnen zählen, vor allem im Stadt- und Vorortverkehr eingesetzt werden. So variieren die Reiseweiten der einzelnen Verkehrsmittel deutlich. Die kürzesten Strecken wurden mit durchschnittlich 4,2 km mit Straßenbahnen zurückgelegt. Die durchschnittliche Länge einer Omnibusfahrt betrug 7,5 km und die einer Eisenbahnfahrt 19 km, sofern man die nicht baden-württembergischen Unternehmen einbezieht.

Jeder Baden-Württemberger im Durchschnitt 1 182 Kilometer im Liniennahverkehr unterwegs

Im Jahr 2010 wurde insgesamt – unabhängig vom Unternehmenssitz – eine Beförderungsleistung von 12,7 Mrd. Personenkilometern3 hierzulande erbracht. Mit einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr (– 0,9 %) fiel Baden-Württemberg etwas von der Bundesentwicklung (+ 0,8 %) ab. Die Hälfte der gesamten Beförderungsleistung Deutschlands entfiel auf die drei bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Bezieht man die gefahrenen Personenkilometer auf die Bevölkerungszahl, legte jeder Baden-Württemberger im Durchschnitt 1 182 Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Liniennahverkehr zurück. Zum Vergleich: In Bayern waren es 1 373 und in Nordrhein-Westfalen 1 150 km je Einwohner.

Obwohl die meisten Fahrgäste mit Bussen, die wenigsten mit Eisenbahnen unterwegs waren, lag die Beförderungsleistung aufgrund der höheren Reiseweite mit 6,2 Mrd. Personenkilometern bei Eisenbahnen am höchsten. Mit Omnibussen wurden über 4,8 Mrd. Personenkilometer zurückgelegt, was einem Rückgang von 0,7 % gegenüber 2009 entsprach. Die Beförderungsleistung der Straßenbahnen belief sich auf 1,7 Mrd. Personenkilometer. Mit – 4,4 % waren hier die stärksten Rückgänge im Vergleich zum Vorjahr festzustellen. Fast die Hälfte der Gesamtbeförderungsleistung entfiel auf Eisenbahnen, auf Busse über ein Drittel und auf Straßenbahnen 13 %.

Deutliche Unterschiede in regionaler Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs

Insgesamt legten die Fahrzeuge im Liniennahverkehr in Baden-Württemberg unabhängig vom Unternehmenssitz über 412 Mill. Kilometer zurück, das waren 0,8 % mehr als im Jahr 2009. Gewinner waren die Eisenbahnen mit einem Plus von 3,4 %. Im Gegensatz zur Beförderungsleistung entfiel mit fast drei Viertel der Hauptteil der Fahrleistung auf Busse, ein Fünftel auf Eisenbahnen und knapp 8 % auf Straßenbahnen.

Um eine noch differenziertere regionale Zuordnung von Verkehrsleistungen nach dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung zu ermöglichen, melden die Unternehmen die Fahrleistungen (Fahrzeugkilometer) nach dem Kreis der Leistungserbringung. Damit lassen sich unterhalb der Bundesländerebene regionalisierte Aussagen ausschließlich bezüglich der Fahrleistungen treffen. Aus Sicht der befragten Unternehmen ist es jedoch durch die Orientierung an den Verkehrsverbünden oftmals schwierig, Fahrleistungen kreisgenau abzugrenzen. Dadurch waren seit der Neukonzeption der Statistik einzelne Revisionen auf Kreisebene erforderlich.

Baden-Württembergs Kreise unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs. Ausgehend vom vertakteten Schienenpersonenverkehr sichert der straßengebundene ÖPNV – also Busse und Straßenbahnen – die verkehrliche Anbindung des Ländlichen Raums und garantiert in den Ballungsräumen ein hoch leistungsfähiges Nahverkehrssystem4. So wird in allen Kreisen des Landes ein Teil des öffentlichen Personenverkehrs mit schienengebundenem Nahverkehr abgedeckt. Den höchsten Anteil an Eisenbahnkilometern hat der Landkreis Karlsruhe, gefolgt von Rastatt. Von untergeordneter Bedeutung ist er im Hohenlohekreis und in den Stadtkreisen Freiburg, Pforzheim und Karlsruhe. Wobei die Expansion des »Karlsruher Modells«5 mit seinen Zweisystem-Stadtbahnwagen weit über die Region hinaus den Unternehmen die Aufteilung der Fahrleistung auf Eisenbahn- und Straßenbahnverkehr erschwert. Diese Fahrzeuge nutzen sowohl Stadtbahnlinien als auch Gleise der Deutschen Bahn. In elf der 44 baden-württembergischen Kreise fahren Straßenbahnen, unter anderem in Baden-Württembergs kleinster »Straßenbahn-Stadt« Bad Wildbad. Die höchsten Straßenbahnanteile am Modal Split6 haben die Stadtkreise Karlsruhe (57 %), Stuttgart (43 %) und Mannheim (38 %). Ein Nahverkehrsangebot fast ausschließlich mit Busverkehren existiert im Hohenlohekreis, in Pforzheim und im Kreis Reutlingen.

Mehr als die Hälfte der Beförderungskapazitäten werden von Bussen bereitgestellt

Das Beförderungsangebot, das heißt das Produkt aus den zurückgelegten Fahrzeugkilometern und dem Fassungsvermögen (Sitz- und Stehplätze) der Fahrzeuge, betrug 2010 im Liniennahverkehr 36,7 Mrd. Platzkilometer – allerdings sind hier nur baden-württembergische Unternehmen berücksichtigt. 26 % davon wurden von Eisenbahnen, 22 % von Straßenbahnen und 52 % von Omnibussen angeboten. Die Fahrzeugkapazität lag im Durchschnitt bei 227 Plätzen in Eisenbahnen, 242 bei Straßenbahnen und 63 bei Bussen.

Der Auslastungsgrad – das ist das Verhältnis der Beförderungsnachfrage (gemessen in Personenkilometern) zum Beförderungsangebot (gemessen in Platzkilometern) – liegt im Durchschnitt für Busse mit 26 % am höchsten, gefolgt von Straßenbahnen (22 %) und Eisenbahnen (20 %). Dabei sind die großen Schwankungen in der Fahrzeugbesetzung, beispielsweise die Verkehrsspitzen im Berufs- und Schülerverkehr im Gegensatz zur geringen Verkehrsnachfrage in den Nachtstunden und am Wochenende, zu beachten.

Einnahmen im öffentlichen Personenverkehr auf Höchststand

Die Einnahmen der Unternehmen erreichten im Jahr 2010 einen neuen Höchstwert. Für die im Liniennahverkehr erbrachten Verkehrsleistungen erzielten die baden-württembergischen Unternehmen direkte Beförderungseinnahmen in Höhe von 1,3 Mrd. Euro, das entsprach einer Steigerung von 2,5 % gegenüber dem Vorjahr6. Die Zunahme der direkten Beförderungseinnahmen lag über dem Niveau der Zunahme der Fahrgäste (+ 1,7 %) und deutlich über der Entwicklung der Beförderungsleistung (– 1,1 %). Je Beförderungsfall wurden im Jahr 2010 durchschnittliche Einnahmen von 1,10 Euro und je Personenkilometer von 15 Cent erzielt. Im Bundesdurchschnitt waren es 1,44 Euro und 15 Cent7.

Öffentliche Unternehmen dominieren den Liniennahverkehr

Die weit überwiegende Zahl der im Liniennahverkehr tätigen Unternehmen waren private Unternehmen (90 %). Bei Betrachtung der Verkehrsleistungen und Beförderungseinnahmen dominieren jedoch die öffentlichen Unternehmen die Branche. Über 80 % aller Fahrgäste nutzten im Jahr 2010 die Angebote öffentlicher Unternehmen und 82 % der Einnahmen wurden von öffentlichen Unternehmen erwirtschaftet. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind nur von untergeordneter Bedeutung.

Ausbildungsverkehr von großer Bedeutung insbesondere für Omnibusunternehmen

Dem Ausbildungsverkehr kommt insgesamt eine große Bedeutung für den öffentlichen Personenverkehr zu. Er umfasst drei Positionen: Fahrten mit speziellen Zeitfahrausweisen im allgemeinen Liniennahverkehr, freigestellter Schülerverkehr sowie Schülerfahrten, die zu den Sonderformen des Linienverkehrs zählen. Werden keine speziellen Fahrausweise des Ausbildungsverkehrs benutzt, sind diese Fahrten jedoch nicht zuordenbar. Im Jahr 2010 waren in Baden-Württemberg 307 Unternehmen im Ausbildungsverkehr aktiv und beförderten 551 Mill. Fahrgäste im Ausbildungsverkehr. Das bedeutet eine Zunahme von 3,1 % gegenüber 2009. Je nach Tarifgestaltung können die Zeitfahrausweise im Ausbildungsverkehr auch für Fahrten in der Freizeit genutzt werden.

Im Liniennahverkehr entfielen 47 % aller Unternehmensfahrten auf den Ausbildungsverkehr. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den Verkehrsmitteln. Zwei Drittel der Fahrgäste im Ausbildungsverkehr waren in Omnibussen unterwegs. Der Ausbildungsverkehr hat damit einen hohen Stellenwert für Busunternehmen. Bei Straßenbahnen lag dieser Anteil bei 28 % und mit 8 % ist der Ausbildungsverkehr für das Verkehrsmittel Eisenbahn von untergeordneter Bedeutung. Die baden-württembergischen Unternehmen erwirtschafteten mit 454 Mill.  Euro 35 % ihrer Beförderungseinnahmen im Ausbildungsverkehr, und lagen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt mit rund einem Fünftel. Die Einnahmen im Ausbildungsverkehr sind mit 3,6 % im Vergleich zum Vorjahr stärker gestiegen als die Gesamteinnahmen.

Blick auf 2011

Für das Jahr 2011 liegen erste Zahlen für den öffentlichen Personenverkehr baden-württembergischer Unternehmen vor. Die Leistungen landesfremder Beförderer sind noch nicht berücksichtigt, da diese erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen.

Das Jahr 2011 ist durchweg von positiven Entwicklungen gekennzeichnet. Die Fahrgastzahlen und Fahrleistungen erhöhten sich zwar im Vergleich zum Vorjahr nur um rund 0,5 %, die Beförderungsleistungen lagen mit + 3,2 % aber deutlich über den Werten von 2010. Bei den Fahrgastzahlen legten besonders die Straßenbahnen (+ 5,8 %) und Eisenbahnen (+ 3,2 %) überdurchschnittlich zu. Auch hinsichtlich der Beförderungsleistungen zeigt sich bisher die Schiene als Gewinner (+ 12 %), während die von Omnibussen geleisteten Personenkilometer eher konstant geblieben sind. Im Jahr 2011 war zudem insgesamt ein deutliches Einnahmenplus beim öffentlichen Personennahverkehr von 5 % zu verzeichnen. Endgültige Ergebnisse liegen voraussichtlich Anfang 2013 vor.

1 Hier sind auch Angaben zum Gelegenheitsverkehr berücksichtigt, die im Weiteren jedoch nicht betrachtet werden.

2 Das Merkmal Fahrgastzahlen wird nicht nach dem Ort der Leistungserbringung erhoben. Die Zuschätzung orientiert sich an Ergebnissen des Generalverkehrsplans Baden-Württemberg 2010, S.  32.

3 Von Unternehmen mit mindestens 250 000 Fahrgästen.

4 Generalverkehrsplan Baden-Württemberg 2010, S.  100.

5 www.kvv.de/unternehmen-kvv/Karlsruher-modell.html, Abruf am 1. Oktober 2012.

6 Modal Split ist die Aufteilung des Verkehrsaufkommens auf die einzelnen Verkehrsträger.

7 Direkte Beförderungseinnahmen umfassen alle Einnahmen (ohne Umsatzsteuer) im Schienen- und Liniennahverkehr und Einnahmen aus dem freigestellten Omnibusverkehr (zum Beispiel freigestellter Schülerverkehr). Dies sind insbesondere Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen sowie Bestellerentgelte und Abgeltungszahlungen für die Beförderung von Schülerinnen, Schülern, Studierenden und anderen Auszubildenden, Schwerbehinderten sowie anderen begünstigten Personengruppen.

8 Reim, Uwe/Reichel, Bernd: Öffentlicher Personenverkehr mit Bussen und Bahnen 2010, in: Wirtschaft und Statistik 2/2012, S.  106.