:: 12/2012

Aktuelle Entwicklung der Umweltschutzbranche in Baden-Württemberg

Die Umweltschutzbranche in Baden-Württemberg hat deutlich an Gewicht gewonnen. Sie erstreckt sich als Querschnittsbranche über die gesamte Wirtschaft mit deutlichen Schwerpunkten in einigen Wirtschaftszweigen der Industrie, aber auch in Teilen des Bau- und Dienstleistungsgewerbes. Eine Schwierigkeit bei der statistischen Abbildung der Umweltschutzwirtschaft besteht in ihrer exakten und im Zeitablauf vergleichbaren Abgrenzung. Die Amtliche Statistik legt bei der Erhebung der Umsätze mit Umweltschutzgütern und der zugehörigen Beschäftigtenzahl eine eher restriktive oder konservative Abgrenzung der Umweltbranche zugrunde und bezieht sich im wesentlichen auf Produkte der verschiedenen Kategorien des Umweltverschmutzungsmanagements, der Nutzung erneuerbarer Energien sowie der Energieeffizienz steigernden und Energie einsparenden Maßnahmen. Einbezogen werden Waren, Bau- und Dienstleistungen, die in ihrem Hauptzweck dem Umweltschutz dienen. Der folgende Beitrag befasst sich mit der aktuellen Entwicklung der Umweltwirtschaft in Baden-Württemberg auch in der Differenzierung nach Stadt- und Landkreisen.

Volumen der umweltbezogenen Umsätze erstmals über 10 Mrd. Euro

Die Umsätze baden-württembergischer Betriebe mit Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz summierten sich im Jahr 2011 auf über 10,1 Mrd. Euro. Die bereits in den vorausgegangenen Jahren registrierte sehr kräftige Zunahme der Umsätze mit Umweltschutzgütern hat sich damit 2011 weiter fortgesetzt, wenngleich bei einem Plus von 1,5 Mrd. Euro oder 18,1 % sowohl die absolute als auch relative Umsatzsteigerung des Vorjahres (1,9 Mrd. bzw. 29 %) nicht ganz erreicht wurde. Aber in den 5 Jahren seit 2006 – in jenem Jahr war die Ausweitung der Abfrage auf Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Klimaschutz erfolgt – haben sich die gemeldeten Umsätze mit Umweltschutzgütern in Baden-Württemberg fast verdreifacht1 (+ 177 %). Die hier betrachteten Angaben beziehen sich auf Umsätze, die mit der Erzeugung von Technologien (Waren, Bau- und Dienstleistungen) für den Umweltschutz erzielt wurden. Nicht enthalten sind Umsätze aus Entsorgungsdienstleistungen2 sowie aus Gebrauchs- und Konsumgütern, die in erster Linie anderen Zwecken dienen, auch wenn bei ihrer Herstellung und/oder Nutzung geringere Umweltbelastungen entstehen als mit anderen, vergleichbaren Zwecken dienenden Gütern. Insbesondere nicht einbezogen sind beispielsweise Umsätze aus dem Absatz von Strom und Wärme, gewonnen aus erneuerbaren Energien (siehe i-Punkt).

In den gut 1 200 Betrieben im Land, die nach eigenen Angaben auf diese Weise abgegrenzte umweltschutzbezogene Umsätze erzielt haben, waren 2011 über 36 200 Beschäftigte in der Herstellung von Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz tätig. Das waren 4 600 Personen (+ 15 %) mehr als im Vorjahr. Damit haben 2011 sowohl das Umsatzvolumen als auch die Beschäftigtenzahl der auf diese Weise abgegrenzten Umweltbranche in Baden-Württemberg das Volumen beispielsweise der Herstellung von chemischen Erzeugnissen oder der Herstellung von Papier- und Druckereierzeugnissen im Land erreicht oder sogar übertroffen.

Der Anteil des Landes an den bundesweit erzielten umweltbezogenen Umsätzen lag im Jahr 2010 – aktuellere Bundesergebnisse liegen noch nicht vor – bei 14 %, allein im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes bei 14,2 %. Dies entspricht in etwa dem Anteil von Baden-Württemberg an der gesamten Wirtschaftsleistung (14,5 %) gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP). Bezogen auf die mit der Herstellung dieser Umweltgüter beschäftigten Personen lag der Landesanteil 2010 bei 14,6 %.

50 % der Umsätze im Bereich Klimaschutz

Ausschlaggebend für die überaus starke Zunahme der Umsätze war die sehr dynamische Entwicklung bei den Gütern für den Klimaschutz. Dazu zählen neben den Leistungen, die direkt der Verringerung oder Vermeidung von Treibhausgasemissionen dienen, vor allem auch Güter zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Energieeinsparung. Die Umsätze in diesem Bereich sind – ausgehend von rund 840 Mill. Euro im Jahr 2006 – auf mehr als den 6-fachen Betrag in Höhe von 5,1 Mrd. Euro im Jahr 2011 angewachsen. Jedoch auch bei den Umsätzen mit Gütern der klassischen Bereiche Abfallwirtschaft, Gewässerschutz, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung ist eine beachtliche Steigerung um fast 80 % auf über 5 Mrd. Euro erreicht worden.

Bezogen auf die Entwicklung im Jahr 2011 ist hervorzuheben, dass nach der außerordentlichen Steigerung im Jahr 2010 der Zuwachs der Umsätze mit Gütern zur Nutzung erneuerbarer Energien 2011 weniger stark ausgeprägt war. Deshalb fiel auch der Anstieg im Bereich Klimaschutz geringer aus als bezogen auf die Umweltschutzgüter insgesamt. Und sein Anteil an den gesamten umweltschutzbezogenen Umsätzen 2011 lag mit etwas über 50 % niedriger als mit 56 % im Vorjahr.

Besonders kräftig war 2011 der Anstieg der Umsätze mit Gütern zur Lärmbekämpfung. Dadurch stieg der Anteil dieses Bereiches von knapp 2 % auf über 9 % an. Überdurchschnittlich groß war der Anstieg der Umsätze auch bei den bereichsübergreifenden3 Leistungen. Im Bereich der Güter zur Luftreinhaltung konnte das hohe Niveau des Jahres 2010 nicht ganz gehalten werden. Mit über 2 Mrd. Euro Umsatz (20 %) rangiert dieser Bereich aber nach wie vor deutlich an zweiter Stelle nach dem Klimaschutz. Auch bei den Gütern zum Gewässerschutz zeigt sich gegenüber 2010 ein deutliches Plus, wobei die aufgrund einer Systematikänderung bedingte Verlagerung hin zur Bodensanierung in Rechnung gestellt ist.

Vom Bundesdurchschnitt abweichende Struktur der Umweltbranche im Land

Die Aufteilung der in Baden-Württemberg erwirtschafteten umweltschutzbezogenen Umsätze nach Umweltbereichen unterscheidet sich deutlich von den bundesdurchschnittlichen Strukturen. So hatte bezogen auf das gesamte Bundesgebiet der Bereich Klimaschutz 2010 einen Anteil von fast 70 %. Im Land waren es dagegen 56 %. Mit anderen Worten entfiel auf baden-württembergische Betriebe (Stand 2010) mit 11,4 % ein unterdurchschnittlich großer Anteil der bundesweit mit Gütern zur Nutzung erneuerbarer Energien, Energieeffizienzsteigerung bzw. Energieeinsparung erzielten Umsätze. Insbesondere der Anteil des Landes an den Umsätzen mit Gütern zur Nutzung der Windenergie und der Photovoltaik ist, gemessen am Wertschöpfungsanteil Baden-Württembergs, nur unterdurchschnittlich groß. Umgekehrt machen baden-württembergische Betriebe fast 30 % der Umsätze im Bereich Luftreinhaltung und auch über ein Fünftel der umweltbereichs-übergreifenden Umsätze aus. Darin spiegelt sich beispielsweise das hohe Gewicht der kraftfahrzeugbezogenen Umweltschutztechnologien im Land wider. Insbesondere ist in Baden-Württemberg die Herstellung von Abgasreinigungssystemen überdurchschnittlich stark vertreten.

Schwerpunkt Verarbeitendes Gewerbe mit starkem Zuwachs

Die umweltschutzbezogenen Umsätze konzentrieren sich in Baden-Württemberg ebenso wie bundesweit sehr stark auf den Bereich des Verarbeitenden Gewerbes. Im Land entfielen mehr als vier Fünftel (83 %) der Umsätze im Jahr 2011 auf Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes. Zum Stand 2010 lag dieser Anteil bundesweit bei 76 %, in Baden-Württemberg bei 77 %. Der aktuell deutlich erhöhte Anteil des Verarbeitenden Gewerbes im Land kommt dadurch zustande, dass die Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg im Jahr 2011 weit überdurchschnittlich um fast 28 % gesteigert werden konnten. Zum Vergleich: Die gesamten Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes im Land haben 2011 gegenüber dem Vorjahr um knapp 12 % zugenommen. Hingegen waren sowohl im Baugewerbe (– 9 %) als auch im Dienstleistungsbereich (– 14 %) zuletzt Umsatzeinbußen bei den Umweltschutzleistungen zu verzeichnen. Ihre Anteilswerte an den gesamten im Land mit Umweltschutzgütern erzielten Umsätze sanken dadurch auf gut 6 bzw.  10 %.

Stark abweichend von der Verteilung der Umsätze stellt sich die Verteilung der Betriebe mit Umweltschutzgütern dar. Von den insgesamt gut 1 200 Betrieben entfallen knapp 300 auf das Verarbeitende Gewerbe, und rund 440 bzw. 470 Einheiten gehören dem Baugewerbe bzw. dem Dienstleistungsbereich an. Weniger als ein Viertel aller Betriebe erzielt demnach mehr als 80 % der Umsätze mit Umweltschutzgütern. Mit fast 26 000 Beschäftigten waren im Jahr 2011 auch über 70 % aller mit der Produktion von Umweltschutzgütern beschäftigten Personen im Verarbeitenden Gewerbe tätig, immerhin 5 000 mehr als im Jahr davor.

Ein Drittel der Umsätze im Maschinenbau

Auch innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist eine starke Konzentration der Umsätze auf wenige Branchen festzustellen. Der mit Abstand größte Teil entfällt auf den Maschinenbau, der 2011 allein über 3,4 Mrd. Euro (33 %) der Umsätze mit Umweltschutzgütern ausmacht. Mit deutlichem Abstand folgen die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen und die Herstellung von Kraftwagen und -teilen mit jeweils rund 1 Mrd. Euro. Weitere gewichtige Anteile entfallen auf die Herstellung chemischer Erzeugnisse (930 Mill. Euro), die Herstellung elektrischer Ausrüstungen, Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren sowie die Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen (jeweils 450 bis 550 Mill. Euro). Ein besonders hoher Zuwachs beim Umsatz mit Umweltschutzgütern errechnet sich für den Maschinenbau (+ 55 %). Über dem Durchschnitt liegt die Steigerung auch bei der Herstellung chemischer Erzeugnisse (+ 36 %) sowie bei der Herstellung von Kraftwagen und -teilen (+ 24 %). In den genannten Branchen hat auch die Zahl der mit der Produktion von Umweltschutzgütern Beschäftigten stark zugenommen.

Rund 44 % der umweltschutzbezogenen Umsätze im Ausland

Der Anteil der im Ausland erzielten Umsätze mit Umweltschutzgütern ist 2011 weiter deutlich angestiegen. Er lag mit 43,9 % um 5,2 % höher als im Jahr 2010. Die Ursachen dafür liegen im steigenden Gewicht der Güter aus dem Verarbeitenden Gewerbe und der weiteren Steigerung der dort bereits in den Vorjahren vergleichsweise hohen Exportquote. Der Anteil der im Ausland erzielten Umsätze an den gesamten umweltschutzbezogenen Umsätzen im Verarbeitenden Gewerbe des Landes hat 2011 fast die 50-Prozentmarke erreicht. Dabei variiert der Exportanteil in den verschiedenen Umweltbereichen und auch in den beteiligten Branchen sehr stark. Etwa auf Durchschnittsniveau liegt die Exportquote bei den Gütern der Abfallwirtschaft. Deutlich niedriger liegt der Anteil in den Bereichen Gewässerschutz, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung. Erheblich über dem Durchschnitt liegt der Exportanteil bei den Klimaschutzgütern und sogar noch höher bei den umweltbereichsübergreifenden Gütern. Und wie oben festgestellt hat der Bereich Klimaschutz bundesweit einen deutlich größeren Anteil als in Baden-Württemberg. So dürfte sich erklären, dass 2010 die Exportquote im Bundesdurchschnitt mit 41,4 % etwas höher lag als im Land (38,7 %). Gegliedert nach Umweltbereichen lag die Exportquote in Baden-Württemberg nicht niedriger, teilweise sogar erheblich über dem Bundesniveau. Mit der deutlichen Steigerung der Exportquote im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes dürfte Baden-Württemberg im Jahr 2011 zumindest den Bundesdurchschnitt erreicht haben.

Regionale Konzentration der Umweltschutzgüterproduktion

Die gut 1 200 Betriebe im Land, die 2011 Umsätze mit Umweltschutzgütern erzielten, verteilen sich über alle Stadt- und Landkreise. Allerdings bestehen sowohl bei den erzielten Umsätzen als auch den mit der Produktion von Umweltschutzgütern beschäftigten Personen deutliche regionale Unterschiede. Der höchste Umsatzbetrag (fast 940 Mill. Euro) entfiel 2011 auf den Landkreis Lörrach. In weiteren fünf Kreisen summierten sich die Umweltschutzumsätze auf über jeweils 700 Mill. Euro. Außer der Landeshauptstadt Stuttgart gilt dies für die Landkreise Esslingen, Calw, die Stadt Mannheim sowie den Alb-Donau-Kreis. Es folgen Ravensburg (420 Mill. Euro) und weitere vier Kreise mit über 300 Mill. Euro. Auf diese elf Kreise konzentrieren sich zusammen fast zwei Drittel der gesamten Umweltschutzbezogenen Umsätze im Land. In 17 Kreisen des Landes Baden-Württemberg lagen die Umsätze mit Umweltschutzgütern teils deutlich unter der 100 Mill.-Euromarke.

Geringer als beim Umsatzvolumen ist die Streubreite bei den in der Umweltschutzbranche beschäftigten Personen. Eindeutig an der Spitze rangiert hier Stuttgart mit über 5 000 Beschäftigten, gefolgt von vier Kreisen (Böblingen, Esslingen, Alb-Donau und Ravensburg) mit rund 1 700 bis fast 2 000 Beschäftigten in der Produktion von Umweltschutzgütern. In den anderen Kreisen bewegt sich die Zahl zwischen gut 150 und 1 500 beschäftigten Personen.

In allen Kreisen werden Umsätze sowohl mit Waren als auch mit Bau- und Dienstleistungen erzielt. Regional sehr unterschiedlich ist das Gewicht der Umsätze mit Gütern für den Klimaschutz. Hohes Gewicht hat dieser Bereich offenbar vor allem in den Kreisen, in denen die Herstellung von Waren zur Nutzung erneuerbarer Energien vertreten ist.

1 Inwieweit ein Teil dieser Steigerung auch auf verändertes Meldeverhalten der betroffenen Betriebe zurückzuführen ist, kann nicht beziffert werden.

2 Hier nicht einbezogen sind die Entsorgungsdienstleistungen im Bereich der Abfallwirtschaft und der Abwasserentsorgung. Die Ermittlung von Umsätzen und Beschäftigten in diesen Bereichen erfolgt im Rahmen der Strukturerhebung bei Unternehmen der Entsorgungswirtschaft. Ergebnisse für 2011 liegen dazu noch nicht vor. 2010 wurden durch baden-württembergische Unternehmen dieses Bereiches mit zusammen rund 11 200 Beschäftigten Umsätze in Höhe von knapp 2,6 Mrd. Euro erwirtschaftet.

3 Darunter zusammengefasst sind Güter, die nicht einem einzelnen Umweltbereich zugeordnet werden können.