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Kulturelle/musisch-ästhetische Bildung an Hochschulen in Baden Württemberg

Mit einem Studium an einer Hochschule, besonders an einer Universität, verband man bislang umfassende und fächerübergreifende Bildung. Die zunehmende Spezialisierung von Studiengängen und Hochschulen wird gelegentlich als Bedrohung dieses humboldtschen Bildungsideals aufgefasst. Die Vermittlung der »schönen Künste« sei im Rahmen der Bologna-Reform besonders bedroht, wenn Studiengänge gestrafft und »verschult« werden, so dass Studierende immer weniger Möglichkeiten haben, Ergänzungsangebote an Hochschulen wahrzunehmen.

Auf Grundlage der hochschulstatistischen Daten kann festgestellt werden, dass trotz eines Anstiegs der absoluten Studierendenzahlen in Studiengängen, die kulturell/musisch-ästhetische Inhalte vermitteln, der Anteil der Studierenden im Vergleich zur Gesamtstudierendenzahl im Lauf der letzten Jahre zum Teil drastisch gesunken ist. Insbesondere der Anteil der Studierenden an Kunst- und Musikhochschulen hat im Lauf der letzten 10 Jahre um ein Viertel abgenommen. In Studiengänge im Bereich Sprachen, Kunst und Kultur schreiben sich vor allem Studentinnen ein – besonders an den Pädagogischen Hochschulen des Landes studieren überwiegend Frauen diese Fächer. Ganz im Gegensatz dazu ist der Frauenanteil an den Akademien des Landes (Pop-, Filmakademie und Akademie der Darstellenden Kunst) überraschend gering.

Die Bedeutung kulturell/musisch-ästhetischer Hochschulbildung

Die kulturelle Landschaft einer Region bestimmt sich aus der Vielfalt von Kulturangeboten und dem Umfang der Nachfrage nach diesen Angeboten. Baden-Württemberg gilt im Ländervergleich diesbezüglich als besonders attraktive Region. Fachkräfte, die ins Land kommen, orientieren sich bei der Wahl ihres Wohnorts auch am Kulturangebot. Dabei spielen Bibliotheken, Theater, Konzerthäuser, der Kunst- und Designmarkt, Architektur und Kulturzentren eine wichtige Rolle. Die Kulturwirtschaft als Wirtschaftszweig und Arbeitgeber gilt im Südwesten als weit entwickelt und expandiert analog zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Land.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ging im Sommer 2012 aus einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts als »Kulturmetropole Nr.1« hervor.1 Diese Ranking-Position wird unter anderem von der Anzahl der Beschäftigten im Kultursektor bestimmt. Für die Stadt Stuttgart wurde dieser Beschäftigtenanteil mit 6,3 % beziffert.

Die Ausbildung der Beschäftigten im Kultursektor findet vorwiegend in – im weitesten Sinne – kulturell/künstlerischen Studiengängen an Hochschulen statt. Zwar sind im Kulturbereich in stärkerem Maße als in anderen auch Seiteneinsteiger üblich, aber auch diese rekrutieren sich fast ausschließlich aus Studienabsolventen und -absolventinnen, die die Möglichkeit hatten, an ihrer Hochschule ihre kulturell/künstlerischen Interessen parallel zum jeweiligen Fachstudium zu befriedigen.

»Künstlerische« Studiengänge an Hochschulen in Baden-Württemberg

An baden-württembergischen Hochschulen gibt es vielfältige musisch-ästhetische und kulturelle Bildungsangebote, die entweder im Zentrum eines Studiums stehen, in untergliederten Studiengängen weitere Fächer bilden oder auch studienbegleitend wahrgenommen werden können (zum Beispiel Zeichenkurse, Kurse für »kreatives Schreiben« oder studentische Theatergruppen). Diese vielfältigen Angebote sind beliebt bei den Studierenden. Insbesondere an den Universitäten wird ein breit gefächertes Kursangebot von Seiten künstlerisch interessierter Studierender erwartet. An den studienbegleitenden Zusatzkursen nehmen Studierende aller Fakultäten gemeinsam teil.

Die Daten der Amtlichen Hochschulstatistik lassen bedauerlicherweise nicht die Analyse von Daten über freiwillige und oft selbst organisierte Kurse, sondern nur die der belegten Haupt- oder Nebenfächer zu. Diese regulär angebotenen Studienfächer können jedoch nicht ohne Weiteres in »kulturell/künstlerische« oder eher »technische/naturwissenschaftliche« bzw. »wirtschafts- und geisteswissenschaftliche« unterschieden werden. Im Raster der hochschulstatistischen Fächergruppen drängen sich für eine solche Einteilung zwar die »Kunst/Kunstwissenschaft« sowie die »Sprach- und Kulturwissenschaften« auf. Bei der Beschränkung auf diese beiden Fächergruppen bleiben jedoch ingenieur- oder wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge wie »Medien- und Informationsdesign« oder »Kulturmanagement« (vorwiegend an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaft – ehemals »Fachhochschulen«) unberücksichtigt.

Ein enger gefasster Kulturbegriff läge es nahe, zum Beispiel theologische oder erziehungswissenschaftliche Studiengänge aus den »Sprach- und Kulturwissenschaften« heraus zu filtern. Die Kriterien für ein derartiges Auswahlverfahren müssten im Einzelnen offen gelegt werden, ihre Begründung provoziert berechtigte Einwände und die daraus resultierende Diskussion sprengt den Rahmen dieser Darstellung.

Die Beschäftigung mit kulturell/musisch-ästhetischen Lehrangeboten an Hochschulen stößt solchermaßen von Vorne herein auf methodische Schwierigkeiten, die lediglich mit einem pragmatischen Ansatz überwunden werden können. Einen solchen hat die Autorengruppe Bildungsberichterstattung im vierten nationalen Bildungsbericht »Bildung in Deutschland 2012«2 gewählt, indem sie in die Betrachtung der Hochschulen ausschließlich Fächer aus der Fächergruppe »Kunst/Kunstwissenschaft« einbezogen hat. Diese Fächergruppe wird im nachfolgenden Text auch vorwiegend betrachtet. Parallel dazu wird aber auch die Entwicklung in den »Sprach- und Kulturwissenschaften« einbezogen.

Anteil der Studierenden in kunst- und kulturwissenschaftlichen Fächern geht zurück

Der Anteil derer, die als erstes Studienfach ein Fach aus der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaft gewählt haben, lag seit dem Wintersemester 1996/97 bis zum Wintersemester 2006/07 konstant bei etwas über 4 %. In den letzten 5 Jahren ist dieser Anteil dann auf gut 3 % abgesunken, obwohl die absolute Zahl der Studierenden in dieser Fächergruppe von ursprünglich 9 290 auf 10 311 Studierende im Wintersemester 2011/12 angestiegen ist. Zwei Drittel (6 797) der Studierenden der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaft waren Studentinnen.

In der Fächergruppe der Sprach- und Kulturwissenschaften ist eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Sie machte seit dem Wintersemester 1996/97 rund 20 % aller Studierenden aus, sank im Verlauf der letzten 5 Jahre aber auf 17 % bei gleichzeitigem Anstieg der absoluten Zahlen von 45 157 (WS 1996/97) auf 51 922 Studierende im Wintersemester 2011/12. In der Fächergruppe der Sprach- und Kulturwissenschaften schrieben sich noch mehr Frauen ein als in Kunst/Kunstwissenschaft. Mehr als zwei Drittel oder gut 71 % der Studierenden dieser Fächergruppe (36 997 von 51 922) waren Frauen.

Kunst/Kunstwissenschaft verlor zwar seit 2007/08 kontinuierlich beim Studierendenanteil, behauptete aber seine Position in der Abfolge der Fächergruppen. Die Sprach- und Kulturwissenschaften dagegen, die vor 10 Jahren noch – zusammen mit Mathematik/Naturwissenschaften – die zweitgrößte Fächergruppe bildeten, werden seit dem Wintersemester 2008/09 auf dem vierten Platz geführt. In der Abfolge der Einschreibung in Fächergruppen stehen die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an erster Stelle. Sie befanden sich aber im Wintersemester 2011/12 nur geringfügig über dem Ausgangsniveau von 2002/03 (von gut 29 % auf etwas über 30 %) und behaupteten damit den Anteil, den sie vor 10 Jahren bereits hatten. Von der Dynamik ihrer Entwicklung her fallen die Ingenieurwissenschaften auf. Bei ihnen war ein kontinuierlicher Anstieg im Lauf der letzten Dekade zu verzeichnen (von knapp 18 % auf über 21 %), der sich in den letzten 3 Jahren noch beschleunigt hat.

Der Anstieg der Studierendenzahlen in den Ingenieurwissenschaften und den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften korrespondierte gewissermaßen mit dem Rückgang der Einschreibungen in Sprach- und Kulturwissenschaften.

Kombinationen mit kunst- und kulturwissenschaftlichen Nebenfächern überwiegend im Lehramtsstudium

In klassischen Magister-Studiengängen konnten Studierende ein oder zwei fast beliebige Nebenfächer wählen. Die zahllosen Fächerkombinationen, die daraus erwuchsen, haben dazu geführt, dass man sich in der statistischen Betrachtung nur noch auf das »erste Studienfach« konzentriert hat, um aussagekräftige Auswertungen vornehmen zu können. Die dennoch erfassten Nebenfächer rücken selten in den Fokus der Betrachtung.

»Exotische Fächerkombinationen« gelten als begünstigend für wissenschaftliche Innovationen. Gerade die Kombination technisch oder wirtschaftlich ausgerichteter Studiengänge mit künstlerischen/kulturwissenschaftlichen Nebenfächern eröffnen nicht selten ungewohnte Blickwinkel, die befruchtende Rückwirkungen auf das jeweilige Hauptfach haben, die Berufswahl beeinflussen und den Absolventen ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit bescheinigen.

Der Anteil derer, die als Hauptfach ein Fach aus der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studierten und als Nebenfach eines aus der Kunst/Kunstwissenschaft gewählt hatten, hat sich in den letzten10 Jahren um drei Viertel verringert. Er lag im Wintersemester 2001/02 noch bei über 4 % (151 Studierende) und ist bis zum Wintersemester 2011/12 auf etwas über 1 % (40 Studierende) gesunken. Diese Daten beziehen sich ausschließlich auf die Studierenden, die ein Haupt- und Nebenfach belegt hatten. Auch ihre Anzahl ist rückläufig. 2001/02 waren es in der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften noch 3 532, bis 2011/12 sank der Wert auf 3 311, obwohl die Gesamtstudierendenzahl in dieser Fächergruppe stetig stieg.

Bezogen auf die Gesamtheit aller Studierenden, die ein Nebenfach aus der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaft gewählt haben, ist in den letzten 5 Jahren ein Rückgang von fast 30 % zu beobachten. Haben 2005/06 noch 3 275 Studierende ein »künstlerisches« Fach als zweites Nebenfach gewählt, waren es 2011/12 noch 2 316. Im Bereich der Lehramtsstudiengänge lag der Rückgang einer solchen Fachkombination bei über 32 %. Von allen Studierenden, die ein zweites Studienfach wählten, entschied sich also ein knappes Drittel weniger für Kunst/Kunstwissenschaftliche Fächer als noch vor 5 Jahren.

In der Fächergruppe der Sprach- und Kulturwissenschaften war der Rückgang nicht ganz so ausgeprägt, aber immer noch auffällig. 2005/06 wählten 33 158 ein zweites Studienfach aus dieser Fächergruppe. 2011/12 waren es noch 29 495. Das ist ein Rückgang um 11 %.

In Lehramtsstudiengängen ist die Wahl eines zweiten oder auch dritten Studienfachs unabdingbar. So kommt es, dass fast zwei Drittel aller Studierenden, die im Wintersemester 2011/12 ein kunst/kunstwissenschaftliches oder ein sprach-/kulturwissenschaftliches Nebenfach wählten, ein Lehramtsexamen anstrebten. Vor 20 Jahren war der Anteil der Lehramtsstudierenden mit einer solchen Nebenfachkombination noch deutlich geringer (46 % bzw. 56 %). Damals gab es noch weitaus mehr Magister-Studierende, die derartige Nebenfächer belegten.

Anstieg beim wissenschaftlichen Personal übersteigt den Anstieg der Studierendenzahlen bei Weitem

Der sinkende Anteil derer, die sich in künstlerisch/kulturelle Studiengänge einschreiben, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die absoluten Zahlen der Studierenden in diesen Fächern steigt. Deshalb ist es zunächst nicht verwunderlich, dass im Jahr 2010 auch in diesen Fächern mehr wissenschaftliches Personal beschäftigt wurde als zum Beispiel 5 Jahre vorher.

Der Anstieg beim Personal in der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaften ist mit 17,5 % der niedrigste unter allen Fächergruppen. 2005 gab es noch 731 Personen, die dem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal dieser Fächergruppe zugerechnet wurden, 2010 waren es 859. In den Sprach- und Kulturwissenschaften kam es zu einem durchschnittlichen Personalzuwachs von knapp 33 % (2005: 2 401, 2010: 3 187). Das entspricht fast genau dem durchschnittlichen Gesamtzuwachs beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal (2005: 24 194, 2010: 32 281).

Der Anstieg der Studierendenzahlen machte im gleichen Zeitraum bei den Kunst/Kunstwissenschaften 1,5 % und bei den Sprach- und Kulturwissenschaften 3 % aus. Das Betreuungsverhältnis in diesen Fächergruppen hat sich demnach sehr positiv entwickelt.

Erheblich über dem durchschnittlichen Personalzuwachs aller Fächergruppen – aber auch in hoher Übereinstimmung mit dem Anstieg der Studierendenzahlen – lagen im gleichen Zeitraum die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie verzeichneten einen Personalzuwachs von über 47 % (von 2 661 auf 3 921). Das gilt auch für die Ingenieurwissenschaften mit einem Plus von gut 43 % (von 3 828 auf 5 480).

Unterdurchschnittlicher Anstieg der Studierendenzahlen an Musik- und Kunsthochschulen

Studierende an Musik- und Kunsthochschulen treffen bereits mit der Wahl der Hochschulart ihre Entscheidung für ein künstlerisch/kulturell orientiertes Studium. Im Wintersemester 2011/12 waren an den Kunsthochschulen des Landes 4 424 Studierende eingeschrieben. Das entspricht 1,5 % aller Studierenden an baden-württembergischen Hochschulen (304 994). Vor 10 Jahren – im Wintersemester 2001/02 – studierten noch 2 % aller Studierenden (4 056 von 204 530) an Kunsthochschulen. Es ist also – bezogen auf den Anteil – im Lauf von 10 Jahren ein Rückgang um ein Viertel zu verzeichnen, der dadurch bedingt ist, dass der Anstieg der Studierendenzahlen an den Musik- und Kunsthochschulen nicht mit dem an allen anderen Hochschularten Schritt hielt.

Rund 3,2 % (141) der Studierenden an den Kunsthochschulen belegten im Wintersemester 2011/12 den einzigen ingenieurwissenschaftlichen Studiengang, der an Kunsthochschulen angeboten wird. Es handelt sich um das Studienfach Architektur. Der Anteil der »Architekten« an Kunsthochschulen hat sich in den vergangenen 10 Jahren nur geringfügig verändert; 2002/03 lag er noch – mit 114 von 3 928 Kunsthochschulstudierenden – bei 2,9 %. Alle anderen Studierenden (fast 97 %) belegten im Wintersemester 2011/12 künstlerische Studiengänge wie »Instrumentalmusik« (1 547 Studierende), Musikerziehung (501) oder Grafikdesign/Kommunikationsgestaltung (398) sowie 22 weitere Studiengänge.

Mehr als ein Drittel aller Studierenden an den Kunst- und Musikhochschulen stammen aus dem Ausland. Bei der Gesamtheit aller baden-württembergischen Hochschulen beträgt der Ausländeranteil dagegen 12 %.

Für einen Lehramtsstudiengang haben sich 796 (oder 18 %) der Kunsthochschulstudierenden eingeschrieben. Zwei Drittel aller Lehramtsstudierenden an Kunsthochschulen sind Frauen. Auch sonst ist der Frauenanteil an Kunsthochschulen mit über 57 % erheblich höher als allgemein an den Hochschulen des Landes. Dort betrug er im Wintersemester 2011/12 gut 46 %.

Pop-, Film- und Kunstakademie

Die 1991 gegründete Filmakademie in Ludwigsburg und die Popakademie in Mannheim (seit 2003) bilden für Tätigkeiten in zeitgemäßen Kulturgattungen aus. Die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg vermittelt seit dem Studienjahr 2009 Kompetenzen im Bereich von Theater und Film. Die Studiengänge, die an diesen Hochschulen angeboten werden, tragen Namen wie »Musikbusiness«, »Popmusikdesign«, »Music and Creative Industries«, »Popular Music« oder »Film/Medien«, »Produktion«, »Filmmusik« oder »Schauspiel«, »Regie«, »Dramaturgie« – sie lassen sich in das bundeseinheitliche Raster der Hochschulstatistischen Fächerbenennungen nur schwer einordnen.

Die Zahl der Studierenden an den drei Akademien nahm fast kontinuierlich zu. Seit 2007/08 stiegen die Studierendenzahlen um ein Viertel von 636 auf 854 an. Der Frauenanteil bei den Studierenden an diesen Hochschulen war im Vergleich zu dem an den Kunst- und Musikhochschulen erstaunlich gering. Lag er Anfangs noch im Durchschnitt bei knapp 31 %, stieg er – durch Hinzukommen der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg, an der die Hälfte aller Studierenden weiblich waren (im Wintersemester 2009/10) – auf etwas weniger als 38 %. An der Popakademie lag er mit knapp 28 % im Wintersemester 2011/12 am niedrigsten.

An Pädagogischen Hochschulen sind vier von fünf Studierenden in künstlerischen Fächern Frauen

Die Pädagogischen Hochschulen, die es in dieser Form nur in Baden-Württemberg gibt, hatten im Wintersemester 2011/12 einen Studentinnenanteil von fast 78 %. In kunst-/kunstwissenschaftlichen Studiengängen betrug der Frauenanteil fast 84 %, bei den Sprach- und Kulturwissenschaften lag er bei 81 %. Insgesamt studierten 22 500 Studierende an den Pädagogischen Hochschulen (PH) des Landes. 1 442 davon in kunst/kunstwissenschaftlichen Studiengängen. Die Anzahl der Studierenden in dieser Fächergruppe hat sich im Lauf der letzten 15 Jahre kaum verändert; ihr Anteil sank entsprechend. Vor 15 Jahren machte er noch ein Zehntel aller PH-Studierenden aus und ist inzwischen auf weniger als 8 % gesunken.

Deutlich mehr – nämlich 13 343 (über 59 %) der PH-Studierenden – belegten sprach- und kulturwissenschaftliche Fächer. Der Anteil der Studierenden in diesen Fächern war also über drei Mal so hoch wie bei der Gesamtheit aller Studierenden an baden-württembergischen Hochschulen (17 %). Das ist auf das Fachangebot an allgemeinbildenden Schulen zurück zu führen, an denen die Vermittlung von Sprachkompetenzen eine zentrale Rolle spielt.

Unter den Gasthörern höhere Anteile an kunst- und kulturwissenschaftlichen Fächern

Von den 3 680 Gasthörern an Hochschulen in Baden-Württemberg haben 309 ein Fach der Fächergruppe »Kunst/Kunstwissenschaft« belegt. Das waren 8,4 % aller Gasthörer. Verglichen mit den 3,4 % aller Studierenden, die diese Fächergruppe belegten, war der Anteil recht groß. Noch größer war er allerdings in der Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften. Fast 55 % – also mehr als die Hälfte aller Gasthörer (2 005 von 3 680) – belegten ein solches Fach. Bei den ordentlich Studierenden machte der Anteil, der ein Fach dieser Fächergruppe belegt, 17 % aus. 10 Jahre vorher – im Wintersemester 2001/02 – lag der Anteil der Gasthörer hier bei fast 65 % (1 564 von 2 414). Bei den Kunst/Kunstwissenschaft machte der Anteil derer, die ein solches Fach studierten (249) noch 10 % aus. Im Lauf der Jahre hat also auch das Interesse der Gasthörer an diesen Fächern nachgelassen.

Fazit: Künstlerische und kulturelle Fächer haben an Anziehungskraft verloren

Der Anteil der Studierenden, die im Wintersemester 2011/12 in kulturell/musisch-ästhetischen Studienfächern eingeschrieben waren, ist fast durchgehend geringer als noch vor 10 Jahren. Der Anteil derer, die sich in ein Nebenfachstudium in Kunst/Kunstwissenschaft eingeschrieben haben, hat sich im Lauf der vergangenen 10 Jahre sogar halbiert. Die Pädagogischen Hochschulen, an denen ein geringfügiger Anstieg im Bereich der Sprach- und Kulturwissenschaften zu verzeichnen ist, bilden die einzige Ausnahme.

Von Gasthörern werden traditionell kulturelle/musisch-ästhetische Studienfächer belegt. Sie bilden fortwährend den größten Anteil. Mit fast 63 % studierten knapp zwei Drittel aller Gasthörer eines dieser Fächer. Vor 10 Jahren lag dieser Anteil allerdings noch bei drei Vierteln.

Das nachlassende Interesse an kulturell/musisch-ästhetischen Studienfächern beruht mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Studienanfänger orientieren sich bei der Fächerwahl in höherem Maße als früher daran, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit einem Abschluss im gewählten Fach eine Anstellung zu erhalten.

Darüber hinaus lassen die neuen Studienformen Bachelor und Master weniger Fächerkombinationen zu als die durch sie abgelösten Magister- und auch Diplomstudiengänge. Dies geht offensichtlich zu Lasten der kulturell/musisch-ästhetischen Studiengänge an baden-württembergischen Hochschulen, die immer seltener als Nebenfächer gewählt werden.

Es ist nicht zu erwarten, dass die weniger stark ansteigenden Studierendenzahlen in diesen Fächergruppen zu einem kulturellen Niedergang in Baden-Württemberg führen. Der Kultursektor ist traditionell auf einen starken nationalen und internationalen Austausch hin orientiert, so dass der Personalbedarf in diesem Bereich auch durch Zuzug gedeckt werden kann. Ein geringerer Anteil von Studienabsolventen dieser Fächergruppen könnte aber dazu beitragen, dass aus Baden-Württemberg weniger kulturelle Impulse ausgehen, und er führt dazu, dass das Land in stärkerem Maße als bisher auf Kulturimport angewiesen ist.

1 HWWI/Berenberg: Kulturstädteranking 2012. Die 30 größten Städte Deutschlands im Vergleich, Hamburg, August 2012.

2 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: »Bildung in Deutschland 2012«, Bielefeld, 2012, S. 183 ff und S.  193 ff.