:: 2/2013

Zunehmende Bedeutung von Unternehmensgruppen

Bereits bei einem flüchtigen Blick auf die Wirtschaftsseiten der Presse wird erkennbar, dass die Beteiligung an oder die Übernahme von Unternehmen immer wieder ein aktuelles Thema darstellt. Bei diesen Anlageentscheidungen mögen zwar auch rein finanzielle oder gar spekulative Aspekte eine Rolle spielen. Häufig geht es den Investoren aber auch schwerpunktmäßig darum, Einfluss auf die Unternehmensstrategie und -politik auszuüben, was insbesondere bei einer Mehrheitsbeteiligung möglich wird.

Um die wirtschaftliche Bedeutung dieser Thematik zu greifen, werden im statistischen Unternehmensregister seit 2007 auch Angaben zu den Unternehmensgruppen systematisch erfasst. Zwar ist im Land rein zahlenmäßig nur eine klare Minderheit der Unternehmen mit einem anderen Unternehmen mehrheitlich verbunden. Diese gruppenzugehörigen Unternehmen können aber über sechs von zehn Arbeitsplätzen bestimmen, und bei den Umsätzen ist ihr Anteil nochmals deutlich höher. Zudem lässt sich die Vermutung einer im Zeitablauf tendenziell zunehmenden Bedeutung der Unternehmensgruppen nunmehr für Baden-Württemberg auch statistisch belegen.

Methodische Vorbemerkungen

Nach der 2008 novellierten EU-Verordnung zu den nationalen Unternehmensregistern1 sind Unternehmensgruppen dort als eigene Einheiten zu führen. Nachdem Deutschland bereits vor dieser Novellierung bei der Zusammenarbeit mit der Monopolkommission mit diesem Thema befasst war,2 konnte es diesen Auftrag bereits vorzeitig im Jahr 2007 erfüllen. Auf Grundlage der zum damaligen Stand vorliegenden Daten für das Berichtsjahr 2005 wurden in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Wissenschaftsforschung (IAW) Tübingen umfangreichere Untersuchungen durchgeführt.3 Über einen speziellen Aspekt wurde auch an dieser Stelle berichtet.4 Da die Daten zu den Unternehmensgruppen seither regelmäßig verarbeitet werden, liegen auch Angaben zur zeitlichen Entwicklung vor, und zwar auf vergleichbarer Grundlage der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008) für die Berichtsjahre von 2006 bis 2010. Allerdings steht dafür mit den im baden-württembergischen Unternehmensregister enthaltenen Angaben ein geringerer Datenkranz zur Verfügung als bei der Analyse für das Jahr 2005, für die ausnahmsweise auch bundesweite Daten genutzt werden konnten.

Definitorisch umfasst eine Unternehmensgruppe mindestens zwei formalrechtlich selbstständige Unternehmen, die durch Kontrollbeziehungen miteinander verbunden sind. Eine Kontrollbeziehung wird dann unterstellt, wenn ein Eigner mehr als 50 % der Kapitalanteile hält. Als Gruppenoberhaupt fungiert dabei genau eine Einheit, die andere kontrolliert, selbst aber nicht kontrolliert wird. Dies kann eine in- oder ausländische juristische Person oder eine natürliche Person sein, sofern sie mindestens zwei Unternehmen kontrolliert. Die kontrollierten Unternehmen werden als gruppenabhängige Unternehmen bezeichnet. Zusammen mit dem Gruppenoberhaupt bilden sie die gruppenzugehörigen Unternehmen bzw. die Mitglieder einer Unternehmensgruppe. Die Angaben zu den Besitzanteilen stammen von Bureau van Dijk, einem international tätigen Datenanbieter, der bei bisher zwei zentral durchgeführten Ausschreibungen zum Datenkauf zum Zug kam.

Begrenzte Fallzahl, aber große wirtschaftliche Bedeutung

2010 gehörten in der beim Unternehmensregister üblichen Abgrenzung5 knapp 38 000 baden-württembergische Unternehmen einer Unternehmensgruppe an. Diese auf den ersten Blick durchaus stattliche Anzahl relativiert sich angesichts einer Gesamtzahl von 485 000 Unternehmen. Gemessen daran ist lediglich eine Minderheit von knapp 8 % gruppenzugehörig. Wie eine Aufgliederung nach der Unternehmensgröße zeigt, wird dieses Ergebnis maßgeblich von der großen Zahl sehr kleiner Unternehmen mit weniger als zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (im Folgenden: SV-Beschäftigten) bestimmt, die über 90 % aller Unternehmen stellen. Obwohl sich auch in dieser Kategorie Gruppenmitglieder finden, wird sie zu nahezu 95 % von unabhängigen Firmen geprägt . Bei zehn bis 49 SV-Beschäftigten sind jedoch bereits deutlich über ein Viertel der Unternehmen Mitglied einer Gruppe, und ab 50 SV-Beschäftigten gilt dies für eine klare Mehrheit der Unternehmen. Gemessen an der Zahl der SV-Beschäftigten6 und insbesondere am Umsatz ist das Gewicht der Gruppenmitglieder in jeder Größenklasse höher als nach der Unternehmenszahl. Bei den gruppenzugehörigen Unternehmen handelt es sich also innerhalb der jeweiligen Größenklassen um relativ beschäftigungs- und vor allem umsatzstarke Firmen. Da größere Unternehmen zugleich eine relativ starke Wirtschaftskraft aufweisen – Unternehmen ab 250 Mitarbeiter stellen 48 % aller SV-Beschäftigten und erzielen 52 % der Umsätze – waren 2010 bei gruppenzugehörigen Unternehmen 61 % aller SV-Beschäftigten angestellt, und bei den Umsätzen gingen sogar nahezu drei Viertel auf das Konto dieser Firmen.

Jeder zehnte SV-Beschäftigte vom Ausland abhängig

Mit einem Anteil von 92 % werden die im Unternehmensregister nachgewiesenen Gruppenmitglieder zahlenmäßig von den abhängigen Unternehmen dominiert. Gruppenoberhäupter stellen also lediglich 8 %. Dies hängt allerdings auch damit zusammen, dass im Unternehmensregister nur die institutionellen Gruppenoberhäupter nachgewiesen werden, während die natürlichen Personen die unter Fußnote 5 genannten Nachweisvoraussetzungen nicht erfüllen. Bei den nachgewiesenen Gruppenoberhäuptern handelt es sich um relativ große Firmen, denn bei den SV-Beschäftigten und den Umsätzen beträgt ihr Anteil an den Gruppenmitgliedern über bzw. knapp unter einem Viertel, also jeweils etwa das Dreifache als gemessen an der Anzahl. Bei den abhängigen Unternehmen sitzt das Gruppenoberhaupt zum weit überwiegenden Teil in Deutschland. Lediglich 10 % der Gruppenmitglieder sind von einer ausländischen Mutter abhängig. Allerdings handelt es sich auch hierbei um relativ große Firmen, denn die Beschäftigten- und Umsatzanteile sind mit 16 bzw. 19 % höher. Bezogen auf alle Unternehmen in Baden-Württemberg sind damit 10 bzw. 14 % der SV-Beschäftigten bzw. Umsätze in der Hand eines ausländischen Gruppenoberhaupts.

Gruppenzugehörigkeit auf dem Vormarsch

Diese strukturellen Zusammenhänge lassen sich nachweisen, seit Ergebnisse zu den Unternehmensgruppen vorliegen. Wie ein zeitlicher Vergleich zeigt, erhöhten sich die Anteile der gruppenzugehörigen Unternehmen an den drei nachgewiesenen Größen (Anzahl Unternehmen, SV-Beschäftigte und Umsatz) in den letzten Jahren jedoch sukzessive.7 Eine gewisse Ausnahme stellte das Krisenjahr 2009 dar, als beim Beschäftigtenanteil ein leichter Rückgang ermittelt wurde. Insgesamt hat sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 der zahlenmäßige Anteil gruppenzugehöriger Unternehmen von gut 6 auf knapp 8 % erhöht. Bei den SV-Beschäftigten stieg das Gewicht der Gruppenmitglieder von ursprünglich der Hälfte auf über 60 %, und bei den Umsätzen sind nach zwei Dritteln im Jahr 2006 inzwischen nahezu drei Viertel erreicht. Dies passt auch insofern ins Bild, als im Zuge der Globalisierung von einer Tendenz zu einer zunehmenden (nationalen und internationalen) Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung ausgegangen wird. In Verbindung damit scheint also auch die Neigung zu steigen, in Firmenverbünden zu agieren. Im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 wurde diese Entwicklung allerdings partiell unterbrochen, weil viele Firmen damals primär mit anderen Sorgen zu kämpfen hatten, insbesondere mit der Existenzsicherung.

Deutliche Branchenunterschiede bei der Gruppenzugehörigkeit

Auch zwischen den verschiedenen Wirtschaftsbereichen zeigen sich bei der Gruppenzugehörigkeit ausgeprägte Unterschiede. Nimmt man den Anteil der von Gruppenmitgliedern angestellten SV-Beschäftigten als repräsentativen Maßstab – bei der Unternehmenszahl und den Umsätzen zeigen sich sehr ähnliche Abstufungen – so bewegte sich dieser 2010 bereits auf der Ebene der Wirtschaftsabschnitte in einer beträchtlichen Spanne von 24 bis 77 %. Anteile über dem Landesdurchschnitt von 61 % wiesen dabei lediglich fünf von 17 Abschnitten auf. Drei weitere Bereiche kamen noch auf Anteile von über der Hälfte, eine Mehrzahl von neun Abschnitten lag darunter.

Zwar spiegelt sich in der Abstufung zumindest teilweise auch die unterschiedliche Größenstruktur der Wirtschaftsbereiche wider. So ist der Spitzenreiter Verarbeitendes Gewerbe relativ stark von größeren Firmen geprägt, während sich im Gastgewerbe am Ende der Skala überwiegend kleine Unternehmen finden. Allerdings spielt auch die Tätigkeit als solche eine Rolle. Beispielhaft lässt sich dies am Grundstücks- und Wohnungswesen zeigen. Obwohl dieser Wirtschaftsbereich – ähnlich wie das Gastgewerbe – von sehr kleinen Einheiten dominiert wird, ist der Beschäftigtenanteil der Gruppenmitglieder mit 48 % doppelt so hoch wie in der Gastronomie. Dies lässt sich insbesondere mit einer speziellen Form der Unternehmensgruppe erklären, den Aufspaltungen in ein Besitz- und ein Betriebs-Unternehmen. Bei dieser vor allem aus haftungs- und steuerrechtlichen Gründen gewählten Konstruktion wird das Betriebsvermögen – meist in Form der genutzten Immobilien – von einer Besitzgesellschaft gehalten, während die eigentliche Unternehmenstätigkeit von einer Betriebsgesellschaft ausgeübt wird. Die Besitzgesellschaft wird hier im Regelfall dem Grundstücks- und Wohnungswesen zugeordnet. Auch in einigen anderen Bereichen tragen ähnlich typische Konstellationen zu relativ hohen Anteilen der gruppenzugehörigen Unternehmen bei, etwa die rechtliche Auslagerung von DV-Tätigkeiten in der Information und Kommunikation oder das Outsourcing von (abhängigen) Vertriebsgesellschaften im Handel.

In der feineren Aufgliederung nach 78 nachgewiesenen Wirtschaftsabschnitten wird das theoretisch mögliche Spektrum von Anteilen der Gruppenmitglieder zwischen 0 und 100 % bei den SV-Beschäftigten bereits nahezu vollständig ausgeschöpft. Die Spanne reicht vom Veterinärwesen, in dem Unternehmensgruppen praktisch keine Rolle spielen, bis zur Kokerei und Mineralölverwaltung, in der nahezu alle SV-Beschäftigten bei einem Gruppenmitglied tätig sind.

Regionale Unterschiede schwächer ausgeprägt

Angesichts der unterschiedlichen Branchen- und Größenstrukturen der Unternehmen innerhalb des Landes liegt es auf der Hand, dass auch in regionaler Hinsicht Unterschiede im Umfang der Gruppenzugehörigkeit existieren. Dies lässt sich auf der Ebene der Regionen auch tatsächlich nachweisen. Mit einer Spanne von 48 bis 69 % beim Anteil der Gruppenmitglieder an den SV-Beschäftigten sind die Unterschiede allerdings im Vergleich zur Differenzierung nach Wirtschaftsabschnitten schwächer ausgeprägt. Insbesondere fällt keine Region deutlich nach unten ab. Damit existiert also flächendeckend ein stattlicher »Bodensatz« an gruppenzugehörigen Unternehmen, aus dem nur wenige Regionen wie Stuttgart, Donau-Iller oder Franken stärker herausragen.

Erwartungsgemäß wird die Spanne auf der Ebene der Stadt- und Landkreise deutlich größer, und zwar von 38 % im Landkreis Emmendingen bis 80 % im Stadtkreis Stuttgart. Ohne diese beiden Kreise reduziert sich der Wertebereich jedoch bereits auf 42 bis 73 %. Die These vom flächendeckenden »Bodensatz« muss damit auch auf dieser Ebene nur geringfügig eingeschränkt werden. Allerdings heben sich die Stadtkreise mit einem Anteil von 71 % doch von den Landkreisen mit durchschnittlich 56 % ab. Damit scheint also auch ein städtisches Umfeld die Neigung zur Bildung von Unternehmensgruppen zu begünstigen.

1 Verordnung (EG) Nr. 177/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Unternehmensregister für statistische Zwecke und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2186/93 des Rates, ABl. L 61/6 vom 5. März 2008.

2 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Unternehmen und Unternehmensgruppen – Eine Studie der regionalen Strukturen und Beziehungen, Statistische Analysen 10/2004, Stuttgart 2004.

3 Koch, Andreas: Die Bedeutung von Unternehmensgruppen in Baden-Württemberg, IAW Policy Report Nr. 5, April 2010.

4 Koch, Andreas/Kössler, Richard: »Wie fremdbestimmt sind unsere Arbeitsplätze?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2010«, S. 34–42.

5 Nachgewiesen werden Unternehmen, die im jeweiligen Berichtsjahr über einen steuerbaren Umsatz von mindestens 17 500 Euro und/oder mindestens einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verfügen und eine Tätigkeit gemäß den Abschnitten B bis N oder P bis S der WZ 2008 ausüben.

6 Beim Nachweis auf Unternehmensebene werden alle SV-Beschäftigten örtlich am Unternehmenssitz nachgewiesen, auch wenn sich bei überregional tätigen Firmen die Arbeitsplätze an einem anderen Ort, ggf. auch in einem anderen Bundesland befinden. Dies gilt analog auch für die Umsätze.

7 Dieses Ergebnis kann auch mit davon beeinflusst sein, dass der Datenlieferant Bureau van Dijk seinen Nachweisbereich im Zeitverlauf ausgeweitet hat. Allerdings sprechen Zunahmen auch in den von Anfang an gut abgedeckten Bereichen dafür, dass es sich überwiegend um reale Veränderungen handelt.