:: 2/2013

Der Arbeitsplatz eines amtlichen Statistikers: ein breites Betätigungsfeld

Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sind für Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, Presse und die breite Öffentlichkeit unverzichtbare Informationsdienstleister. Die Produktion dieser Informationen – von der fachlich-methodischen Konzeption einer Statistik bis hin zur kundenorientierten Verbreitung ihrer Ergebnisse – liegt in den Händen versierter Fachleute, denen unterschiedliche Aufgaben- und Verantwortungsbereiche zugeordnet sind. Im vorliegenden Beitrag wird versucht, das breite Betätigungsfeld eines amtlichen Statistikers1 möglichst umfassend zu beschreiben, dessen Tätigkeiten mit einer wissenschaftlichen Ausbildung verbunden sind. Dieser Beitrag ist auch dazu gedacht, die durchaus gegenseitige Unkenntnis über die Arbeit akademischer und amtlicher Statistiker etwas zu verkleinern.2

Grundlage für eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referent in einem Statistischen Amt ist eine wissenschaftliche Ausbildung mit empirischer Ausrichtung. Anders als vielleicht erwartet wird, stellt der wissenschaftliche Mitarbeiter, der ausschließlich ein rein methodisch-mathematisches Spezialgebiet betreut, in der Amtlichen Statistik einen eher seltenen Fall dar. Der größte Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiter nimmt in einem Statistischen Amt ein breites Tätigkeitsspektrum wahr, das Fachwissen sowie Organisations-, Kommunikations- und Führungskompetenz erfordert.

Fachlich-methodische Vorbereitung von Erhebungen

Ein Schwerpunkt ist die fachlich-methodische Vorbereitung von Statistiken unter Berücksichtigung der inhaltlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Fachthemas sowie der statistischen Methodenlehre. Bei den mehr als 250 Amtlichen Statistiken aus allen Bereichen des sozialen Lebens, der Wirtschaft und der Umwelt ist eine fachliche Spezialisierung, zum Beispiel innerhalb der Bevölkerungsstatistik oder innerhalb der Wirtschaftsstatistik, erforderlich. Die fachliche Spezialisierung führt zu einem Expertentum, das umfangreiche fachliche und methodische Kenntnisse über den Gegenstand einer oder mehrerer einzelner Statistiken umfasst. So verfügt der amtliche Statistiker, der sich mit Sozialstatistik befasst, über umfangreiche Kenntnisse im Bereich der sozialen Sicherungssysteme oder der amtliche Statistiker, der sich mit der Landwirtschaftsstatistik befasst, über umfangreiche Kenntnisse im Agrarwesen.

Mitwirkung in Fachgremien

Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bereiten die Statistiken vor und entwickeln sie fachlich-methodisch weiter. Die Federführung liegt beim Statistischen Bundesamt; allerdings erfolgt die entsprechende Vorbereitung entsprechend dem Bundesstatistikgesetz (BStatG) im Benehmen mit den Statistischen Landesämtern. Für die meisten Statistiken beziehungsweise Statistikbereiche gibt es im Verbund regelmäßig tagende Referentenkonferenzen und eine Vielzahl von ad hoc-Arbeitsgruppen, in denen fachlich-methodische und/oder organisatorisch-technische Konzepte erarbeitet und abgestimmt werden. Darüber hinaus wirken Statistikreferenten häufig in themen- oder anlassbezogenen größeren oder kleineren Einzelveranstaltungen (Konferenzen, Ausschüsse, Fachtagungen, Workshops etc.) mit, an denen neben den Statistikern des Bundes, der Länder und der Städte auch häufig die Wissenschaft, die Fachressorts, die Wirtschaft und sonstige Nutzer beteiligt sind. Für die Tätigkeit des amtlichen Statistikers bedeutet dies im Vergleich zu einem empirisch arbeitendem Sozial- oder Wirtschaftsforscher an einer Hochschule oder einem privaten Institut, dass er die Erhebungs-, Aufbereitungs- und Auswertungskonzepte nicht eigenständig, sondern immer in Zusammenarbeit mit den Kollegen der anderen Statistischen Ämter und in Abstimmung mit weiteren Institutionen festlegt.

Mitwirkung bei der Vorbereitung von Gesetzen

Zur Vorbereitung der Statistiken erfolgt auch eine intensive Beratung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des jeweiligen Statistikgesetzes. Dieser Aspekt ist für die spätere Durchführung einer Statistik von besonderer Bedeutung, da nur die im Gesetz festgeschriebenen Maßnahmen und Verfahren zulässig sind. Dies bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Gesetzgebung das Erhebungs- und Aufbereitungskonzept bereits relativ detailliert vorliegen muss, da spätere Nachbesserungen, insbesondere zu den Auskunftspflichten, zu (Hilfs-)Merkmalen, zu den Rechten von Erhebungsbeauftragten und Statistikämtern, zu Datenübermittlungen oder Löschungsterminen nicht möglich sind. Dies stellt vor allem bei erstmalig durchzuführenden Statistiken hohe Anforderungen (und gelegentlich auch ein Problem) dar.

Management und Führungsaufgaben bei der Durchführung

Die Durchführung von Statistiken erfolgt in der Regel durch die Bundesländer, das heißt durch die Statistischen Landesämter, als eigene Aufgabe, die auch durch die Länderhaushalte zu finanzieren ist. Der amtliche Statistiker hat hier als erste Aufgabe, die oft personalintensive Durchführung der Erhebung organisatorisch-technisch vorzubereiten und die Arbeitsabläufe entsprechend zu planen. Dazu gehören auch die Erarbeitung von fachlichen Vorgaben und Arbeitsanweisungen für Erhebungsstellen, Erhebungsbeauftragte und Mitarbeiter des eigenen Amtes. In die Phase der Durchführung gehört auch die Steuerung der Arbeitsprozesse, des Personaleinsatzes und der Ressourcen insgesamt. Hier ist der amtliche Statistiker als Organisationsfachmann und als Vorgesetzter gefordert. Die Führung und Betreuung einer Vielzahl von Mitarbeitern (oft im hohen zweistelligen Bereich) des eigenen Arbeitsgebietes erfordert nicht nur hohe soziale Kompetenz, sondern auch Kenntnisse des Personalwesens (Personalrecht, Personalvertretungsrecht, Personalentwicklung, etc.) und der Verwaltung.

Analysen der Ergebnisse und Verfahren

Nach Durchführung der Statistiken werden Analysen der Methoden und Ergebnisse der jeweiligen Statistiken erstellt, in Aufsätzen und Beiträgen veröffentlicht und auf Fachtagungen präsentiert. Hierbei werden nicht nur Hinweise auf die Qualität der Statistiken, einzelne Erhebungsmerkmale oder die Adäquation der Ergebnisse für bestimmte Fragestellungen gewonnen, sondern auch Erkenntnisse für die Verbesserung einzelner Verfahrensschritte bei der Durchführung.

Die Auswertung und Analyse der Ergebnisse erfolgt sowohl durch die Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts als auch durch die der Statistischen Landesämter, wobei bei ersteren die fachlich tiefe Aufschlüsselung im Vordergrund steht, während sich die letzteren vor allem auf die regionalen Aspekte und entsprechend räumlich tief gegliederte Ergebnisse konzentrieren. Insbesondere die Städte mit abgeschotteten Statistikstellen, die auch über Mikrodaten aus der Amtlichen Statistik verfügen können, stellen hier quasi die dritte Säule der Amtlichen Statistik dar, vor allem im Hinblick auf kleinräumlich gegliederte Ergebnisse (zum Beispiel für Stadtteile und Wohnquartiere). Städtestatistiker und Landesstatistiker arbeiten daher idealerweise eng zusammen.

Beratung und Unterstützung der Nutzer

Die Mitarbeiter der Statistischen Ämter haben auch die Aufgabe, Politik, Verwaltung und sonstige Nutzer zu beraten und zu unterstützen. Dabei übernehmen sie auch oft zusätzliche Aufträge, wie die Durchführung einer Erhebung, die Erstellung von Sonderauswertungen oder die Anfertigung von weitergehenden Analysen. Diese Aufgabe nehmen in der Regel das Statistische Bundesamt für die Bundesressorts und -verwaltung, die Statistischen Landesämter für die Landesressorts und -verwaltung und die Städtestatistiker für die Kommunalverwaltung wahr. Hier ist der amtliche Statistiker Berater, Serviceleister und Auftragnehmer.

Arbeiten in hierarchisch gegliederten Organisationen

Die Ämter, die die Amtliche Statistik durchführen, sind hierarchisch organisiert. In der Regel gibt es unterhalb der Amtsleitungsebene mehrere Abteilungsleitungen. Die Abteilungen untergliedern sich in mehrere Referate (manchmal noch in Gruppen oder Fachbereiche), die Referate in mehrere Sachgebiete. Diese hierarchische Struktur einer Verwaltungsbehörde hat Auswirkungen zumindest auf zwei Aspekte.

  • Wissenschaftliche Unabhängigkeit? Erstens sind die Ämter gemäß Bundesstatistikgesetz und Code of Practice3 zwar wissenschaftlich unabhängig, dies wirft aber für die einzelnen wissenschaftlichen Mitarbeiter, Referenten oder Abteilungsleitungen jeweils die Frage auf, inwieweit eine Stellungnahme, Positionierung oder Veröffentlichung nur im Namen des Mitarbeiters oder auch im Namen des Amtes erfolgt. Diese Unterscheidung ist insoweit nicht trivial, da in der Regel Aussagen des Autors als Amtsangehöriger erfragt werden. Hier ist auch die im BStatG geforderte Objektivität und Neutralität des Statistischen Amtes bzw. der Amtlichen Statistik insgesamt zu beachten. Es besteht demnach auch hier ein Unterschied zur Arbeit im wissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel einer Universität.
  • Fachstatistik oder Leitungsaufgabe? Zweitens werden viele Statistiker im Laufe ihres Berufslebens unterschiedliche hierarchische Funktionen bekleiden. Zu Beginn als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referent werden nahezu ausschließlich fachlich-methodische und technisch-organisatorische Aufgaben im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung einer oder mehrerer Statistiken wahrgenommen. In den anderen Funktionen als Referats-, Gruppen-, Fachbereichs-, Abteilungs- oder Amtsleitung tritt die fachliche Arbeit zu Gunsten übergreifender Leitungsaufgaben mehr und mehr in den Hintergrund. Diese umfassen die Wahrnehmung von internen Führungs- und Verwaltungsaufgaben, die Mitwirkung bei der Festlegung der strategischen Ausrichtung des Amtes und der Amtlichen Statistik sowie die Interessenvertretung gegenüber der Politik und Verwaltung.

Fazit: Ein breites Tätigkeitsfeld mit Perspektiven

Der Arbeitsplatz eines praktischen Statistikers in der Amtlichen Statistik ist also ein Mischarbeitsplatz in mehrfacher Hinsicht: Der amtliche Statistiker arbeitet in einer Verwaltung mit ihren hierarchischen Strukturen und muss gleichzeitig wissenschaftliche Mindeststandards bei seiner Arbeit berücksichtigen. Er entwickelt für seinen Zuständigkeitsbereich erhebliche fachliche Expertisen und ist gleichzeitig für die Führung meist personalintensiver Organisationseinheiten verantwortlich. Darüber hinaus muss er Ergebnisse und Methoden analysieren und veröffentlichen. In Fachgremien soll er referieren und im fachlich-methodischen Disput sich der Diskussion mit der Wissenschaft und anderen Fachleuten stellen. Gegenüber der öffentlichen Verwaltung und sonstigen Nutzern ist er beratender Experte und Dienstleister.

Die Praxis in den Statistischen Ämtern zeigt, dass im Rahmen dieses breiten Betätigungsfeldes auch Spezialisierungen möglich sind, wobei Neigungen und Befähigungen der Mitarbeiter oft faktisch Berücksichtigung finden. So nehmen einige sehr anspruchsvolle fachliche Aufgaben mit einem geringeren Teil an Leitungs- und Führungsaufgaben wahr, während andere ihre Arbeitsschwerpunkte in der Organisation und Steuerung großer Arbeitsbereiche finden.

Das Berufsfeld der Amtlichen Statistik bietet somit sehr viele interessante Tätigkeiten und Entwicklungsperspektiven. Als jemand, der auf allen hierarchischen Ebenen tätig war, kann der Verfasser dieses Beitrags sagen, dass eine Berufslaufbahn in der Amtlichen Statistik nicht die schlechteste Entscheidung ist.

1 Hier und im Weiteren wird mit dem Begriff »der amtliche Statistiker« die männliche Form aus Gründen der Lesbarkeit verwendet. Inhaltlich ist dabei – wie auch bei synonym verwendetet Begriffen – die weibliche Form selbstverständlich mit eingeschlossen.

2 Dieser Beitrag ist eine nur geringfügig redaktionell bearbeitete Version des Artikels »Der Arbeitsplatz eines Amtlichen Statistikers: Ein breites Betätigungsfeld« in: Rat für Sozial- und WirtschaftsDaten( Hrsg.), RatSWD Working Paper Series, Nr. 201, Juli 2012. www.ratswd.de/download/RatSWD_WP_2012/RatSWD_WP_201.pdf Wir danken dem Statistikamt Nord für die freundliche Nachdruckgenehmigung.

3 Europäische Kommission, EUROSTAT (Hrsg.): Verhaltenskodex für Europäische Statistiken für die Nationalen und Gemeinschaftlichen Statistischen Stellen, angenommen vom Ausschuss für das Europäische Statistische System, 28. September 2011.