:: 3/2013

»Revision 2011« in der Erwerbstätigenrechnung – was hat sich geändert?

Im Jahr 2012 wurden vom Arbeitskreis »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« erste vorläufige Ergebnisse nach Durchführung der »Revision 2011« der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf der Länder- und Kreisebene veröffentlicht. Dieser Beitrag erläutert anhand übersichtlicher Tabellen und Schaubilder grundlegende inhaltliche Änderungen, die mit dieser großen Revision verbunden waren, und zeigt den Datennutzern die wichtigsten Ergebnisunterschiede in der Form von Struktur- und Niveaueffekten bei der Zahl der Erwerbstätigen und der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für Baden-Württemberg und seine Stadt- und Landkreise. Hauptanlass der »Revision 2011« war die Einführung der neuen europäischen Wirtschaftszweigklassifikation NACE Rev. 2, die auf nationaler Ebene der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 entspricht. Darüber hinaus wurden neue Datenquellen verwendet und Berechnungsmethoden verbessert.

»Revision 2011« – was ist das?

Bei Revisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen handelt es sich um Überarbeitungen der vorhandenen Berechnungen, die meist auf der Grundlage internationaler Vereinbarungen vorgenommen werden. Während bei laufenden Revisionen lediglich der aktuelle Rand in Form von maximal 4 Jahren überarbeitet wird, handelt es sich bei der »Revision 2011« um eine große Revision mit grundlegenden Auswirkungen. Wegen dieser Tragweite ist in diesem Fall eine Rückrechnung in frühere Berichtszeiträume erforderlich, um revisionsbedingte Brüche in den Zeitreihen zu vermeiden.

Hauptanlass der »Revision 2011« war die Einführung der europaweit rechtsverbindlichen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 2), die auf nationaler Ebene der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 2008 (WZ 2008) entspricht. Darüber hinaus wurden neue Datengrundlagen und Berechnungsmethoden berücksichtigt. In den einzelnen Fachstatistiken wurde bereits seit dem Berichtsjahr 2008 die neue Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 eingeführt. Da die Erwerbstätigenrechnung als Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen eine Vielzahl von Quellen verwendet, deren Daten im Zeitablauf sukzessive verfügbar sind, konnte die Erwerbstätigenrechnung erst mit zeitlicher Verzögerung auf die neue Wirtschaftszweigklassifikation umgestellt werden.

Welche revidierten Ergebnisse sind bereits verfügbar?

Bereits seit September 2011 stehen europaweit revidierte nationale Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nach der neuen Wirtschaftszweigklassifikation zur Verfügung. Für Deutschland veröffentlichte das Statistische Bundesamt im September 2011 revidierte Zeitreihen ab dem Jahr 1991.1

Die Berechnungen zur Erwerbstätigkeit werden nach dem sogenannten »Top-down-Ansatz« durchgeführt. Nach Vorliegen der nationalen Ergebnisse schließen sich die regionalen Berechnungen auf der Ebene der Bundesländer und im Anschluss daran auf der Kreisebene an.

Im Laufe des Jahres 2012 wurden schrittweise die revidierten Ergebnisse des Arbeitskreises »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« veröffentlicht. Dabei wurden zunächst die originären Berechnungen am aktuellen Rand ab dem Basisjahr 2008 durchgeführt und anschließend eine Rückrechnung der Ergebnisse in frühere Zeiträume vorgenommen.

  • März 2012: Veröffentlichung der revidierten Ergebnisse zu den Erwerbstätigen auf der Länderebene zu den aktuellen Jahren 2008 bis 2011.
  • Juni 2012: Veröffentlichung der revidierten Ergebnisse für die Erwerbstätigen auf Länderebene für den Rückrechnungszeitraum 1991 bis 2007 sowie die revidierten Arbeitsvolumen für den aktuellen Rand 2008 bis 2011.
  • Dezember 2012: Veröffentlichung der revidierten vierteljährlichen Erwerbstätigenrechnung auf Länderebene für den Zeitraum 2008 bis zum 3. Quartal 2012.
  • Dezember 2012: Veröffentlichung der revidierten Daten für die Erwerbstätigen, Vollzeitäquivalente und Standard-Arbeitsvolumen auf der Kreisebene für die Jahre 2008 bis 2010.

In diesem Jahr werden die Revisionsarbeiten fortgesetzt. Es stehen noch die revidierten Arbeitsvolumen auf der Länderebene und die revidierten Kreisergebnisse jeweils für den Rückrechnungszeitraum 2000 bis 2007 an. Parallel dazu müssen die aktuellen Berechnungen zum Berichtsjahr 2012 auf Länderebene und 2011 auf Kreisebene durchgeführt werden.

Was hat sich durch die neue Wirtschaftszweigklassifikation geändert?

Die Einführung der neuen europäischen Wirtschaftszweigklassifikation NACE Rev. 2 bzw. der nationalen Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 hat sich recht unterschiedlich auf die Ergebnisse nach den einzelnen Wirtschaftszweigen ausgewirkt. Die Übersicht zeigt eine Gegenüberstellung der neuen Wirtschaftszweiggliederung WZ 2008/NACE Rev. 2 und der bisherigen WZ 2003/NACE Rev. 1.1.

Die neue Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 brachte Änderungen der Wirtschaftsstruktur mit sich. So wurde beispielsweise der Garten- und Landschaftsbau aus dem primären Sektor »Land- und Forstwirtschaft, Fischerei« (Abschnitt A) in den Dienstleistungssektor ausgelagert (Abschnitt N: Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen). Im sekundären Sektor, dem »Produzierenden Gewerbe« (Abschnitte B bis F), wurde das Verlagsgewerbe aus dem Verarbeitenden Gewerbe in den Dienstleistungssektor ausgelagert. Es ist nun Bestandteil des neuen Wirtschaftsabschnitts J »Information und Kommunikation«. Die Dienstleistungsbereiche, der sogenannte tertiäre Sektor, wurden deutlich stärker differenziert. Nach neuer WZ 2008 umfasst der Dienstleistungssektor (Abschnitte G bis U) insgesamt 15 Wirtschaftsabschnitte, bisher waren es lediglich elf Wirtschaftsabschnitte (Abschnitte G bis Q).2

Was hat sich bei Datenquellen und Berechnungsmethoden geändert?

Über die Umstellung auf die WZ 2008 hinaus wurden bei der »Revision 2011« zusätzlich die bisherigen Datengrundlagen und Berechnungen überprüft und neue Informationen berücksichtigt. So wurden Ergebnisse zu den ausschließlich kurzfristig Beschäftigten, die beispielsweise als Saisonarbeiter maximal 2 Monate oder weniger als insgesamt 50 Tage im Jahr arbeiten, aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit eingearbeitet und die Berechnungsmethode im Produzierenden Gewerbe umgestellt. Bei den Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen wurde die Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich als neue Datenquelle verwendet.

Die Verwendung neuer Berechnungsmethoden und Datenquellen hatte Struktureffekte bei den Erwerbstätigen nach Stellungen im Beruf und nach Wirtschaftszweigen, aber auch Niveaueffekte zur Folge.

Struktureffekte der Erwerbstätigen auf Landesebene

Alleine die wenigen genannten Beispiele von Änderungen bei der wirtschaftsfachlichen Zuordnung der Erwerbstätigen, aber auch der neu eingesetzten Berechnungsmethoden und Datenquellen zeigen, dass selbst bei gleichlautenden Bezeichnungen von Wirtschaftszweigen und deren Zusammenfassungen ein Vergleich zwischen den Ergebnissen vor und nach Revision nur mit Einschränkungen und nicht ohne Berücksichtigung der mit der Revision verbundenen Änderungen möglich ist.

Schaubild 1 verdeutlicht für Baden-Württemberg die Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur der Erwerbstätigen nach und vor der Revision für das Berichtsjahr 2009, das nach beiden Methoden berechnet wurde. So hat im Zuge der »Revision 2011« der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor um 0,7 Prozentpunkte auf 67 % zugenommen, während die Anteile der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft um 0,4 Prozentpunkte auf 1,4 % und im Produzierenden Gewerbe um 0,3 Prozentpunkte auf 31,6 % zurückgegangen sind. Betrachtet man die Erwerbstätigen aller Wirtschaftsbereiche nach ihren Stellungen im Beruf, nimmt die Bedeutung der größten Gruppe, der Arbeitnehmer ohne marginal Beschäftigte, leicht auf 75 % ab. Der Anteil der Selbstständigen einschließlich mithelfenden Familienangehörigen sinkt ebenfalls leicht auf 10,5 %. Umgekehrt steigt die Bedeutung der zweitgrößten Stellung im Beruf, der marginal Beschäftigten, um 0,3 Prozentpunkte auf 14,5 %. Zu den marginal Beschäftigten gehören die geringfügig entlohnt Beschäftigten, die kurzfristig Beschäftigten und die Personen mit Arbeitsgelegenheiten – sogenannte Ein-Euro-Jobs.

Niveaueffekte der Erwerbstätigen auf Landes- und Kreisebene

Aus den in der »Revision 2011« umgesetzten Maßnahmen resultiert gesamtwirtschaftlich eine leichte Niveauanhebung der Erwerbstätigenzahlen. Im Zeitraum 1991 bis 2009 liegen die Niveaus der Erwerbstätigen auf Landesebene nach der Revision im Durchschnitt 1,4 % höher als vor der Revision, wobei die zeitlichen Verläufe der Erwerbstätigkeit durch die Revision weitgehend erhalten bleiben.

Vergleicht man die Erwerbstätigenzahlen für das Berichtsjahr 2009 nach und vor Revision, so liegt die Zahl der Erwerbstätigen nach Revision landesweit um rund 65 000 Personen oder 1,2 % höher als vor Revision. Unter den 44 Stadt- und Landkreisen ergibt sich in 32 Kreisen ebenfalls ein höheres Niveau der Erwerbstätigkeit, in zwölf dagegen eine Niveauabsenkung. Die Spannweite der revisionsbedingten Niveauänderungen reicht von + 8,7 % im Landkreis Tuttlingen bis − 4,4 % im Stadtkreis Baden-Baden. Die Rangfolge der Kreise und damit die Anteile der Kreise am Land bleiben durch die Revision jedoch weitgehend unverändert. Revidierte Ergebnisse in einer Zeitreihe zurück bis zum Jahr 2000 werden in der zweiten Jahreshälfte 2013 veröffentlicht. Die bisher veröffentlichten Ergebnisse nach WZ 2003 sind mit der Veröffentlichung revidierter Ergebnisse aus den bereits genannten Gründen nicht mehr vergleichbar.

Niveaueffekte der geleisteten Arbeitsstunden auf Landes- und Kreisebene

Bei der Zahl der von den Erwerbstätigen gesamtwirtschaftlich geleisteten Arbeitsstunden ergibt sich durch die »Revision 2011« landesweit eine geringfügige Niveauabsenkung der Ergebnisse gegenüber vor der Revision. Vergleicht man die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden für das Berichtsjahr 2009 nach und vor Revision, so liegt diese nach Revision auf der Landesebene um 0,1 % niedriger als vor Revision. Unter den 44 Stadt- und Landkreisen ergibt sich in 23 Kreisen ebenfalls ein geringeres Niveau an Arbeitsstunden, in 21 dagegen eine Niveauanhebung. Die Spannweite der revisionsbedingten Niveauänderungen reicht von + 6,6 % im Landkreis Tuttlingen bis − 4,4 % im Stadtkreis Baden-Baden. Wie bei den Erwerbstätigen bleiben auch bei den geleisteten Arbeitsstunden die Rangfolge der Kreise und damit auch die Anteile der Kreise am Land durch die Revision weitgehend unverändert.

Bei der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen (Pro-Kopf-Arbeitszeit) liegt das Niveau nach Revision landesweit um 1,3 % unter dem vor Revision. Hier reicht die Spannweite der Veränderungen von + 0,1 % im Stadtkreis Baden-Baden bis zu einer Niveauabsenkung um 4,4 % im Stadtkreis Heilbronn. Da die Pro-Kopf-Arbeitszeit die Niveauveränderungen der geleisteten Arbeitsstunden und der Erwerbstätigen vereint, weicht die Rangfolge der Stadt- und Landkreise nach Revision von der vor Revision stärker ab als bei den jeweiligen Einzelkomponenten.

Im Laufe des Jahres 2013 werden revidierte Ergebnisse in einer Zeitreihe zurück bis zum Jahr 2000 berechnet. Auch hier sind die bisher veröffentlichten Ergebnisse nach WZ 2003 mit der Veröffentlichung revidierter Ergebnisse aus den oben genannten Gründen nicht mehr vergleichbar.

Die revidierten Länder- und Kreisergebnisse sind in mehreren Gemeinschaftsveröffentlichungen des Arbeitskreises »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« für alle Bundesländer und alle Kreise Deutschlands dargestellt und können unter http://aketr.de/index.php/veroeffentlichungen.html kostenfrei heruntergeladen werden.

1 Vergleiche hierzu Räth, N./Braakmann, A. u.a.: Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2011 für den Zeitraum 1991 bis 2010, in: Wirtschaft und Statistik, Ausgabe September 2011, S. 825–865.

2 Weitere Informationen enthält der Beitrag von Emmel, W.: Die Revision der Wirtschaftszweigklassifikation 2008, in: Staat und Wirtschaft in Hessen Heft 06, 2007, S. 138–144.