:: 4/2013

Nach dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung: Übergänge auf weiterführende Schulen zum Schuljahr 2012/13

Die Grundschulempfehlung ist nicht mehr verbindlich, dazu gibt es erweiterte Wahlmöglichkeiten durch die Einführung der neuen Schulart Gemeinschaftsschule und die Wiedereinführung des 9-jährigen Gymnasialzuges: Unter diesen neuen Rahmenbedingungen haben sich bei den Übergängen von Grundschulen auf weiterführende Schulen zum Schuljahr 2012/13 die bisherigen Trends verstärkt. So sind die Übergänge auf Werkreal-/Hauptschulen auf knapp 16 % gesunken, die Übergänge auf Realschulen auf 37 % angestiegen. Die Gymnasien konnten ihre vorherrschende Stellung mit 44 % noch weiter ausbauen. Dabei wich das Übergangsverhalten stark von den im März 2012 erteilten Grundschulempfehlungen ab. Ausländische Kinder wechselten zum Schuljahr 2012/13 wesentlich häufiger auf Realschulen und Gymnasien als in früheren Jahren. Dennoch bestehen weiterhin deutliche Unterschiede im Übergangsverhalten zwischen deutschen und ausländischen Kindern. Zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen schwanken die Übergangsquoten immer noch erheblich.

Grundschulempfehlung 2012 nicht mehr verbindlich

Mit der Änderung des Schulgesetzes (SchG) für Baden-Württemberg im Dezember 2011 war die Grundschulempfehlung im Jahr 2012 zum ersten Mal nicht mehr verbindlich und hatte nur noch beratende Funktion. Die Entscheidung, auf welche weiterführende Schulart das Kind nach dem erfolgreichen Besuch der vierten Klassenstufe wechseln soll, liegt nun vollständig im Ermessen der Erziehungsberechtigten. Sie ist für die Schule und die Schulverwaltung rechtsverbindlich. Gemäß § 5 (2) SchG1 berät die Grundschule »die Erziehungsberechtigten, welche der auf ihr aufbauenden Schularten für das Kind geeignet ist. Hierbei werden neben dem Leistungsstand auch die soziale und psychische Reife sowie das Entwicklungspotenzial der Kinder betrachtet. Es wird über die möglichen Angebote aufgeklärt und die Auswirkungen der Entscheidung der Eltern werden dargelegt. Die Einschätzung, welche Schulart dem Lernstand und Entwicklungspotenzial des Kindes am meisten entspricht, obliegt danach den Erziehungsberechtigten. Sie treffen für ihr Kind die Entscheidung über die auf der Grundschule aufbauende Schulart«. Ausführlichere Informationen zur Grundschulempfehlung finden sich in der Aufnahmeverordnung des Kultusministeriums (i-Punkt) oder auch in der »Verwaltungsvorschrift Aufnahmeverfahren für die auf der Grundschule aufbauenden Schularten; Orientierungsstufe«.2

Gemeinschaftsschule und G9-Züge bieten neue Wahlmöglichkeiten

Gleichzeitig wurde zum Schuljahr 2012/13 die neue Schulart »Gemeinschaftsschule« eingeführt, an 41 Standorten in öffentlicher und an einem Standort in privater Trägerschaft. »Die Gemeinschaftsschule vermittelt in einem gemeinsamen Bildungsgang Schülern der Sekundarstufe I je nach ihren individuellen Leistungsmöglichkeiten eine der Hauptschule, der Realschule oder dem Gymnasium entsprechende Bildung. Den unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten der Schüler entspricht sie durch an individuellem und kooperativem Lernen orientierten Unterrichtsformen. Die Gemeinschaftsschule steht auch Schülern offen, die ein Recht auf den Besuch einer Sonderschule haben…«.3 Außerdem wurde an 22 Standorten der 9-jährige Gymnasialzug wieder eingeführt. Damit gab es weitere Wahlmöglichkeiten beim Schulartwechsel auf weiterführende Schulen.

Übergänge auf Hauptschulen sinken, Realschulen und Gymnasien legen zu

Unter diesen neuen Rahmenbedingungen haben sich die bisherigen Trends bei den Übergängen auf weiterführende Schulen weiter verstärkt. So sind nur noch 15,8 % der knapp 94 800 Viertklässler4 von den Grundschulen in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2012/13 auf eine Werkreal-/Hauptschule gewechselt; dies waren 8 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Die Übergänge auf Realschulen stiegen dagegen auf 37,1 %, im Vorjahr lagen sie noch bei 34,2 %. Die Gymnasien konnten ihre vorherrschende Stellung um 3 Prozentpunkte noch weiter ausbauen auf 43,9 %. Auf die Sekundarstufe I einer Gemeinschaftsschule waren 1,7 % der Viertklässler übergegangen. Weitere 1,6 % der Viertklässler wechselten auf andere Schularten, wiederholten oder hatten keine Grundschulempfehlung erhalten.

Weniger Empfehlungen für das Gymnasium

Damit weicht das Übergangsverhalten stark von den im 1. Quartal 2012 zusammen mit den Halbjahresinformationen erteilten Grundschulempfehlungen ab. Eine Empfehlung zum Besuch der Orientierungsstufe an der Werkreal-/Hauptschule hatten nämlich 25,7 % der Viertklässler erhalten. 28,2 % hatten eine Empfehlung zum Besuch der Orientierungsstufe an der Realschule, 45,8 % am Gymnasium. 0,3 % der Viertklässler hatten keine Grundschulempfehlung erhalten. Für die Gemeinschaftsschule wurde keine gesonderte Empfehlung ausgesprochen.

Im Vorjahr (1. Quartal 2011) hatten 24,5 % der Viertklässler eine Empfehlung für die »Werkrealschule, Hauptschule« erhalten und 24,8 % für den Besuch der »Werkrealschule, Hauptschule oder Realschule«. Jeder zweite Viertklässler (50,4 %, knapp 5 Prozentpunkte mehr als 2012) hatte damals eine Empfehlung bekommen, die den Besuch des Gymnasiums ermöglicht hätte. 0,3 % hatten keine Grundschulempfehlung erhalten.

12 % der Übergänger auf Gemeinschaftsschulen mit Gymnasial-Empfehlung

Fast alle Übergänger (95 %) auf eine Werkreal-/Hauptschule zum Schuljahr 2012/13 hatten auch eine Empfehlung für diese Schulart. Unter den Übergängern auf eine Realschule waren dagegen nur 60 % mit einer Realschul-Empfehlung. Gut 23 % hatten eine Empfehlung für die Werkreal-/Hauptschule und die übrigen 17 % für das Gymnasium. Von den Übergängern auf ein Gymnasium hatten 89 % eine entsprechende Empfehlung. 10 % hatten stattdessen eine Empfehlung für die Realschule. An die Sekundarstufe der neuen Schulart Gemeinschaftsschule waren knapp 60 % mit einer Empfehlung für die Werkreal-/Hauptschule, 28 % mit einer Empfehlung für die Realschule und 12 % mit einer Empfehlung für das Gymnasium gewechselt.

Rund 2 600 Eltern nahmen am besonderen Beratungsverfahren teil

Als weitere Orientierungshilfe neben eigenen Wahrnehmungen, Gesprächen mit Lehrkräften und der Grundschulempfehlung konnten die Eltern freiwillig zusätzlich am sogenannten »besonderen Beratungsverfahren« teilnehmen. Entschieden sich die Eltern für eine Teilnahme, war dies der Grundschule spätestens 4 Schultage nach Ausgabe der Grundschulempfehlung mitzuteilen. Das besondere Beratungsverfahren bestand aus einem Beratungsgespräch und gegebenenfalls zusätzlichen Testuntersuchungen und erfolgte durch eine speziell ausgebildete Beratungslehrkraft. Insgesamt haben im Anschluss an die Grundschulempfehlung 2012 rund 2 600 Eltern das Angebot wahrgenommen. In den meisten Fällen (gut 62 %) hatten die zugehörigen Kinder vorher eine Grundschulempfehlung zum Besuch der Werkreal-/Hauptschule erhalten. Rund 27 % der teilnehmenden Eltern hatten Kinder mit einer Grundschulempfehlung für die Realschule, stark 10 % für das Gymnasium.

Ausländische Kinder wechseln häufiger auf Realschulen und Gymnasien

Nach der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung sind ausländische Kinder nach dem erfolgreichen Besuch der vierten Klassenstufe häufiger auf Realschulen und Gymnasien gewechselt als in früheren Jahren. So entschieden sich von den insgesamt knapp 8 500 ausländischen Viertklässlern gut 28 % für eine Werkreal-/Hauptschule, knapp 38 % für eine Realschule und 30 % für ein Gymnasium. Weitere 4 % wechselten auf eine Gemeinschaftsschule oder auf eine andere Schulart, wiederholten oder hatten gar keine Grundschulempfehlung erhalten. Im Vorjahr (Übergänge auf weiterführende Schulen zum Schuljahr 2011/12) waren noch 48 % der ausländischen Viertklässler auf eine Werkreal-/Hauptschule übergegangen, 27 % auf eine Realschule und gut 23 % auf ein Gymnasium. Etwa 1 % besuchte damals eine andere Schulart oder wiederholte.5

Damit haben sich die Unterschiede beim Übergangsverhalten zwischen deutschen und ausländischen Schülerinnen und Schülern zwar spürbar verringert, es bestehen aber trotzdem weiterhin deutliche Unterschiede. Denn von den rund 86 300 deutschen Viertklässlern wechselten mit knapp 15 % anteilsmäßig fast nur halb so viele auf eine Werkreal-/Hauptschule wie von den ausländischen. Die Übergangsquoten auf die Realschule liegen bei deutschen und ausländischen Viertklässlern auf ähnlichem Niveau (37 bzw. knapp 38 %). Zum Besuch eines Gymnasiums haben sich gut 45 % der deutschen Viertklässler entschieden – der entsprechende Anteil der Ausländer beträgt 30 %.

Auch in früheren Jahren war schon eine leichte Tendenz feststellbar, dass ausländische Kinder weniger häufiger auf eine Werkreal-/Hauptschule wechseln und öfter auf ein Gymnasium. Zum Schuljahr 2008/09 wechselten beispielsweise gut 51 % der ausländischen Viertklässler auf eine Hauptschule. Dieser Anteil verringerte sich bis 2011/12 kontinuierlich auf 48 %. Auf ein Gymnasium waren zum Schuljahr 2008/09 rund 20 % der ausländischen Viertklässler übergegangen. Dieser Anteil stieg bis 2011/12 kontinuierlich an auf etwa 23 %.6

In Heidelberg wechseln nur noch 5 % auf eine Werkreal-/Hauptschule

Zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen bestehen auch nach dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung große regionale Unterschiede bei den Übergangsquoten. Die Übergänge auf die Werkreal-/Hauptschulen zum Schuljahr 2012/13 streuen zwischen 5 % im akademisch geprägten Stadtkreis Heidelberg und 25 % im ländlichen Landkreis Rottweil. Die zweitniedrigste Übergangsquote auf die Werkreal-/Hauptschule hat der ebenfalls akademisch geprägte Stadtkreis Freiburg mit 8 %; die zweithöchste Quote weist der überwiegend ländliche Landkreis Waldshut mit 23 % auf.

Die Realschul-Übergänge schwanken zwischen knapp 20 % im Stadtkreis Freiburg (gefolgt vom Stadtkreis Heidelberg mit 22 %) und knapp 46 % im mehrheitlich ländlichen Alb-Donau-Kreis. Die zweithöchste Übergangsquote auf die Realschulen hat der ländliche Landkreis Schwäbisch Hall mit 45 %.

Am weitesten auseinander driften aber die Übergänge auf die Gymnasien. Während im überwiegend ländlichen Landkreis Waldshut gut 30 % der Viertklässler auf ein Gymnasium wechselten, war der Anteil im Stadtkreis Heidelberg mit 61 % etwa doppelt so hoch. Die zweitniedrigste Quote hat hier der ländliche Hohenlohekreis mit gut 31 %, die zweithöchste Quote der Stadtkreis Freiburg mit 59 %.

Somit hat sich an der Besetzung der »Spitzenplätze« nicht viel verändert. Schon in den Vorjahren belegte der Stadtkreis Heidelberg Platz 1 bei den Übergängen auf das Gymnasium und den letzten Platz bei den Übergängen auf die Werkreal-/Hauptschule. Der Landkreis Waldshut und der Hohenlohekreis standen auch in früheren Jahren schon an letzter Stelle der Gymnasial-Übergänge. Die geringsten Übergangsquoten auf eine Realschule hatten in den letzten Jahren die akademisch geprägten Stadtkreise Heidelberg oder Freiburg. Die höchsten Übergangsquoten auf eine Realschule fanden sich dagegen in (überwiegend) ländlichen Kreisen wie zum Beispiel dem Hohenlohekreis, dem Main-Tauber-Kreis oder dem Landkreis Freudenstadt.

1 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) in der Fassung vom 1. August 1983, letzte berücksichtigte Änderung: mehrfach geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. April 2012 (GBl. S. 209).

2 Verwaltungsvorschrift in der Fassung vom 11. April 2012, gültig ab 3. Mai 2012 (K. u. U. 2012, S. 89).

3 SchG § 8 a (1).

4 Anzahl der Viertklässler zum Zeitpunkt der Vergabe der Grundschulempfehlung 2012.

5 Vorjahr 2011/12 und frühere Jahre ohne Berücksichtigung der ausländischen Kinder ohne Grundschulempfehlung, da nicht erhoben.

6 Vorjahr 2011/12 und frühere Jahre ohne Berücksichtigung der ausländischen Kinder ohne Grundschulempfehlung, da nicht erhoben.