Männer im Spagat zwischen Beruf und Familie? Eine Zielgruppe fordert Arbeitgeber, Führungskräfte und Personalverantwortliche
Vor dem Hintergrund aktueller gesetzlicher Rahmenbedingungen, zum Beispiel beim Elterngeld oder Unterhaltsrecht, gleichstellungsrelevanter Fragen, der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit und veränderter Familienformen dreht sich die öffentliche Diskussion mehr denn je um egalitäre Formen der Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht mehr länger »Frauensache«. Auch für immer mehr Männer stellt sich die Frage, wie beides zusammenpasst. Dies spüren auch die Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Zwar stehen betriebliche und kulturelle Hürden flexiblen Vereinbarkeitslösungen nach wie vor häufig im Weg. Dennoch sehen bereits einige Arbeitgeber den zunehmenden Handlungsbedarf und setzen in ihrem Personalmanagement spezielle Akzente.
Inwiefern gewinnen auch für Männer Vereinbarkeitsfragen an Bedeutung? In welchem Umfang übernehmen Väter Verantwortung für familiäre Aufgaben? Wie verändern sich bisherige Rollenmuster und Leitbilder? Was bedeutet es für Betriebe und andere Organisationen, wenn Männer im Familienleben präsenter sein wollen und auch sein müssen? Wie sieht eine familienbewusste Personalpolitik aus, die speziell an den Bedürfnissen von Vätern ausgerichtet ist? Mit diesen Kernfragen beschäftigt sich aktuell eine wachsende Anzahl an Studien und Veröffentlichungen.1 Auch die Beratungspraxis des Kompetenzzentrums Beruf & Familie der FamilienForschung Baden-Württemberg unter dem Dach des Statistischen Landesamtes zeigt: Arbeitgeber werden verstärkt durch Männer mit Vereinbarkeitsfragen konfrontiert und positionieren sich entsprechend (i-Punkt).
Anteil der Väter mit Elterngeldbezug steigt
Dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer einen immer höheren Stellenwert gewinnt, zeigt sich unter anderem am zunehmenden Anteil der Väter mit Elterngeldbezug. Seit der Einführung des neuen Elterngeldgesetzes 2007 ist der Väteranteil kontinuierlich gestiegen und lag für im Jahr 2011 geborene Kinder bundesweit bei rund 27 %. Jedoch bezieht ein Großteil der Väter (77 %) das Elterngeld für maximal 2 Monate, nur knapp 7 % der Väter beanspruchen die Leistung für 12 Monate.2 Väter, die keinen Antrag auf Elterngeld stellen, begründen dies in erster Linie mit beruflichen und betrieblichen Gründen wie zum Beispiel fehlende Akzeptanz und Unterstützung seitens des Arbeitgebers oder der Furcht vor einem »Karriereknick«. Außerdem sind die familiäre Einkommenssituation und mögliche finanzielle Einbußen durch die Inanspruchnahme des Elterngeldes relevant.3
In Baden-Württemberg nehmen knapp 30 % der Väter das Elterngeld in Anspruch. Rund 81 % beziehen das Elterngeld für maximal 2 Monate, nur knapp 4 % für 12 Monate. Sowohl auf Bundesebene als auch innerhalb Baden-Württembergs sind deutliche regionale Unterschiede zu sehen. In Stuttgart liegt der Anteil der Väter mit Elterngeldbezug bereits bei 35 %. Besonders hoch ist er mit rund 37 % im Landkreis Ravensburg.4 Diese Entwicklung bedeutet auch neue Herausforderungen für Arbeitgeber zum Beispiel wenn es darum geht, Vertretungslösungen und Wiedereinstiegsmöglichkeiten für »Elternzeitler« zu schaffen.
Wirklichkeit und Wunsch liegen auseinander
Ergebnissen des Mikrozensus 2011 zufolge beeinflussen Familiengründung und Kinder das Erwerbsverhalten von Frauen stark. Im Gegensatz dazu ist bei den Vätern mit Kindern unter 18 Jahren die Beteiligung am Erwerbsleben weitestgehend unabhängig vom Heranwachsen der Kinder und lag 2011, je nach Alter des jüngsten Kindes, zwischen 83 % und 86 %. Lediglich 6 % der erwerbstätigen Väter arbeiteten in Teilzeit. Nur 25 % der teilzeittätigen Väter reduzierten ihren Beschäftigungsumfang aus familiären Gründen.5 In Baden-Württemberg lag die Erwerbstätigenquote von Vätern im Jahr 2011 bei 86 %. Teilzeitbeschäftigt waren nur 4 % der Väter.6 Dennoch zeigt zum Beispiel die Trendstudie »Moderne Väter« eine wachsende Familienorientierung von Männern und dass sich die Vaterrolle in den letzten Jahren verändert hat. Für knapp 75 % der befragten Väter ist nach wie vor sehr wichtig »Geld zu verdienen«. Die Absicherung der Familie steht hierbei im Vordergrund. Gleichzeitig sagen jedoch über 90 %, dass ihnen Zeit mit der Familie auch unter der Woche sehr wichtig sei, 88 % der Väter legen Wert darauf, die Entwicklung ihrer Kinder aktiv zu begleiten. Um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, können sich rund 50 % der Befragten vorstellen, finanziell etwas kürzer zu treten oder ihre Karriereambitionen zeitweise zurückzustellen.7 Für Arbeitgeber spielt diese Entwicklung vor allem auch dann eine Rolle, wenn es darum geht, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Etwa 90 % der weiblichen und männlichen Beschäftigten zwischen 25 und 39 Jahren mit Kindern unter 18 Jahren bewerten vereinbarkeitsunterstützende Angebote als wichtiger oder ebenso wichtig wie das Gehalt. Rund 75 % wären bereit, hierfür ihre Stelle zu wechseln.8
Männer übernehmen auch Pflegeaufgaben
Demografisch bedingt rückt die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege immer stärker in den Fokus. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und auch für immer mehr Männer im erwerbsfähigen Alter ist eine Phase der Pflege nahestehender Angehöriger absehbar. Unterschiedliche Studien beschäftigen sich mit männlicher Angehörigenpflege, Pflegearrangements und Konzepten männlicher Sorgearbeit.9 In Baden-Württemberg werden zwei Drittel der Pflegebedürftigen von Angehörigen und Pflegediensten zuhause versorgt. Vorausberechnungen ergeben einen möglichen Anstieg der Pflegebedürftigen um 43 % von 2009 bis 2030. Die Zahl der von Angehörigen gepflegten Pflegegeldempfänger/-innen könnte im gleichen Zeitraum um 31 % steigen.10Zwar übernehmen nach wie vor Frauen einen Großteil der häuslichen Pflege. Aktuell verfügbaren Zahlen zufolge sind bundesweit jedoch bereits ein Drittel der Pflegepersonen Männer. Nach Ergebnissen des Sozio-Oekonomischen Panels liegt der Anteil der Männer für die Jahre 2007 bis 2009 bei knapp 37 %.11 Arbeitgeber können somit von einer wachsenden Anzahl männlicher Beschäftigter ausgehen, die hilfe- und pflegebedürftige Angehörige unterstützen – auch wenn das Thema als personalpolitisches Handlungsfeld erst schrittweise in den Unternehmen ankommt.12
Betriebsklima und hohes Arbeitspensum »bremsen«
Insbesondere negative Reaktionen im beruflichen Umfeld und ein hohes Arbeitspensum hindern Männer daran, mehr Familienverantwortung zu übernehmen. So gaben 2008 im Rahmen einer Untersuchung der »Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft« zu Doppelkarrierepaaren nur 29 % der befragten Männer an, ihr Unternehmen unterstütze dies grundsätzlich. Nur 13 % glaubten, dass Arbeitgeber bei Männern ebenso wie bei Frauen mit diesem Thema rechnen. Vor allem ältere Vorgesetzte gingen häufig noch von einem klassischen Modell mit vollzeiterwerbstätigem Mann und nicht erwerbstätiger Ehefrau aus. Spezielle betriebliche Maßnahmen für Väter hielten dementsprechend 91 % der Befragten für dringlich.13 Laut dem aktuellen Monitor Familienleben sagen rund 56 % der befragten Väter, dass in ihrem Betrieb weniger stark oder gar nicht auf die zeitlichen Bedürfnisse von Eltern Rücksicht genommen werde. Beruflich stark eingespannt sehen sich 55 % der Befragten und 46 % sagen, sie müssten bei der Arbeit häufiger Überstunden leisten.14 Vor allem männliche Führungskräfte hindert eine Unternehmenskultur, die dauernde Anwesenheit und Einsatzbereitschaft voraussetzt, daran, ihr berufliches Engagement zugunsten familiärer Aufgaben (zeitweise) einzuschränken.15 Weitere Faktoren, die die Situation für Männer erschweren, sind Wissensdefizite zum Beispiel zu Teilzeitarbeit in Elternzeit, fehlende Vertretungslösungen sowie wenig Unterstützung durch Personalverantwortliche, Personalräte oder Gleichstellungsbeauftragte.16
Arbeitgeber richten ihre Personalpolitik neu aus
Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich Beruf und Familie gut vereinbaren lassen, nennen Frauen und Männer flexible Arbeitszeiten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung an erster Stelle. Für über 90 %der Väter zeichnen sich familienfreundliche Betriebe durch flexible Arbeitszeiten aus. Mehr als die Hälfte der Väter wünscht sich betriebliche Kinderbetreuungsangebote und dass Väter ihre Berufstätigkeit zur Betreuung eines Kleinkinds problemlos unterbrechen können.17 Immer mehr Arbeitgeber sehen diesen Bedarf und etablieren unterstützende Angebote.18 Sie haben die Vorteile einer familienbewussten Personalpolitik erkannt, die sich nachweislich positiv auswirkt auf die Produktivität und Motivation von Beschäftigten sowie auf Fehlzeiten und Personalfluktuation.19
Damit vorhandene Angebote von Männern als spezielle Zielgruppe angenommen werden, sind jedoch vor allem Ansätze gefragt, die eine familienbewusste Organisationskultur fördern. Hier geht es darum, Leitungspersonen und Führungskräfte zu sensibilisieren, Austauschmöglichkeiten für Väter zu schaffen und positive Vorbilder sichtbar zu machen. Relevant sind insbesondere Kommunikationswege, die Männern vereinbarkeitsrelevante Themen vermitteln und deutlich machen, dass die Übernahme von Familienverantwortung nicht mit einer »Karrierebremse« verbunden sein muss. Vielmehr können Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen, die im Familienleben erworben werden, für den Arbeitsalltag und die Übernahme von Führungsaufgaben wichtig sein.
Fazit und Ausblick
Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der speziellen Zielgruppe der Männer bzw. Väter ist eine schrittweise Dynamik sichtbar – sowohl seitens der Beschäftigten selbst als auch seitens der Betriebe und Organisationen. Inwiefern es beiden Seiten gelingt, berufliche und private Anforderungen in Einklang zu bringen, wird für die Personalgewinnung ebenso wie für die Personalbindung in Zukunft verstärkt von Bedeutung sein. Arbeitgeber in Baden-Württemberg, die sich zu praktischen Handlungsansätzen informieren möchten, können das Informations- und Serviceangebot des Kompetenzzentrums Beruf & Familie Baden-Württemberg nutzen.