:: 8/2013

Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg

Im Fokus: der Staatssektor – außeruniversitäre Forschungseinrichtungen

Vor dem Hintergrund eines sich weiter verschärfenden internationalen FuE-Wettbewerbs gewinnt die Entwicklung neuer Schlüsseltechnologien zunehmend an Bedeutung. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Staatssektor, das heißt in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, leisten hier einen wichtigen Beitrag. Sie schlagen die Brücke zwischen Grundlagenforschung und angewandter industrienaher Forschung und Entwicklung und ermöglichen damit den immer wichtiger werdenden Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wie hoch sind diese FuE-Ressourcen in Baden-Württemberg und wie haben sie sich in den letzten Jahren entwickelt? In welchem Umfang wird im Staatssektor in den Bundesländern und im internationalen Vergleich geforscht? Der vorliegende Beitrag gibt hierzu einen Überblick.

Forschung und Entwicklung (FuE, i-Punkt: Forschung und Entwicklung) umfasst das gesamte Spektrum von Grundlagenforschung, angewandter Forschung und experimenteller Entwicklung. Die Grundlagenforschung ist auf lange Zeiträume ausgerichtet und orientiert sich nicht an späteren Anwendungen oder Verwendungen.1 Sie dient der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und ist die Keimzelle für Schlüsseltechnologien der nächsten Generationen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein Engagement in diesem Forschungsbereich wenig zielorientiert und risikoreich. Vor diesem Hintergrund findet die Grundlagenforschung im Wesentlichen im öffentlichen Bereich statt. Mit Hilfe von Netzwerken und Clustern2 wird der wichtige Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gefördert. Der nachfolgend betrachtete Staatssektor3 (i-Punkt: Der Staatssektor) setzt sich aus öffentlichen und überwiegend öffentlich geförderten Einrichtungen für Wissenschaft, Forschung und Technik außerhalb der Hochschulen zusammen.

Staatssektor: über 100 FuE-Einrichtungen im Südwesten

Die Forschungsinfrastruktur des Staatssektors in Baden-Württemberg bietet mit über 100 FuE-Einrichtungen ein breites Spektrum an außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Von den bundesweit 60 FuE-Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft befinden sich 16 mit ihrem Hauptsitz im Südwesten und stellen damit fast ein Viertel des bundesweiten FuE-Personals dieser Forschungseinrichtung.4 Ferner haben zwölf der 80 in Deutschland ansässigen Max-Planck-Institute ihren Hauptsitz in Baden-Württemberg. Die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V. ist dagegen in Baden-Württemberg zahlenmäßig relativ gering vertreten. Von den derzeit 81 Instituten und Serviceeinrichtungen sind nur sieben in Baden-Württemberg. Mit zwei herausragenden Forschungszentren ist jedoch nahezu ein Viertel des FuE-Personals der 18 in Deutschland ansässigen nationalen Großforschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft im Land konzentriert.

Baden-Württemberg mit den zweithöchsten FuE-Ressourcen

Die Investitionen in Forschung und Entwicklung im Staatssektor in Baden-Württemberg stiegen im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 4 %. Damit nahm auch die Zahl der in diesem Bereich beschäftigten Personen um 2 % auf 14 400 Personen zu. Von den 11 Mrd. Euro, die 2011 für FuE im Staatssektor in Deutschland ausgegeben wurden, entfielen beachtliche 15 % allein auf Institutionen mit Sitz in Baden-Württemberg. Damit wurden die FuE-Kapazitäten des Landes in diesem Sektor nur von Nordrhein-Westfalen übertroffen (knapp 17 %). Einen zweistelligen Anteil wiesen nur noch die Länder Bayern und Berlin auf (knapp 13 bzw. 12 %).

Von den insgesamt rund 14 400 in Baden-Württemberg im Staatssektor mit FuE-Aufgaben betrauten Personen sind allein rund 42 % in den beiden Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft in Heidelberg und Karlsruhe tätig. Ebenfalls ein bedeutender Anteil des Forschungspersonals war im Jahr 2011 in den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft beschäftigt (24 bzw. 14 %).

Naturwissenschaftliche Forschung im Staatssektor führend

Im Südwesten dominiert im Staatssektor inzwischen die naturwissenschaftliche Forschung. Fast die Hälfte (48 %) der FuE-Ausgaben entfiel 2011 auf den Wissenschaftszweig Naturwissenschaften und knapp ein Drittel (31 %) auf die Ingenieurwissenschaften. 10 Jahre zuvor war diese unterschiedliche Gewichtung noch nicht festzustellen. Damals, im Jahr 2001, wurde mit 40 und 43 % noch fast gleich viel in die naturwissenschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Forschung investiert. Die verbleibenden Anteile der insgesamt investierten FuE-Ausgaben im Staatssektor flossen 2011 mit gut 7 % (2001: 5 %) in die Geistes- und Sozialwissenschaften, knapp 10 % (2001: 9 %) in die Humanmedizin und 4 % (2001: 3 %) in die agrarwissenschaftliche Forschung.

FuE-Ressourcen entwickelten sich im Südwesten unterdurchschnittlich

Die FuE-Ressourcen im Staatssektor in Baden-Württemberg haben sich – gleichwohl ausgehend von einem hohen Niveau – im Bundesvergleich in den letzten Jahren unterdurchschnittlich entwickelt. Während die Zahl des FuE-Personals hierzulande in den Jahren zwischen 2001 und 2011 lediglich um knapp 21 % zunahm, belief sich der Zuwachs im Bund auf durchschnittlich gut 30 %. Auch in Nordrhein-Westfalen fand nur eine vergleichsweise moderate Entwicklung (18 %) statt. Dagegen wurde in Bayern der staatliche FuE-Personaleinsatz mit einem Plus von 38 % überdurchschnittlich ausgeweitet. Hier wurde im betrachteten Zeitraum das FuE-Personal auch absolut am höchsten, und zwar um rund 3 400 Personen, aufgestockt (Baden-Württemberg: 2 450). In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) nahm die Zahl des FuE-Personals seit 2001 mit 43 % ebenfalls weit überdurchschnittlich zu. Der kräftige Anstieg in den neuen Bundesländern dürfte zumindest teilweise eine Folge der weiterhin starken Förderung dieser Länder im Bereich der öffentlichen Forschung sein.

Beim Forschungspersonal zeigt sich auch im kurzfristigen Vergleich eine nur unterdurchschnittliche Ausweitung der staatlichen FuE-Ressourcen. Während deutschlandweit im Jahr 2011 gegenüber 2010 gut 3 % mehr Personal mit FuE-Aufgaben beschäftigt waren, wurde dieser Zuwachs im Südwesten um rund 1 Prozentpunkt unterschritten. Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern haben hier ihr FuE-Personal absolut betrachtet am stärksten ausgebaut. In Sachsen ist nun die Zahl der mit FuE-Aufgaben betrauten Personen bereits fast halb so groß wie in Baden-Württemberg. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 war diese Zahl nur ein Drittel so groß wie im Südwesten.

Sachsen belegt Spitzenplatz bei der FuE-Intensität

Die absolute Höhe oder der Anteil der FuE-Ausgaben bezogen auf die Gesamtausgaben ist für einen Vergleich von Ländern und Regionen unterschiedlicher Größe oder Wirtschaftskraft nur bedingt geeignet. Aus diesem Grund werden für einen nationalen und internationalen Vergleich die FuE-Ausgaben zum Bruttoinlandsprodukt in Bezug gesetzt und so eine international anerkannte Kennzahl, die sogenannte FuE-Intensität5, ermittelt.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt beliefen sich die FuE-Ausgaben des Staatssektors in Baden-Württemberg mit rund 0,43 % knapp über dem durchschnittlichen Bundesniveau.6 Im Vergleich mit den Bundesländern belegte Baden-Württemberg bei dieser Kennzahl 2011 einen Platz im Mittelfeld. Vor Baden-Württemberg befinden sich neben den Stadtstaaten7 alle neuen Bundesländer und das Saarland. Von den Flächenländern nahm 2011 Sachsen mit einer im Staatssektor beachtlichen FuE-Intensität von rund 0,88 % den Spitzenplatz ein. Sachsen ist außerdem auch das Flächenland mit der größten positiven Veränderung. Gegenüber 2001 ist diese Kenngröße in Sachsen um rund 0,29 Prozentpunkte gestiegen. Kein anderes bundesdeutsches Flächenland und auch kein EU-Land weist im Staatssektor eine derart positive Entwicklung auf. Hingegen zeigt in Baden-Württemberg diese Kennzahl von allen Bundesländern die geringste Veränderung auf. Die FuE-Intensität blieb hierzulande im betrachteten Zeitraum nahezu konstant.

Südkorea im internationalen Vergleich vorne

Deutschland belegt 2011 im Staatssektor in der Forschungsrangfolge innerhalb der auf 27 Mitgliedsstaaten erweiterten Europäischen Union mit einer FuE-Intensität von 0,42 % den ersten Platz. Auf den folgenden Plätzen liegen Finnland und Frankreich mit einer FuE-Intensität von 0,36 respektive 0,35 %. In Europa wurden im Staatssektor im Jahr 2011 durchschnittlich 0,28 % des Bruttoinlandsprodukts für FuE ausgegeben. Trotz der hohen Bedeutung sind die Investitionen in FuE im Staatssektor seit 2001 (0,26 %) im europäischen Durchschnitt nahezu unverändert.

Im internationalen Vergleich ausgewählter Länder führt Südkorea mit einer FuE-Intensität von 0,58 % vor den USA (0,47 %) und Japan (0,36 %) die Rangliste bei dieser Kennzahl an.8 Südkorea weist damit die höchste FuE-Dynamik der letzten 10 Jahre mit einer Zunahme um 0,24 Prozentpunkte auf. Ein internationaler Vergleich der FuE-Intensität im Staatssektor ist jedoch nur eingeschränkt möglich. So kann zum Beispiel eine geringe FuE-Intensität im Staatssektor an den Besonderheiten der institutionellen Gegebenheiten liegen. Beispielsweise beträgt die FuE-Intensität in der Schweiz im Staatssektor in 2008 nur 0,02 %, obwohl die FuE-Intensität insgesamt mit 2,87 % einen hohen Wert einnimmt. Bedeutende Forschungszentren sind in der Schweiz an die Hochschulen angegliedert, das heißt die FuE-Daten werden dem Hochschulsektor und nicht dem Staatssektor zugeordnet.

Fazit

Baden-Württemberg nimmt im Bundesländervergleich bei der Höhe der Investitionen in Forschung und Entwicklung im Staatssektor einen Spitzenplatz ein. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ergibt sich jedoch nur eine FuE-Intensität von 0,43 %. Mit dieser international anerkannten Kennzahl befindet sich Baden-Württemberg im Bundesländervergleich nur im Mittelfeld. Den Spitzenplatz bei den Flächenländern belegt Sachsen mit einer beachtlichen FuE-Intensität von 0,88 %.

Im europäischen Vergleich führt bei dieser Kennzahl Deutschland und im internationalen Vergleich Südkorea die Rangliste an (FuE-Intensität: 0,42 bzw. 0,58 %). Durchschnittlich wurden in Europa im Jahr 2011 knapp 0,28 % des Bruttoinlandsprodukts für FuE im Staatssektor aufgewendet. Trotz der hohen Bedeutung sind die Investitionen in FuE im Staatssektor seit 2001 (0,26 %) im europäischen Durchschnitt nahezu unverändert. Auch in Baden-Württemberg blieb die FuE-Intensität in den letzten 10 Jahren annähernd konstant. Trotz fehlender Dynamik muss bei der Analyse das in absoluten Zahlen sehr hohe Investitionsniveau im Staatssektor in Baden-Württemberg berücksichtigt werden. Die Stärkung und Ansiedlung neuer innovativer öffentlicher Forschungseinrichtungen sowie der Ausbau bestehender außeruniversitärer Forschungseinrichtungen sollte in Baden-Württemberg zukünftig jedoch intensiver vorangetrieben werden. Langfristig kommt die Förderung der Grundlagenforschung durch Wissens- und Technologietransfer der Wirtschaft im Land zugute.

1 Vgl. OECD, Frascati-Manual 2002, S. 30.

2 Räumlich konzentrierte und über die gesamte Wertschöpfungskette miteinander verzahnte Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Institutionen.

3 Zur Gesamtbetrachtung siehe Einwiller, Ruth: »Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2012«

4 FuE-Personal nachfolgend jeweils gemessen in Vollzeitäquivalenten.

5 Die FuE-Personalintensität ist eine weitere wichtige Kenngröße zur Beurteilung der FuE-Aktivitäten. Da auf Länderebene zwischen dieser und der betrachteten FuE-Ausgabenintensität (kurz: FuE-Intensität) jedoch eine hohe Korrelation besteht, wurde die Analyse in diesem Kurzbeitrag auf die FuE-Ausgabenintensität begrenzt.

6 2009 betrug die FuE-Intensität der privaten Wirtschaft und öffentlichen Stellen in Baden-Württemberg insgesamt 4,8 %– ein internationaler Spitzenwert.

7 Aufgrund der häufigen Ansiedlung dieser Einrichtungen in Ballungsräumen sind die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg bei dieser Kennzahl mit den Flächenländern nur eingeschränkt vergleichbar.

8 Südkorea: Jahr 2010. USA und Japan: Jahr 2009. Datenquelle: Eurostat, Stand April 2013.