:: 8/2013

Umstellung des Liegenschaftskatasters auf ALKIS: Auswirkungen auf die Flächenerhebung

In den 1980er-Jahren wurden diverse Bereiche des amtlichen Vermessungswesens in Deutschland von analoger auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt. Dabei haben sich unterschiedliche Dateisysteme herauskristallisiert, so AFIS, das Amtliche Festpunktinformationssystem für die Verwaltung der Lage- und Höhenfestpunkte, und ATKIS, das Amtliche Topographisch-Kartographische Informationssystem für die Topographischen Karten.

Im Bereich des Liegenschaftskatasters entstand mit dem Automatisierten Liegenschaftsbuch ALB der beschreibende und mit der Automatisierten Liegenschaftskarte ALK der geometrische Nachweis der Liegenschaften.

Diese Trennung wird nun überwunden, denn die Vermessungsverwaltungen in den Ländern überführen die bisher isoliert geführten Datei- und Programmsysteme in ein einheitliches Datenmodell. In Fachkreisen spricht man in diesem Zusammenhang von der AAA-Migration. Denn neben der Migration von AFIS und ATKIS gehen die bisher getrennten Systeme ALB und ALK in das Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem ALKIS auf. So können unter anderem Probleme der Datenredundanz und damit Fehlerquellen aufgrund nicht identischer Datensätze behoben werden.

Die Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung (FEtN) – bislang auf der Grundlage des Automatisierten Liegenschaftsbuches erstellt – erhält damit eine neue Basis. Das wird nicht ohne Auswirkungen auf die Ergebnisse der FEtN bleiben. Der folgende Beitrag skizziert die Neuerungen und nimmt eine erste Abschätzung des geänderten Zahlenwerkes unter den spezifisch baden-württembergischen Rahmenbedingungen vor.

Was passiert bei der AAA-Migration?

Im Automatisierten Liegenschaftsbuch des Landes (ALB) sind derzeit rund 9 Mill. Flurstücke jeweils mit ihrer Nutzungsart und der zugehörigen Fläche registriert. Bei der Überführung nach ALKIS werden die Informationen nicht mehr als flurstücksbezogene Registerangaben geführt. Sie bilden fortan eigenständige, raumbezogene, flächenförmige Objekte. Technisch wird die Nutzungsart als separater Layer1 im Geographisches Informationssystem (GIS) geführt. Der flächendeckende und lückenlose Nachweis der Bodenflächen nach Art der tatsächlichen Nutzung bleibt dabei erhalten (Übersicht 1).

Eine wichtige Neuerung ist, dass bei der Überführung nach ALKIS die alten ALB-Nutzungsarten in eine neue ALKIS-Nomenklatur übersetzt werden. In der 10er-Gliederung werden die im ALB in Baden-Württemberg seit 1996 nachgewiesenen Merkmale dabei bis auf wenige Ausnahmen 1:1 nach ALKIS überführt (Übersicht 2). Sie erhalten dort neue Schlüsselnummern und in einigen Fällen auch neue Bezeichnungen. So wird zum Beispiel aus »Gebäude- und Freifläche Wohnen« (ALB 130) die »Wohnbaufläche« (ALKIS 11 000), ohne dass damit eine definitorische Änderung einherginge.

ALKIS-Merkmalskatalog

Mit der Umstellung auf ALKIS wird der Merkmalskatalog des Katasters an den bereits bestehenden ATKIS-Katalog angeglichen. Das ALB kannte acht Hauptnutzungsarten entsprechend dem 3-stelligen AdV-Schlüssel.2 Diese werden im Zuge der Umstellung teilweise aufgelöst und in ALKIS den vier Nutzungsartenbereichen Siedlung, Verkehr, Vegetation und Gewässer zugeordnet. Der ALKIS-Schlüssel ist 5-stellig aufgebaut.

Unter dem Nutzungsartenbereich Siedlung (10 000) sind zunächst alle bisher unter der Summe »Siedlungsfläche« (ALB 100/200 Gebäude- und Freifläche, 300 Betriebsfläche ohne 310 Abbauland, 400 Erholungsfläche und 940 Friedhof) zusammengefassten Nutzungsarten subsumiert. Neu hinzugekommen sind ALB 310 Abbauland, ALB 912 Freizeitanlage (als Teil aus 910 Übungsgelände) und ALB 930 Historische Anlage. Des Weiteren gibt es nun diverse funktionale Zusammenfassungen wie beispielsweise die Industrie- und Gewerbefläche (ALKIS 12 000).

Der ALKIS-Nutzungsartenbereich Verkehr (20 000) entspricht der vormaligen Hauptnutzung Verkehrsfläche (ALB 500), wobei in Baden-Württemberg eine zusätzliche Untergliederung beim Flugverkehr gesamt (ALKIS 25 000) nach Flugverkehr und Flughafen vorgenommen wird.

Die Landwirtschaftsfläche (ALB 600) und die Waldfläche (ALB 700) werden zusammengefasst und bilden den ALKIS-Nutzungsartenbereich Vegetation (30 000). Zugleich werden Moor (ALB 650/ALKIS 35 000), Heide (660/34 000) aus der Landwirtschaftsfläche herausgelöst, Gehölz (740/33 000) aus der Waldfläche. Damit sind die neuen ALKIS-Nutzungsarten Landwirtschaft (31 000) und Wald (32 000) mit den korrespondierenden vormaligen ALB-Nutzungsarten nicht mehr voll vergleichbar.

Die Nutzungsarten Unland/vegetationslose Fläche (950/37 000) und Sumpf (890/36 000) werden nun ebenfalls dem Nutzungsartenbereich Vegetation (30 000) zugeordnet. Im Vergleich zur Wasserfläche (ALB 800) hat der Nutzungsartenbereich Gewässer (40 000) damit geringfügig an Fläche verloren.

»Flächen anderer Nutzung« passen nicht in das neue Gliederungsschema

Einige Nutzungsarten wurden von der Vermessungsverwaltung bereits im Vorfeld auf die anstehende Umstellung vorbereitet. So wurde bzw. wird die ALB-Kategorie »Flächen anderer Nutzung« (900) sukzessive komplett aufgelöst. Der methodische Bruch wird somit nicht an einem Stichtag augenfällig, sondern fließt entsprechend dem Fortgang der Arbeiten nach und nach in das Zahlenwerk ein. Demgemäß kommen Historische Anlage (ALB 930) und Friedhof (ALB 940) zum ALKIS-Nutzungsartenbereich Siedlung (10 000), Unland (ALB 950) zu Vegetation (30 000). Übungsgelände im engeren Sinne (ALB 910) und Schutzflächen (ALB 920) entfallen ersatzlos. Die dahinter stehenden Flächen werden/wurden gemäß ihrer Oberflächennutzung wie Grünland, Wald oder Gewässer neu klassifiziert und den entsprechenden Nutzungsartenbereichen zugeordnet. Zu Dressurplätzen oder ähnlichen Einrichtungen zählende Übungsgelände (ALB 910) werden künftig in ALKIS als Freizeitanlage (18 300) dem Nutzungsartenbereich Siedlung zugerechnet (Übersicht 3).

Weitere Sonderfälle und Neuzuordnungen

  • Aus der Gebäude- und Freifläche Öffentliche Zwecke (ALB 100) wurden alle der Unternutzung Gebäude- und Freifläche Friedhof (ALB 118) zugerechneten Flurstücke extrahiert, um anschließend in ALKIS dem Friedhof (19 000) zugewiesen zu werden. Die anderen Flurstücke der Gebäude- und Freifläche Öffentliche Zwecke werden nach ALKIS 17 000 (Fläche besonderer funktionaler Prägung) überführt.
  • Aus der Gebäude- und Freifläche Erholung (ALB 280) wird Kur (Kurgebäude und -anlagen) herausgelöst und dann nach ALKIS 17 100 (Öffentliche Zwecke) überführt. Die übrige Gebäude- und Freifläche Erholung wandert zu ALKIS 18 001 (Gebäude- und Freifläche Sport, Freizeit, Erholung).
  • Abbauland (ALB 310) wird in Bergbaubetrieb (ALKIS 14 000) und Tagebau, Grube, Steinbruch (15 000),
  • Sportfläche (ALB 410) in Sportanlage (ALKIS 18 100) und Freizeitanlage (18 200) untergliedert.
  • Flugplatz (ALB 550) wird in Flughafen (ALKIS 25 010) und Flugverkehr (25 900) aufgeteilt.
  • Neu ist die Unterscheidung von Fluss (ALKIS 41 100) und Altwasser (ALKIS 41 110); beide wurden zuvor zusammen unter ALB 810 (Fluss) verbucht.

Bei Drucklegung dieses Aufsatzes lagen dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg noch keine ALKIS-Daten vor, sodass das Ausmaß der geschilderten Änderungen derzeit noch nicht genau beziffert werden kann. Sie dürften aufgrund ihrer kleinen Flächenanteile landesweit aber kaum ins Gewicht fallen, auf Ebene der Gemeinden und Gemarkungen aber beispielsweise im Falle von Kur (ALB 284) mitunter durchaus zu erkennbaren Verschiebungen führen.

Migration / Rückmigration

Ein wesentliches Element bei der Auswertung statistischer Daten ist die Beobachtung langer Zeitreihen. Somit ist es notwendig, die Ergebnisse der Flächenerhebung zurückliegender Jahre in der ALKIS-Nomenklatur darzustellen oder aber die ALKIS-Daten in das alte ALB-Format rückzuübersetzen. Letztere Vorgehensweise wird im Hinblick auf eine bundesweit einheitliche Ergebnisdarstellung aber nur so lange praktiziert werden, bis auch das letzte Bundesland sein Liegenschaftskataster umgestellt hat. Voraussichtlich wird die Flächenerhebung 20143 die erste Erhebung auf neuer Grundlage sein.

In Baden-Württemberg ist es bis auf die bereits angesprochenen Ausnahmen für alle Nutzungsarten der 10er-Ebene ab 1996 möglich, in beide Richtungen (ALB-ALKIS, ALKIS-ALB) 1:1 umzusetzen und daraus die entsprechenden Aggregate zu berechnen. In den Jahren 2001 bis 2003 bzw. 2005 bis 2007 wurde entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zwar nur ein reduzierter Merkmalskatalog nachgewiesen, mit dem es möglich war, die Siedlungs- und Verkehrsfläche zu definieren. Die für die Rückrechnung notwendigen Angaben zu ALB 912 Freizeitanlage, ALB 930 Historische Anlage und ALB 940 Friedhof sind aber in den Originaldatensätzen der Vermessungsverwaltung vorhanden.

Vor 1996 wurden im ALB nur die acht Hauptnutzungsarten und einige Unternutzungen erhoben. Um zumindest die vier neuen ALKIS-Nutzungsbereiche Siedlung, Verkehr, Vegetation und Gewässer darstellen zu können, müssen nur wenige einzelne Nutzungsarten näherungsweise zurückgerechnet werden. Die einstigen ALB-Nutzungen Gehölz (740; 16 758 ha4), Sumpf (890; 288 ha) und Historische Anlage (930; 149 ha) haben einerseits nur verhältnismäßig geringe Anteile an der Landesfläche und zählen andererseits zu den Nutzungsarten ohne große Entwicklungsdynamik.

In einem ersten Ansatz werden deshalb die Werte von 1996, im Falle von Friedhof (940) die Werte von 1988 für die Vorjahre übernommen. Hinsichtlich der Ausgliederung der ALB-Nutzungsart Freizeitgelände (912) kann man sich zudem die Tatsache zunutze machen, dass in der übergeordneten Position Übungsgelände (910) die Militärübungsgelände aufgrund ihres Flächenumfangs in zwei- oder gar dreistelligem Hektarbereich abgegrenzt werden können. Denn schließlich sind nur wenige Gemeinden Militärstandorte und diese, auch die ehemaligen, bekannt. Der verbleibende Anteil an der Position Übungsgelände wird als Freizeitgelände eingestuft.

Exkurs: Die Siedlungs- und Verkehrsfläche als Indikator des Flächenverbrauchs

Der Begriff »Flächenverbrauch« beschreibt die (oftmals irreversible) Umwidmung von naturnaher land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche zu siedlungsbezogener Nutzung. Datenquelle über die Flächennutzung und deren Veränderung ist die Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung, die ihrerseits auf der sekundärstatistischen Auswertung des Liegenschaftskatasters beruht. Der »Flächenverbrauch« wird definiert als Saldo von Anfangs- und Endbestand der Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV) einer Periode. Die SuV setzt sich aus folgenden ALB-Flächenkategorien des Liegenschaftskatasters zusammen:

  • Gebäude- und Freifläche (ALB 100/ 200)
  • Betriebsfläche ohne Abbauland (ALB 300 abzüglich ALB 310)
  • Erholungsfläche (ALB 400)
  • Verkehrsfläche (ALB 500)
  • Friedhofsfläche (ALB 940)

Während sich in Bezug auf den Verkehrsbereich die Nachweisungen im ALB und in ALKIS entsprechen, geht mit dem neuen ALKIS-Merkmalskatalog auch eine Neudefinition des Siedlungsbegriffs einher (Übersicht 4). Die Summe der beiden ALKIS-Hauptnutzungsarten Siedlung (10 000) und Verkehr (20 000) entspricht demzufolge nicht der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Um Verwechslungen und Fehlinterpretationen möglichst zu vermeiden, sollte deshalb für die Summe der beiden ALKIS-Hauptnutzungen ein neuer, im Idealfall eindeutiger und dennoch aussagekräftiger Begriff gefunden werden. Die »Flächensumme Siedlung und Verkehr« beinhaltet gegenüber der SuV zusätzlich

  • Bergbaubetrieb (ALKIS 14 000) und gemeinsam mit
  • Tagebau, Grube, Steinbruch (ALKIS 15 000) die gesamte ALB-Position Abbauland (310),
  • Historische Anlage (17 300/ 930) sowie
  • mit Freizeitanlage (18 200) einen Teil der ALB-Position Übungsgelände (910).

Bezogen auf die Zahlenwerte von 2011 ist die auf die neue Klassifikation umgerechnete »Flächensumme Siedlung und Verkehr« (514 536 ha) in Baden-Württemberg um ca. 7 000 ha größer als die »Siedlungs- und Verkehrsfläche« (507 691 ha) und das bei einer baden-württembergischen Gesamtfläche von 3 375 174 ha. Die »Flächensumme Siedlung und Verkehr« ist damit um 1,3 % größer als die »Siedlungs- und Verkehrsfläche« (Übersicht 4).

Hinsichtlich der täglichen Zuwachsraten (Schaubild) unterscheiden sich die beiden Flächenkategorien wenig, weil die vorgenannten, nur in der »Flächensumme Siedlung und Verkehr« enthaltenen Positionen zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallen und zudem nicht zu Entwicklungssprüngen neigen. Für die Diskussion einschließlich der Bewertung des Flächenverbrauchs dürfte die Wahl des Indikators allenfalls auf lokaler Ebene von Bedeutung sein. Es ist jedoch darauf zu achten, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden, also nicht zwischen den Begrifflichkeiten gewechselt wird.

1 Layer: Kartenebene in geographischen Informationssystemen.

2 Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder: Gebäude- und Freifläche (100/200), Betriebsfläche (300), Erholungsfläche (400), Verkehrsfläche (500), Landwirtschaftsfläche (600), Waldfläche (700), Wasserfläche (800), Flächen anderer Nutzung (900).

3 Beruht auf dem Liegenschaftskataster zum Stand 31. Dezember 2014.

4 Zahlenwerte zum Stand 31. Dezember 2011.