:: 9/2013

Genuss aus der Region – Erdbeeranbau in Baden-Württemberg

Erdbeeren sind bereits seit dem 18. Jahrhundert in Europa als Kulturpflanze bekannt. Mit dem erwerbsmäßigen Anbau wurde im Südwesten ungefähr Ende der 1960er-Jahre begonnen und langsam, aber kontinuierlich ausgeweitet. Erst mit Beginn der 1990er-Jahre nahmen die Flächen deutlich zu. Im Jahr 2012 belief sich die Erdbeeranbaufläche im Südwesten auf 3 668 Hektar (ha),auf der ungefähr 29 000 Tonnen (t) Erdbeeren erzeugt wurden.1 Neben den bekannten Obstregionen in der Rheinebene und am Bodensee ist der Erdbeeranbau aber auch in der unmittelbaren Umgebung der Ballungszentren von Stuttgart bis Mannheim zu Hause.

Die unter unseren Klimabedingungen kultivierte großfrüchtige Erdbeere (Fragaria x ananassa) ging aus einer Kreuzung zwischen der Chile-Erdbeere (Fragaria chiloensis) und der kleinen amerikanischen Scharlach-Erdbeere (Fragaria virginiana) hervor.2 Anfang des 18. Jahrhunderts wurden diese Stammväter der heutigen Gartenerdbeere von einem französischen Kapitän und Hobbybotaniker nach Frankreich gebracht. Um 1750 entstand aus einer Kreuzung dieser beiden Arten eine Hybride, die wegen ihres Aussehens und Geschmacks Ananas-Erdbeere genannt wurde.3 Die vitaminreichen Früchte sind beim Verbraucher beliebt. Im Jahr 2010 wurden pro Kopf ungefähr 3,5 kg verzehrt. In Deutschland werden die Erdbeeren in erster Linie für den heimischen Markt produziert, wobei der Selbstversorgungsgrad bei 64 %4 (2011) liegt. Während der Hauptsaison, die von Anfang Mai bis Ende Juli dauert, ist fast ausschließlich deutsche Ware im Handel erhältlich.

Erdbeeranbau – eine Erfolgsstory

Zwischen 1960, als rund 700 ha Erdbeerfläche (im Ertrag und nicht im Ertrag) kultiviert wurden, und den 1990er-Jahren mit fast 2 000 ha war die Entwicklung des Erdbeeranbaus im Südwesten noch relativ verhalten. Erst mit Beginn der 1990er-Jahre nahm der Anbau dann fast sprunghaft bis 1996 um über 700 ha für die gesamte Anbaufläche und rund 500 ha bei der ertragsfähigen Anbaufläche zu und büßte auch in den Folgejahren nur wenig von seiner Dynamik ein. Verschiedene Faktoren begünstigten dabei die Ausweitung des Erdbeeranbaus. Einerseits wurden vom Verbraucher verstärkt regional produzierte Früchte nachgefragt. Andererseits stellten in dieser Periode viele landwirtschaftliche Betriebe die Viehhaltung ein und benötigten eine alternative Einnahmequelle. Dazu kamen die bereits vorhandenen Obstbaubetriebe, die ihr Obstangebot breiter aufstellen wollten. Aufgrund der guten Absatzmöglichkeiten in den Ballungszentren um Mannheim und Karlsruhe und der günstigen klimatischen Bedingungen entlang des Rheintals konnte sich hier der Erdbeeranbau zuerst etablieren.

Inzwischen wachsen in Baden-Württemberg auf rund 3 668 ha die roten Früchte, 2 800 ha davon sind ertragsfähig. Damit befindet sich fast ein Fünftel der deutschen Erdbeerfläche von 19 048 ha im Land und reiht sich nach Niedersachsen mit 3 913 ha sowie Nordrhein-Westfalen mit 3 694 ha an dritter Stelle ein. Auch bei der produzierten Erntemenge rangiert Baden-Württemberg mit 28 674 t deutschlandweit (155 828 t) hinter Niedersachsen mit 42 450 t und Nordrhein-Westfalen mit 31 156 t.

Noch eher eine Nischenproduktion stellt die Erdbeerproduktion nach ökologischen Kriterien dar. Die Fläche beträgt in Baden-Württemberg derzeit nur 83 ha, verteilt auf 71 Erzeuger. Die produzierte Menge liegt mit 92 Dezitonnen je Hektar (dt/ha) leicht unter den erzielten Erträgen aus konventioneller Erzeugung.

Wo wachsen die süßen Früchtchen?

Zum wichtigsten Zentrum des Erdbeeranbaus hat sich die südliche Rheinebene mit dem Ortenaukreis sowie den Kreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald entwickelt. Hier wurden 2012 auf 1 135 ha Freilanderdbeeren kultiviert. Damit erfolgte seit Mitte der 1980er-Jahre eine Zunahme der Flächen um 680 ha, wobei sich besonders die Betriebe5 in den Gemeinden Bad Krozingen, Waldkirch und Oberkirch mit zusammen 730 ha auf den Erdbeeranbau spezialisierten. Aus der südlichen Rheinebene stammt auch ein Großteil der Erdbeerproduktion im Land. Die umfangreichsten Mengen wurden 2012 im Ortenaukreis (4 347 t), im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (2 950 t) sowie im Landkreis Emmendingen (2 811 t) auf den Markt gebracht.

Etwas differenzierter präsentiert sich der nordbadische Bereich. Gegenüber 1984 war im Regierungsbezirk Karlsruhe im Jahr 2012 zwar ebenfalls eine Zunahme um insgesamt 251 ha auf 659 ha zu verzeichnen. Seine größte Ausdehnung zeigte der Erdbeeranbau jedoch zu Beginn dieses Jahrtausends mit fast 800 ha. Zwischenzeitlich wurden die Umfänge vor allem im Kreis Rastatt wieder reduziert. Die Bodenseeregion als bedeutendste Region für die Apfelproduktion im Land kommt bei Erdbeeren auf insgesamt 761 ha. Im Bodenseekreis und im Landkreis Ravensburg zählen besonders Meckenbeuren und Horgenzell mit zusammen 260 ha zu den wichtigsten Gemeinden, die Anfang der 1990er-Jahre den Anbau forcierten. Weiterhin weist die Region zwischen Heilbronn und Stuttgart ungefähr 570 ha Erdbeerfläche auf.

Erdbeeren aus dem Ländle: Immer früher und immer später

Das klassische Erntefenster für Freilanderdbeeren reicht von Mai bis Juni, wobei die Staffelung der Ernte vor allem durch den Einsatz früh und spät reifender Sorten erreicht wird. Erweitert wird das Erntefenster nach vorne durch Verfrühungsmaßnahmen wie den Anbau unter Folie oder in Folientunneln, die in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung zeigten. Im Jahr 2000 waren erst knapp 7 ha unter Tunneln zu finden, 2008 belief sich die Fläche bereits auf 49 ha, bis 2012 verdoppelte sich die Fläche sogar auf 98 ha. Mit knapp 3 % an der Gesamtfläche belegen diese momentan zwar nur einen kleinen Anteil, aber mit großem Wachstumspotential. Neben dem Verfrühungseffekt sind die Pflanzen unter Folientunneln weniger den Wetterkapriolen wie Spätfrost und Hagel ausgesetzt. Das zahlte sich auch 2012 aus: Die Erdbeeranbauer ernteten unter Folie mit ungefähr 154 dt/ha über die Hälfte mehr als im Freiland mit 97 dt/ha. Investitionen in Folientunnel lohnen sich vor allem, wenn die Ware früh genug am Markt ist, um der ausländischen Konkurrenz beim Wettbewerb um gute Preise Paroli bieten zu können. Scheinbar mit Erfolg: Die Einfuhrzahlen für Erdbeeren stagnierten in den letzten Jahren.6

Die größten Flächen unter geschützten Bedingungen finden sich im Regierungsbezirk Karlsruhe mit 42 ha. Spitzenreiter ist der Landkreis Rastatt, der mit 22 ha rund 11 % der Erdbeerfläche abdeckt, gefolgt vom Rhein-Neckar-Kreis mit 15 ha. Deutschlandweit verfügt Niedersachsen mit 167 ha mit Abstand über die größten Flächen unter Glas bzw. im Folientunnel.

Maßnahmen zur Erweiterung des Erntefensters nach hinten sind gezielte Abdeckungen mit Stroh im zeitigen Frühjahr oder mehrmals tragende Sorten. Ebenfalls eine Staffelung des Erntefensters ist durch sogenannte Frigo-Pflanzen möglich. Dabei handelt sich um wurzelnackte Pflanzen, die bei 2°C bis zur Pflanzung in einer künstlichen Winterruhe gehalten werden. Nach dem Pflanzen werden etwa 8 Wochen später die Früchte geerntet. Allerdings spielen diese Varianten in Baden-Württemberg nur eine untergeordnete Rolle und werden höchstens zur Sortimentsergänzung der Direktvermarkter zum Einsatz kommen. In Jahren mit normalen Wetterbedingungen ist bis Ende Juni im Südwesten die Haupternte normalerweise abgeschlossen, da in der Regel danach die Temperaturen zu hoch sind, um noch gute Qualitäten erzielen zu können.

Zunehmende Spezialisierung

Wie in anderen landwirtschaftlichen Betriebszweigen unterliegen auch im Erdbeeranbau die Betriebe einer zunehmenden Spezialisierung. Erfolgreiche Betriebe verfügen über das nötige Know-how, die Maschinenausstattung und gesicherte Vermarktungsstrukturen, weshalb es oftmals nahe liegt, diesen Bereich weiter auszubauen. Bewirtschafteten die 1 700 Erdbeerbetriebe vor 20 Jahren im Schnitt etwas mehr als ein 1 ha, verfügen die mittlerweile noch 671 Betriebe umgerechnet über 5,5 ha je Betrieb. Dominiert wird die Produktion allerdings von den 38 Betrieben, die in der Größenklasse von über 20 ha Erdbeeren anbauen (Tabelle) und 2012 fast die Hälfte (46 %) der Fläche bewirtschafteten. Zahlenmäßig überwiegen allerdings deutlich die kleineren Betriebe. Über die Hälfte der Betriebe (362) verfügt über weniger als 2 ha Fläche, wobei sich in deren Händen nur noch 8 % der gesamten Fläche befinden. Ähnlich sieht das Verhältnis bei den Flächen mit Folientunneln aus. Mehr als 50 % der Anlagen (55 ha) wird von lediglich 14 Erdbeerbauern betrieben.

Fazit

Der Erdbeeranbau hat sich im Südwesten als ein fester Bestandteil der Obstproduktion etabliert. Regional erzeugte Erdbeeren können gut vermarktet werden, weshalb die Erdbeerflächen in den letzten beiden Jahrzehnten stetig zunahmen. Für die Investitionsbereitschaft der Erdbeerbauern in diesen Betriebszweig spricht auch die rasante Entwicklung des Anbaus in begehbaren Folientunneln, die in den nächsten Jahren sicherlich weiter ausgebaut werden dürften. Inwieweit auch Freilandflächen noch zulegen werden, oder ob der Markt dafür gesättigt ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Die wetterbedingt schwierigen Bedingungen in der gerade abgelaufenen Saison 2013 sowie des vorangegangenen Jahres, mit Ernteausfällen durch Frostschäden und Nässe, könnten eine verhaltene Ausweitung der Flächen nach sich ziehen.