:: 9/2013

Die Einkommenssituation privater Haushalte in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Ausgewählte Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2011

Das Einkommen der privaten Haushalte, deren Wohnkosten und die finanziellen Einschränkungen sind Themen der Statistik EU-SILC (Leben in Europa), die in den Staaten der Europäischen Union und weiteren Ländern erhoben wird. Damit ist diese Statistik eine wichtige Datenquelle für Sozial- und Armutsanalysen in Europa. Mit den Ergebnissen aus dem Erhebungsjahr 2011 werden im folgenden Beitrag Baden-Württemberg, Deutschland und ausgewählte europäische Staaten verglichen zu den Themen Einkommen und Armutsgefährdungsquoten sowie den Einschätzungen der Haushalte zu ihrer finanziellen Lage.

Die Statistik EU-SILC ermöglicht Vergleiche zwischen den europäischen Staaten insbesondere zum Themenbereich Einkommen und finanzielle Lage der privaten Haushalte. Neben den objektiven Zahlen zu den Einkommensbestandteilen werden bei dieser Erhebung auch subjektive Einschätzungen erfragt, beispielsweise wie die Haushalte mit ihrem monatlichen Einkommen zurechtkommen oder ob die Wohnkosten als besondere Belastung empfunden werden.

Veröffentlichungen und Analysen zu EU-SILC liegen bisher vor allem als bundesweite Ergebnisse für Deutschland und im EU-Vergleich vor.1 Der Stichprobenumfang der Erhebung ist aber groß genug für aussagekräftige Daten zumindest für die größeren Bundesländer. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der EU-SILC-Statistik in einem Vergleich von Baden-Württemberg, Deutschland und seinen Nachbarstaaten sowie weiteren ausgewählten EU-Ländern dargestellt.

Äquivalenzeinkommen und Armutsgefährdung

Für Baden-Württemberg ergibt sich aus der Erhebung EU-SILC 20112 ein mittleres Bruttoeinkommen (Median3) je Haushalt von 36 629 Euro im Jahr, wobei ein Haushalt im Durchschnitt 2,1 Personen umfasst. Nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt den Haushalten ein mittleres verfügbares Einkommen von 27 504 Euro im Jahr. Je nach Größe und Zusammensetzung der Haushalte gibt es allerdings deutliche Unterschiede bezüglich der Höhe des Einkommens. Deshalb wird mit Bezug auf die Anzahl der Personen im Haushalt das sogenannte Nettoäquivalenzeinkommen4 berechnet, das einen Einkommenswert je Person darstellt und als Rechengröße für die Ermittlung von Armutsgefährdungsquoten dient. Im Jahr 2011 lag der Median des Nettoäquivalenzeinkommens in Baden-Württemberg bei 20 258 Euro im Jahr und damit über dem bundesweiten Wert von 19 043 Euro.

Im europäischen Vergleich der Einkommenssituation liegt Deutschland damit knapp hinter den westlichen Nachbarstaaten Frankreich, Belgien und den Niederlanden und noch etwas deutlicher hinter Österreich. Wesentlich höhere Einkommen sind in Dänemark, Luxemburg und der Schweiz zu verzeichnen.

Geringere Äquivalenzeinkommen als in Deutschland werden hingegen für Großbritannien und Italien ermittelt, Spanien liegt noch deutlicher zurück. Wesentlich niedriger liegen die Einkommen schließlich in den östlichen Nachbarländern Tschechien und Polen.

Im Schaubild 1 ist zudem die Armutsgefährdungsquote5 in den einzelnen Staaten ersichtlich. Diese hängt weniger mit der Höhe der Äquivalenzeinkommen zusammen, sondern zeigt vielmehr die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in den jeweiligen Staaten. Eine niedrige Quote wird vor allem in solchen Ländern erreicht, in denen die Unterschiede zwischen armen und reichen Haushalten geringer sind. So zeigt sich für die Tschechische Republik bei einer relativ geringen Einkommenshöhe eine geringe Armutsgefährdungsquote, während insbesondere in Spanien, Italien und in Polen die Quote jeweils deutlich höher liegt.

Haushalte kommen sehr unterschiedlich mit dem Einkommen zurecht

Neben den statistischen Daten zur Höhe des Einkommens ist auch die Ermittlung subjektiver Einschätzungen zur finanziellen Lage der Haushalte eine wichtige Aufgabe der EU-SILC-Statistik. Im Jahr 2011 gab eine große Mehrzahl der baden-württembergischen Haushalte an, mit dem monatlichen Einkommen überwiegend gut zurechtzukommen. Rund 44 % der Personen leben in Haushalten, die ihre finanzielle Situation als relativ gut einschätzen und weitere 37 % in Haushalten, die gut oder sehr gut mit ihrem Einkommen zurechtkommen. Dagegen bewerten 20 % der Haushalte ihre finanziellen Lage eher negativ: Fast 11 % der Bevölkerung kommen mit dem Einkommen relativ schlecht zurecht und weitere 9 % sogar schlecht oder sehr schlecht. Die Ergebnisse für ganz Deutschland zeigen insgesamt eine ähnliche Verteilung.

Erwartungsgemäß sehen die Haushalte in den Ländern mit höheren Einkommen (Schweiz, Luxemburg, Dänemark) die eigene finanzielle Lage überwiegend positiv. Eine solche Einschätzung ist aber auch in den Niederlanden stark ausgeprägt, deren Äquivalenzeinkommen im Schnitt etwa gleich hoch wie in Baden-Würt­temberg liegen. Von den Ländern, die in den Vergleich einbezogen sind, kommen die Haushalte in Italien durchschnittlich am wenigsten mit ihrem monatlichen Einkommen zurecht.

Einschätzung der Haushalte zur Wohnkostenbelastung

Die Wohnkosten stellen für die privaten Haushalte oft den größten Posten ihrer regelmäßigen Ausgaben dar. So wurden in Baden-Württemberg für die Wohnkosten (einschließlich Heizung, Strom und Wasser) im Mittel rund 7 040 Euro im Jahr ausgegeben, also mehr als ein Viertel des verfügbaren Einkommens. Bei EU-SILC wird auch eine Einschätzung der Haushalte bezüglich der monatlichen finanziellen Belastung durch die Wohnkosten erfragt. Eine deutliche Mehrheit von 59 % der Baden-Württemberger lebt in Haushalten, in denen die Wohnkosten als gewisse Belastung gesehen werden. Der Anteil derjenigen, die durch ihre Wohnkosten keine finanzielle Belastung empfinden, ist mit knapp 21 % kaum größer als derjenigen mit subjektiv großer Belastung (20 %). Diese Einschätzungen unterscheiden sich in Baden-Württemberg nur wenig von denjenigen in Deutschland.

Im europäischen Vergleich zeigen sich hingegen große Unterschiede bei den Einschätzungen der Haushalte zur finanziellen Belastung durch das Wohnen. Während sich in Dänemark, Frankreich und den Niederlanden besonders viele Haushalte durch Wohnkosten gar nicht belastet sehen, liegen Deutschland und Baden-Württemberg eher im Mittelfeld der hier betrachteten Länder. In der Schweiz und in Luxemburg, also Ländern mit vergleichsweise hohen Durchschnittseinkommen, sind es relativ wenige Haushalte, die sich durch die Wohnkosten nicht belastet fühlen. Besonders kritisch wird dieses Thema in Polen, Spanien und Italien eingeschätzt. Dort lebt eine Mehrheit der Bevölkerung in Haushalten, die die Wohnkosten für eine große finanzielle Belastung halten.

Was sich Haushalte nicht leisten können

Die finanzielle Kapazität eines Haushaltes bemisst sich auch daran, ob sich ein Haushalt bestimmte Güter und Dienstleistungen, die wesentlich zur Lebensqualität beitragen, finanziell leisten kann. Bei den Ergebnissen zu diesen Fragen in EU-SILC zeigen sich deutliche Differenzen in Europa.

Im Jahr 2011 lebten 31 % der Bevölkerung Baden-Württembergs in einem Haushalt, der nach eigener Einschätzung nicht über die finanziellen Mittel verfügte, eine unerwartete Ausgabe von mindestens 930 Euro zu tätigen. In Deutschland hat jeder Dritte diese Schwierigkeit, was jedoch noch knapp unter dem EU-weiten Durchschnitt von knapp 38 % liegt. Die Bevölkerung in den Haushalten Italiens, der Tschechischen Republik und Polens trifft diese finanzielle Einschränkung besonders deutlich. In Polen kann sich rund jeder Zweite (51 %) keine unerwartete hohe Ausgabe leisten, womit beispielsweise der Kauf einer neuen Waschmaschine oder eine teure Autoreparatur gemeint ist. Weniger eingeschränkt im Umgang mit plötzlichen finanziellen Belastungen fühlen sich demgegenüber die Haushalte der Schweiz, der Niederlande, Österreichs oder Luxemburgs.

Fast identisch zeigt sich dieses Bild auch bei der Frage, ob es sich der Haushalt leisten kann, mindestens 1 Woche im Jahr zu verreisen. Baden-Württemberg (23 %) und Deutschland (knapp 23 %) rangieren hier etwas deutlicher unter dem europäischen Durchschnitt (38 %), während bei mehr als 40 % der Bevölkerung der Tschechischen Republik, Italiens und Polens nach eigener Einschätzung das Geld dafür fehlt. In der Schweiz, Dänemark, Luxemburg und bei den reisefreudigen Niederländern liegt dieser Anteil hingegen bei jeweils unter 20 %.

Auffällige Unterschiede gibt es bei der Einschätzung der Haushalte zur Möglichkeit, sich jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten zu können. Am einfachsten scheint dies in der Schweiz, in Luxemburg, Dänemark und den Niederlanden, denn dort sind es weniger als 3 %, die darin ein finanzielles Problem sehen. Interessanterweise trifft dies auch auf nur 3 % der spanischen Bevölkerung zu. In Baden-Württemberg waren es indes gut 8 % und in Deutschland knapp 9 %. Beide Werte liegen unter dem EU-Durchschnitt von beinahe 10 %.

Kleinere Differenzen zeigen sich im europäischen Vergleich, wenn es um das angemessene Heizen der Wohnung geht, wobei diese Einschätzung auch von klimabedingten unterschiedlichen Notwendigkeiten abhängen kann. Eine zu hohe Belastung durch mögliche Heizkosten sehen vor allem die Haushalte in Polen und Italien (14 % bzw. 18 % der Bevölkerung). Hingegen bereitet es nur knapp 1 % der Bevölkerung in den schweizerischen Haushalten finanzielle Probleme, die Wohnung angemessen zu heizen.

1 Aktuelle Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zu EU-SILC: Deckl, Silvia: Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Deutschland und der Europäischen Union, in: Wirtschaft und Statistik 3/2013, S. 212 ff.

2 Referenzjahr für die Ermittlung des Einkommens ist bei EU-SILC jeweils das dem Erhebungsjahr vorangegangene Jahr.

3 Der Median ist der mittlere Wert einer aufsteigend geordneten Datenreihe. Die eine Hälfte der Werte ist kleiner, die andere Hälfte größer als der Median. Im Unterschied zum arithmetischen Mittelwert (Durchschnitt) reagiert der Median weniger empfindlich auf Extremwerte in den Daten und wird daher bevorzugt bei Analysen zum Einkommen und bei der Berechnung der Armutsgefährdung eingesetzt.

4 Das Äquivalenzeinkommen wird ermittelt, indem das gesamte Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Personen geteilt wird. Jeder Person wird ein Gewicht zugewiesen (nach modifizierter OECD-Skala: erster Erwachsener 1,0; weitere Erwachsene 0,5; Kinder unter 14 Jahren 0,3). Das Haushaltseinkommen wird nun durch die Summe der Gewichte dividiert. Das so ermittelte Einkommen wird jeder Person im Haushalt als persönliches Äquivalenzeinkommen zugeschrieben.

5 Die Armutsgefährdungsquote ist nach EU-Definition der Anteil der Personen in Privathaushalten, der mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens (Median des Äquivalenzeinkommens) der gesamten Bevölkerung auskommen muss. Sie bildet einen Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut.