:: 9/2013

Öffentliche Abwasserentsorgung in Baden-Württemberg 2010

Die öffentliche Abwasserentsorgung in Baden-Württemberg hat die zentrale Aufgabe, die Belastung der Flüsse und Gewässer möglichst gering zu halten. Dabei wurde bereits ein guter Standard erreicht. Dennoch gibt es vielfältige Anstrengungen, um den erreichten Zustand weiter zu verbessern. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick zu Stand und Entwicklung der öffentlichen Abwasserentsorgung im Land. Dies beinhaltet die Anschlüsse an die kommunale Abwasserentsorgung, die Ableitung des Abwassers über die öffentliche Kanalisation in die Kläranlagen im Land sowie die dabei anfallenden Klärschlammmengen.

Zentrale Abwasserbehandlung – nahezu flächen­deckend im Land

Im Durchschnitt verbraucht ein Baden-Württemberger täglich rund 115 Liter1 Wasser zum Duschen, Waschen, Spülen oder Kochen. Dieses mehr oder weniger stark verunreinigte Wasser wird in der Regel über die öffentlichen Kanalnetze zur Reinigung in zentrale Kläranlagen eingeleitet. Im Jahr 2010 lag die Anschlussquote an zentrale Kläranlagen in Baden-Württemberg bei 99,3 %. Damit ist die Quote, die ohnehin bereits ein hohes Niveau erreicht hat, zwischen 2007 und 2010 um weitere 0,2 Prozentpunkte gestiegen. In 858 Städten und Gemeinden sowie in allen neun Stadtkreisen wurde 2010 ein Anschlussgrad von mindestens 99 % erreicht. Das sind knapp 79 % aller Gemeinden in Baden-Württemberg. Ganze 98,9 % der Einwohner sind dabei an biologische Kläranlagen mit weitergehender Reinigung angeschlossen. Kläranlagen mit ausschließlich mechanischer Reinigung gibt es in Baden-Württemberg schon länger nicht mehr.

Im Bundesdurchschnitt lag die Anschlussquote an kommunale Kläranlagen im Jahr 2010 bei rund 95,7 %. Baden-Württemberg rangiert mit rund 99,3 % noch vor den westdeutschen Flächenländern Bayern (96,4 %), Niedersachsen (94,4 %), Nordrhein-Westfalen (97,9 %), Rheinland-Pfalz (99,2 %), Schleswig-Holstein (94,6 %) und dem Saarland (97,3 %). In den neuen Bundesländern ist in der Regel der Anteil der dezentralen Abwasserbehandlung deutlich höher. Die Anschlussquote an zentrale Kläranlagen liegt dort, mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt (92%), noch unter 90 %.

Dezentrale Abwasserentsorgung – weiter rückläufig

In Baden-Württemberg wurde im Jahr 2010 das Abwasser von rund 75 000 Einwohnern (0,7 %) in dezentralen Kläranlagen gereinigt. Im Vergleich zu 2007 waren es damit rund 17 000 Einwohner im Vergleich zu 2004 rund 33 000 Einwohner weniger. Diese meist in verstreuten Siedlungen und Einzelanwesen lebenden Einwohner nutzen entweder Kleinkläranlagen oder geschlossene Gruben. In der Regel wird das in Kleinkläranlagen behandelte Abwasser anschließend über ein Pflanzenbeet oder einen Abwasserteich (biologische Reinigungsstufe) in den Untergrund versickert oder in ein Fließgewässer eingeleitet. Abflusslose Gruben müssen dagegen regelmäßig geleert werden.

Rund 3 000 (0,03 %) Baden-Württemberger leiteten ihr Schmutzwasser ohne vorhergehende Reinigung über das Kanalsystem direkt in einen Vorfluter bzw. den Untergrund ein. Das waren rund 2 000 Einwohner weniger als noch im Jahr 2007, während 1975 diese Zahl noch bei knapp 1,3 Mill. Einwohnern lag.

Abwasserbehandlung in öffentlichen Kläranlagen

Im Jahr 2010 wurden in den 1 025 Kläranlagen in Baden-Württemberg rund 1 648 Mill. m3 Abwasser eingeleitet und behandelt.2 Etwa zwei Drittel (1 091 Mill. m3) davon waren Fremd- und Niederschlagswasser (Mischwasser), das ebenfalls über die öffentliche Kanalisation zur Behandlung in kommunale Kläranlagen gelangt. Der Anteil des Schmutzwassers aus Haushalten sowie kleingewerblichen und industriellen Betrieben lag damit bei rund einem Drittel (557 Mill. m3).

Insgesamt ist die häusliche und betriebliche Abwassermenge seit den 1990er-Jahren um 16 % zurückgegangen. Damit ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Abwasseranfall von 189 Liter pro Tag (1991) auf 144 Liter pro Tag (2010) gesunken. Im Durchschnitt fallen also 45 Liter Abwasser weniger pro Tag und Einwohner an als noch knapp 20 Jahre zuvor.

Um die Abwassermenge in der dezentralen Abwasserbehandlung zu beziffern, kann der durchschnittliche tägliche Trinkwasserbedarf in Baden-Württemberg von 115 Litern pro Einwohner und Tag herangezogen werden. Bei 75 000 Einwohnern mit einer dezentralen Abwasserbehandlung errechnet sich so eine Menge von rund 3,1 Mill. m³ Abwasser.

1 Mrd. m³ Fremd- und Niederschlagswasser

Bei rund 1 091 Mill. m3 des in kommunalen Kläranlagen behandelten Abwassers handelte es sich um Fremd- und Niederschlagswasser. Das waren 86 Mill. m3 mehr als 2007 und 283 Mill. m3 mehr als 2004. Diese Größe hängt von der Stärke und Häufigkeit der Niederschläge sowie von der Qualität des Kanalnetzes ab. In Baden-Württemberg fallen im Durchschnitt pro Jahr 948 mm an Niederschlägen.3 Der Jahresniederschlag 2010 (102 %) und 2007 (104 %) war leicht überdurchschnittlich, der von 2004 leicht unterdurchschnittlich (94 %). Die Höhe des Fremd- und Niederschlagswassers fiel in den letzten rund 30 Jahren sehr unterschiedlich aus, wobei das Minimum bei 730 Mill. m3 im Jahr 1991 und das Maximum bei 1 113 Mill. m3 im Jahr 1995 lag. Der Anteil des Fremd- und Niederschlagswassers an der in Kläranlagen insgesamt behandelten Abwassermenge liegt seit 1983 bei durchschnittlich 61 %, wobei im Jahr 2010 mit 66 % ein Maximum erreicht wurde.

72 000 km Abwasserkanäle

Für den Ausbau der öffentlichen Abwasserentsorgung sind in Baden-Württemberg weitestgehend die Gemeinden verantwortlich. Die Gesamtlänge des Leitungsnetzes betrug im Jahr 2010 rund 72 000 Kilometer (km), wovon knapp 70 % Mischwasserkanäle und rund 30 % Trennkanäle waren.4 In den zurückliegenden Jahren hat sich der Anteil des Trennsystems immer weiter erhöht. Besonders in der Region Südlicher Oberrhein gibt es inzwischen mehr getrennte Schmutz- und Regenwasserkanäle als Mischkanäle. Im Jahr 1975 lag der Anteil der Trennkanalisation im Land noch bei 15 %.

Zwischen 2007 und 2010 wurden insgesamt rund 2 300 km neue Kanäle gebaut bzw. ausgebaut, von denen vier Fünftel Trennkanäle waren. Das ist der bisher höchste Anteil seit 1975. Generell waren seit 2001 immer mehr als drei Fünftel der neu gebauten Kanäle Schmutz- und Regenwasserkanäle einer Trennkanalisation.

Zwischen 1975 und 2010 wurden vor allem im Landkreis Ravensburg (1 871 km) und im Ortenaukreis (2 338 km) neue Kanäle gebaut bzw. ausgebaut. Im aktuellen Vergleich der Jahre 2007 und 2010 kamen im Landkreis Schwäbisch Hall (169 km) und im Hohenlohekreis (144 km) die meisten Kanäle hinzu. Mit Ausnahme des Landkreises Heilbronn (101 km) haben die restlichen Stadt- und Landkreise jeweils weniger als 100 Kanal-Kilometer ausgebaut.

Im Verlauf des Kanalnetzes und auf dem Gelände der Kläranlagen befinden sich zusammen 7 886 Regenentlastungsanlagen mit einem Fassungsvermögen von insgesamt gut 5,3 Mill. m3 Wasser und 3 847 Regenüberläufe ohne Becken. Das sind insgesamt 525 Regenentlastungsanlagen mehr als im Jahr 2007.

Klärschlammentsorgung – thermische Behandlung weiter gesteigert

Bei der Reinigung von Abwasser fallen erhebliche Mengen Klärschlamm an, die entweder in die Entsorgung gehen oder zwischengelagert werden. In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2011 rund 245 000 Tonnen Klärschlamm-Trockensubstanz aus kommunalen Kläranlagen entsorgt. Das waren 17 % weniger als noch vor 10 Jahren und sogar knapp 37 % weniger als vor 20 Jahren. Ein Grund für diesen Rückgang ist sicherlich ein sparsamerer Umgang mit der Ressource Wasser. Zudem wurden durch eine verbesserte Vorbehandlung des Abwassers in den Betrieben weniger schlammträchtige Stoffe in die Ortskanalisation eingeleitet. Aber auch die Behandlungsverfahren in den kommunalen Kläranlagen, bespielsweise die Ausfaulung oder die Abtrennung von Nutzstoffen (Phosphat, Nitrat, Kalk) aus dem Klärschlamm, haben sich verbessert und damit zu einem geringeren Schlammanfall beigetragen.

Bei der Entsorgung des Klärschlamms hat in den letzten 15 Jahren ein Umdenken stattgefunden. Während früher die Hauptentsorgungswege noch die Deponierung und die landwirtschaftliche Verwertung waren, werden heute rund 90 % thermisch entsorgt. Anfangs stand vor allem die Nutzung der im Klärschlamm enthaltenen Nährstoffe im Mittelpunkt. Zwischenzeitlich hat sich der Fokus zunehmend auf die enthaltenen Schadstoffe gerichtet. Mittlerweile kommt auch einer möglichst klimafreundlichen Entsorgung hohe Aufmerksamkeit zu. Laut Abfallablagerungsverordnung ist seit 1. Juni 2005 die Deponierung von Klärschlamm ohne vorherige thermische Behandlung nicht mehr zulässig.

Fazit

Der Umgang mit Wasser und das Bewusstsein für dieses Ökosystem hat sich in den letzten 30 Jahren weiter verändert. Noch bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Abwasser in der Regel ohne jegliche Reinigung direkt in einen Vorfluter eingeleitet. Durch die wachsende Bevölkerung und Industrialisierung verschlechterte sich zunehmend die Gewässerqualität im Land. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde zunächst der Ausbau der Kanalnetze und der Anschluss an zentrale Abwasserreinigungsanlagen vorangetrieben. Als Ergebnis davon sind heute, bis auf wenige Kleinstsiedlungen, fast alle Einwohner an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen. Zudem verfügen rund 89 % der Kläranlagen über eine weitergehende Reinigungsstufe.

Aktuelle Ziele für die Weiterentwicklung der Abwassertechnik sind beispielsweise der Ausbau der Reinigungsleistung zur Reduzierung von Stickstoff- und Phosphorverbindungen, der Ausbau der Elimination bzw. Zurückhaltung biologisch schwer abbaubarer anorganischer Stoffe (zum Beispiel Salze) sowie von Schwermetallen. Es gibt auch eine Vielzahl von Schadstoffen im häuslichen Abwasser (zum Beispiel Arzneimittelwirkstoffe, Rückstände aus Waschmitteln), deren Gefährdungspotential noch weitgehend unbekannt ist. Eine weitere Herausforderung ist zudem die Anpassung der Infrastruktur an demografische und klimatische Entwicklungen.

1 Trinkwasserverbrauch der Haushalte und Kleinverbraucher.

2 In Kläranlagen mit Sitz in Baden-Württemberg angefallene Abwassermenge (Standortprinzip).

3 www.lubw.baden-wuerttemberg.de (Klima – Klimaatlas – Klima – Klimaänderung – Baden-Württemberg – Niederschlag).

4 Im Mischsystem werden häusliches, gewerbliches und industrielles Schmutzwasser und das Niederschlagswasser im Gegensatz zur Trennkanalisation gemeinsam in einer Kanalisation abgeleitet.