:: 10/2013

Mehr als jeder zweite Euro mit dem Ausland verdient: Die Exportquote der Südwestindustrie übertraf 2012 erstmals die 50-Prozent-Marke

Die nominalen Umsätze der Südwestindustrie erreichten 2012 trotz der sich abkühlenden Konjunktur neue Rekordwerte. Zurückzuführen war dies auf einen kräftigen Anstieg der Auslandsumsätze, der zur Folge hatte, dass die Exportquote der Industriebetriebe erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs die 50-Prozent-Marke übertraf. Das Auslandsgeschäft war nach Jahrzehnten des Bedeutungsgewinns im Jahr 2012 damit umfangreicher als das Geschäft mit den inländischen Kunden. Die Exportquote variierte jedoch beträchtlich zwischen den einzelnen Industriebranchen des Landes, die Spannweite betrug über 60 Prozentpunkte. Spitzenreiter in der Exportorientierung war die »Herstellung von Kraftwagen und -teilen«, die auch die traditionell umsatzstärkste heimische Industriebranche darstellt. Knapp dahinter folgte mit der »Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen« die am stärksten ausfuhrorientierte Branche der Vorjahre. Die Branchenzugehörigkeit beeinflusste auch die Absatzrichtung des Auslandsgeschäfts. Insgesamt zeigte sich im letzten Jahrzehnt hier eine zunehmende Bedeutung der Exporte in die Nicht-Eurozone. Im Bundesländervergleich war die Exportquote der Südwestindustrie überdurchschnittlich, ohne dass jedoch das Überschreiten der 50-Prozent-Marke ein Alleinstellungsmerkmal verkörperte.

Rekordumsatz trotz abkühlender Konjunktur

Ein konjunktureller Umschwung kennzeichnete die Entwicklung der Südwestindustrie (siehe i-Punkt für Begriffsdefinitionen und methodische Erläuterungen) im Jahr 2012. Waren die beiden vorangegangenen Jahre noch von einem äußerst dynamischen Aufschwung geprägt, mit dem der von der Finanz- und Wirtschaftskrise verursachte Einbruch der Jahre 2008/2009 hinter sich gelassen wurde, so bremsten eine abgekühlte Weltwirtschaft und die Euro-Schuldenkrise im Verlauf des Jahres spürbar die industrielle Entwicklung. Insgesamt gingen preis- und arbeitstäglich bereinigt sowohl die Auftragseingänge (−2,5 %) als auch der Produktionsausstoß (−0,8 %) im Vergleich zum Vorjahr zurück. Demgegenüber konnten die preis- und arbeitstäglich bereinigten Umsätze aufgrund ihrer zeitlich etwas nachgelagerten Entwicklung nochmals zulegen (0,4 %).1

Auch bei nominaler Betrachtung ergab sich für die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes ein Umsatzplus.2 Dieses betrug 4,2 Mrd. Euro oder 1,4 %, wodurch der Jahresumsatz auf den neuen Rekordwert von 309 Mrd. Euro gesteigert wurde. Der Zuwachs ging einher mit gestiegenen Beschäftigtenzahlen (ebenfalls 1,4 %) und einem spürbaren Anstieg der gezahlten Entgelte (5 %). Letztere legten somit absolut und je Beschäftigtem zu und erreichten ebenfalls neue Rekordwerte. Das Umsatzplus von 1,4 % war aber nicht nur im Vergleich zu den beiden Vorjahren gering (2010: 16,7 %, 2011: 11,7 %), für die die Finanz- und Wirtschaftskrise einen stattlichen Nachholbedarf erzeugt hatte. Die Steigerung lag auch deutlich unterhalb der durchschnittlichen Entwicklung von 3,3 % in den letzten knapp 2 Jahrzehnten.3 Die von der Konjunkturabkühlung gebremste Umsatzausweitung des Jahres 2012 ist deshalb als insgesamt eher verhalten einzustufen.

Exportquote erstmals über 50 % …

Auffällig war im Jahr 2012 die sehr gegensätzliche Entwicklung der Inlands- und Auslandsumsätze.4 Während die Erlöse aus dem Inlandsgeschäft um 1,2 % hinter dem Niveau des Vorjahres zurückblieben, legten die Auslandserlöse um 4 % zu und erreichten mit 158,3 Mrd. Euro ein neues Allzeithoch. Sie lagen zudem zum ersten Mal in der baden-württembergischen Geschichte über dem Niveau der Inlandsumsätze (2012: 150,7 Mrd. Euro), sodass der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, die sogenannte Exportquote, mit 51,2 % erstmals die 50-Prozent-Marke überstieg. Damit wurde im Jahr 2012 eine Art »Schallmauer« durchbrochen: Die Industriebetriebe im Südwesten verdienten mehr am Export von Produkten ins Ausland als durch den Verkauf auf dem heimischen Absatzmarkt.

Die zunehmende Exportorientierung ist allerdings kein neues Phänomen, sondern begleitet die industrielle Entwicklung der letzten Jahrzehnte. So erhöhte sich die Exportquote seit 1995 um 19,7 Prozentpunkte und damit um durchschnittlich mehr als einen Prozentpunkt pro Jahr. Die wachsende Bedeutung des Exports geht aber noch viel weiter in die Vergangenheit zurück und kann letztlich für den gesamten Nachkriegszeitraum statistisch belegt werden. Dabei beschleunigte sich das Wachstum Mitte der 1990er-Jahre deutlich und behielt auch in den 2000er-Jahren ein vergleichsweise hohes Tempo bei.5 Dies lag an den geradezu explodierenden Auslandsumsätzen, die seit 1995 mit Ausnahme einer kurzen Stagnationsphase 2002/2003 und den Krisenjahren 2008/2009 jedes Jahr kräftig zulegten und sich bis 2012 nominal beinahe verdreifachten (2,8-faches Ausgangsniveau). Die Inlandsumsätze stiegen im selben Zeitraum hingegen nur um 23 % und lagen 2012 noch leicht unter dem Niveau der Jahre 2007/2008. Als Folge dieser verstärkten Auslandsaktivitäten ergab sich eine zunehmende Einbettung der Südwestindustrie in internationale Entwicklungen.

… aber große Spannweite zwischen den Branchen

Das Ausmaß der internationalen Ausrichtung war jedoch in den einzelnen Industriebranchen des Landes äußerst unterschiedlich und resultierte im Jahr 2012 in Exportquoten zwischen 69,6 % und 8,3 %. Die Rangliste wird von der umsatzstärksten heimischen Industriebranche angeführt, der »Herstellung von Kraftwagen und -teilen«. Diese aus vielen Großbetrieben bestehende Branche erhöhte ihre Exportquote in den letzten 5 Jahren um beachtliche 7,1 Prozentpunkte und verlagerte ihren Umsatzschwerpunkt somit noch einmal merklich gen Ausland. Allerdings gab es innerhalb der Branche große Unterschiede, was exemplarisch an den Exportquoten der Teilbereiche »Herstellung von Kraftwagen und -motoren« (WZ 29.1) mit 76,8 % und »Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen« (WZ 29.3) mit 43,7 % abzulesen ist. Letzterer Bereich umfasst klassische Zuliefererdienste und damit Vorleistungen innerhalb der Wertschöpfungskette der Kraftfahrzeugherstellung, was die entsprechend niedrigere Exportquote erklärt. Absolut gesehen entfielen 58,9 Mrd. Euro Auslandsumsatz auf den Kraftwagenbau und seine Zulieferer und damit über ein Drittel der gesamten industriellen Exporterlöse.

Die zweithöchste Exportquote verzeichnete die »Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen«, die mit 68,8 % nur knapp hinter den Herstellern von Kraftwagen und -teilen zurückblieb. In den vergangenen Jahren war die Pharmaindustrie mit ähnlichen Quoten stets die exportorientierteste Branche im Südwesten. Bezogen auf das Volumen des Auslandsumsatzes kommt der Wirtschaftszweig aber nur auf etwa ein Zehntel dessen der »Herstellung von Kraftwagen und -teilen«. Deutlich bedeutender ist da der »Maschinenbau«, der mit 61 % die dritthöchste Exportquote aufwies. Die umsatzbezogen mit Abstand zweitstärkste heimische Industriebranche verdiente 40,1 Mrd. Euro mit dem Auslandsgeschäft und war zusammen mit den Herstellern von Kraftwagen und -teilen für über 60 % der gesamten Industrieerlöse im Ausland verantwortlich. Vergleicht man dies mit dem Anteil dieser Branchen am Gesamtumsatz (48,7 %), so zeigt sich, dass das Auslandsgeschäft eine deutlich höhere Konzentration auf die beiden heimischen Schlüsselindustrien aufweist. Dementsprechend spielen ausländische Märkte in manchen Wirtschaftszweigen eine eher untergeordnete Rolle. Besonders auffällig ist dies in der »Getränkeherstellung«, die mit einer Exportquote von 8,3 % den letzten Platz der Rangliste belegt.

Exporte in Nicht-Eurozone von wachsender Bedeutung

Große Unterschiede zwischen den einzelnen Industriebranchen gab es auch bei der Aufgliederung des Auslandsumsatzes auf die seit 2003 in der Konjunkturstatistik des Verarbeitenden Gewerbes ausgewiesenen Absatzrichtungen Eurozone bzw. Nicht-Eurozone.6 Dabei erzielten die Betriebe der umsatzstärksten Sparten »Herstellung von Kraftwagen und -teilen« (20,7 %) und »Maschinenbau« (31,5 %) im Jahr 2012 eher geringe Anteile ihres Auslandsumsatzes mit der Eurozone. Demgegenüber exportierten andere Wirtschaftszweige wie die »Herstellung von Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren (ohne Möbel)«, die »Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln« (jeweils 64 %) oder die »Getränkeherstellung« (74,9 %) überwiegend in den Euroraum. Insgesamt lag der Eurozonenanteil aufgrund der Dominanz von Kraftwagen- und Maschinenbau aber lediglich bei 32 %.

Die Entwicklung seit 2003 zeigt darüber hinaus, dass im letzten Jahrzehnt eine deutliche Intensivierung von Ausfuhren in Nicht-Euroländer stattfand. Die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes steigerten ihre Erlöse aus diesen Geschäften dabei um nominal 45,5 Mrd. Euro (76,4 %) auf erstmals über 100 Mrd. Euro im Jahr 2012. Lediglich in den Jahren 2008/2009 gingen die Umsätze mit der Nicht-Eurozone aufgrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Vorjahresvergleich zurück. Im Gegensatz dazu stiegen die Umsätze mit der Eurozone zum einen in den Jahren bis 2007 etwas verhaltener an. Zum anderen, und deutlich auffälliger, erholten sie sich bisher nur sehr schleppend von der Krise. Der Anteil der Eurozone am Export ging infolgedessen gegenüber 2003 um fast 10 Prozentpunkte zurück und verringerte sich insbesondere in den Jahren nach 2009 (−7,7 Prozentpunkte). Insgesamt lagen die Exporte in die Eurozone im Jahr 2012 noch deutlich unter denen des Vorkrisenjahres 2007 und auch leicht unter denen des Jahres 2011, sodass der oben beschriebene Anstieg der Auslandserlöse im Jahr 2012 ausschließlich dem kräftigen Umsatzplus mit dem restlichen Ausland zu verdanken war (7,2 %). Ein Grund für den im letzten Jahrzehnt stark gestiegenen Exportanteil der Nicht-Eurozone dürfte dabei die verstärkte Nachfrage aus Schwellenländern wie den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) und hierunter vor allem China darstellen.7 Aber auch die Ausfuhren in den Euroraum schwächelten infolge der Schuldenkrise einiger Mitgliedsländer zuletzt deutlich.

Im Bundesländervergleich: Exportquote mit an der Spitze

Mit ihrer Exportquote von 51,2 % lag die Südwestindustrie im Jahr 2012 wie in den Vorjahren deutlich über dem Bundesdurchschnitt (2012: 44,9 %), sodass eine vergleichsweise hohe Exportlastigkeit der heimischen Industrieprodukte festzustellen ist. Allerdings war Baden-Württemberg nicht das einzige Land, welches die 50-Prozent-Marke übertraf. Noch leicht höhere Exportquoten wiesen die Stadtstaaten Bremen und Berlin (jeweils 52,8 %) sowie die Flächenländer Rheinland-Pfalz (51,9 %) und Bayern (51,3 %) auf. Auch in Hessen wurde, wenn auch knapp (50,2 %), mehr Geld mit Exporten als mit dem Inlandsgeschäft verdient. Diese Auflistung zeigt, dass die stark ausgeprägte Exporttätigkeit der baden-württembergischen Industriebetriebe keineswegs eine Ausnahme darstellt. Unter Heranziehung der Veränderungen seit 1995 wird zudem deutlich, dass Länder wie Bayern oder Hessen nicht nur ein ähnliches Niveau an Exportorientierung aufweisen, sondern auch eine durchaus vergleichbare Entwicklung genommen haben (+18,4 bzw. +21,6 Prozentpunkte in diesem Zeitraum).

Dagegen hinken insbesondere die ehemaligen Ostländer in puncto Exportquote nach wie vor hinterher. Eine Aufteilung in Ost und West ergab im Jahr 2012 einen Unterschied von 12,9 Prozentpunkten.8 Lediglich der Stadtstaat Hamburg (22,1 %) erzielte aufgrund des starken Einflusses der Mineralölverarbeitung, die ihre Umsätze vorwiegend im Inland erzielt, einen Wert, der unterhalb derer aller neuen Länder lag. Insgesamt konnten aber alle Bundesländer ihre Exportquote seit 1995 kräftig steigern, wobei Berlin und Sachsen (39 bzw. 24,8 Prozentpunkte) die stärksten Erhöhungen verzeichneten. Die stark zunehmende Auslandsorientierung der baden-württembergischen Industrie war folglich zwar auf der einen Seite markant, auf der anderen Seite aber auch Teil einer größeren, länderübergreifenden Entwicklung.

2013: Steigt die Exportquote weiter an?

Das Übertreffen der 50-Prozent-Marke im Jahr 2012 stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der Exportquote der Südwestindustrie dar, da das Auslandsgeschäft in seiner Bedeutung dem inländischen Absatz damit erstmals den Rang abgelaufen hat. Doch wie geht dieser Prozess im Jahr 2013 weiter? Erste Daten für den Berichtskreis 50+ legen nahe, dass der Aufwärtstrend auch 2013 weiter anhält. So lag die Exportquote der monatlich meldenden Betriebe von Januar bis Mai 2013 um 1,5 Prozentpunkte über dem Wert des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass das Ende des Wachstums der Exportquote noch nicht erreicht ist.

1 Dargestellt werden die nach dem Berliner Verfahren BV 4.1 ermittelten Veränderungsraten der entsprechenden Indizes. Zugrunde gelegt ist der Berichtskreis 50+ (das heißt Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten) sowie das Basisjahr 2005 := 100.

2 Die Betrachtungsweise wechselt hier nicht nur zur nominalen Darstellung, sondern auch vom Berichtskreis 50+ zum für Strukturanalysen besser geeigneten Berichtskreis 20+ (siehe i-Punkt für Details zu den Berichtskreisen). Damit einhergehend basiert die Analyse des Umsatzes auf einer institutionellen Betrachtung nach Betrieben, das heißt einer Zuordnung nach dem betrieblichen Schwerpunkt, und nicht auf einer Betrachtung nach fachlichen Betriebsteilen.

3 Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate seit 1995, dem Jahr der Umstellung auf die europaweit gültige Klassifikation der Wirtschaftszweige NACE Rev. 1 bzw. der daraus abgeleiteten nationalen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 1993). Letztere wurde mit dem Jahr 2003 von der WZ 2003 und mit dem Jahr 2009 von der WZ 2008 abgelöst.

4 Als Auslandsumsatz gilt der Umsatz mit Abnehmern im Ausland und mit deutschen Exporteuren.

5 Für eine lange Reihe der Exportquote beginnend mit dem Jahr 1950, in dem die Exportquote noch im einstelligen Bereich lag, siehe Kotter, Jürgen: Zur Entwicklung der Auslandsumsätze und Exportquoten der baden-württembergischen Industrie ab Mitte der 1990er-Jahre, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 12/2001, S. 590–599.

6 Die in diesem Abschnitt verwendeten Zahlen beziehen sich auf den Berichtskreis 50+ (bei institutioneller Betrachtung nach Betrieben), da seit 2007 nur noch Betriebe mit mindestens 50 tätigen Personen nach der Absatzrichtung des Auslandsgeschäfts befragt werden. Diese Betriebe umfassen jedoch fast den gesamten Auslandsumsatz der Südwestindustrie (siehe i-Punkt), sodass der Informationsverlust im Vergleich zu früheren Jahren minimal ist. Die Daten für die Jahre 2003 bis 2006 wurden durch Rückrechnungen aus Originalmaterial des Berichtskreises 20+ ermittelt.

7 Gesamtwirtschaftlich gesehen hat sich das nominale Exportvolumen im Handel mit China seit 1996 beispielsweise mehr als verzehnfacht. Siehe hierzu Glaser, Dagmar: »Außenhandel mit Asien«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2013«, S. 5–12.

8 Der Stadtstaat Berlin wird dabei als Ganzes den neuen Ländern zugeschlagen. Rechnet man ihn heraus, ergibt sich für die Ostflächenländer eine um 15,6 Prozentpunkte niedrigere Exportquote.