:: 11/2013

Aktuelle Trends der Einbürgerungen in Baden‑Württemberg

»Einer von zwei Pässen muss bald weg«, so die Überschrift eines Artikels1 zum sogenannten Optionsmodell nach dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht. Dieses fordert seit dem 1. Januar 2013 von vielen jungen Deutschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, dass sie sich für eine Nationalität entscheiden. Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Diskussion um den Optionszwang sollen im folgenden Beitrag die Entwicklung bei den Einbürgerungen und insbesondere die »Einbürgerungsbereitschaft« nach Nationalitäten sowie die regionalen Unterschiede im Einbürgerungsverhalten näher beleuchtet werden.

Zahl der Ausländer und der Einbürgerungen steigt wieder an

Die Zahl der Ausländer in Baden‑Württemberg hat seit der Gründung des Landes mit kleineren Unterbrechungen stetig zugenommen. Zu Beginn der 1950er‑Jahre besaßen lediglich knapp 60 000 Personen keinen deutschen Pass, Ende der 1960erJahre lebten bereits rund 500 000 Ausländer im Land und 1990 wurde die Marke von 1 Mill. erstmals überschritten. Der bisherige Höchststand wurde mit 1,29 Mill. ausländischen Mitbürgern 1996 erreicht. Danach war die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer bis 2009 rückläufig; seither steigt sie aufgrund der enormen Zuwanderung nach Baden‑Württemberg wieder an und lag Ende 2012 bei 1,26 Mill.2

Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen Ausländer, die bereits seit längeren Jahren in Baden-Württemberg leben, stetig angestiegen. So hielten sich 1993 erst 57 % der Ausländer mindestens 8 Jahre in Deutschland bzw. in Baden‑Württemberg auf, im Jahr 2000 waren es bereits 69 % und 2012 sogar 75 %. Damit erfüllen derzeit über 900 000 Personen die für eine Einbürgerung im Regelfall vorgesehene Mindestaufenthaltsdauer von 8 Jahren.

Die Einbürgerungszahlen haben sich im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2008 um rund 60 % verringert.3 Seither ist aber ein stetiger Anstieg zu beobachten und zwar auf rund 16 400 Einbürgerungen im vergangenen Jahr – dem höchsten Wert seit dem Jahr 2003 (Schaubild 1).

Jeder dritte Eingebürgerte lebt seit mindestens 20 Jahren in Deutschland

Die Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung. Um die Voraussetzungen für eine sogenannte Anspruchseinbürgerung zu erfüllen, müssen Ausländer grundsätzlich mindestens seit 8 Jahren in Deutschland leben. Ein relativ großer Anteil der Einbürgerungen entfällt deshalb auf Personen, die zuvor 8 bis 14 Jahre in Deutschland verbrachten (34 %). Geringfügig mehr, nämlich 35 % der im Jahr 2012 Eingebürgerten, leben bereits seit mindestens 20 Jahren in Deutschland; bei den Männern waren es sogar 40 %, bei den Frauen 31 %. Bei immerhin 8 % der Einbürgerungen der Männer bzw. bei 13 % der Frauen lag die Aufenthaltsdauer in Deutschland bei weniger als 8 Jahren (Schaubild 2).

Häufigste Einbürgerungen im Alter von 23 bis unter 35 Jahren

Rund 5 300 Personen waren zum Zeitpunkt ihrer Einbürgerung zwischen 23 und 34 Jahre alt. Jede dritte Einbürgerung im Jahr 2012 entfiel damit auf diese Altersgruppe. Jeder vierte Eingebürgerte gehörte zu den 35‑ bis 44‑Jährigen. Lediglich knapp 400 oder 2 % der Ausländer, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, waren bereits 60 Jahre oder älter. Insgesamt wurden etwas mehr Frauen als Männer eingebürgert (ca. 7 300 gegenüber ca. 6 900). Annähernd 2 200 der Eingebürgerten waren Minderjährige (Schaubild 3).

Knapp die Hälfte der Eingebürgerten erhält doppelte Staatsbürgerschaft

Grundsätzlich müssen Ausländer beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ihre bisherige aufgeben. Begründet wird dies vor allem damit, dass Mehrstaatigkeit zu Konflikten über die Personalhoheit zwischen den verschiedenen Heimatstaaten führen kann. Für den Betroffenen entstehen Pflichtenkollisionen insbesondere bei der Ableistung der Wehrpflicht.4

Allerdings gibt es Gründe, nach denen das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht erlaubt, dass jemand neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit erwirbt bzw. besitzt.

Mehrfachstaatsangehörigkeiten können sich unter anderem aus folgenden Gründen ergeben:5

  • das Recht des ausländischen Staates sieht das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vor;
  • der ausländische Staat verweigert regelmäßig die Entlassung aus dessen Staatsangehörigkeit;
  • dem Ausländer würden bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen, die über den Verlust der staatsbürgerschaftlichen Rechte hinausgehen;
  • die Mehrstaatigkeit wird ferner hingenommen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und Gegenseitigkeit besteht.

Aufgrund dieser Ausnahmetatbestände wurden im Jahr 2012 immerhin bei nahezu der Hälfte aller Einbürgerungen (49 %) die Mehrstaatigkeit zugelassen. Dieser Anteil wurde bereits im Jahr 2000 annähernd erreicht; er lag aber zwischenzeitlich bei lediglich unter 30 %.

Je nach Herkunftsland gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, die nicht zuletzt auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der oben genannten Gründe für eine Mehrfachstaatsangehörigkeit zurückzuführen sein dürften. Zu 100 % konnte die bisherige Staatsangehörigkeit beispielsweise aus den meisten EU‑Staaten, aber auch aus afrikanischen Staaten wie Algerien, Eritrea, Marokko und Tunesien, den Karibikstaaten Kuba und Dominikanische Republik sowie den asiatischen Ländern Afghanistan und Iran bestehen bleiben. Ganz anders, wenn die Eingebürgerten zum Beispiel aus der Türkei, aus Bosnien‑Herzegowina oder aus Kasachstan stammen, bei denen nicht einmal jeder Zehnte seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten hat.

Mehr als jede vierte Einbürgerung von türkischen Staatsangehörigen

Im Jahr 2012 wurden in Baden‑Württemberg Ausländer aus insgesamt 145 Nationen eingebürgert. Mit Abstand am häufigsten – wie bereits in den Jahren zuvor – haben Türken (4 501) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Mehr als jede vierte Einbürgerung betraf damit Personen mit einer türkischen Staatsangehörigkeit. An zweiter Stelle folgen Einbürgerungen von Staatsangehörigen der Republik Kosovo (1 472), während am dritthäufigsten Staatsangehörige aus Griechenland eingebürgert wurden (1 094). Unter den 15 Herkunftsstaaten mit der höchsten Zahl an Einbürgerungen waren neben elf europäischen auch vier asiatische Staaten (Irak, Kasachstan, Vietnam und Iran) vertreten (Schaubild 4).

Dass Mitbürger aus der Türkei – absolut betrachtet – am häufigsten eingebürgert wurden, überrascht wenig, weil diese die größte ausländische Bevölkerungsgruppe bilden. Wird deshalb die Zahl der eingebürgerten Personen auf die jeweilige Bevölkerungsgruppe bezogen, so ergibt sich ein anderes Bild. Die Einbürgerungsquote der türkischen Bevölkerung lag im vergangenen Jahr bei 1,6 %. Sie war damit geringfügig höher als beim Durchschnitt aller eingebürgerten Ausländer (1,4 %). Deutlich höher fiel die Einbürgerungsquote insbesondere bei Personen mit einer irakischen Staatsangehörigkeit (5,7 %) aus. Sehr gering war die Quote dagegen vor allem bei Staatsangehörigen aus dem EU-Mitgliedsstaat Italien (Schaubild 5).

Heidelberg und der Landkreis Emmendingen mit der höchsten Einbürgerungsquote

In den einzelnen Teilräumen des Landes war in den letzten Jahren fast flächendeckend ein positiver Trend bei den Einbürgerungszahlen zu beobachten. Gleichzeitig zeigen sich aber bei der Einbürgerungsquote, also bei der Zahl der Einbürgerungen bezogen auf die Zahl der ausländischen Bevölkerung, deutliche regionale Unterschiede. Am höchsten lag diese Quote zuletzt im Stadtkreis Heidelberg und im Landkreis Emmendingen, wo im Zeitraum 2008 bis 2012 jeweils rund 8 % der Ausländer eingebürgert wurden. Dagegen war diese Kennziffer in den Stadtkreisen Karlsruhe und Baden‑Baden sowie im Enzkreis und im Landkreis Calw zuletzt nur halb so hoch (Schaubild 6).

Die Aussagekraft der berechneten regionalen Einbürgerungsquoten ist allerdings begrenzt und stellt allenfalls eine Momentaufnahme des regionalen Einbürgerungsverhaltens dar. Denn bereits temporär schwankende Bearbeitungskapazitäten in den kommunalen Stellen für die Einbürgerungsanträge können hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

Allerdings gibt es Hinweise, dass regionale Unterschiede im Einbürgerungsverhalten nicht allein auf unsystematische Gründe zurückzuführen sind, sondern auch im Zusammenhang mit divergierenden Bevölkerungsstrukturen zu sehen sind.

So kam eine Studie zum Ergebnis, dass

  • die Einbürgerungsquote in Kreisen mit einem höheren Ausländeranteil tendenziell niedriger liegt;
  • die Einbürgerungsquote in Kreisen mit einer hohen Anzahl an Einbürgerungen höher liegt – wohl weil Einbürgerungen »üblich« sind und verwaltungstechnisch häufig vollzogen werden;
  • ein Anstieg des Anteils von EU‑Bürgern an der ausländischen Bevölkerung zu einer geringeren Einbürgerungsquote führt;
  • eine hohe Zahl an Behördenaktivitäten im Hinblick auf mögliche Einbürgerungen, insbesondere Informationsveranstaltungen, eine höhere Einbürgerungsquote bewirkt.6

»Optionskinder«: Junge Erwachsene müssen sich für einen Pass entscheiden

In diesem Jahr endet für viele junge Deutsche die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft. Denn seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 erhalten in Deutschland geborene Kinder von Ausländern mit einem unbefristetem Aufenthaltsstatus neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Im Rahmen einer Übergangsregelung konnten auf Antrag außerdem auch Kinder, die am 1. Januar 2000 noch nicht 10 Jahre alt waren, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Allerdings müssen sich die Betroffenen zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden (sogenannte Optionspflicht). Unterbleibt eine entsprechende Optionserklärung bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.

Mit der amtlichen Einbürgerungsstatistik lässt sich nicht feststellen, wie sich die Optionspflichtigen bisher entschieden haben. Aus einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegen aber entsprechende erste Ergebnisse für Deutschland vor.7 Demnach haben sich von den Optionspflichtigen, die bereits geantwortet haben, 88 % für die deutsche Staatsangehörigkeit ausgesprochen. Jeweils rund 1 % haben sich für die ausländische Staatsangehörigkeit entschieden bzw. keine Angabe gemacht. Knapp 10 % haben einen Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung gestellt, also einen Antrag, neben der deutschen auch ihre andere Staatsangehörigkeit behalten zu können.

Fazit

Die Zahl der Einbürgerungen in Baden‑Württemberg hat sich in den letzten Jahren stetig erhöht – auch wenn die Einbürgerungsquote im Bundesländervergleich weiterhin unterdurchschnittlich ist.8 Insbesondere Einbürgerungen von Staatsangehörigen aus den EU‑Krisenstaaten Italien, Portugal und Spanien sind im 5‑Jahresvergleich weit überdurchschnittlich angestiegen.9

Darüber hinaus könnte der stetige Anstieg der Einbürgerungszahlen in den letzten Jahren auch in den durchgeführten Informationsveranstaltungen und sonstigen Maßnahmen des Landes, der Kreise und der Städte begründet sein. Aber auch Erleichterungen im Einbürgerungsrecht könnten hierzu beigetragen haben (zum Beispiel Anrechnung der Ausbildungs- und Studienzeit bei der Ermittlung der Aufenthaltszeit). Aktuell wird in diesem Zusammenhang insbesondere eine Abschaffung der Optionspflicht und die Zulassung der Mehrstaatigkeit diskutiert.10

Zweifelsohne ist der Trend hin zu mehr Einbürgerungen als Zeichen der Integrationsbereitschaft der Eingebürgerten zu werten. Allerdings bedeutet eine Nichteinbürgerung nicht unbedingt, dass sich Ausländer einer Integration verweigern. Denn es gibt beispielsweise Personen insbesondere aus EU-Staaten, die bereits gut integriert sind und auf eine Einbürgerung deshalb verzichten, weil diese ihnen praktisch keine Vorteile mehr verschafft. Und es gibt Mitbürger, bei denen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung (noch) nicht vorliegen.

1 Stuttgarter Nachrichten vom 27. Dezember 2012

2 Jeweils Ergebnisse des Ausländerzentralregisters.

3 Der Rückgang der Einbürgerungszahlen ist aber wohl überzeichnet, weil diese in den Jahren 2000 und 2001 »überhöht« waren. So wurden in diesen beiden Jahren ein Teil der Einbürgerungen nach der Übergangsregelung für Kinder des § 40b StAG (Staatangehörigkeitsgesetz) vollzogen, bei der nur bis zum 31. Dezember 2000 Anträge gestellt werden konnten; Vergleiche hierzu: Die Einbürgerung von Ausländern in Deutschland, Working Paper 17, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.), 2008, S. 17 ff. (Zitierweise: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge).

4 Hailbronner, Kay/Renner, Günter: Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, 2005, S. 114.

5 Die Ausnahmetatbestände sind im Einzelnen in § 12 StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) geregelt.

6 Ministerium für Integration Baden-Württemberg (Hrsg.) 2013: Der Weg zum Pass – Baden-Württembergische Erfahrungen mit Einbürgerungsprozessen, S. 10 ff sowie S. 43.

7 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.) 2012: Einbürgerungsverhalten von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland sowie Erkenntnisse zu Optionspflichtigen – Ergebnisse der BAMF-Einbürgerungsstudie 2011, S  304 ff.

8 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Einbürgerungen 2012; Fachserie 1, Reihe 2.1, S. 16.

9 Prozentuale Veränderung der Einbürgerungszahlen 2012 gegenüber 2007: Portugal: +80 % (2007: 40; 2012: 72); Italien: +82 % (2007: 319; 2012: 581); Spanien: +471 % (2007: 24; 2012: 137).

10 Vergleiche beispielsweise hierzu den Gesetzentwurf des Bundesrats vom 14. August 2013 (Drucksache 17/14574).