:: 11/2013

Einstieg in die Bildungsberichterstattung

Bildung ist einer der zentralen Schlüssel für die soziale und ökonomische Entwicklung der Gesellschaft. Dabei betreffen bildungspolitische Entscheidungen nicht nur die Bundes- oder Landesebene. Bei vielen Fragestellungen im Bildungsbereich, etwa der Gestaltung der frühkindlichen Bildung, der Schulsozialarbeit oder der Jugendbildung, fallen Zuständigkeiten in zunehmenden Maße an die Landkreise und kreisfreien Städte. Eine datenbasierte Planung und Steuerung von Entwicklungen im Bildungswesen hat sich in den letzten Jahren, nicht nur im Rahmen des Bundesprogramms »Lernen vor Ort«, in Form eines kommunalen Bildungsmonitorings stetig verbreitet. Die Amtliche Statistik bietet in diesem Kontext mit dem »Anwendungsleitfaden zum Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings« und der »Kommunalen Bildungsdatenbank« zwei zentrale Unterstützungsinstrumente an.

Seit der Veröffentlichung des ersten PISA‑Berichts ist Bildung und deren Schlüsselrolle für eine zukunftsfähige Gesellschaft ein zentrales Thema der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Als eine Folge des Berichts kann die Etablierung einer nationalen Bildungsberichterstattung genannt werden, die auf Basis ausgewählter Indikatoren steuerungsrelevante, objektive und fortschreibbare Informationen über Kernbereiche des Bildungswesens liefert. Diese hat sich bis heute im mittlerweile vierten nationalen Bericht »Bildung in Deutschland 2012«1 verstetigt. Auch auf der Ebene der Bundesländer wurden in den letzten Jahren etliche Bildungsberichte veröffentlicht. In Baden‑Württemberg erschien zuletzt 2011 der Bericht »Bildung in Baden‑Württemberg«.2

Ein großer Teil der bildungspolitischen Entscheidungen fällt in zunehmenden Maße in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit Bildungsfragen auf kommunaler Ebene wurde bereits 2007 in der Aachener Erklärung sowie im November 2012 in der Münchner Erklärung des Deutschen Städtetags bekräftigt.3 Im Rahmen des im Jahre 2009 gestarteten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Programms »Lernen vor Ort« haben sich bundesweit 35 Modellkommunen aufgemacht, ein integriertes datengestütztes Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene in die Praxis umzusetzen. In Baden‑Württemberg nehmen die beiden kreisfreien Städte Mannheim und Freiburg sowie der Rems‑Murr‑Kreis am Programm teil. Von Anfang an werden die Kommunen unter anderem auch vom Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg begleitet und beraten.

Eine erste Orientierung

Bereits im Jahr 2007 wurde das Statistische Landesamt Baden‑Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) vom BMBF mit der Aufgabe betraut, eine Machbarkeitsstudie zum Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte durchzuführen. Das Ziel war die Schaffung einer systematischen, theoriebasierten und indikatorengestützten Grundstruktur von Informationen, mit deren Hilfe interessierte Kommunen selbstständig ihr Bildungssystem vor Ort beschreiben, beobachten und lenken können. Das Ergebnis der Studie ist der »Anwendungsleitfaden zum Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings«, der seitdem in Zusammenarbeit mit den Kommunen fortlaufend – zuletzt im Juni 2013 – aktualisiert wurde.

Als theoretische Fundierung dient in Anlehnung an die nationale und internationale Bildungsberichterstattung das »Kontext‑Input‑Prozess‑Output‑Modell«. Es stellt einen Orientierungsrahmen für ein kommunales Bildungsmonitoring dar und kann zugleich die zentralen Zusammenhänge im Bildungswesen verdeutlichen. Die einzelnen Indikatoren werden den vier Bereichen Kontext, Input, Prozess und Wirkung zugeordnet. Unter Kontext verstehen sich die gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen, unter Input die vorhandenen Ressourcen für das Bildungssystem. Prozess steht für die Verarbeitung der Rahmenbedingungen (Kontext/Input) im Bildungssystem. Dies umfasst vor allem Merkmale auf der Ebene der Bildungseinrichtungen und des Unterrichts. Output bezieht sich auf die unmittelbaren Ergebnisse des Bildungsprozesses, während die langfristigen beziehungsweise mittelbaren Folgen des Bildungsprozesses als Outcome bezeichnet werden. Indikatoren verdeutlichen dabei durch eine konzeptionell und empirisch begründete Verdichtung von Informationen komplexe Tatbestände. Ein Indikator für eine bestimmte Fragestellung besteht in der Regel aus mehreren differenzierten Kennzahlen, die Aussagen zu verschiedenen Aspekten dieses Problembereichs erlauben.

Neben dieser theoretischen Fundierung steht im Mittelpunkt des Anwendungsleitfadens eine übergreifende Betrachtung der Bildungsbereiche des kommunalen Bildungssystems im Sinne des Lernens im Lebenslauf.

Dies spiegelt sich in der Gliederung des Leitfadens in die folgenden Bereiche wider:

  • Frühkindliche Bildung
  • Allgemeinbildende Schulen
  • Berufliche Schulen und Berufsbildung
  • Hochschulen
  • Erwachsenenbildung
  • non-formales / informelles Lernen

Darüber hinaus werden in weiteren Themenfeldern die lokalen Rahmenbedingungen der Bildung sowie Bildungsnetzwerke und Bildungsberatung thematisiert.

Neben dem Kontext-Input-Prozess‑Output-Modell und der Orientierung am lebenslangen Lernen als theoretischem Rahmen beinhaltet der Anwendungsleitfaden im Anhang eine Vielzahl von formal übereinstimmenden, unverbindlich vorgeschlagenen Kennzahlen als Basis für die Indikatoren. Diese wurden in Kern- und Ergänzungskennzahlen unterschieden. Die Kernkennzahlen wurden nach Kriterien der Steuerungsrelevanz ausgewählt. Die jeweiligen kommunalen Akzente, etwa in der tieferen Analyse relevanter Problemfelder oder der Darstellung ergriffener Maßnahmen, bilden die Kriterien für die Auswahl von Ergänzungskennzahlen. Die Berücksichtigung des Aspekts der Steuerungsrelevanz fokussiert ein kommunales Bildungsmonitoring auf diejenigen Themenfelder, für die Entscheidungskompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene (Kreise, kreisfreie Städte, kreisangehörige Städte und Gemeinden) liegen.

Der Anwendungsleitfaden bietet Anregungen und Impulse zur Auswahl von relevanten Kennzahlen und Indikatoren. Er versteht sich aber keinesfalls als starre Vorgabe, sondern stellt für interessierte Kommunen vielmehr einen Orientierungsrahmen dar, der die Arbeiten beim Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings und einer kommunalen Bildungsberichterstattung erleichtern kann. Die jeweils aktuellste Version des Anwendungsleitfadens kann unter www.bildungsmonitoring.de heruntergeladen werden.

Ohne Daten kein Monitoring

Ein zentraler Aspekt bei den Arbeiten an einem kommunalen Bildungsmonitoring ist die Operationalisierung von kommunalen Fragestellungen und der damit verbundenen Erkenntnisinteressen in Indikatoren. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, eine empirisch fundierte Darstellung von Input, Prozessen und Ergebnissen zu ermöglichen und dadurch Handlungsempfehlungen und kommunale Maßnahmen abzuleiten. Die primären Fragen bei dieser Operationalisierung betreffen die Datenverfügbarkeit und den Datenzugang. Ohne entsprechende Rohdaten kann keine Kennzahl und damit auch kein Indikator erstellt werden. Ein kommunales Bildungsmonitoring wird sich auf eine Vielzahl von amtlichen und nichtamtlichen Datenquellen stützen. Die Daten der Amtlichen Statistik haben den Vorteil, dass sie in vergleichbarer Form für alle Kreise und kreisfreien Städte vorliegen und eine Aggregation zu Landes- und Bundesergebnissen ermöglichen. Dies erleichtert Vergleiche zwischen den Kommunen (unter Berücksichtigung jeweiliger Rahmenbedingungen) sowie mit der Landesebene. Grundsätzlich ist festzustellen, dass in vielen Bereichen des Bildungswesens, insbesondere im Schulbereich, aufgrund des Föderalismus bei einigen Fragestellungen keine sinnvollen Vergleiche außerhalb der Landesebene möglich sind. Es bietet sich daher an, im Rahmen der kommunalen Berichterstattung hauptsächlich Bezüge zur jeweiligen Bildungsberichterstattung des betreffenden Bundeslandes herzustellen.

Als neue Serviceleistung für interessierte Kommunen stellt die Amtliche Statistik seit Juni 2013 aus ihrem Datenangebot die Kernkennzahlen des Anwendungsleitfadens kostenlos und öffentlich zugänglich über die »Kommunale Bildungsdatenbank« zur Verfügung (www.bildungsmonitoring.de). Über diese internetbasierte Datenbank lassen sich die gewünschten Kernkennzahlen auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte schnell und komfortabel in unterschiedlichen Datenformaten bundesweit abrufen. Die Datenbank beinhaltet, gegliedert nach Bundesländern und Themenbereichen, mittlerweile rund 700 abrufbare Tabellen mit knapp 5,6 Mill. Datenwerten. Eine Besonderheit der Datenbank ist die Darstellung der Ergebnisse gemäß der landesspezifischen Ausgestaltung der Bildungssysteme, insbesondere in den Themenbereichen »Allgemeinbildende Schulen« und »Berufliche Schulen«. Dadurch wird man der Tatsache gerecht, dass für die Beantwortung kommunalspezifischer Fragestellungen eine Darstellung der Daten anhand der Bildungssysteme vor Ort notwendig ist (Übersicht).

Neben den in der kommunalen Bildungsdatenbank verfügbaren Daten können im Rahmen eines kommunalen Bildungsmonitorings weitere Daten aus dem Datenangebot der Amtlichen Statistik von Interesse sein, etwa in anderer regionaler Abgrenzung oder Daten zu Ergänzungskennzahlen. Hierzu können Anfragen direkt an das zuständige Statistische Landesamt gestellt werden. Auch zu Fragen hinsichtlich der Datenerhebung und der Methodik kann das Statistische Landesamt Auskunft geben. Für den Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings bietet sich gleichfalls eine Projektzusammenarbeit mit dem zuständigen Statistischen Landesamt an.

Eine Berichtsorientierung ist wichtig

Die alleinige Erfassung von Daten aus dem Bildungsbereich und deren Darstellung in Indikatoren trägt in der Regel noch nichts zur Verbesserung der kommunalen Bildungslandschaft bei. Vielmehr ist eine sinnvolle Aufarbeitung der Ergebnisse in der Kommune die Grundlage dafür, im Rahmen einer kommunalen Bildungsberichterstattung und eines kommunalen Bildungsmanagements Entscheidungen herbeizuführen und Maßnahmen einzuleiten. Ein kommunaler Bildungsbericht kann in diesem Kontext als eines der zentralen Produkte eines kommunalen Bildungsmonitorings identifiziert werden. Mit ihm ist es möglich, teilweise komplexe Informationen den jeweiligen Adressaten einfach und unmissverständlich zu vermitteln und somit eine Diskussionsgrundlage für die relevanten Akteure vor Ort zu schaffen. Die kommunale Bildungsberichterstattung kann auch mehrere Komponenten umfassen. So können Bildungsberichte durch thematische Analysen zu einzelnen Themenschwerpunkten ergänzt werden.

Die Darstellung von Ergebnissen aus dem kommunalen Bildungsmonitoring darf sich, sei es nun in der öffentlichen Berichterstattung oder in kommunalinternen Präsentationen, nicht allein auf die Darstellung von Wertetabellen, Grafiken oder Diagrammen beschränken, sondern sollte stets von einer Dateninterpretation und Erklärung begleitet sein. Dabei sollten die dargestellten Werte in Zusammenhang mit kommunalen oder auch landesweiten Entwicklungen gestellt, lokale Beispiele – oder aber auch Gegenbeispiele – angeführt, Erklärungsmuster für Entwicklungen angeboten und gegebenenfalls Maßnahmen zur Steuerung der künftigen Entwicklung vorgeschlagen werden. Auch Verweise zwischen den Ergebnissen aus unterschiedlichen Bereichen, insbesondere ein Bezug zu den Rahmenbedingungen, sind für eine umfassende Argumentation und Interpretation unerlässlich.

Auch wenn ein kommunales Bildungsmonitoring im Wesentlichen indikatorengestützt erfolgt, so stößt dieses Konzept jedoch dann an seine Grenzen, wenn neben zahlenmäßig fassbaren Größen auch qualitative Aspekte – die ohne Zweifel für eine erfolgreiche kommunale Bildungslandschaft ebenfalls wichtig sind – in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Hierfür kann ein kommunales Bildungsmonitoring um beschreibende Elemente ergänzt werden.

Baden‑Württemberg geht in Sachen kommunales Bildungsmonitoring voran

Insbesondere in Baden‑Württemberg hat das Thema kommunales Bildungsmonitoring an Bedeutung gewonnen und ist bereits breit angelegt. Neben dem Bundesprogramm »Lernen vor Ort« existiert seit 2009 das Landesprogramm »Impulsprogramm Bildungsregionen«, das mittlerweile verstetigt und in ein Landesprogramm überführt wurde.4 Das Ziel dort ist die Schaffung eines aktiven Netzwerks aller an Bildung beteiligter Akteure, das auf der Basis gemeinsamer Leitziele an der Gestaltung und Verbesserung des regionalen Bildungsangebotes mitwirkt. Dem kommunalen Bildungsmonitoring kommt in diesem Kontext als Unterstützungsinstrument ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.

Im Vergleich der Bundesländer wurden in Baden‑Württemberg von 2009 an betrachtet die meisten kommunalen Bildungsberichte veröffentlicht, derzeit 18 an der Zahl. Auch finden sich im Land prozentual gesehen die meisten Kreise und kreisfreien Städte, die einen Bildungsbericht vorgelegt haben, nämlich mit zehn von 44 Kreisen knapp ein Viertel. Gefolgt wird Baden‑Württemberg von Nordrhein‑Westfalen mit einem Anteil von rund 16 % (15 von 96 Kreise). Neben den Berichten auf Kreisebene wurden in Baden‑Württemberg auch von den kreisangehörigen Städten Ravensburg und Schwäbisch Gmünd eigene Bildungsberichte vorgelegt. Eine Übersicht über die in Baden Württemberg erschienenen Bildungsberichte auf kommunaler Ebene liefert die Karte (Schaubild).

Zusammenfassung

Durch den Anwendungsleitfaden und die kommunale Bildungsdatenbank wurden von Seiten der Amtlichen Statistik im Rahmen des Bundesprogramms »Lernen vor Ort« zwei Instrumente geschaffen, die den Einstieg in ein kommunales Bildungsmonitoring für interessierte Kommunen erleichtern können. Mit deren Hilfe ist es möglich, die kommunale Bildungslandschaft systematisch, theoriebasiert, indikatorengestützt, regelmäßig und umfassend darzustellen. Es lassen sich auf diesem Weg Ziele, Strukturen und Entwicklungen beschreiben, regionale Vergleiche durchführen sowie die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens insgesamt und seiner Teile einschätzen. Daraus wiederum ergeben sich Grundlagen für politische Entscheidungen zur Verbesserung des Bildungswesens. Die Laufzeit von »Lernen vor Ort« ist noch bis August 2014 angelegt. Bereits jetzt sind in vielen der teilnehmenden Kommunen nachhaltige Strukturen und Netzwerke geschaffen worden, die zum Ziel haben, die kommunale Bildungslandschaft und Bildungspolitik zu verbessern.

1 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012), Bildung in Deutschland 2012, Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

2 Landesinstitut für Schulentwicklung & Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2011), Bildung in Baden‑Württemberg, Stuttgart, 2011.

3 Deutscher Städtetag: Aachener Erklärung. Deutscher Städtetag: Münchner Erklärung [Abruf am: 7.11.2013]

4 Landesprogramm Bildungsregionen [Abruf am 7.11.2013]