:: 12/2013

Bauen in Baden‑Württemberg mit Blick auf die Energiewende

Die von den Baubehörden genehmigten Wohngebäude in Baden‑Württemberg im Jahr 2012 stehen voll und ganz im Zeichen der Energiewende. Sie sollen zu etwas mehr als 60 % mit erneuerbaren Energien beheizt werden. Der am häufigsten verwendete primäre Energieträger zur Beheizung der Gebäude soll zwar noch Gas sein (rund 37 %), wird aber mittlerweile dicht gefolgt von der Beheizung mit Umweltthermie (ca. 36 %). Dementsprechend wurde die Erfüllungsart Umweltthermie zur Erfüllung des Erneuerbare‑Energien‑Wärmegesetzes (EEWärmeG) mit Abstand am häufigsten genannt. Das EEWärmeG wird von den Bauherren in Baden‑Württemberg in mehr als der Hälfte aller Baugenehmigungen sogar in zwei oder mehr Arten erfüllt.

Diese Informationen liegen der Amtlichen Statistik seit dem Jahr 2012 vor. Mit dem Berichtsjahr 2012 wurde der Erhebungsbogen für Baugenehmigungen um neue Merkmale im energetischen Bereich erweitert, die Informationen über den Stand der Energiewende liefern. Somit wird auf dem Berichtsweg der Amtlichen Statistik die Nachweispflicht gegenüber der Europäischen Union im Umweltbereich erfüllt.

Veränderung der Statistiken der Bautätigkeit

Die Statistiken der Bautätigkeit liefern unentbehrliche Informationen zu den Entwicklungen des Bau- und Wohnungsmarktes. Erhoben werden die Baugenehmigungen, die Baufertigstellungen, der Bauüberhang sowie die Bauabgänge. Aus der jährlichen Auswertung dieser Erhebungen resultiert die Fortschreibung des Gebäude- und Wohnungsbestandes in Baden‑Württemberg.1 Die monatlichen Daten zu Zahl, Art und Volumen der Bauvorhaben ergeben ein Bild der Aktivitäten im Wohnungsbau und bei der Erstellung von Nichtwohngebäuden.2 Anhand der dabei ebenfalls erhobenen Merkmale zur verwendeten Heizenergie und zum eingesetzten Baustoff wird die Beobachtung von Trends in diesen Bereichen ermöglicht. Denn es sind nahezu alle Bauherren berichtspflichtig.

In den vergangenen 2 Jahrzehnten gab es einige Veränderungen dieser Erhebungen. So wurde zum Beispiel Mitte der 1990er‑Jahre der Merkmalskatalog für die Statistik der Baugenehmigungen reduziert. Doch der Informationsbedarf vonseiten der Politik und der Wirtschaft wächst nun wieder. Mit den Anforderungen an das nachhaltige Bauen, mit steigenden Energiepreisen und gesetzlichen Vorgaben für bestimmte energetische Eigenschaften neuer Gebäude kam die erste vorsichtige Erweiterung des Genehmigungsbogens zu Beginn des Jahres 2010. Sie konnte noch in engen Grenzen gehalten werden, um die Berichtspflichtigen nicht spürbar zu belasten. Neben der Erfassung der vorwiegend genutzten Energiequelle zum Heizen der Wohngebäude wurde auch nach einer eventuell zusätzlich genutzten Energiequelle gefragt.

Entsprechend aktueller Entwicklungen sind dann ab 2010 die bisher unter »Sonstige« und »Wärmepumpe« zusammengefassten Heizsysteme nach Umweltthermie, Geothermie, Biogas, Biomasse und Holz weiter differenziert worden. Die Abfrage nach der Kohleheizung wurde dagegen in den Sammelposten der »Sonstigen« integriert, da ihre Bedeutung seit Jahren immer geringer geworden war. Statt wie bisher die Baustoffe im Wohnungsbau nur nach Stahl, Stahlbeton, Holz, Ziegel- und »sonstigem Mauerstein« zu erfassen, erfolgte eine zusätzliche Differenzierung auch nach Kalksandstein, Porenbeton und Leichtbeton/Bims, also nach Baustoffen, die besonders gute Dämmeigenschaften haben. All das ließ sich noch in den gewohnten Fragebogen integrieren.3

Neue Merkmale der Baustatistik seit 2012

Eine deutlich umfangreichere Erweiterung des Erhebungsbogens erfolgte Anfang des Jahres 2012. Die seitdem neu zu erhebenden Merkmale der Bautätigkeit werden im Gesetz über die Statistik der Bautätigkeit im Hochbau und die Fortschreibung des Wohnungsbestandes (Hochbaustatistikgesetz – HBauStatG)4 vorgegeben. Doch sind die neuen Merkmale im Wortlaut des Gesetzes so pauschal gehalten, dass die konkrete Formulierung der Fragen im aktuellen Erhebungsbogen zunächst im Verbund der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium erfolgen musste. Im Ergebnis sind Fragen nach dem Einsatz von Lüftungs- und Kühlanlagen sowie nach der gewählten Energieart zur Warmwasserbereitung im Gebäude (vorwiegend und zusätzlich)5 hinzugekommen. Darüber hinaus wird nach der Art der Erfüllung des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare‑Energien‑Wärmegesetz – EEWärmeG)6 gefragt. Die Möglichkeiten der Bauherren, die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen, sind vielfältig und auch miteinander kombinierbar (Übersicht).

Erneuerbare Energien können sowohl für die Erzeugung von Wärme als auch für die Kühlung genutzt werden. Als erneuerbare Energien gelten dabei nach § 2 EEWärmeG: Geothermie, Umweltthermie, solare Strahlungsenergie, feste, flüssige und gasförmige Biomasse sowie Abwärme aus technischen Prozessen. Möglich ist darüber hinaus auch die Nutzung von Anlagen mit Kraft‑Wärme‑Kopplung oder zur Wärmerückgewinnung. Die Pflicht des Gesetzes gilt ebenfalls als erfüllt, wenn Ersatzmaßnahmen ergriffen werden wie die Nutzung von Abwärme oder die Energieeinsparung durch Übererfüllung der Energieeinsparverordnung (EnEV)7. Fernwärme oder Fernkälte sowie die Nutzung gemeinschaftlicher Wärmeversorgung können ebenfalls die Erfüllung des EEWärmeG bedeuten. Für besondere Fälle gibt es aber auch Ausnahmeregelungen oder die Befreiung von der Erfüllungspflicht. Das kann zum Beispiel der Denkmalschutz des Gebäudes sein oder eine unbillige finanzielle Belastung, die auf einen Hauseigentümer zukommen würde (i‑Punkt).

In den meisten Wohnungen sorgen Gasheizungen für Wärme

Im Jahr 2012 wurden insgesamt 19 261 neue Wohn- und Nichtwohngebäude zum Bau freigegeben.8 Diese teilen sich auf in 15 359 Wohngebäude und 3 902 Nichtwohngebäude. Mit den 15 359 genehmigten Wohngebäuden sollen 31 660 neue Wohnungen in Baden‑Württemberg geschaffen werden. Für die weitere Analyse werden ausschließlich die Angaben zu Wohngebäuden betrachtet.

Von den genehmigten Wohngebäuden werden fast 89 % mit einer Zentralheizung ausgestattet sein, nahezu 9 % mit einer Fernheizung und rund 2 % mit einer Blockheizung. Der am häufigsten verwendete primäre Energieträger zur Beheizung der Gebäude ist mit gut 37 % Gas, dicht gefolgt von Umweltthermie9 mit rund 36 %. Einen deutlich geringeren Anteil an der primär verwendeten Heizenergie haben die Heizenergiearten Holz (knapp 9 %), Fernwärme (annähernd 9 %) und Geothermie (etwa 5 %).

Unter der Annahme, dass Fernwärme entsprechend den gesetzlichen Vorschriften des EEWärmeG aus mindestens 50 % erneuerbaren Rohstoffen hergestellt wird und somit zu den erneuerbaren Energien gerechnet werden kann, sollen in Baden‑Württemberg im Jahr 2012 etwas mehr als 60 % aller zum Bau freigegebenen Wohngebäude mit erneuerbaren Energien beheizt werden. Aber auch ohne die Einbeziehung von Fernwärme nutzt über die Hälfte der Bauherren erneuerbare Energien zur Beheizung (rund 52 %).

In diesen Berechnungen ist der Anteil an Biogas, welcher ins Erdgasnetz eingespeist wird, noch nicht enthalten. Durch die Regelungen der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV)10 kann Biogas nach der Aufbereitung zu Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist und daher als »normales« Gas in einer Gasheizung zur Wärmegewinnung genutzt werden.11 Der Gasanbieter kann sich den Anteil an Biogas im Gasnetz zertifizieren lassen. Somit hat der Endverbraucher die Möglichkeit, durch den Anteil an Biogas im Erdgasnetz des Anbieters das EEWärmeG zu erfüllen, obwohl er im Allgemeinen mit Gas heizt.12

Die primär verwendeten Energieträger zur Warmwasserbereitung haben nahezu die gleiche Verteilung wie die Energieträger für die primäre Heizenergie. Eine hervorstechende Ausnahme bildet hier die Solarthermie. Diese findet nur zu 0,5 % Verwendung als primäre Heizenergie, wird aber mit einem Anteil von annähernd 10 % als primär verwendete Energie zur Warmwasserbereitung genutzt.

Das EEWärmeG wird am häufigsten durch Umweltthermie erfüllt

Den Bauherren neuer Gebäude bietet sich die Möglichkeit das EEWärmeG in mehreren Arten zu erfüllen. Dies können sie auch durch Mehrfachnennung auf dem Erhebungsbogen der Amtlichen Statistik kenntlich machen. Aufgrund der Mehrfachnennungen liegt die Gesamtzahl der genannten Erfüllungsarten mit 25 938 Nennungen deutlich über der Anzahl der Baugenehmigungen im Jahr 2012 (15 359). Eine Herausrechnung der Mehrfachnennungen ist nicht möglich, weil bei mehreren Nennungen grundsätzlich ungewiss ist, welche die »Haupterfüllungsart« darstellt. Das Schaubild 2 gibt einen Überblick über die Häufigkeiten der Erfüllungsmerkmale mit allen Mehrfachnennungen.

Die Erfüllungsart der »sonstigen erneuerbaren Energien« (Umwelt-, Geo-, Solarthermie) ist mit 11 825 am häufigsten vertreten. Das entspricht einem Anteil an den gesamten Baugenehmigungen von 77 %. Das EEWärmeG wird am zweithäufigsten erfüllt durch die erneuerbaren Energien (Holz, Bioöl, Biogas, Biomethan) mit einem Anteil von über 34 % der gesamten Baugenehmigungen (5 288). Mit Wärmerückgewinnung erfüllen 23 % der Bauherren die Vorschriften des EEWärmeG und mit einer Übererfüllung der Energieeinsparverordnung rund 19 %. Die Erfüllungsart Fernwärme wurde von annähernd 9 % genannt. Das entspricht auch dem Anteil der Nutzung von Fernwärme als Heizenergie. Dieser Umstand legt nahe, dass die Fernwärmeanbieter auf das Erneuerbare‑Energien‑Wärmegesetz reagiert haben und den vom Gesetz geforderten Anteil an erneuerbaren Energien zur Herstellung von Fernwärme und Fernkälte weitestgehend erreichen.

Mehrfachnennungen überwiegen leicht

Im Berichtsjahr 2012 wurden für knapp 51 % der genehmigten Wohngebäude mehr als eine Erfüllungsart für das EEWärmeG angegeben. In diesen 51 % bzw. 7 826 Nennungen sind auch alle Bauvorhaben enthalten, welche nach drei und mehr Arten das Gesetz erfüllen. Einfachnennungen gab es also etwas weniger als die Hälfte, das entspricht 7 533 Baugenehmigungen. Zweifachnennungen waren mit annähernd 36 % vertreten. Drei Erfüllungsarten wurden von rund 13 % der Bauherren angegeben und vier Erfüllungsarten von gut 2 %. Es gab sogar 33 Baugenehmigungen mit fünf Arten der Erfüllung des EEWärmeG, was einem Anteil von etwa 0,2 % an den im Jahr 2012 insgesamt genehmigten Wohngebäuden entspricht.

Als häufigste Kombination der Erfüllungsarten des EEWärmeG wurden die erneuerbaren Energien (wie Holz oder Bioöl) und die sonstigen erneuerbaren Energien (wie Umweltthermie) mit einer Anzahl von 3 612 genannt. Die am zweithäufigsten vertretene Kombination besteht aus der Erfüllung durch sonstige erneuerbare Energien und Wärmerückgewinnung mit 3 028 Nennungen. Die Kombination aus sonstigen erneuerbaren Energien und der Übererfüllung der Energieeinsparverordnung haben 2 142 Bauherren im Berichtsjahr 2012 genannt. Somit zeigt sich eine deutliche Richtung hin zur Verwendung erneuerbarer Energien und verbesserter Wärmedämmung zur Erfüllung des EEWärmeG.

Das EEWärmeG beeinflusst die Wahl der Heizenergie

Im Schaubild 3 werden die Kombinationen aus Erfüllungsart des EEWärmeG und der primär verwendeten Heizenergie für die fünf meistverwendeten Heizenergiearten Gas, Fernwärme, Geo-, Umweltthermie und Holz sowie die häufigsten Erfüllungsarten des EEWärmeG dargestellt.

Die Bauherren, die Umwelt-, Geo- oder Solarthermie als Erfüllungsart des EEWärmeG angegeben haben (11 825), werden zu fast 47 % auch Umweltthermie als Heizenergie verwenden. In nahezu 38 % der Fälle möchten sie aber Gas als primäre Heizenergie für ihr Gebäude einsetzen. Die geforderten Maßgaben des EEWärmeG können auch durch die Nutzung einer sekundär verwendeten Heizenergie erfüllt werden. Diese finden in den Berechnungen aber keine Berücksichtigung. Im oben beschriebenen Fall soll neben der Beheizung mit Gas somit auch Umwelt-, Geo- oder Solarthermie genutzt werden.

Bei der Erfüllungsart erneuerbare Energien (wie Holz) wird ebenfalls am meisten die Umweltthermie eingesetzt (rund 36 %). Nur am zweithäufigsten werden die Gebäude mit Holz beheizt (etwa 26%) und fast ein Viertel (annähernd 24 %) der Gebäude werden bei der Erfüllungsart erneuerbare Energien primär mit Gas beheizt. Bei Wohngebäuden mit der Erfüllungsart Wärmerückgewinnung überwiegt deutlich die Beheizung mit Umweltthermie mit 55 %, gefolgt von Gas mit nahezu 22 %. Gebäude, die eine Übererfüllung der Energieeinsparverordnung erreichen, werden mit ca. 41 % ihre Wohnungen primär mit Gas beheizen und zu rund 37 % mit Umweltthermie. Für die Erfüllungsart Fernwärme oder -kälte ergibt sich das erwartete Bild, denn bei fast 99 % der Bauherren ist die Fernwärme die primär verwendete Heizenergie.

Fazit und Ausblick

Es ist deutlich zu sehen, dass bei den Baugenehmigungen 2012 die geplante Nutzung erneuerbarer Energien zur Beheizung und Warmwasserbereitung überwiegt und die Bauherren das EEWärmeG in etwas mehr als der Hälfte der Fälle sogar in zwei oder mehr Arten erfüllen. Wie sich die Beheizung der Gebäude und die Erfüllung des EEWärmeG in Zukunft entwickeln werden, bleibt abzuwarten und wird in den kommenden Jahren noch stärker in das Blickfeld der Amtlichen Statistik rücken.

1 Ausgehend vom Vorjahresbestand wird der Wohngebäudebestand mit den Daten der Statistiken der Baufertigstellungen und des Bauabgangs neu berechnet.

2 Zum sogenannten Nichtwohnbau zählen Anstaltsgebäude, Büro- und Verwaltungsgebäude, landwirtschaftliche Betriebsgebäude, Fabrik- und Werkstattgebäude, Handels- und Lagergebäude, Hotels und Gaststätten, aber auch Gebäude privater Bauherren, die nicht überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden sollen.

3 de la Croix, Madeleine: »Baustatistiken im Wandel«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2011«, S. 27–30.

4 HBauStatG vom 5. Mai 1998 (BGBl. I S. 869), zuletzt geändert am 12. April 2011 (BGBl. I S. 619).

5 Auf dem Erhebungsbogen werden die vorwiegend und zusätzlich genutzte Energiequelle – wie bisher auch – als »Primär« und »Sekundär« bezeichnet, abweichend von der Definition der Primär- und Sekundärenergie bzgl. ihrer Erzeugung.

6 EEWärmeG vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658), zuletzt geändert am 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044).

7 EnEV vom 24. Juli 2007 BGBl. I S. 1519), zuletzt geändert am 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 2197).

8 Bauantrag gestellt oder Kenntnisgabeverfahren erstmalig eingereicht.

9 Umweltthermie meint hier das Entziehen von Wärme aus Luft oder Wasser zum Heizen; bei der Geothermie wird Wärme aus unterirdischen Quellen (in der Erdkruste) zum Heizen verwendet.

10 GasNZV vom 3. September 2010 (BGBl. I S. 1261), zuletzt geändert am 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2722).

11 BioConstruct, www.bioconstruct.de/technologie/biogas-zu-erdgas.html [Abruf am 19. 9. 2013].

12 Beispiele: Stadtwerke Crailsheim [Abruf am 23. 9. 2013]. Stadtwerke Pforzheim [Abruf am 23. 9. 2013].