:: 6/2014

Gemüseerhebung – aus 2 wird 1

Bundesweit wurde 2012 ein neues Verfahren eingeführt, um die Erträge und Erntemengen von Gemüse zu ermitteln. Vor diesem Zeitpunkt wurden unabhängig voneinander die Anbauflächen in der Gemüseanbauerhebung und die Erträge in der Ernte- und Betriebsberichterstattung erhoben. Beide Statistiken wurden 2012 zur Gemüseerhebung verschmolzen. In diesem Zuge erfolgten nicht nur Veränderungen »kosmetischer« Art, sondern vor allem der Bereich der Erntestatistik wurde grundlegend umgestellt: Weg von der unabhängigen, auf freiwilliger Mitarbeit basierenden Ertragsermittlung, hin zu einer betriebs- und flächenbezogenen Ernteermittlung mit Auskunftspflicht.

Auf rund 11 100 Hektar (ha) produzierten im Jahr 2013 die baden-württembergischen Gemüsebetriebe hauptsächlich Spargel, Salate und Kohl. Als wertschöpfungsintensive Sparte erwirtschafteten sie mit Gemüse rund 5 % des gesamten landwirtschaftlichen Produktionswertes1. Zusätzlich wurden auf ungefähr 3 900 ha Erdbeeren2 angebaut. Insgesamt erfuhr der Gemüse- und Erdbeeranbau in Baden-Württemberg in den letzten 20 Jahren einen deutlichen Aufschwung: Von rund 10 400 ha im Jahr 1992 auf annähernd 15 000 ha im Jahr 20123. Eine gegenläufige Entwicklung zeigt dagegen die Zahl der Betriebe von ehemals 5 700 im Jahr 1992 auf gegenwärtig rund 17004. Die durchschnittliche Anbaufläche je Betrieb stieg somit innerhalb von 2 Jahrzehnten von 1,8 ha auf 8,7 ha an, ein Anstieg auf das Fünffache. Diese strukturellen Veränderungen machen immer wieder Anpassungen in den statistischen Erhebungen erforderlich, um ein zuverlässiges Gesamtbild des Gemüseanbaus geben zu können.

Wie es seither war: Erntestatistik Gemüse ….

Bis 2011 wurden die Erträge und Erntemengen von Gemüse und Erdbeeren innerhalb der Ernte- und Betriebsberichterstattung festgestellt. Baden-Württemberg war bis 2006 zur Ernteermittlung in ungefähr 500 Berichtsbezirke aufgeteilt, wobei ein Berichterstatter für einen Bezirk mit 3 bis 4 Gemeinden zuständig war5. Zusätzlich meldeten ungefähr 100 Berichterstatter die Erträge in den Anlagen unter Glas. Ab 2006 wurde von der Bezirks- auf die Betriebsberichterstattung umgestellt, wodurch sich die einzelne Ernteschätzung auf einen einzigen Betrieb beschränkte. Die Teilnahme an der Ernteermittlung war für die Berichterstatter freiwillig.

Die Ertragsschätzungen für Erdbeeren und Gemüse erfolgten in Dezitonnen (dt) je Hektar (ha) oder in kg/Ar über eine visuelle Bewertung der Bestände. War eine Schätzung nicht möglich oder ein Berichterstatter sich seiner Einschätzung nicht sicher, wurde der Ertrag mittels einer Probemessung an einer Fläche von 1 m2 validiert. Aus dem gewogenen Durchschnitt über alle Ertragsmeldungen einer Gemüseart wurde der durchschnittliche Landeswert berechnet und zusammen mit den Flächenangaben aus der Gemüseanbauerhebung durch Multiplikation die Erntemenge für Baden-Württemberg ermittelt. Gemüsearten mit einer zu kleinen Datenbasis, um ein Landesergebnis erstellen zu können, wurden in der Position »Sonstiges Gemüse« berücksichtigt.

Bis 2006 wurde neben den wachstumsbeeinflussenden Faktoren – wie der Befall mit Schädlingen oder Pflanzenkrankheiten – auch eine Bonitur des Wachstumsstands vorgenommen. Bei Erdbeeren, Rhabarber und Spargel wurden mit einer Schätzung die vorläufigen Erträge bereits im Juni ermittelt, für die weiteren Gemüsearten im Freiland erfolgte eine vorläufige Ertragsschätzung im September. Stichtag für die endgültigen Ergebnisse im Freiland und unter Glas war der 10. November.

In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, eine ausreichende Anzahl ehrenamtlicher Berichterstatter zu finden. Bis zur Umstellung der Statistik war die Zahl der Berichterstatter auf rund 200 gesunken. Eine Ursache dafür war in der zunehmend kleineren Zahl an Betrieben zu finden. Damit wurde einerseits der Flächenanteil immer geringer, der für Ernteschätzungen herangezogen wurde. Andererseits konnte auch eine gleichmäßige Verteilung der Schätzwerte auf die Gemüsebauregionen nicht mehr gewährleistet werden. Ebenso wenig wurden aufgrund des kleiner werdenden Kreises an Berichterstattern die unterschiedlichen Größenverhältnisse der Betriebe ausreichend berücksichtigt, weshalb große Betriebe tendenziell unterrepräsentiert waren. Einige Gemüsearten aus dem Merkmalskatalog der Gemüseanbauerhebung konnten zudem mangels einer Datengrundlage nicht abgebildet werden. Mathematisch fundierte Stichprobenziehungen und die Berechnung von statistischen Maßzahlen zur Datenqualität, wie zum Beispiel Standardfehler, waren ebenfalls nicht möglich.

… und Gemüseanbauerhebung

Die Gemüseanbauerhebung6 vor 2012 wurde jährlich in der Zeit von Mai bis August durchgeführt, indem die Gemüsebetriebe direkt nach den Flächen der von ihren angebauten Gemüsearten befragt wurden. In 4-jährigem Turnus erfolgte eine Totalerhebung bei allen Gemüsebetrieben, in den Zwischenjahren eine Stichprobe bei ungefähr jedem zweiten Betrieb. In den Jahren der Totalerhebung wurden neben den Anbauflächen7 auch die Grundflächen abgefragt. Der Erhebungskatalog umfasste alle relevanten Gemüsearten in Deutschland und griff regelmäßig die Entwicklungen im teilweise sich schnell ändernden Gemüseanbau auf. Einige der Gemüsearten wie Weißkohl und Feldsalat sind dabei seit Jahrzehnten Dauerbrenner, im Trend liegende Salate wie Rucola kamen dagegen erst 2006 hinzu. Wenig gefragte Gemüsearten wie Knollenfenchel sind 2012 aus der Merkmalsliste verschwunden. Bis 2005 wurden zusätzlich viele Gemüsearten nach frühem oder spätem Anbau unterteilt wie zum Beispiel Früh- und Spätkohl.

Heute: Gemüseerhebung

Im Erhebungsjahr 2012 erfolgte eine Zusammenlegung der Gemüseanbauerhebung und der Ernte- und Betriebsberichtserstattung für Gemüse: Die Gemüseerhebung war damit geboren. Wie bei der Anbauerhebung wird seitdem auch die geerntete und verkaufsfähige Erntemenge der Gemüsearten direkt bei den Gemüsebetrieben erfragt (Übersicht). Durch die Einführung einer Meldepflicht (i-Punkt) für die Ernte von Gemüse und Erdbeeren wurde diese neue Vorgehensweise möglich. Erhebungszeitraum der modifizierten Erhebung ist jährlich von Oktober bis Dezember, um zeitgleich die Anbauflächen und die dazugehörenden Erntemengen abdecken zu können. Besonders im Hinblick auf die Herbst- und Wintergemüsearten wie Rosenkohl und Feldsalat konnte kein früherer Erhebungszeitraum gewählt werden. Allerdings wird damit auch in Kauf genommen, dass Ergebnisse zu den Anbauflächen erst im Februar des Folgejahres und nicht mehr im September des Berichtsjahres veröffentlicht werden. Für Spargel und Erdbeeren findet im Juni bei spezialisierten Betrieben eine Vorerhebung statt, um der großen Anbaubaubedeutung der beiden Gemüsearten gerecht zu werden. Immerhin besteht fast ein Fünftel der baden-württembergischen und auch des deutschen Gemüse- und Erdbeeranbaus aus Spargelflächen. Bei den Erdbeeren liegt der Anteil bei knapp 26 % im Land und bei 14 % in Deutschland. Die Ernte von beiden Kulturen ist größtenteils Ende Juni abgeschlossen, weshalb zeitnah eine Ergebniserstellung bereits im Juli erfolgt.

Zeitgleich mit der Neustrukturierung der Gemüseanbauerhebung wurden die Erfassungsgrenzen geändert. Vor 2012 waren in der Gemüseanbauerhebung alle Betriebe auskunftspflichtig, welche die Erfassungsgrenzen der Agrarstatistik erreichten, unabhängig von der tatsächlichen Erdbeer-/ oder Gemüsefläche. Seit 2012 gelten für Spezialerhebungen wie bei Gemüse8, Strauchbeeren, aber auch bei Schweinen oder Schafen jeweils eigene Erfassungsgrenzen. Vergleiche mit den Vorjahren sind daher nur eingeschränkt aussagekräftig.

Wie auch schon die bisherige Gemüseanbauerhebung wird die repräsentative Gemüseerhebung als geschichtete Zufallsstichprobe9 durchgeführt. Von den rund 1 700 Betrieben mit Gemüse- und/ oder Erdbeeranbau werden in den repräsentativen Jahren ungefähr 820 Betriebe zufällig ausgewählt. Rund 550 werden davon zur Auskunft der Anbauflächen und Erntemengen herangezogen, 270 Betriebe nur zu den Anbauflächen befragt. Darunter sind etwa 160 Betriebe bereits bei der Vorerhebung für Spargel und Erdbeeren dabei. Baden-Württemberg hat im Rahmen der Stichprobenkonzeption darauf Wert gelegt, die Belastung der Betriebe zu minimieren. Deshalb werden nur in Baden-Württemberg die Erntemengen anhand einer kleineren Stichprobe ermittelt als die Anbauflächen. Durch diese Vorgehensweise traten allerdings bei der Auswertung und Hochrechnung der Ergebnisse eine Reihe nicht vorhersehbarer Probleme auf, die zu Verzögerungen bei der Veröffentlichung führten.

Fazit

Mit der Einbindung der Ernte- und Betriebsberichtserstattung Gemüse in die Anbauerhebung Gemüse fand der Umstieg von einer freiwilligen Ernteerhebung zu einer verpflichtenden Erhebung mit dem Ziel statt, die Ergebnisse der Erntemengen auf eine breitere Basis zu stellen und qualitativ zu verbessern. Durch die Umstellung ist nunmehr über die Berechnung des relativen Standardfehlers eine Beurteilung der statistischen Qualität der erhobenen Daten zu Erntemengen und Erträgen möglich. Diese befanden sich sowohl für die Erntemengen wie auch für die Erträge der letzten beiden Jahre in Baden-Württemberg in einem mittleren Bereich. Verglichen mit den Ergebnissen vor 2012 sank die absolute Höhe der Durchschnittserträge bei einigen Gemüsearten, wie im Freiland geernteter Feldsalat. Andere wie Kopfsalat und Karotten zeigten dagegen höhere Erträge. In der Regel bestimmen aber in großem Maß Umwelteinflüsse wie Nässe und Schädlingsbefall die Ernte, weshalb bisher bei den meisten Gemüsearten keine Tendenzen aufgrund der methodischen Änderungen feststellbar sind.

Für die auskunftspflichtigen Gemüsebetriebe ist es nach wie vor ungewohnt Erntemengen anzugeben, sodass es mitunter problematisch ist, plausible Daten zu erhalten. Viele Betriebe haben Schwierigkeiten ihre exakten Erntemengen zu ermitteln, besonders wenn der Verkauf hauptsächlich über Hofläden und Wochenmärkte abgewickelt wird. Insgesamt ist die Erhebung sehr aufwändig. Von Seiten des Statistischen Landesamts sind viele Nachfragen zu den Meldungen bei den Betriebsinhabern notwendig, um belastbare Ergebnisse erstellen zu können.

1 Landwirtschaftliche Gesamtrechnungen 2012: www.statistik-bw.de/Landwirtschaft/LGR/BW_home.asp [Abruf: 15.5.2014].

2 Wegen verwandter Produktionsverfahren erfolgt die statistische Betrachtung des Erdbeeranbaus zusammen mit dem Gemüseanbau.

3 Datenangabe der Jahre mit totaler Erhebung.

4 Siehe auch: Seitz, Reiner: »Agrarstruktur im Wandel«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2014«.

5 Informationen zur Ernteberichterstattung: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Thomas Betzholz, Telefon 0711/641-2640, Thomas.Betzholz@stala.bwl.de

6 Erfassungsgrenze 1999 bis 2011: 2 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche und Mindesterfassungsgrenzen bei Sonderkulturen und Tierhaltung.

7 Die Anbaufläche ist größer als die Grundfläche, wenn auf einer Fläche im Jahr mehrere Sätze an Gemüse nacheinander angebaut werden (zum Beispiel Salate, Radieschen).

8 Auskunftspflichtig zur Gemüseerhebung sind alle landwirtschaftlichen Betriebe, die mehr als 50 Ar Gemüse bzw. Erdbeeren im Freiland oder mehr als 10 Ar unter hohen begehbaren Schutzabdeckungen (Glashaus, Folientunnel etc.) anbauen.

9 Weitere Hinweise siehe: Hauschild, Wolfgang/Cieplik, Ulrike/Breitenfeld, Jörg: Erhebungen zum Gemüseanbau in Deutschland neu konzipiert, in: Wirtschaft und Statistik, Statistisches Bundesamt, August 2013.