:: 7/2014

Einfluss der Energiepreisentwicklung auf den Verbraucherpreisindex

Energiepreise spielen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zuletzt durch die große Abhängigkeit von ausländischen Öl- und Gaslieferungen, die auch nicht unabhängig von politischen Entwicklungen sind, eine wichtige Rolle. Außerdem stehen derzeit Strompreise durch die Diskussion um das Erneuerbare‑Energien‑Gesetz (EEG) im Fokus der Öffentlichkeit. Preise für fossile Energieträger weisen, verglichen mit dem Verbraucherpreisindex, deutlich stärkere Schwankungen auf, während Strompreise in der jüngeren Vergangenheit letztlich mehr oder weniger direkt von politischen Entscheidungen beeinflusst werden. Dies bedeutet für den Verbraucher derzeit steigende Preise trotz steigenden Angebots.

Energieausgaben im statistischen Warenkorb

Angesichts der kaum überschaubaren Anzahl von Waren, die dem potenziellen Konsumenten angeboten werden, ist es praktisch nicht möglich, eine Preisbeobachtung aller Güter und Dienstleistungen durchzuführen. Für die Berechnung des Verbraucherpreisindex wird deshalb ein Warenkorb mit sogenannten Preisrepräsentanten – das sind derzeit 767 Güter – zugrunde gelegt. Preisrepräsentanten sollen die Preisentwicklung ähnlicher Güter mit abbilden. Der Preis für einen Hammer etwa wird als repräsentativ für die Entwicklung der Preise von nichtelektrischen Werkzeugen angesehen. Zur Ermittlung der Durchschnittspreise für die Güter und Dienstleistungen des statistischen Warenkorbs werden pro Monat allein in Baden‑Württemberg mehr als 30 000 Preisreihen beobachtet. Bundesweit sind es rund 350 000 Einzelpreise, die zur Ermittlung des Verbraucherpreisindex erhoben werden.

Das Warenkorbkonzept sieht vor, dass die Preisrepräsentanten, die für bestimmte Produktgruppen stehen, unterschiedlich gewichtet werden. Diese Gewichte werden vor allem auf der Basis der im 5‑jährigen Turnus durchgeführten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt. Im Wesentlichen wird aus dem Verbrauchsverhalten eines fiktiven Durchschnittshaushalts der wertmäßige Anteil einer bestimmten Produktgruppe als Gewicht bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex verwendet. Auch die vom Endverbraucher nachgefragte Energie geht mit einer entsprechenden Gewichtung in den statistischen Warenkorb ein. Der prozentuale Anteil an den Gesamtausgaben, der auf Energie entfällt, wurde für den derzeit gültigen Warenkorb, der sich auf das Basisjahr 2010 bezieht, mit rund 10,7% ermittelt. Die Ausgaben für Energie sind nach der Miete (Nettokaltmiete) die zweithöchste Ausgabenposition für einen durchschnittlichen Haushalt in Deutschland. Sie liegen damit sogar höher als die Ausgaben für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke.

Unter dem Sammelbegriff Energie verbergen sich Kraftstoffpreise (Gewicht im Warenkorb: 3,837 %) und Haushaltsenergie (Gewicht im Warenkorb: 6,819 %). Unter den Preisrepräsentanten für Kraftstoffe hat Superbenzin, 95 Oktan, mit Abstand das höchste Gewicht, während bei der Haushaltsenergie der Energie­träger Strom das höchste Gewicht besitzt (Schaubild 1).

Was kostet Energie?

An absoluten Preisen besteht in aller Regel ein großes öffentliches Interesse. Trotzdem verzichtet die amtliche Statistik bis auf wenige Ausnahmen seit Längerem auf die Veröffentlichung von Durchschnittspreisen einzelner Produkte. Begründen lässt sich diese Zurückhaltung mit der häufig fehlenden Homogenität der Güter. Zum einen sind es subjektive Gründe, wenn aus Konsumentensicht bestimmte Güter – etwa Markenwaren und sogenannte »weiße Waren« – nicht als gleichwertig angesehen werden. Die Ermittlung eines Durchschnittspreises ist in diesen Fällen wenig aussagefähig. Es gibt aber auch objektive Gründe für Preisunterschiede. Bei den meisten technischen Gütern existieren mehr oder weniger große Qualitätsunterschiede, sodass ein direkter Preisvergleich nicht sinnvoll ist. Welchen Aussagewert hätte ein errechneter Durchschnittspreis für einen Laptop? Vermutlich keinen! Durch den schnellen technischen Wandel und die große Heterogenität der angebotenen Geräte ist ein Durchschnittspreis, der als Vergleichsmaßstab dienen könnte, ungeeignet. Bei der Messung der Preisänderung technischer Produkte findet deshalb eine Qualitätsbereinigung statt, um annähernd eine temporäre Vergleichbarkeit herzustellen.

Es gibt aber auch einige weitgehend homogene Güter, für die aussagefähige Durchschnittspreise berechnet werden können. Zu dieser Gruppe gehören praktisch alle Produkte, die im statistischen Warenkorb unter dem Oberbegriff »Energie« zusammengefasst werden. In Tabelle 1 sind Durchschnittspreise für ausgewählte Energieprodukte jeweils für den Monat Januar von 2005 bis 2014 in Baden‑Württemberg ausgewiesen. Die höchsten Durchschnittspreise in einen Januar wurden im Beobachtungszeitraum bei leichtem Heizöl und Diesel für das Jahr 2012 ermittelt. Für Superbenzin war es 2013, während Gas 2009 und Strom im aktuellen Berichtsjahr die höchsten Januarwerte aufwiesen. So bezahlte der Endverbraucher zum Beispiel für leichtes Heizöl zum Jahresbeginn 2014 im landesweiten Durchschnitt 85 Cent pro Liter. Im Januar 2005 waren dies noch 45 Cent. Der höchste Durchschnittspreis in einem Januar wurde mit 91 Cent pro Liter 2012 errechnet.

Kraftstoffpreise weichen von der allgemeinen Verbraucherpreisentwicklung ab

Um die Preisentwicklung verschiedener Güter und Dienstleistungen zu vergleichen, ist es sinnvoll, Indexwerte statt absoluter Preise zu verwenden. Der bekannteste Index ist ohne Zweifel der Verbraucherpreisindex, der die durchschnittliche Preisentwicklung aller Güter- und Dienstleistungen abbildet. Neben diesem Gesamtindex stehen verschiedene Teilindizes zur Verfügung, die die Preisentwicklung für bestimmte Gütergruppen oder auch einzelne Güter beschreiben.

Der Vergleich der Preisentwicklung von Kraftstoffen und der allgemeinen Preisentwicklung des Verbraucherpreisindex weist einen deutlich abweichenden Verlauf auf (Schaubild 2). Die Zeitreihen der Preisindizes für Superbenzin und Diesel zeigen stark ansteigende Werte bis Mitte 2008. Das abrupte Ende dieser Entwicklung wurde durch den Konjunktureinbruch, der sich als Folge der Immobilien- bzw. Bankenkrise einstellte, verursacht. Von 2005 bis 2008 hat sich der Preis für Diesel im Jahresdurchschnitt um mehr als ein Viertel erhöht. Im gleichen Zeitraum stieg der Preis für Superbenzin um etwa 15 % an. Dagegen nahm der allgemeine Verbraucherpreisindex nur um rund 6,7 % zu. Im Herbst 2008, also nicht einmal ein halbes Jahr nach Erreichen der bisherigen Höchstpreise für Kraftstoffe, brachen die Preise für Super und Diesel ein, sodass zum Jahresende 2008 das Preisniveau wieder annähernd dem von Ende 2006 entsprach. Dagegen zeigte die allgemeine Teuerungsrate nach dem Wirtschaftseinbruch Mitte 2008 lediglich leicht fallende Werte. Infolge der darauf einsetzenden allmählichen konjunkturellen Erholung stiegen auch die Preise für Kraftstoffe erneut überproportional an. Während der Verbraucherpreisindex bis heute, wenn auch weniger stark als noch 2012, ansteigt, sind die Preise für Superbenzin und Diesel seit 2012 wieder rückläufig. Erneut dürfte unter anderem eine Krise, die Verschuldenskrise der Staaten vor allem im Süden des Euroraums, die infolge der Sparpolitik auch konjunkturelle Effekte mit sich bringt, für einem Rückgang der Kraftstoffpreise mit verantwortlich sein. Außerdem hängen die Kraftstoffpreise vom weltweiten Angebot an Rohöl sowie von der Euro‑Dollar-Relation ab, was derzeit offensichtlich nicht zu Preissteigerungen bei Mineralölprodukten führt. Vielleicht hat ja auch die höhere Markttransparenz seit Einführung der Meldepflicht für Benzinpreise an das Bundeskartellamt und die Veröffentlichung auf verschiedenen Internetportalen den gewünschten Effekt.

Haushaltsenergie: Unterschiede bei Energieträgern

Während Energieträger wie Strom und Gas für die individuelle Mobilität kaum eine Rolle spielen, ist dies bei der im Haushalt verbrauchten Energie völlig anders. Das größte Gewicht unter den Energieträgern, die im Haushalt verbraucht werden, hat Strom. Fernwärme rangiert noch vor Gas und Heizöl.

Naheliegenderweise entspricht der Indexverlauf von Heizöl dem von Kraftstoffen und zeigt sogar noch höhere Preisausschläge. Fernwärme- und Gaspreise hängen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung indirekt ebenfalls von den Rohölpreisen ab, wobei die Preisschwankungen geringer ausfallen. Dagegen stiegen die Preise für Strom seit 2005 kontinuierlich an. Jeweils zum Beginn des Jahres ist ein Preissprung zu beobachten, der teilweise recht deutlich ausfällt. Besonders starke Preisschübe gab es 2011 und 2013. Der Grund ist bekannt. Während der Marktpreis für Strom durch das steigende Angebot regenerativer Energieträger sinkt, führt diese Entwicklung paradoxerweise zu höheren Kilowattpreisen für Privathaushalte und solchen Unternehmen, die nicht von der EEG-Umlage befreit sind. Da die Differenz zwischen garantierter Einspeisevergütung von Strom und sinkendem Marktpreis auch dadurch größer wird, dass immer mehr Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden, verteilt sich letztlich der Differenzbetrag auf weniger Stromkunden. Zum Beginn des Jahres 2014 lag der Indexwert für Strom erstmals seit 2005 höher als der flüssiger Brennstoffe. Sehr viel moderater fiel dagegen die Preisentwicklung bei Gas aus. Noch günstiger war die Preisentwicklung nur für Besitzer von Feststoffheizungen (Schaubild 3).

Wie hätte sich der Verbraucherpreisindex ohne Energiepreise entwickelt?

Vor allem die Entwicklung auf dem Markt für Rohöl hat in der Vergangenheit immer wieder zu starken Preisänderungen von Mineralölprodukten für den Endverbraucher geführt. Hinzu kamen Auswirkungen dieser Entwicklung auf Gaspreise und Preise für Fernwärme. Mit dem Energie-Erneuerungs-Gesetz hat auch der Strompreis zusätzlich eine gewisse Eigendynamik nach oben entwickelt. Insofern ist es interessant, die Frage zu stellen, ob der Verbraucherpreisindex ohne Energiepreise deutlich vom allgemeinen Verbraucherpreisindex im Zeitvergleich abweicht.

In den 9 Jahren von 2005 bis 2013 war die Veränderungsrate des allgemeinen Verbraucherpreisindex mit zwei Ausnahmen im Jahresdurchschnitt stets höher als die des Verbraucherpreisindex ohne Energiepreise (Schaubild 4). Die Spitzenwerte für die allgemeine Teuerungsrate wurden im Sommer 2008 mit über 3 % erreicht. Ursache hierfür war vor allem der Preisschub bei Mineralölprodukten. Der durchschnittliche Heizölpreis lag im Juni 2008 um mehr als 66 %, bei Kraftstoffen waren es mehr als 15 %, über den entsprechenden Werten des Vorjahresmonats. Die Inflationsraten der Jahre 2007 und 2008 verfehlten das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von höchstens 2 % deutlich.

Nach dem Bankencrash 2008 und dem darauffolgenden Wirtschaftseinbruch – im Jahr 2009 ging das reale Bruttoinlandsprodukt in Baden‑Württemberg um mehr als 9 % zurück – ergibt sich ein völlig anderes Bild. Im Krisenjahr 2009 führten die stark gefallenen Energiepreise zu einem drastischen Rückgang des Verbraucherpreisindex. In diesem Jahr betrug die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt nur noch 0,2 %, während für den Index ohne Energiepreise ein Anstieg um 1 % errechnet wurde.

Auch im abgelaufenen Kalenderjahr 2013 lag die Jahrespreissteigerungsrate ohne Energiepreise erstmals seit Jahren wieder geringfügig höher als die allgemeine Preisentwicklung. In den ersten Monaten des Jahres 2014 verstärkte sich der Dämpfungseffekt rückläufiger Energiepreise auf den Gesamtindex. Ohne Energiepreise hätte die Preissteigerungsrate im 1. Quartal 2014 bei 1,6 % gelegen. Unter Einrechnung der Energiepreisentwicklung, also der allgemeinen Preissteigerungsrate, lag der Wert bei 1,1 %.

Wenn wie derzeit angesichts einer eher moderaten Preissteigerungsrate des Verbraucherpreisindex plötzlich über Deflation statt über Inflation diskutiert wird, sollte der Einfluss der Energiepreise auf das Preisgeschehen mitberücksichtigt werden. Auftretende Krisen wie etwa die Ereignisse in der Ukraine können sehr schnell wieder zu steigenden Inflationsraten führen, da die Energiepreise auf ökonomische oder politische Verwerfungen häufig unmittelbar reagieren. Allerdings dürfte dieser Einfluss nicht nachhaltig sein, wenn es nicht zu einer längerfristigen Verknappung einzelner oder mehrerer Energieträger kommt.