:: 8/2014

Der Alterungsprozess der Gesellschaft wird sich auch in Zukunft unvermindert fortsetzen

Neue Bevölkerungsvorausrechnung für Baden‑Württemberg bis zum Jahr 2060

Bevölkerungsvorausrechnungen bedürfen der laufenden Anpassung und Aktualisierung. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Datenbasis und/oder die Trends der die Bevölkerungsentwicklung bestimmenden Faktoren gravierend geändert haben. Für die momentane Situation trifft beides zu: Zum einen wurde durch den im Jahr 2011 durchgeführten Zensus die Bevölkerungsfortschreibung zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen auf eine neue Basis gestellt; zum anderen hat sich das Wanderungsgeschehen in den letzten Jahren erheblich verändert. Die neue Bevölkerungsvorausrechnung für Baden‑Württemberg, die erstmals auf den zensusbasierten Fortschreibungsergebnissen aufbaut und vor allem der deutlich gestiegenen Zuwanderung Rechnung trägt, kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Einwohnerzahl noch bis zum Jahr 2021 ansteigen und danach stetig zurückgehen könnte. Entscheidender als die Entwicklung der Einwohnerzahl ist aber, dass sich die Alterung der Bevölkerung auch künftig fortsetzen wird. So könnte bereits in 2 Jahrzehnten die Zahl der 65-Jährigen und Älteren um die Hälfte stärker vertreten sein als die der unter 20-Jährigen. Derzeit sind diese beiden Altersgruppen dagegen noch gleich stark besetzt.

Ein Blick zurück: Die Rahmenbedingungen für Vorausrechnungen haben sich entscheidend geändert

Die letzte Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes für das Land insgesamt wurde im Jahr 2009 durchgeführt. Damals lag der Wanderungsgewinn – wie bereits auch 2008 – bei lediglich rund 4 000 Personen. Die Annahme für die damalige Vorausrechnung, dass im Vorausrechnungszeitraum per Saldo jährlich 10 000 Personen mehr in das Land zu- als fortziehen werden, erschien somit eher eine Obergrenze für die künftige Entwicklung zu bilden.1 Außerdem wurde eine sogenannte Nebenvariante gerechnet, für die ein jährlicher Wanderungsgewinn von 20 000 Personen vorgegeben wurde. Dieser Ansatz war aus damaliger Sicht eher unwahrscheinlich und wurde vor allem deshalb gewählt, um die (lediglich geringen) Auswirkungen einer stärkeren Zuwanderung auf die Altersstruktur der Bevölkerung aufzuzeigen.2

Seither hat sich das Wanderungsgeschehen aber gravierend verändert. Der jährliche Wanderungsgewinn Baden‑Württembergs lag nicht mehr nur bei rund 4 000 Personen wie in den Jahren 2008 und 2009, sondern 2012 bereits bei über 65 000. Im vergangenen Jahr sind nach vorläufigen Ergebnissen sogar rund 70 000 Menschen per saldo nach Baden‑Württemberg gezogen. Ursächlich für diese starke Zuwanderung waren und sind vor allem die Probleme in den EU-Krisenstaaten sowie – wie bereits erwähnt – die Einräumung der Freizügigkeit für mehrere EU-Staaten einerseits und die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung im Südwesten andererseits.

Auch wenn Bevölkerungsvorausrechnungen nach dem Verständnis der amtlichen Statistik nicht das primäre Ziel verfolgen, die tatsächliche Entwicklung zu prognostizieren3, so sprachen der 2- bis 3-jährige Turnus, in dem üblicherweise Vorausrechnungen durchgeführt werden, vor allem aber auch die enorm angestiegene Zuwanderung dafür, bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Neuberechnung durchzuführen. Dass dies dennoch nicht so gehandhabt wurde, ist im Zusammenhang mit dem Zensus 2011 zu sehen. Es erschien sinnvoll abzuwarten, bis die auf Basis des Zensus 2011 fortgeschriebenen Einwohnerzahlen vorliegen, zumal sich für Baden‑Württemberg eine deutliche Korrektur abzeichnete.

Am 31. Mai 2013 wurden dann die ersten Ergebnisse des Zensus 2011 zur Bevölkerung veröffentlicht, allerdings noch ohne Altersgliederung.4 Seit April 2014 sind auch vorläufige Ergebnisse zur Altersstruktur verfügbar, die zwischenzeitlich bis zum 31. 12. 2012 fortgeschrieben wurden und somit als Basis für die neue Vorausrechnung zur Verfügung standen.

Einwohnerzahl könnte noch bis 2021 ansteigen

Welche künftige Entwicklung ist zu erwarten? Hierzu sind Annahmen bezüglich der weiteren Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und des Wanderungsgeschehens zu treffen. Relativ gut abzuschätzen sind die Trends bei der Lebenserwartung und vor allem bei der Geburtenhäufigkeit, weil hier die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten sehr stetig verlaufen ist. Mit großen Unsicherheiten behaftet ist dagegen die weitere Entwicklung der Zuwanderung, weil diese in der Vergangenheit von erheblichen, zum Teil auch abrupten Veränderungen geprägt war. Aus diesem Grund wurden drei Varianten gerechnet, die sich ausschließlich hinsichtlich der getroffenen Wanderungsannahmen unterscheiden (siehe i-Punkt).5

Die Einwohnerzahl des Landes wird nach allen drei Varianten zunächst noch weiter ansteigen.6 Mittel- und langfristig ist dagegen ein Rückgang der Bevölkerungszahl zu erwarten. Zum einen dürfte sich das Geburtendefizit aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung stetig vergrößern; zum anderen ist zu erwarten, dass das aktuell sehr hohe Niveau der Wanderungsgewinne in den nächsten Jahren wieder zurückgehen wird.

Konkret könnte die Einwohnerzahl des Landes entsprechend der sogenannten Hauptvariante noch bis zum Jahr 2021 um gut 280 000 auf dann 10,85 Mill. ansteigen; anschließend wird die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2060 auf 9,93 Mill. zurückgehen (Schaubild 1). Bei der sogenannten Unteren Variante würde der Bevölkerungsrückgang ein Jahr früher, also im Jahr 2021 einsetzen; dabei würde das Minus bis zum Jahr 2060 deutlich stärker als bei der Hauptvariante ausfallen (um 1,06 Mill. auf dann 9,51 Mill.). Nach der Oberen Variante würde die Einwohner­zahl noch bis zum Jahr 2032 ansteigen; Baden‑Württemberg hätte dann im Jahr 2060 immerhin noch 10,34 Mill. Einwohner (Tabelle).

Diese Entwicklungen ergeben sich aus dem Zusammenspiel der Geburten und Sterbefälle sowie aus dem vorgegebenen Wanderungsgeschehen.

Zahl der Geborenen geht erst mittelfristig zurück

In den vergangenen Jahren wurden in Baden‑Württemberg jeweils rund 90 000 Kinder geboren. Obwohl für die aktuellen Vorausrechnungen eine konstante Geburtenhäufigkeit, also eine unveränderte durchschnittliche Kinderzahl je Frau, unterstellt wurde, könnte die Geborenenzahl noch bis Anfang des kommenden Jahrzehnts leicht ansteigen. Ursächlich hierfür sind die aufgrund der erwarteten starken Zuwanderung vorübergehend steigende Zahl an Frauen im gebärfähigen Alter sowie zum anderen die Annahme, dass sich der Trend hin zur »späten Mutterschaft« auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird (siehe i-Punkt). Nach dem Jahr 2021 könnte die Geborenenzahl dann aber von knapp 93 000 bis zum Jahr 2060 auf unter 75 000 zurückgehen.

Die Zahl der Gestorbenen wird sich – trotz der Annahme einer auch künftig weiter steigenden Lebenserwartung – relativ stetig bis zum Jahr 2050 von gegenwärtig etwa 103 000 auf dann ca. 126 000 erhöhen. Danach könnte deren Zahl – wiederum aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung – auf etwas mehr als 120 000 im Jahr 2060 zurückgehen.

Der Geburtensaldo, also die Differenz zwischen Geborenen und Gestorbenen, wird sich von derzeit rund 13 000 bis zum Jahr 2022 auf über 20 000 erhöhen. Damit kann ab diesem Jahr der vorgegebene Wanderungssaldo das Geburtendefizit nicht mehr kompensieren, sodass die Einwohnerzahl stetig zurückgehen wird. Am Ende des Vorausrechnungszeitraums könnte das Geburtendefizit sogar annähernd 50 000 Personen pro Jahr betragen.

Alterung von der »Basis« und der »Spitze«

Bedeutsamer als die Entwicklung der Bevölkerungszahl insgesamt sind die Veränderungen in der Altersgliederung der Bevölkerung. Denn die Besetzungsstärken der einzelnen Altersjahrgänge wirken sich auf nahezu alle Gesellschaftsbereiche aus, sei es im Kinderbetreuungs- und im Bildungsbereich, sei es für den Arbeitsmarkt oder auf das umlagefinanzierte Rentensystem.

Die demografische Alterung wird sich ab dem kommenden Jahrzehnt sowohl von der »Basis« als auch von der »Spitze« her vollziehen.7 Zum einen hat das seit knapp 4 Jahrzehnten anhaltend geringe Geburtenniveau zu einer relativ schmalen Basis des Altersaufbaus geführt. Diese wird – falls sich das gegenwärtige generative Verhalten fortsetzt – mittel- und langfristig noch schmaler werden, da die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter aller Voraussicht nach ab Mitte des kommenden Jahrzehnts zurückgehenden wird.

Zum anderen werden die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre in etwa einem Jahrzehnt in das Seniorenalter hineinwachsen. Hinzu kommt, dass diese Altersstruktureffekte durch die voraussichtlich weiter steigende Lebenserwartung verstärkt werden. Immer mehr Menschen erreichen somit ein hohes Alter, sodass die Bevölkerung auch von der »Spitze« her altert. Schaubild 2 zeigt, wie stark sich der Altersaufbau der Bevölkerung bis zum Jahr 2060 ändern könnte.

Durchschnittsalter steigt auf knapp 49 Jahre – stärkere Zuwanderung schwächt Alterung kaum ab

Welche Entwicklung ist für die nachwachsende Generation – definiert als Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene im Alter von unter 20 Jahren – zu erwarten? Deren Anteil an der Gesamtbevölkerung wird sich von heute knapp 20 % bis zum Jahr 2060 – relativ moderat – auf dann nur noch etwas mehr als 16 % verringern. In einer gegenläufigen Entwicklung dürfte der Bevölkerungsanteil der 65-Jährigen und Älteren von derzeit ebenfalls knapp 20 % auf über 30 % bis zum Jahr 2060 ansteigen. Das Durchschnitts­alter der Baden‑Württemberger wird sich von aktuell 43 Jahren auf annähernd 49 Jahre erhöhen (Tabelle).

Eine stärkere oder aber schwächere Zuwanderung, als in der Hauptvariante unterstellt (siehe i-Punkt), hätte auf diesen Alterungsprozess einen nur verhältnismäßig geringen Einfluss. So würde bei der Unteren Variante der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2060 lediglich um 0,1 Prozentpunkte niedriger (16,3 %) und bei der Oberen Variante um 0,1 Prozentpunkte höher (16,5 %) liegen. Der Anteil der 65-Jährigen und Älteren wäre bei der Oberen Variante lediglich um einen halben Prozentpunkt niedriger als in der Hauptvariante (30,0 % statt 30,5 %). Das bedeutet: Auch eine stärkere Zuwanderung wird die Alterung der Bevölkerung nicht verhindern, sondern lediglich etwas abschwächen können.

Im Folgenden werden die Konsequenzen des demografischen Wandels für ausgewählte Bereiche aufgezeigt.

Zunächst noch steigende Zahl an Kindergartenkinder

Derzeit gibt es rund 325 000 Kinder im Kindergartenalter8 in Baden‑Württemberg. Die zunächst voraussichtlich noch steigenden Geburtenzahlen führen dazu, dass sich die Zahl der Kindergartenkinder noch bis etwa Mitte des kommenden Jahrzehnts erhöhen wird. Danach könnte deren Zahl aber stetig zurückgehen. Am Ende des Vorausrechnungszeitraums wird es dann nur noch rund 275 000 Kinder im entsprechenden Alter im Südwesten geben.

Die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen – hierzu soll die zahlenmäßige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis unter 18 Jahren zugrunde gelegt werden – geht dagegen bereits vom ersten Vorausrechnungsjahr (weiter) zurück. Anstelle von heute annähernd 1,3 Mill. Kindern und Jugendlichen im Schulalter würde diese Bevölkerungsgruppe im Jahr 2060 nur noch knapp 1 Mill. Personen umfassen.

Überdurchschnittlicher Anstieg der Zahl hochbetagter Menschen

Für sozial- und speziell altenpolitische Planungen ist es von besonderer Bedeutung, dass künftig die Zahl älterer und vor allem hochbetagter Menschen deutlich ansteigen wird. Immer mehr Männer und Frauen erreichen ein hohes Alter. Innerhalb der nächsten 3 Jahrzehnte dürfte sich ihre Zahl annähernd verdoppeln. Dann wären etwa 500 000 Einwohner des Landes 85 Jahre oder älter. Langfristig würde sich ihre Zahl im Vergleich zu heute sogar verdreifachen. Im Jahre 2060 gäbe es dann über 750 000 Hochbetagte in Baden‑Württemberg (Schaubild 3). Da es sich hierbei um eine Bevölkerungsgruppe mit einem hohen Pflegerisiko handelt, dürfte künftig auch die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich ansteigen.

Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter wird erst nach 2020 zurückgehen

Der Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 65-Jährigen, die heute im Wesentlichen das Erwerbspersonenangebot stellen, wird in Baden‑Württemberg bis um das Jahr 2020 praktisch unverändert bei 61 % verharren. Nach dem Jahr 2020 ist jedoch mit einem stetigen Rückgang zu rechnen. Ihr Bevölkerungsanteil könnte sich im Jahr 2060 auf nur noch 53 % belaufen. Zahlenmäßig läge dann die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter mit 5,27 Mill. um annähernd 1,2 Mill. niedriger als heute (Schaubild 4). Allerdings dürfte die Zahl der Erwerbspersonen nicht im gleichen Umfang zurückgehen, da in den nächsten Jahren mit einer weiter steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen und auch – bei steigendem Renteneintrittsalter – der älteren Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu rechnen ist.

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist in den letzten Jahren »gealtert«: Bis Ende 2007 überwog regelmäßig die Zahl der »Jüngeren« (20- bis 34-Jährigen) die der »Älteren« (50- bis 64-Jährige); seither gab und gibt es mehr ältere als jüngere Personen, die sich im erwerbsfähigen Alter befinden. Bis um das Jahr 2020 wird sich dieses Verhältnis nochmals von »jung zu alt« verschieben und danach ungefähr auf dem dann erreichten Niveau verharren (Schaubild 5).

Diese Alterung der Erwerbsbevölkerung wird oftmals als Problem angesehen, da Ältere weniger flexibel und nicht so belastbar seien. Tatsächlich gibt es aber keinen verlässlichen wissenschaftlichen Nachweis, dass die Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren weniger produktiv wären als jüngere. Zwar nimmt mit zunehmendem Alter die körperliche Leistungsfähigkeit ab, die aber in einer Wissensgesellschaft eine geringere Bedeutung hat. Dafür steigt mit zunehmendem Alter die Erfahrung. Es gilt, diese Potenziale in Zukunft stärker zu nutzen – gepaart mit einer verbesserten Fort- und Weiterbildung gerade im höheren beruflichen Alter.

Drei-Generationen-Verbund: Wachsende »Belastungen« der Erwerbsbevölkerung

Für die Frage nach den Belastungen der »mittleren«, erwerbsfähigen Generation durch die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den alten wie auch den jungen Menschen spielt die demografische Entwicklung dieser Bevölkerungs­gruppen eine wesentliche Rolle. Der im Erwerbsalter befindlichen Bevölkerung (20 bis unter 65 Jahre) wird künftig eine deutlich wachsende Zahl von Personen im »nicht mehr erwerbsfähigen Alter« (65 Jahre und älter) gegenüberstehen. Während heute auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 32 Personen im Alter von 65 und mehr Jahren entfallen, dürften dies im Jahre 2030 bereits 44 ältere Nichterwerbspersonen sein. Bis zum Jahr 2060 würde dieser sogenannte »Altenquotient« sogar auf 57 zu 100 ansteigen.

Rechnet man hinzu, dass die Erwerbspersonen auch die »noch nicht Erwerbsfähigen« – die unter 20-Jährigen – ökonomisch unterhalten müssen, so ergibt sich folgendes Bild: Ende 2012 kamen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter insgesamt rund 64 Personen im noch nicht sowie nicht mehr erwerbsfähigen Alter. Bis zum Jahr 2030 würde sich dieses Zahlenverhältnis auf 75 Nichterwerbspersonen zu 100 Personen im Erwerbsalter erhöhen. Im Jahre 2060 läge dieser »Gesamtquotient« bei etwa 88 Personen im nicht erwerbsfähigen Alter je 100 Erwerbspersonen (Schaubild 6). Allerdings ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass – wie bereits erwähnt – die in Zukunft wohl weiter steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen und der älteren Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter entlastende Effekte mit sich bringen könnte.

Fazit: Vorausrechnungen besitzen hohe ­Aussagekraft bezüglich der Entwicklung der Altersstruktur

Die Rahmenbedingungen für die Durchführung der Bevölkerungsvorausrechnungen waren dieses Mal besonders schwierig, weil die Abschätzung der künftigen Entwicklung der Zuwanderung aufgrund der abrupten Änderung im Wanderungsgeschehen mit besonders großen Unsicherheiten verbunden war. Zentrale Problemstellung war deshalb, welcher Ansatz bzw. welche Ansätze für die Zuwanderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gewählt werden sollte(n). Denn das unterstellte Wanderungsgeschehen hat – wie gezeigt – erhebliche Auswirkungen auf die künftige Entwicklung der Einwohnerzahl insgesamt.

Dagegen ist die Änderung der Altersstruktur relativ unabhängig davon, wie viele Menschen in den kommenden Jahrzehnten nach Baden‑Württemberg ziehen werden. Denn der Alterungsprozess der Bevölkerung wird – gemessen an der zahlenmäßigen Entwicklung der einzelnen Altersgruppen – »wie ein Uhrwerk«9 unvermindert weitergehen. Das bedeutet, dass die demografische Alterung weder mit einer starken Zunahme der Geburtenrate noch durch hohe Zuwanderungen Jüngerer verhindert, sondern nur noch gemildert werden kann.10

Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass sich die Ergebnisse zur künftige Altersstruktur der Bevölkerung relativ gut prognostizieren lassen und somit eine recht hohe Aussagekraft besitzen. Nichtsdestotrotz: In zwei, spätestens in drei Jahren sollte eine neue Vorausrechnung durchgeführt werden, die die Entwicklungen am aktuellen Rand berücksichtigt und die für eine Vorausrechnung erforderlichen Eingabeparameter neu »justiert«.

Schließlich gilt Folgendes zu bedenken: Auch wenn die Güte von Vorausrechnungen in der Öffentlichkeit überwiegend daran gemessen wird, inwieweit die prognostizierten Ergebnisse mit den tatsächlichen übereinstimmen, ist dies nicht der richtige Maßstab. Vorausrechnungen können und sollen »nur« zeigen, welches Ergebnis unter der Vorgabe bestimmter Annahmen zu erwarten ist. Es handelt sich also um »Wenn – Dann«– Aussagen. Dabei ist die Festlegung der einzelnen Parameter – also insbesondere der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und des Wanderungsverhaltens – so zu treffen, wie diese Annahmen im Startzeitpunkt der Vorausrechnung als wahrscheinlich für die Zukunft angesehen werden. Bevölkerungsvorausrechnungen dürfen deshalb nicht als »Vorhersagen« missverstanden werden. Vielmehr haben Vorausrechnungen ihre Aufgabe dann erfüllt, wenn sie die Basis für Analysen und Planungen der Entscheidungsträger beisteuern, mögliche (Fehl-)Entwicklungen aufzeigen und so die Unsicherheit über die Zukunft verringern helfen. Lösungen können von ihnen dagegen nicht erwartet werden.11