:: 9/2014

»Höhen«-Landwirtschaft in Baden-Württemberg

Mit »Höhenlandwirtschaft« ist im Allgemeinen die spezielle Anpassung landwirtschaftlicher Betriebe an die natürlichen Bedingungen in den höheren Lagen des Landes gemeint. In diesem Beitrag geht es nicht nur um die Betriebe in den höheren Lagen, sondern um die Darstellung der gesamten Landwirtschaft in Baden-Württemberg nach Höhenlage. Grundlage hierfür ist die Georeferenzierung der Betriebssitze landwirtschaftlicher Betriebe, die erstmalig für die Landwirtschaftszählung 2010 erfolgte. Durch die Georeferenzierung liegt eine Information über die räumliche Lage der Betriebe im geografischen Koordinaten-system vor. Die Georeferenzierung kann in einem weiteren Schritt verwendet werden, um eine ungefähre Bestimmung der Höhenlage vorzunehmen. Dieser Beitrag ist ein erster Versuch, bei der Analyse agrarstatistischer Daten in diese »dritte Dimension« vorzustoßen.

Baden-Württemberg ist ein Land mit großen naturräumlichen Gegensätzen und einer bewegten Topografie. Der tiefste Punkt des Landes findet sich im Rheintal in der Nähe von Mannheim und liegt weniger als 100 m über dem Meeresspiegel. Den höchsten Punkt des Landes markiert der Feldberg mit knapp 1 500 m im südlichen Schwarzwald. In dieser Spanne hat sich im Land eine vielfältige Landwirtschaft entwickelt und es ist auch kein Zufall, dass der höchste Berg des Landes in seinem Namen auf eine landwirtschaftliche Nutzung verweist: »Feld«-berg.

Das Land Baden-Württemberg bedeckt insgesamt eine Oberfläche von 35 752 km². Umgerechnet in die in der Landwirtschaft gebräuchliche Flächengröße »Hektar« beziffert sich die Landesfläche auf knapp 3,6 Millionen ha. Im Hinblick auf die Höhenlage folgt die Landesfläche einem glockenförmigen Verlauf. Die tiefsten wie die höchsten Lagen des Landes nehmen nur geringen Raum ein, während die größten Flächenanteile in den mittleren Lagen zu verzeichnen sind. Unter 100 m Meereshöhe liegt weniger als 1 % der Landesfläche, über 1 000 m liegen insgesamt nur etwa 1,5 % des Landes. Rund die Hälfte des Landes liegt im mittleren Bereich zwischen 400 und 700 m. Die größte Einzelklasse in einem 100-m-Höhenraster nimmt die Höhenlage von 400 bis 500 m ein, auf die ein knappes Fünftel entfällt.

Die beiden wichtigsten Positionen der insgesamt 3,6 Millionen ha des Landes sind nach den Angaben der Flächenerhebung die Landwirtschaftsfläche (1,6 Millionen ha) und die Waldfläche (1,4 Millionen ha). Davon werden im Rahmen der agrarstatistischen Erhebungen in landwirtschaftlichen Betrieben1 etwa 1,4 Millionen ha als landwirtschaftlich genutzte Fläche sowie rund 0,1 Millionen ha als Waldfläche erfasst. Im Hinblick auf die Verteilung nach Höhenlage wäre zu erwarten, dass in den höheren Lagen die landwirtschaftliche Nutzung zugunsten der Waldfläche zurücktritt. Im Übrigen sollte aber die landwirtschaftliche Flächennutzung in etwa der Verteilung der Landesfläche insgesamt entsprechen.

Tatsächlich bestätigen sich diese Erwartungen nur teilweise. In den Lagen über 700 m (und je höher desto deutlicher) liegt der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche wie erwartet unter dem jeweiligen Anteil der Landesfläche. Da der Siedlungs- und Verkehrsfläche in diesen Höhenlagen keine größere Bedeutung zukommt, ergibt sich die Gesamtfläche im Wesentlichen durch Wald. Auch in einem weiteren Punkt zeigt sich eine grundsätzliche Übereinstimmung in der Höhenverteilung zwischen der jeweiligen Landesfläche und der landwirtschaftlich genutzten Fläche: Die Flächenanteile nehmen von tieferen zu mittleren Höhenlagen zu und erreichen in der Höhenlage 400 bis 500 m ein Maximum. In der Verteilung selbst gibt es jedoch einen markanten Unterschied. Während für die Landesfläche vom tiefsten Punkt bis zur Maximalklasse eine kontinuierliche Zunahme und anschließend eine ebenso kontinuierliche Abnahme zu verzeichnen ist, weist die landwirtschaftlich genutzte Fläche einen diskontinuierlichen Verlauf auf. Im Bereich zwischen 300 und 400 m gibt es einen Einbruch im Vergleich zur entsprechenden Landesfläche.

Noch verwirrender wird das Bild mit Blick auf die Höhenlage der Betriebssitze. Man würde annehmen, dass die Betriebssitze – wenn sie schon nicht der Verteilung der Gesamtfläche folgen – sich wenigstens an der Verteilung der von ihnen bewirtschafteten Fläche orientieren. Tatsächlich bietet sich ein deutlich abweichendes Bild. Die Verteilung der landwirtschaftlichen Betriebe nach Höhenlage zeigt einen zweigipfligen Verlauf. Der erste Gipfel liegt zwischen 200 und 300 m, auf den ein Einbruch zwischen 300 und 400 m folgt. Auf diesen Einbruch wiederum folgt der zweite Gipfel zwischen 400 und 500 m. Im Bereich zwischen 200 und 300 m finden sich 19,1 % der landwirtschaftlichen Betriebe und im Bereich zwischen 400 und 500 m sind es 18,5 %. Im Bereich dazwischen (300 bis 400 m) sind es im Vergleich dazu deutlicher weniger: lediglich 11,5 %. Selbst in den nach oben oder unten an die beiden Gipfelklassen anschließenden Klassen (100 bis 200 m und 500 bis 600 m) gibt es mehr Betriebe als in der zwischen den Gipfeln liegenden Klasse.

Wie ist dieses paradox anmutende Verteilungsmuster nun zu erklären? Die Antwort gliedert sich in mehrere Teile, neben einem technisch-methodischen Aspekt gibt es siedlungsgeschichtliche wie agrarstrukturelle Erklärungsansätze.

Zum technisch-methodischen Teil: Die Berechnung der Landesfläche in 100-Höhenmeter-Schritten erfolgte mithilfe sogenannter Layer (Flächenschichten) für die einzelnen Höhenstufen.2 Da sich die verschiedenen Höhenlayer nahezu perfekt zur Landesfläche aufaddieren, wird diese Berechnung als hinreichend belastbare Referenz eingeschätzt. Für die landwirtschaftlichen Betriebe steht zunächst nur eine georeferenzierte Information zum Betriebssitz zur Verfügung, das heißt zu seiner geografischen Lage im Koordinatensystem. Die Bestimmung der Höhenlage erfolgt erst durch Verschneiden der Georeferenz mit den Layern (Schichten) für die einzelnen Höhenlagen. Die Höhenlage des Betriebssitzes ergibt sich aus der Höhenstufe des Layers, in dessen Fläche die Georeferenz liegt. Da die Layer nur in 100-m-Schritten definiert sind, kann auch die Höhenbestimmung nur auf 100 m genau erfolgen. Die Höhenbestimmung ist damit vergleichsweise unscharf. Es kommt hinzu, dass die Georeferenz nur für den Betriebssitz vorliegt und alle Angaben auf diesen einen Punkt bezogen werden, da keine georeferenzierten Informationen über die tatsächlichen bewirtschafteten Flächen vorliegen. Die Annahme, dass sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) der Betriebe im Hinblick auf die Höhenlage immer genauso verhält wie der Betriebssitz, ist in einer bewegten Topografie jedoch nicht zutreffend.

Zum siedlungsgeschichtlichen Teil: Viele Dörfer und Ortschaften sind entlang von Flussläufen oder in fruchtbaren Tallagen entstanden und haben sich von dort aus in die Breite (und Höhe) entwickelt. Die alten Siedlungskerne sind also vielfach in den tieferen Lagen der jeweiligen Gemarkung anzutreffen. In diesen Siedlungskernen ist trotz Aussiedlung und mannigfaltigem Strukturwandel die Landwirtschaft nach wie vor präsent. Dieses Verteilungsmuster ist daher auch heute noch erkennbar. In diesem Schaubild steht jeder Punkt für einen Betriebssitz, Klumpungen markieren Siedlungskerne, linienhafte Strukturen folgen Tallagen. Dieses schematisierte Bild lässt sich vielfach in der Realität erleben: ob im Kinzigtal oder im Remstal, am Stromberg oder im Kaiserstuhl, die Siedlungsstrukturen und damit die landwirtschaftlichen Betriebe folgen der Topografie. Landwirtschaftliche Betriebe (und damit ihre Betriebssitze) weichen durch diese Konzentration auf die tiefer liegenden Siedlungskerne allerdings von der Höhenverteilung ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen ab. In topografisch bewegten Gebieten dürften daher die Betriebssitze in der Regel tiefer liegen als die bewirtschafteten Flächen. Durch den Bezug der Flächen auf den Betriebssitz ergibt sich damit eine Verzerrung im Hinblick auf die tatsächliche Höhenlage. Bildhaft lässt sich dies an vielen Weinbaugemeinden illustrieren, die im Tal liegen, während die Weinberge die Hänge hinaufziehen. Daneben gibt es in Baden-Württemberg auch viele ebene Gebiete, in denen Höhenlage des Betriebssitzes und der bewirtschafteten Flächen weitgehend übereinstimmen dürften.

Zum agrarstrukturellen Erklärungsansatz: Die agrarstrukturelle Komponente verstärkt die durch die methodischen und siedlungsgeschichtlichen Vorgaben vorgezeichneten Abweichungen in den Verteilungskurven. Die Ausrichtung landwirtschaftlicher Betriebe ist Ergebnis einer standortspezifischen Anpassung, in der (auch) die natürlichen Standortbedingungen ihren Niederschlag finden. In höheren Lagen mit kühleren Temperaturen und ausgiebigen Niederschlägen dominiert die Grünlandnutzung, in gemäßigteren Lagen und bei ebenem bis welligem Gelände wird die Ackernutzung favorisiert, während sich der Anbau anspruchsvoller (Sonder-)Kulturen in tieferen Lagen konzentriert. Das gilt in Baden-Württemberg in besonderem Maße für den Weinbau, der sich zudem durch seine vergleichsweise kleinbetriebliche Struktur auszeichnet. Der durchschnittliche Weinbaubetrieb in Baden bewirtschaftet 14,6 ha LF, in Württemberg sind es 14,8 ha LF. Im Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg wird dagegen eine Fläche von 33,5 ha LF bewirtschaftet. Weinbaubetriebe sind also nicht besonders groß, dafür vergleichsweise zahlreich – und sie kommen fast ausschließlich in tieferen Höhenlagen vor. Die ausgeprägte Orientierung der Weinbaubetriebe an der Höhenlage bestätigt sich bei der Analyse der Betriebe mit und ohne Rebland. Rund 90 % der Betriebe mit Rebland konzentrieren sich im Höhenbereich zwischen 100 und 300 m. Allein im Bereich 200 bis 300 m liegen 60 % der Reblandbetriebe. Dieses Verteilungsmuster gilt im Übrigen nicht nur für Wein, sondern auch für manch andere Sonderkultur in zumindest ähnlichem Maß. Diese Massierung der Weinbaubetriebe hat zur Folge, dass die Verteilungskurve der übrigen Betriebe in diesem Höhenbereich relativ flach verläuft. Erst in der Addition der beiden Verteilungskurven ergibt sich schließlich dann das aus Schaubild 1c bekannte, zweigipflige Verteilungsmuster.

Die Verteilungskurve für die landwirtschaftlich genutzte Fläche mit dem sichtbaren, aber deutlich schwächeren Einbruch im Bereich zwischen 300 und 400 m, hängt unmittelbar mit der betrieblichen Verteilung zusammen. Die vielen Weinbaubetriebe ziehen die von ihnen bewirtschaftete LF in die entsprechende Höhenklasse. Da die Weinbaubetriebe aber vergleichsweise klein sind, ist der Effekt im Hinblick auf die Fläche weniger ausgeprägt als für die Betriebe.

Die gewonnenen Erkenntnisse werden durch eine Auswertung von allen landwirtschaftlichen Betrieben nach ihrer betriebswirtschaftlichen Ausrichtung bestätigt. Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung beschreibt den Produktionsschwerpunkt eines Betriebs und ergibt sich aus den Anteilen der verschiedenen Produktionszweige am Gesamtbetrieb. Ein Betrieb gilt als »Spezialbetrieb«, wenn mehr als zwei Drittel aus einem einzigen Produktions­zweig stammen. Als »Verbundbetriebe« werden die Betriebe ohne eindeutigen Produktionsschwerpunkt bezeichnet.

Unterschieden werden

  • Ackerbaubetriebe,
  • Gartenbaubetriebe,
  • Dauerkulturbetriebe,
  • Futterbaubetriebe (Weideviehbetriebe),
  • Veredlungsbetriebe und die
  • Verbundbetriebe.

Ackerbaubetriebe kommen vergleichsweise konstant in den unteren und mittleren Höhenlagen bis 600 m vor. Erst in den darüber liegenden Schichten geht ihre Zahl kontinuierlich zurück – ein Tribut an die mit der Höhe immer rauer und unwirtlicher werdenden Bedingungen.

Gartenbaubetriebe und Dauerkulturbetriebe haben ein ähnliches Verteilungsmuster. Das ist wenig überraschend, da sie ähnliche Anforderungen an die klimatischen Standortansprüche haben. Die Dauerkultur- und Gartenbaubetriebe haben ihr Maximum im Höhenbereich zwischen 200 und 300 m, bei den Dauerkulturbetrieben sind das im Wesentlichen die bereits angesprochenen Weinbaubetriebe. Die Dauerkulturbetriebe nehmen im Bereich zwischen 300 und 400 m deutlich ab, während über 400 Höhenmetern ihre Zahl plötzlich wieder zunimmt. Diese höher gelegenen Dauerkulturbetriebe haben ihren Schwerpunkt jedoch nicht im Weinbau, sondern im Obstbau. Praktisch der gesamte Bodenseeraum liegt über 400 m.

Nur eine Randerscheinung in tieferen Lagen ist der Futterbaubetrieb, der seinen Produktionsschwerpunkt in der Haltung von Rindern, Schafen oder Ziegen hat. Eine wesentliche Futtergrundlage ist die Nutzung von Grünland, das mit zunehmender Höhe (und Hängigkeit) immer häufiger vorkommt. Demzufolge steigt die Zahl der Futterbaubetriebe mit zunehmender Höhenlage. In den höchsten Lagen gibt es, soweit überhaupt noch landwirtschaftliche Nutzung anzutreffen ist, fast nur noch Futterbaubetriebe. Veredlungsbetriebe sind räumlich gesehen an der östlichen Landesgrenze vom Landkreis Schwäbisch Hall bis zum Alb-Donau-Kreis konzentriert. Das findet seine Entsprechung in einem gehäuften Auftreten dieser Betriebsform in Höhen zwischen 300 und 600 m. Gemischtbetriebe (Verbundbetriebe) gibt es praktisch in allen Höhenlagen, die eine vielfältigere Ausrichtung der Betriebe erlauben. Erst in den höchsten Lagen, wo die Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind, sind sie nur noch spärlich vertreten.

Fazit

Die Analyse agrarstatischer Daten in der dritten Dimension ist grundsätzlich möglich. Allerdings erlaubt die zur Verfügung stehende Technik nur eine Höhenauflösung in 100-m-Schritten, was zu einer Massierung der zahlenmäßig ­bedeutenden Weinbaubetriebe in wenigen Höhenschichten führt. Da die Fläche an den Betriebssitz gekoppelt ist, folgt die Flächenverteilung, wenn auch abgeschwächt, der Betriebsverteilung. Als Folge weichen die Verteilung der Gesamtfläche und der landwirtschaftlich genutzten Fläche deutlich voneinander ab. Eine gewisse Annäherung dürfte sich ergeben, wenn es gelänge, die Betriebssitze in einer feineren vertikalen Auflösung zu analysieren. Dafür steht derzeit aber kein Instrumentarium zur Verfügung. Aber auch mit einem feineren Werkzeug bliebe das Problem, dass die Fläche auf den Betriebssitz bezogen wird, ungelöst. Um dieses Problem zu lösen, wäre es nötig, von jedem einzelnen Flurstück die Bewirtschaftung und die Höhenangabe zu kennen. Das sind jedoch Informationen, die nicht zur Verfügung stehen. In der dritten Dimension sind daher die Analysepotenziale derzeit ziemlich begrenzt.

1 Im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 fand auch eine Erhebung in forstwirtschaftlichen Betrieben mit insgesamt 1,1 Millionen ha Waldfläche statt. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche in landwirtschaftlichen Betrieben.

2 Die Berechnungen selbst wurden dankenswerterweise von Referat 61 – Landesinformationssystem – mit Hilfe der Kartografiesoftware RegioGraph durchgeführt.