:: 9/2014

Badische Winzer und württembergische Weingärtner: Garanten für Qualität im Glas

Mit »Der Riesling wird Opfer des Klimawandels« ist ein Artikel in der Heidenheimer Neuen Presse vom 16. Juli diesen Jahres überschrieben. Nach Ansicht von Wissenschaftlern müsse demnach der Riesling als eine an die kühle Witterung gebundene Pflanze bei weiter ansteigender Durchschnittstemperatur im Südwesten um sein Überleben kämpfen. Andererseits gibt es Rebsorten wie Chardonnay, Sauvignon blanc und Merlot, die von dieser Entwicklung profitieren könnten. Mildere Winter und weniger Spätfröste haben deren Anbau in guten Lagen bei uns inzwischen ermöglicht.1 Die Anpassung an klimatische Veränderungen oder sich ändernde Geschmackstrends sind Gründe genug, die jüngste Rebflächenentwicklung an den Beginn des nachfolgenden Beitrags zu stellen.

Die baden-württembergischen Weinbaustandorte – dabei handelt es sich überwiegend um Steil-, Hang- und Terrassenlagen – liegen entlang des Rheins und am Neckar einschließlich seiner Nebenflüsse. Angesichts der räumlichen Konzentration überrascht es doch, dass in jeder vierten der 1 101 Gemeinden des Landes Flächen weinbaulich genutzt werden. Allerdings haben weniger als 50 Gemeinden auf ihren Gemarkungen Rebflächen von 200 und mehr Hektar (ha).

Die beiden Anbaugebiete im Südwesten, Württemberg und Baden, gliedern sich in insgesamt 14 Bereiche. Der kleinste, Württembergischer Bodensee, umfasst lediglich knapp 20 ha bestockter Rebfläche. Der größte, Württembergisch Unterland, deckt mit rund 9 140 ha bestockter Rebfläche vier Fünftel des Anbaugebiets Württemberg ab.

Die Bereiche ihrerseits wurden abgegrenzt, um größere Weinmengen unter einheitlichen Bezeichnungen vermarkten zu können. Vor diesem Hintergrund ist es kaum überraschend, dass in allen Bereichen einige wenige Rebsorten das jeweilige Anbauspektrum prägen. Entlang des Rheins in Baden ist dies zumeist der Spätburgunder, quasi ein Synonym für badischen Rotwein. Die Palette der weißen Rebsorten ist dort breiter gefächert. Stark vertreten sind Müller-Thurgau und Ruländer gefolgt von Weißem Burgunder und Riesling. Der Gutedel ist die Spezialität des Markgräflerlandes. Diese Rebsorte findet man in nennenswertem Umfang sonst nur in der Westschweiz unter der Bezeichnung Chasselas. In Württemberg, traditionell eher dem Rotwein zugeneigt, hat zumeist der Trollinger knapp vor dem Riesling die Nase vorn. Auf den weiteren Plätzen folgen Lemberger und Schwarzriesling.

Neuerungen im Rebsortiment setzen sich nur langsam durch

Änderungen im Weinbau, namentlich im Rebsortiment, setzen sich nur langsam durch. Die vergleichsweise hohen Investitionen bei Neuanpflanzungen2 bedingen schon aus wirtschaftlichen Gründen eine Nutzungsdauer von zumeist mindestens 25 Jahren. Neue Sorten werden peu à peu auf den Markt gebracht, weil auch die Konsumenten eher zu altbekannten Rebsorten greifen und sich für Neueres nur zögerlich begeistern. Hinzu kommen langwierige Prüfungen bei Neuzüchtungen. Ein Paradebeispiel hierfür liefert Acolon. Die rote Rebsorte wurde 1971 von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg aus den Rebsorten Lemberger und Dornfelder gekreuzt. Erst 2002, also über 30 Jahre später, erhielt sie vom Bundessortenamt die Zulassung und den Sortenschutz als Neuzüchtung. Acolon wurde danach in manchem württembergischen Wengert angepflanzt, stagniert in seiner Anbauentwicklung aber seit 2007 bei etwa 250 ha. Ein ähnliches Schicksal erfuhr Cabernet Mitos,3 wenngleich auf etwas niedrigerem Niveau (ca. 160 ha). Eine stetige Anbauausdehnung verzeichneten im Betrachtungszeitraum 2000 bis 2013 international bekannte, aber hierzulande noch wenig verbreitete Rebsorten wie Chardonnay und Sauvignon blanc. Ältere Rebsorten wie Samtrot und Dornfelder, die früher eher ein Nischendasein führten, konnten in den letzten Jahren auf dem Weinmarkt besser positioniert werden. Die Gewinner der letzten Jahre waren aber Lemberger (+568 ha), Ruländer (+531 ha), der zwischenzeitlich oftmals als Grauburgunder vermarktet wird, und Weißer Burgunder (+458 ha).

Bei im Land nahezu gleichbleibender Rebfläche muss es zwangsläufig auch Verlierer geben. Die größten Flächeneinbußen mussten zwar Müller-Thurgau (−1 745 ha), Riesling (−512 ha) und Kerner (−385 ha) hinnehmen; ihr Anbau hat sich aber Ende des vergangenen Jahrzehnts auf niedrigerem Niveau wieder stabilisiert. Silvaner (−294 ha) und Trollinger (einschließlich Muskat-Trollinger; −278 ha) mussten ebenfalls Federn lassen. Mit Ausnahme von Silvaner und Kerner zählen die vorgenannten Sorten (Müller-Thurgau, Riesling, Trollinger sowie Schwarzriesling) zusammen mit Weißem Burgunder und Spätburgunder, Gutedel, Lemberger und Ruländer aber nach wie vor zum exklusiven Kreis der neun Rebsorten, die im Land auf jeweils mehr als 1 000 ha angebaut werden.

Qualität geht vor Quantität

Seit vielen Jahren propagieren Anbauberater und Verbandsvertreter die Mengenreduzierung im Weinberg als wichtigsten Ansatz zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung des Lesegutes. Sie ist letztendlich Voraussetzung für hochwertige Weine im Glas. Der Mostanteil, der nach den gesetzlichen Regelungen über die Ausgangsmostgewichte nur zu Ausbau und Vermarktung als Qualitätswein berechtigt, ist in der Folge bis auf einen gewissen Sockel zurückgegangen. Der weitaus überwiegende Anteil der Weinmoste ist heutzutage in Württemberg und Baden für die Herstellung von Prädikatsweinen geeignet. Traditionell werden aber aus Marketinggesichtspunkten weniger Prädikatsweine und damit mehr Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete (Q.b.A.-Weine) hergestellt und vermarktet, letztere allerdings mit herausragenden Qualitätseigenschaften in diesem Marktsegment. Denn zahlreiche Winzer-(Weingärtner-) genossenschaften setzen vor der Lese die Mindestmostgewichte herauf und erhöhen damit ihre Qualitätsanforderungen an das Lesegut.

Zugleich schwanken die Erntemengen nur noch in einem vergleichsweise engen Korridor. In Baden kann üblicherweise mit einer Erntemenge von 1,1 bis 1,4 Millionen Hektoliter (Mill. hl) Weinmost, in Württemberg von 1,0 bis 1,3 Mill. hl gerechnet werden.

2013: Zweitkleinster Weinherbst der letzten 10 Jahre

Die Abhängigkeit von Petrus wurde den Winzern und Weingärtnern 2013 wieder einmal eindrucksvoll vor Augen geführt. Der lange Winter 2012/13, Verrieselungsschäden bedingt durch das schlechte und kalte Wetter während der Blüte und verbreitet Hagelereignisse hatten die Ertragserwartungen schon frühzeitig gedämpft. Die anhaltende Nässe im Herbst bei zugleich milden Temperaturen begünstigte schließlich die Fäulnisentwicklung an den Trauben. Die zudem gebietsweise stark unterschiedliche Beerenentwicklung innerhalb des gleichen Rebstocks oder sogar der gleichen Traube machte eine differenzierte Lese mit besonderer Sorgfalt und mehreren Durchgängen erforderlich, damit dennoch nur einwandfreie Qualitäten den Weg in die Keller fanden.

Die für den Verkauf bestimmte Menge aus der baden-württembergischen Weinmosternte 2013 beläuft sich auf 2 Mill. hl, wovon 859 000 hl auf Weiß- und 1,14 Mill. hl auf Rotmost entfallen. Sie ist damit nach 2010 (1,87 Mill. hl) die zweitkleinste Weinmosternte der letzten 10 Jahre im Land und entspricht von der Menge her dem Ergebnis von 2003. Damit wurde der Zehnjahresdurchschnitt 2003/2012 (2,35 Mill. hl) um 15 % und das Ernteergebnis von 2012 (2,31 Mill. hl) um 13,5 % unterschritten. Zur Landesernte trugen die württembergischen Weinbaubereiche bei einem durchschnittlichen Ertrag von 82 hl je Hektar (hl/ha) mit 919 000 hl (2003/2012: 1,10 Mill. hl) und die badischen Weinbaubereiche bei einer Flächenleistung im Mittel aller Rebsorten von 70 hl/ha mit 1,08 Mill. hl (2003/2012: 1,25 Mill. hl) bei.

Auch bei den einzelnen Rebsorten bestehen ausgeprägte Ertragsunterschiede. Allerdings kommt hinsichtlich der Erntemengen mit den Rebflächenentwicklungen ein weiterer, meist entscheidenderer Faktor hinzu. An Weißmosten wurden in Baden insgesamt 644 000 hl geherbstet, 10,2 % weniger als im langjährigen Mittel. Insbesondere Riesling (−31,3 %) und Gutedel (−11,8 %) verzeichneten Rückgänge. Die rückläufige Erntemenge bei Müller-Thurgau (−9,3 %) war einzig der Anbaueinschränkung geschuldet. Sowohl der Ruländer (−4,6 %) als auch der Weiße Burgunder (+1,4 %) profitierten dagegen vom positiven Anbautrend und konnten so Ertragsausfälle zumindest teilweise kompensieren. An Rotmosten konnten im Anbaugebiet Baden 434 000 hl, darunter 360 000 hl Spätburgunder geherbstet werden. Gegenüber den langjährigen Durchschnitten bedeutete dies Einbußen um 18 bzw. 20 %.

In Württemberg wurde 17,3 % weniger an Rotmosten (704 000 hl) als im Mittel der Jahre 2003/2012 eingebracht. Insbesondere der Trollinger (−26,9 %) und der Schwarzriesling (−21,5 %) waren rückläufig. Der Lemberger (−13,8 %) und der Spätburgunder (−8,6 %) konnten die Mindererträge infolge der stabilen Anbauentwicklung etwas abmildern. Bei den Weißmosten (215 000 hl; −14,8 %) im württembergischen Anbaugebiet wurden die langjährigen Durchschnittsernten ebenfalls verfehlt, so beispielsweise beim Riesling mit einem Minus von 17,9 %.

23 Liter heimischer Wein je Erwachsener in Baden-Württemberg produziert

Die Kellermeister in Württemberg und Baden bereiteten aus der Weinmosternte 2013 insgesamt 1,99 Mill. hl Wein. Zum Vergleich: Rein rechnerisch entfallen beim Weinjahrgang 2013 – das sind 199 Mill. Liter Wein – auf jeden der 8,74 Mill. Einwohner4 im Südwesten im Alter von über 18 Jahren knapp 23 Liter Wein. Das entspricht rund 30 Flaschen à 0,75 Liter.

In »normalen« Jahren wird ein Fünftel bis ein Viertel der Weinmenge aus heimischer Erzeugung als Prädikatsweine (zum Beispiel Kabinett, Spätlese) vermarktet. Lediglich in herausragenden Spitzenjahrgängen wie 2003 (65 %) und 1997 (40 %) entfallen deutlich größere Anteile auf dieses Segment.

1 Hartmann, Anette: »Württembergischer Trollinger und badischer Spätburgunder«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2009«, S. 32 ff.

2 Die Kosten einer Neuanlage belaufen sich auf ca. 25 000 Euro je Hektar. Hinzu kommen etwa 850 Arbeitsstunden für die Erstellung einer Junganlage bis zum 3. Standjahr.

3 Die Kreuzung der Sorten Blaufränkisch und Teinturier du Cher wurde 1970 von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg vorgestellt. Der Sortenschutz wurde am 24.01.2001 beim Bundessortenamt bewilligt.

4 Stand: Bevölkerungsfortschreibung zum 31.12.2012 auf Basis des Zensus 2011.