:: 9/2014

Entwicklung der Nahrungsmittelpreise in Baden-Württemberg

Die Preise für Nahrungsmittel stehen häufig im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und gelten als ein Spiegelbild der allgemeinen Preisentwicklung. Ein besonderes Merkmal stellen dabei die kurzfristigen Preisschwankungen dar. Allerdings ist die Bedeutung der Nahrungsmittel für die Haushaltsbudgets der Verbraucher in Deutschland signifikant zurückgegangen.

Die Preisentwicklung für Nahrungsmittel wird nach wie vor mit großer Sensibilität in der Öffentlichkeit verfolgt. Ein Grund mögen die Erfahrungen mit extremen Inflationen in der jüngeren Geschichte in Deutschland sein, bei denen das Geld teilweise in kürzester Zeit faktisch wertlos wurde, während sich Nahrungsmittel zu einem kostbaren Gut entwickelten. Auch die Erkenntnis, dass steigende Nahrungsmittelpreise Haushalte mit niedrigem Einkommen besonders treffen, mag dabei eine Rolle spielen. Demgegenüber haben allerdings die Nahrungsmittelpreise in den Haushaltsbudgets der durchschnittlichen privaten Haushalte und damit bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex nicht mehr die frühere Bedeutung inne. Während zu Beginn der 1950er-Jahre noch etwa 50 % der privaten Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke (einschließlich Tabakwaren) aufgewendet wurden, liegt deren Anteil derzeit (2014) bei noch 14 %. Dabei entfallen auf Nahrungsmittel 9,1 %.

Um die Teuerungsrate korrekt darstellen zu können, werden die im Verbraucherpreisindex einbezogenen Güter entsprechend der Verbrauchsbedeutung im »Statistischen Warenkorb« gewichtet. Dies gilt demgemäß auch für den Bereich der Nahrungsmittel. Das größte Gewicht im Nahrungsmittel-Warenkorb hat dabei der Bereich »Fleisch und Fleischwaren« mit einem Anteil von 2,1 % am Gesamtwarenkorb, gefolgt von den »Brot und Getreideerzeugnissen« mit 1,7 %. Den geringsten Anteil haben die »Speisefette und -öle« mit 0,3 %. Die Abgrenzungen machen jedoch in manchen Fällen Kompromisse bei der Zuordnung erforderlich. So ist beispielsweise Butter dem Bereich »Speisefette und -öle« zugeordnet, selbst wenn es sich dabei auch um ein Molkereiprodukt handelt. Auch umfasst der Bereich »Gemüse« nicht nur Frischgemüse, sondern auch Tiefkühlkost (zum Beispiel Pommes frites) und Konservengemüse.

Starke Preisschwankungen in den letzten Jahren

Die Preisentwicklung für Nahrungsmittel und Getränke unterlag in den vergangenen Jahren starken Schwankungen, die deutlich vom Gesamtverlauf der Teuerungsrate in Baden-Württemberg abwichen. Die möglichen Gründe für den volatilen Verlauf sind vielschichtig. Abhängigkeiten von Ernten und den Entwicklungen auf den Weltmärkten spielen genauso eine Rolle wie die Kostenentwicklung in der Landwirtschaft. Auch die zunehmende Verwendung von agrarischen Flächen für die Erzeugung von Rohstoffen zur Energiegewinnung sowie der Einfluss des Handels bei den Verhandlungen über die Einkaufspreise sind zu beachten. Diese Gemengelage sorgte insbesondere 2008 für einen erheblichen Preisschub bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken mit einem Anstieg im August 2008 von 7,8 % zum Vorjahresmonat. Im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise gaben dann auch die Nahrungsmittelpreise deutlich nach. Ihren Tiefpunkt erreichte die Entwicklung im Oktober und Dezember 2009 mit Preisrückgängen von jeweils 3,4 %. Erst im Juli 2010 drehte die Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken wieder dauerhaft ins Plus. 2011 verlief die Entwicklung einigermaßen im gleichen Takt wie die Gesamtentwicklung, wobei die Inflationsrate 2011 mit jahresdurchschnittlich 2,1 % auf einem insgesamt hohen Niveau lag. Dieser Verlauf hielt auch 2012 an. 2013 war es dann der ungünstige Witterungsverlauf, der zu Ernteverlusten und verzögerungen führte und damit die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke stark verteuerte. Insbesondere im Juli 2013 zogen hier die Preise wieder massiv an (+5 %). Erst zum Jahresende kamen die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke wieder in ruhigeres Fahrwasser. Im Mai 2014 (−0,1 %) waren sie dann erstmals seit Juli 2010 wieder rückläufig, wobei dies in erster Linie als eine Normalisierung einiger Nahrungsmittelpreise nach den starken Anstiegen im Jahr 2013 einzustufen ist.

Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln stärker als Gesamtentwicklung

Grundsätzlich ist bei einer Betrachtung der Teuerungsrate für Nahrungsmittel über mehrere Jahre zu bedenken, dass diese teilweise ausgeprägten Schwankungen unterliegen. Je nach Betrachtungszeitraum können daher merkliche Ausschläge auftreten. Allgemein lässt sich dennoch erkennen, dass seit 2010 der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln deutlich stärker ausfiel als bei den Verbraucherpreisen insgesamt. Im Zeitraum von 2010 bis 2013 lag der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln bei 9,8 % und war damit deutlich stärker als die allgemeine Preisentwicklung (5,3 %). Noch höher lag allerdings der Anstieg bei den alkoholfreien Getränken (11,8 %), während die Preise für alkoholische Getränke sich moderater entwickelten (3,2 %). Der Anstieg bei den Nahrungsmittelpreisen beruht dabei auf der starken Zunahme in den Jahren 2012 (3,6 %) und 2013 (4,6 %). Dagegen lag in den beiden Jahren zuvor die Preissteigerung unter der Gesamtentwicklung.

Den stärksten Anstieg bei den Nahrungsmitteln zwischen 2010 und 2013 erfuhren die Speisefette und -öle mit einem Plus von 16,6 %. Auch bei Obst sowie bei Fleisch und Fleischwaren zogen die Preise im Betrachtungszeitraum spürbar an (jeweils 13,1 %). Bei Obst verteuerten sich insbesondere Äpfel mit 25,7 % erheblich. Dagegen fiel bei Gemüse der Preisanstieg nicht ganz so stark aus: Im Vergleich zu 2010 stiegen hier die Preise 2013 lediglich um 3,8 %. Einige Gemüsesorten wie Gurken (−8,5 %) und Tomaten (−6,3 %) waren dabei 2013 im Jahresschnitt günstiger als 2010. Der erhebliche Anstieg bei alkoholfreien Getränken beruhte auch auf einem starken Preisauftrieb bei Fruchtsäften (ohne Zitrusfruchtsäfte) mit fast 25 % und Bohnenkaffee mit 21 %. Bei den alkoholischen Getränken verteuerte sich im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 Wein um 5,9 %. Bier wurde um 1,6 % teurer.

Starke Schwankungen bei Molkereiprodukten, Obst und Gemüse

Die Entwicklung der Preise für Molkereiprodukte1 zeigt exemplarisch die Dynamik bei Nahrungsmitteln in den letzten Jahren auf. Molkereiprodukte nehmen bei der Preispolitik der Handelsketten für Lebensmittel gerne eine besondere Rolle ein. Insbesondere Preissenkungen werden offensiv vermarket und fordern die Wettbewerber auf, entsprechend nachzuziehen. Zugleich haben die Lieferkontrakte mit den Molkereien eine mehrmonatige Laufzeit, sodass neu ausgehandelte Konditionen sich zunächst verzögert, dann aber teilweise deutlich auf den Endverbraucherpreis auswirken. Die Jahre 2009 und 2010 waren dabei von pressewirksamen Rabattschlachten der Discounter und Supermärkte bei Lebensmitteln allgemein geprägt. Begünstigt durch die Folgen der allgemeine Finanz- und Wirtschaftskrise sollen nach Medienberichten die Preise für ausgewählte Nahrungsmittel 2009 in etwa zwölf Runden, 2010 in mindestens acht gesenkt worden sein. Dementsprechend waren auch die Preise für Molkereiprodukte 2010 zunächst günstiger als im Vorjahr.

Dagegen führte 2011 eine veränderte Marktlage aufgrund schlechterer Ernten und gestiegener weltweiter Nachfrage zu einem Ende dieser Entwicklung und ließ die Preise deutlich ansteigen. Insbesondere Speisefette und -öle verteuerten sich teilweise massiv wie zum Beispiel im April 2011 um über 17 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Diese Phase erfuhr dann im Mai 2012 eine abrupte Kehrtwende, als aufgrund geänderter Lieferverträge für den Lebensmitteleinzelhandel die Preise für Molkereiprodukte deutlich ins Minus rutschten. Doch bereits ein halbes Jahr später wendete sich wieder das Marktgeschehen, seitdem zogen die Preise deutlich an. Der lange Winter und die kalte Witterung im 1. Halbjahr 2013 sowie eine gestiegene Auslandsnachfrage ließen die Preise für Molkereiprodukte und Speisefette und -öle auch 2013 deutlich steigen. Ab dem 2. Halbjahr 2013 lagen die Preissteigerungen zeitweise bei der Marke von 10 %. Erst im Frühjahr 2014 ging der Preisauftrieb bei Molkereiprodukten leicht zurück.

Auch die Preise für Obst und Gemüse unterlagen in den vergangenen Jahren deutlichen Preisschwankungen. Stärker noch als bei Molkereiprodukten sind dabei monatliche Preissprünge insbesondere zum Jahresende nicht unüblich. Mit über 17 % legten dabei die Gemüsepreise zum Jahresende 2010 außerordentlich kräftig zu. Teilweise ist dies als Reaktion auf die starken Preisrückgänge im Vorjahresmonat zu sehen. Im Jahresverlauf 2011 drehten die Preise für Gemüse dann deutlich ins Minus. Ein Grund war die EHEC-Epidemie im Sommer dieses Jahres, die bestimmte Gemüsesorten wie Gurken (−22 % im Juni 2011) oder Blattsalate (−27,5 %) zeitweilig nahezu unverkäuflich machte. Erst im Juni 2012 drehten dann sowohl bei Obst als auch bei Gemüse die Verbraucher­preise wieder dauerhaft ins Plus. 2013 war es dann die anhaltende kalte und nasse Witterung, die zu schlechteren Ernten bei Obst und Gemüse führte. Unter anderem zog der Kartoffelpreis massiv (32,7 % im Jahresschnitt 2013) an. Im 1. Halbjahr 2014 bewirkten dann der günstige Witterungsverlauf und frühe Ernten ­fallende Preise bei Obst und Gemüse.

Abgeschwächte Preisentwicklung in der 1. Jahreshälfte 2014

In der 1. Jahreshälfte 2014 hat sich der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln mit einem Plus von 1,7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum etwas abgeschwächt. Allerdings lag er immer noch deutlich höher als die Teuerungsrate insgesamt (+1 %). Einen starken Preisauftrieb verzeichneten dabei Molkereiprodukte (einschließlich Eier) mit einem Plus von 8,9 %. Allerdings war hier zuletzt die Tendenz leicht fallend. Während im Januar der Preisanstieg für diese Nahrungsmittelgruppe noch bei 10 % lag, belief er sich im Juni 2014 auf 7,2 %. Auch für Speisefette und -öle mussten die Verbraucher im 1. Halbjahr 2014 deutlich mehr bezahlen (6 %). Erste Preissenkungen der Discounter für Butter haben hier dafür gesorgt, dass der Preisauftrieb im Verlauf des 1. Halbjahres spürbar nachgelassen hat. Ebenfalls gesenkt wurden die Preise für bestimmte Fleischprodukte, weshalb hier ein leichter Preisrückgang zu verzeichnen war (−0,4 %). Der günstige Witterungsverlauf im Frühjahr hat dagegen Preisrückgänge bei Gemüse bewirkt (−2,5 %). Die Preise für Obst gingen mit −0,5 % moderat zurück. Bei den alkoholfreien Getränken gaben die Preise um 0,7 % nach. Insbesondere Bohnenkaffee (−3,3 %) wurde spürbar günstiger und auch Cola-Getränke wurden billiger. Angezogen haben dagegen die Preise für alkoholische Getränke mit 2,2 %. Insbesondere der Bierpreis ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich angestiegen (+2,8 %). Inwiefern dabei die Fußballweltmeisterschaft, die in der Vergangenheit gerne auch eine Sonderkonjunktur für die Bierbrauereien bewirkte, diesmal eine Rolle spielte, kann jedoch nicht beurteilt werden. Der Bierpreis jedenfalls hat im Juni 2014 wieder leicht nachgegeben.

1 In der folgenden Betrachtung der Preise für Molkereiprodukte sind aus methodischen Gründen die Preise für Eier mit eingeschlossen.