:: 10/2014

Die neue Statistik zu Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit

Eine Herausforderung für die amtliche Statistik

Die Kinder- und Jugendarbeit ist ein zentrales Politikfeld auf Landes-, Kreis- und Gemeindeebene. Um dabei sicher planen und entscheiden zu können, sind aktuelle und aussagekräftige Daten eine unverzichtbare Grundlage. Darüber hinaus ist die Arbeit der vielen im Bereich Jugendarbeit hauptberuflich, aber auch ehrenamtlich Tätigen es wert, umfassend erfasst und transparent gemacht zu werden. Dafür wurde von der amtlichen Statistik in enger Zusammenarbeit mit Jugendverbänden, Jugendämtern, Politik und Forschung eine neue Statistik entwickelt, die zum ersten Mal für das Berichtsjahr 2015 zum Einsatz kommen wird.

Jugendarbeit: Ein weites, buntes Feld an Aktivitäten und Akteuren

Jugendarbeit soll junge Menschen zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.1 Diesem Ziel können die unterschiedlichsten Maßnahmen und Angebote dienen. Dazu gehören Aktivitäten von Jugendgruppen, Jugendzentren oder -treffs, Spielmobile, Ferienangebote und -freizeiten, internationaler Jugendaustausch, theater-, medien- oder erlebnispädagogische Angebote, kulturelle Veranstaltungen, Kurse und Workshops, bis hin zu Großevents wie zum Beispiel der Weltkindertag. Diese Aufzählung ist bei Weitem nicht abschließend.

Genauso vielfältig wie die Angebote selbst ist auch die Trägerstruktur. In der Kinder- und Jugendarbeit sind nicht nur öffentliche Träger wie Jugendämter und Kommunen tätig, sondern auch sehr viele freie Träger. Zu Letzteren gehören die Kirchen und großen Verbände ebenso wie die nicht verbandlich organisierten lokalen freien Träger vor Ort. Die Arbeitsgemeinschaft der Kreisjugendreferentinnen und Kreisjugendreferenten im Landkreistag und der Stadtjugendreferentinnen und Stadtjugendreferenten im Städte- und Gemeindetag hat den Versuch unternommen, einen Überblick über die Strukturen der Jugendarbeit in Baden-Württemberg zu geben.2 Ihre Darstellung findet sich in Übersicht 1.

Jugendarbeit und Statistik: Kein einfaches Verhältnis

Diese Heterogenität der Angebote und Träger stellt eine statistische Erfassung der Jugendarbeit vor große Herausforderungen. Zum einen ist es eine sehr aufwändige Arbeit, den Berichtskreis abzugrenzen und die Kontaktdaten derer zu ermitteln, die auf den unterschiedlichen Ebenen Auskunft geben sollen. Zum anderen hat ein Teil der Auskunftspflichtigen aus unterschiedlichsten Gründen Vorbehalte gegenüber statistischen Erhebungen, die sich unter Umständen auch im Datenrücklauf und der Datenqualität niederschlagen können.3 Vor allem ehrenamtlich Tätige fühlen sich häufig durch Erhebungen zu stark belastet. Dennoch ist eine empirische Beobachtung des Feldes der Jugendarbeit unumgänglich, wenn man es für Praxis, Politik und Wissenschaft sichtbar machen möchte.

Die Mängel der »alten« Maßnahmenstatistik

Die bis zum Jahr 2008 alle 4 Jahre durchgeführte Statistik der Maßnahmen der Jugendarbeit konnte allerdings den Anspruch auf eine aktuelle und aussagekräftige Datengrundlage für die Jugendarbeit nicht mehr erfüllen. Sie erfasste die während des Berichtsjahres durchgeführten Maßnahmen der Kinder- und Jugenderholung, der außerschulischen Jugendbildung, der internationalen Jugendarbeit und der Mitarbeiterfortbildung freier Träger. Erhoben wurden nur Maßnahmen mit einem festen Teilnehmerkreis, die ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden. Damit wurden zentrale Teile der Jugendarbeit wie zum Beispiel die »normalen« Gruppenangebote in der Jugendverbandsarbeit oder die Angebote der offenen Jugendarbeit gänzlich außer Acht gelassen.4

Im Rahmen der früheren Erhebung wurden für jede Maßnahme Daten zur Art des durchführenden Trägers, zur Dauer, zu Anzahl und Geschlecht der Teilnehmenden sowie – speziell bei Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit – zum Durchführungsort der Maßnahme, zum Partnerland der internationalen Begegnung sowie zur Nationalität der Teilnehmenden erhoben. Die Möglichkeiten zur Auswertung der erhobenen Daten war entsprechend begrenzt, sodass das Datenmaterial, das die amtliche Statistik über die Kinder- und Jugendarbeit bisher bereitstellen konnte, sowohl von Seiten der Wissenschaft, aber auch der Politik als unzureichend betrachtet wurde.5

Schließlich setzte der Bundesgesetzgeber die Erhebung der öffentlich geförderten Maßnahmen für das Berichtsjahr 2012 aus und legte im Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe6 durch eine entsprechende Änderung des SGB VIII, die zum 1. Januar 2014 in Kraft trat, eine neue gesetzliche Grundlage für die Statistik der Jugendarbeit. Der Änderung des SGB VIII vorausgegangen war dabei ein reger Austausch zwischen Politik, amtlicher Statistik, Wissenschaft und Praxis.7

Der neu konzipierte Berichtskreis

Die neue Statistik der Jugendarbeit beruht – wie alle anderen Kinder- und Jugendhilfestatistiken auch – auf den §§ 98 bis 103 SGB VIII. Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben werden nicht alle in der Jugendarbeit Aktiven befragt. Herangezogen werden alle öffentlichen und freien anerkannten Träger der Jugendhilfe. Die Jugendarbeit nicht anerkannter Träger findet also in der Statistik keinen Niederschlag.

Eine zweite Begrenzung erfährt der Berichtskreis dadurch, dass nur dann zur Statistik gemeldet wird, wenn öffentliche Fördermittel fließen. Neu ist dabei, dass nicht nur eine maßnahmenbezogene Förderung, sondern auch eine pauschale Angebotsförderung sowie eine Basisförderung der Träger zu einer Berücksichtigung in der Statistik führt.8 Dabei ist zu beachten, dass es in der Praxis nicht nur verschiedene Förderungsgeber und Fördertöpfe gibt, sondern auch eine Vielzahl von Förderungsarten (Übersicht 2).

Ein drittes Kriterium ist die Begrenzung auf die Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII. Die Definition der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII ist relativ offen. Die Angebote der Jugendarbeit sollen der Förderung der Entwicklung junger Menschen dienen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. § 11 (3) SGB VIII nennt folgende Schwerpunkte der Jugendarbeit:

  1. außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
  2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
  3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
  4. internationale Jugendarbeit,
  5. Kinder- und Jugenderholung,
  6. Jugendberatung.

Diese Aufzählung hat allerdings exemplarischen Charakter und ist nicht abschließend zu verstehen. Daher bleibt ein gewisser Ermessensspielraum bei der Entscheidung, was in die Statistik aufgenommen werden soll und was nicht.

Im Hinblick auf die Jugendarbeit der Kirchen gilt, dass Angebote, die der reinen Religionsausübung dienen, nicht erfasst werden sollen. Ähnliches gilt für den Bereich des Sports. Angebote, die ausschließlich der sportlichen Ertüchtigung dienen, sollen ebenfalls nicht erfasst werden. Im Einzelfall bleibt auch hier ein gewisser Interpretationsspielraum bestehen.

Nicht in die Statistik aufgenommen werden sollen außerdem Angebote der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII, bei der jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern. Da bei konkreten Angeboten in der Praxis die Übergänge zwischen Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit teilweise fließend sind, wird eine trennscharfe Abgrenzung voraussichtlich auch hier nicht immer möglich sein.

Vor diesem Hintergrund soll mit der neuen Jugendarbeitsstatistik die Kinder- und Jugendarbeit in ihrer Ausdehnung, Reichweite und Ausdifferenzierung möglichst gut sichtbar gemacht werden, ohne dabei den Anspruch zu erheben, die Heterogenität des Arbeitsfeldes umfassend darzustellen oder die Wirklichkeit eins zu eins abbilden zu können.9

Angebotsdimensionen und Merkmale der neuen Jugendarbeitsstatistik

Die neue Statistik zur Jugendarbeit berücksichtigt folgende Angebotsebenen der Kinder- und Jugendarbeit:

  • offene Angebote, wie zum Beispiel Jugendzentren oder Jugendtreffs,
  • gruppenbezogene Angebote, wie zum Beispiel Aktivitäten von Jugendgruppen unterschiedlicher Verbände sowie
  • Veranstaltungen und Projekte, wie zum Beispiel Ferienangebote, Freizeiten oder Projekte der internationalen Jugendarbeit.

Der Merkmalskatalog der neuen Statistik zu Angeboten der Jugendarbeit wurde im Vergleich zur früheren Maßnahmenstatistik deutlich erweitert. Neu sind vor allem Angaben zu den Themenschwerpunkten des Angebots, zum Durchführungsort, zu Alter und Geschlecht der Teilnehmer oder Besucher, zu Dauer und Häufigkeit des Angebots, zu einer möglichen Kooperation mit Schulen sowie zu den tätigen Personen.

Ein erster Test für Baden-Württemberg

Zur Entwicklung eines Fragebogens wurde ebenfalls in Workshops, Arbeitsgruppen und Fachtagungen auf das breite Wissen aus Wissenschaft und Praxis zurückgegriffen. Außerdem wurde ein Prototyp des Fragebogens von ausgewählten Trägern in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg getestet.

In Baden-Württemberg waren am Test die Jugendämter des Rems-Murr-Kreises und des Zollernalbkreises, das Evangelische Jugendwerk in Württemberg sowie die Badische Sportjugend beteiligt. So wurde die Berichtskreisfeststellung für die von den Jugendämtern selbst anerkannten freien Träger der Jugendhilfe im Rems-Murr-Kreis und im Zollernalbkreis getestet ebenso wie die Bereitstellung der Angaben für die landesweit tätigen anerkannten freien Träger durch das Landesjugendamt sowie das Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg. Der Fragebogenentwurf wurde von einzelnen Testpartnern, die die Jugendämter des Rems-Murr-Kreises und des Zollernalbkreises sowie das Evangelische Jugendwerk in Württemberg vermittelt hatten, getestet. Außerdem wurden in Zusammenarbeit mit der Badischen Sportjugend die Möglichkeiten einer Sammelmeldung durch einen Dachverband ausgelotet.

Als Ergebnis des Tests in Baden-Württemberg ergaben sich für die verschiedenen Angebotsebenen vergleichsweise hohe Zustimmungswerte – fast 90 % und auch deutlich mehr – hinsichtlich der sprachlichen Verständigkeit der Erhebungsmerkmale, der inhaltlichen Nachvollziehbarkeit und der Vollständigkeit der Merkmalsausprägungen. Etwas schlechter fiel die Beurteilung der Praktikabilität aus. Dazu ist allerdings anzumerken, dass der Test anhand von Papierbögen erfolgte, während für die künftige Durchführung der Statistik jedoch ein Online-Fragebogen im Rahmen der Internet-Datenerhebung im Verbund (IDEV) der Statistischen Ämter vorgesehen ist. Dort kann die Auswahl einzelner Merkmalsausprägungen noch einfacher und übersichtlicher gestaltet werden.

Zum Teil wiesen die Testpersonen auf Schwierigkeiten bei der Angabe der Rechtsform des Trägers, bei der Angabe des Durchführungsortes (wenn eine Maßnahme an unterschiedlichen Orten angeboten wurde), bei der Abgrenzung von mobiler Jugendarbeit als Teil der Jugendsozialarbeit sowie bei der Abgrenzung der Stammbesucher von offenen Angeboten hin. Darüber hinaus konnten die Testpartner durch persönliche Kommentierungen wichtige Hinweise zur Verbesserung des Fragebogens geben, etwa Ergänzungsvorschläge zu den Schlüsseln der thematischen Schwerpunkte.

Start der neuen Statistik der Jugendarbeit 2015

Zum ersten Mal werden die Daten für das Jahr 2015 erhoben, und zwar rückwirkend am Jahres­ende für alle im vergangenen Jahr durchgeführten Angebote. Danach wird die Statistik alle 2 Jahre wiederholt. Wenn Träger verschiedene Angebote über das Jahr hinweg durchführen, ist es wichtig, dass sie schon laufend die notwendigen Daten notieren.

Erste Ergebnisse der neuen Statistik der Kinder- und Jugendarbeit werden für Ende 2016 erwartet. Die Ergebnisse werden auf Landes- und Kreisebene im Internetauftritt des Statistischen Landesamtes und im Rahmen von Pressemitteilungen veröffentlicht. Es wird aber auf Anfrage und unter Beachtung der Vorschriften zur Geheimhaltung auch möglich sein, Auswertungen auf Ebene der Gemeinden zu erhalten. Über das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter werden die Daten in anonymisierter Form auch der Wissenschaft zur Verfügung stehen.

1 Definition von Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII.

2 Komm,A, Kommunale Jugendarbeit in Baden-Württemberg: http://kommja.jimdo.com/angebote/arbeitshilfen/ [Abruf: 25.9.2014].

3 Vergleiche dazu auch: Pothmann, Jens: Die Sichtbarkeit der Kinder- und Jugendarbeit durch statistische Erhebungen, www.statistik-ev-bw.de/wp-content/uploads/2013/04/2012-12-07-Forum-Statistik-Referat-Dr-Jens-Pothmann.pdf [Abruf: 25.9.2014].

4 Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik: Amtliche Statistik zur Kinder- und Jugendarbeit, www.jugendarbeitsstatistik.tu-dortmund.de/index.php?id=125/ [Abruf: 25.9.2014].

5 Vergleiche etwa Rauschenbach, Thomas u.a.: Lage und Zukunft der Jugendarbeit in Baden-Württemberg, Eine ­Expertise; Dortmund, Frankfurt, Landshut, München, März 2010, S. 21 ff. und Landtag von Baden-Württemberg: 45. Landesjugendplan für das Haushaltsjahr 2013/2014, Landtags-Drucksache 5/2564, S. 12 ff.

6 Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe – Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz, BGBl. I 2013, S. 3464, in Kraft getreten am 01.01.2014.

7 Zur Entwicklung der neuen Statistik vergleiche auch Pothmann, Jens u.a.: Neue amtliche Statistik für die Kinder- und Jugendarbeit – Einblicke in die Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes für die Kinder- und ­Jugendhilfestatistik, in: Forum Jugendhilfe 1/2013, S. 34–37.

8 Dies soll vor allem für die offenen Angebote und die Gruppenangebote gelten.

9 Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik: Amtliche Statistik zur Kinder- und Jugendarbeit, www.jugendarbeitsstatistik.tu-dortmund.de/index.php?id=125 [Abruf: 25.9.2014].