:: 10/2014

Baden-Württemberg mit drei Regierungsbezirken unter den wirtschaftsstärksten EU-Regionen

Der Südwesten ist in der Spitzengruppe der wirtschaftsstärksten Regionen der Europäischen Union (EU) gut vertreten. Mit Stuttgart, Karlsruhe und Tübingen zählten 2011 insgesamt drei Regierungsbezirke im Land zu den Regionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft. Hierzu rechnet das Statistische Amt der Europäischen Union jene Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner unter Berücksichtigung der jeweiligen Kaufkraft den EU-Durchschnitt um mindestens 25 % überschreitet. Von den insgesamt 272 NUTS 2-Regionen der EU28 hatten 41 Regio­nen ein BIP pro Kopf von über 125 % des EU-Durchschnitts.

Regionale Wirtschaftskraft in der EU zwischen 3 200 Euro bis zu 86 000 Euro je Einwohner

Nach den vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlichten Daten zur Wirtschaftsleistung bzw. zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 20111 für die insgesamt 272 sogenannten NUTS 2-Regionen2 der 28 EU-Mitgliedstaaten – in Baden-Württemberg sind dies die vier Regierungsbezirke – ergab sich eine relativ große Spannweite des BIP je Einwohner von 3 200 Euro bis zu 86 000 Euro. Der Bezug des regionalen BIP auf die jeweilige Bevölkerungszahl der Region dient im nationalen und internationalen Vergleich üb­licherweise zur Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Ländern oder Regionen (siehe i-Punkt »BIP und BWS – zentrale Messgrößen für Wachstum und Konjunktur«).

Die niedrigsten Pro-Kopf-Werte wiesen 2011 dabei die Regionen Severozapaden in Bulgarien und Nord-Est in Rumänien mit rund 3 200 und 3 600 Euro bzw. 13 und 14 % des EU-Durchschnitts (25 100 Euro) auf. Gemessen in den sogenannten Kaufkraftstandards (KKS), die die Unterschiede zwischen den nationalen Preisniveaus berücksichtigen, waren dies jeweils rund 7 200 KKS bzw. 29 % des EU28-Durchschnitts (25 100 KKS) (siehe i-Punkt »Kaufkraftstandards – berücksichtigen Unterschiede zwischen den nationalen Preisniveaus«). Die höchste Wirtschaftskraft je Einwohner erreichte mit deutlichem Abstand die britische Hauptstadtregion Inner London mit über 320 % des EU28-Durchschnitts oder 80 400 KKS bzw. 86 000 Euro.

Regierungsbezirk Stuttgart unter den 20 Spitzenregionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft

Im Jahr 2011 erreichten insgesamt 41 der europäischen NUTS 2-Regionen ein kaufkraftbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Einwohner von über 125 % des EU-Durchschnitts. Sie zählten damit gemäß Eurostat zu den Regionen Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft. Davon lagen allein elf in Deutschland. Fünf der elf deutschen Regionen befanden sich sogar unter den 20 bestplazierten EU-Regionen, darunter auch der baden-württembergische Regie­rungsbezirk Stuttgart. Mit 50 700 KKS je Einwohner lag Hamburg auf Rang 4 vor Bratislava in der Slowakei und der französischen Hauptstadtregion Île de France. Der Regierungsbezirk Oberbayern mit der bayerischen Landeshauptstadt München belegte mit 42 200 KKS pro Kopf Platz 10, gefolgt von Darmstadt (40 500 KKS) und Bremen (39 700 KKS) auf den Plätzen 12 und 14 sowie dem Regierungsbezirk Stuttgart mit 38 000 KKS auf Rang 17.

Ebenfalls im Spitzenfeld der 41 Regionen mit der höchsten Wirtschaftskraft lagen die Regierungsbezirke Karlsruhe (34 000 KKS) und Tübingen (33 300 KKS) auf den Rängen 28 und 29. Freiburg belegte mit 30 200 KKS bzw. 120 % des EU-Durchschnitts Platz 53. Der Südwesten ist somit mit insgesamt drei Regierungsbezirken unter den wirtschaftsstärksten Regionen der EU gut vertreten.

Sieben Hauptstadtregionen unter den zehn bestplatzierten Regionen

Zu den EU-Regionen mit der höchsten Wirtschaftskraft zählen vor allem die Hauptstadtregionen der Mitgliedstaaten. Unter den zehn führenden Regionen in der Rangfolge des regionalen BIP pro Kopf waren 2011 allein sieben Hauptstadtregionen. Hierunter sind auch die drei EU-weit wirtschaftsstärksten Regionen 2011 vertreten. Dies waren Inner London im Vereinigten Königreich (80 400 KKS), das Großherzogtum Luxemburg (66 700 KKS) sowie Brüssel in Belgien (55 600 KKS je Einwohner). Als nächste Hauptstadtregion lag auf Rang 5 Bratislava in der Slowakei (46 600 KKS) gefolgt von der Île de France3 mit Paris (45 600 KKS je Einwohner). Die sechste und siebte Hauptstadtregionen unter den 10 EU-weit Bestplatzierten waren 2011 Stockholm in Schweden (43 300 KKS je Einwohner) und Prag in der Tschechischen Republik (42 900 KKS) auf den Rängen 8 und 9. Als achte Hauptstadtregion folgte schließlich Wien (41 300 KKS) auf Rang 11.

Berlin als einzige EU-Hauptstadtregion unter der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung des Landes

Berlin unterscheidet sich dabei von den übrigen europäischen Hauptstädten: In keinem anderen Mitgliedstaat lag das BIP je Einwohner in der Hauptstadtregion unter der durchschnittlichen Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes. Während in Deutschland im Jahr 2011 im Durchschnitt ein BIP pro Kopf von 31 900 Euro erzielt wurde, lag es in Berlin bei nur 29 300 Euro je Einwohner.

Beim Vergleich des Indikators BIP je Einwohner ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Höhe der Pro-Kopf-Werte insbesondere in den Hauptstadtregionen durch die Pendlerströme erheblich beeinflusst werden dürfte. Die Nettozahl der Erwerbstätigen, die täglich zur Arbeit in diese Regionen pendeln, trägt somit zwar zur regionalen Wirtschaftsleistung bei, sind aber nicht bei der Wohnbevölkerung der Region berücksichtigt, auf die das BIP je Einwohner letztendlich bezogen wird. Dies führt dazu, dass der Indikator BIP je Einwohner hier tendenziell zu hoch ausgewiesen und in Regionen mit einem negativen Pendlersaldo eher unterschätzt wird (siehe i-Punkt »Regionale Wirtschaftskraft und Pendlerproblem«).

Baden-Württemberg mit dritthöchster Wirtschaftskraft unter den Flächenländern

In Deutschland ist zwischen den Bundesländern ein ausgeprägtes Regionalgefälle der Wirtschaftskraft zu beobachten. So bewegte sich im Jahr 2011 das BIP pro Kopf in jeweiligen Preisen im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt in Höhe von 31 900 Euro je Einwohner in einer Spanne von 68 % in Mecklenburg-Vorpommern (21 800 Euro) bis zu 165 % in Hamburg. Das mit Abstand höchste BIP je Einwohner wiesen damit die Stadtstaaten Hamburg und Bremen auf, was aber auch auf deren hohen Einpendlerüberhang zurückzuführen ist. Hamburg an der Spitze der Bundesländer, als Dienstleistungsmetropole Norddeutschlands, erwirtschaftete im Jahr 2011 ein BIP je Einwohner von rund 52 500 Euro, immerhin 20 600 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt. Bremen auf Platz 2 lag mit durchschnittlich 41 100 Euro pro Kopf rund 9 200 Euro (29 %) über dem deutschen Durchschnitt.

Insgesamt sechs der 16 Bundesländer erzielten 2011 eine zum Teil deutlich höhere Wirtschaftskraft als der Durchschnitt Deutschlands. In Baden-Württemberg übertraf das nominale BIP je Einwohner mit rund 35 800 Euro den Bundesdurchschnitt um 12 % oder rund 3 900 Euro. Der Südweststaat wies damit die dritthöchste Wirtschaftskraft unter den Flächenländern auf. Bayern lag 2011 mit rund 36 600 Euro pro Kopf rund 4 700 Euro (15 %) und Hessen mit 37 500 Euro pro Kopf um 5 600 Euro (18 %) noch deutlicher über dem Bundeswert.

352 Mrd. Euro für Europäische Struktur- und Investitionsfonds 2014 – 2020

Das regionale BIP pro Kopf ist jedoch nicht nur Grundlage für wirtschaftliche Standortvergleiche. Nach der Höhe des auf die Zahl der jeweiligen Einwohner bezogenen regionalen BIP richtet sich im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik nicht zuletzt auch die Vergabe von Fördermitteln der EU-Struktur- und Inves­titionsfonds für Regionen mit Entwicklungsrückstand.

Mit Beginn dieses Jahres hat die neue Förderperiode 2014 – 2020 der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) begonnen. Bis 2020 stehen daraus europaweit regionale Fördermittel in Höhe von 351,8 Mrd. Euro zur Verfügung. Rechtliche Grundlage ist die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen Bestimmungen unter anderem zu den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (EFS) und den Kohäsionsfonds, die mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 20. Dezember 2013 in Kraft getreten ist. Als wesentliche Ziele sollen Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung vor allem in den weniger weit entwickelten Regionen Europas gesteigert sowie notwendige Reformen in den Mitgliedstaaten unterstützt werden.

Die Fördermittel für das Ziel »Investitionen in Wachstum und Beschäftigung« werden dabei den folgenden drei Regionalkategorien auf NUTS 2-Ebene zugewiesen:

  1. weniger entwickelten Regionen, deren BIP pro Kopf unter 75 % des durchschnittlichen BIP pro Kopf der EU27 liegt;
  2. Übergangsregionen, deren BIP pro Kopf zwischen 75 und 90 % des EU-Durchschnitts beträgt; und den
  3. stärker entwickelten Regionen mit einem BIP pro Kopf über 90 % des EU27-Durchschnitts.

Die Klassifizierung in eine der drei Kategorien erfolgt dabei nach dem Verhältnis des BIP pro Kopf jeder Region zum durchschnittlichen BIP der EU27. Das BIP wird dabei gemessen in Kaufkraftparitäten (KKS) und berechnet anhand der EU-Daten der regionalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) für den Zeitraum 2007 bis 2009. Berechnungsgrundlage des BIP pro Kopf der NUTS 2-Regionen in Deutschland waren die vom Arbeitskreis VGR der Länder erstellten regionalen BIP-Daten. Als Übergangsregionen klassifiziert wurden demnach Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen (Dresden und Chemnitz, ohne Leipzig), Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die NUTS 2-Region Lüneburg. Alle anderen deutschen Regionen sind als stärker entwickelte Regionen eingeordnet.

Aus den ESI-Fonds erhält Deutschland in der kommenden Förderperiode 2014 – 2020 insgesamt 27,5 Mrd. Euro, davon aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zusammen 19,2 Mrd. Euro. Hiervon stehen ca. 9,8 Mrd. Euro für die Übergangsregionen zur Verfügung und 8,5 Mrd. Euro für die stärker entwickelten Regionen. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) stellen die Fördermittel aus den ESI-Fonds damit auch künftig die wichtigste Quelle für Strukturmaßnahmen in Deutschland dar.4

1 Eurostat, Pressemitteilung Nr. 29/2014 – 27. Februar 2014: »Regionales BIP, BIP pro Kopf in der EU im Jahr 2011: Sieben Hauptstadtregionen unter den zehn wohl­habendsten Regionen«; Quelle: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/1-27022014-AP/DE/1-27022014-AP-DE.PDF [Abruf: 27.8.2014]

2 Eurostat, NUTS 2010, Systematik der Gebietseinheiten für die Statis­tik (NUTS), entsprechend der letzten im Januar 2011 erfolgten Änderung; Quelle: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/nuts_nomenclature/introduction [Abruf: 27.8.2014]

3 Die Île de France stellt die weitaus größten EU-NUTS 2-Region mit einer Gesamtwirtschaftsleistung im Jahr 2011 von rund 608 Mrd. Euro. Zum Vergleich: die zweitgrößte NUTS 2-Region ist die Lombardei mit der Regionshauptstadt Mailand mit einem BIP in Höhe von insgesamt 337 Mrd. Euro, gefolgt von Inner London mit insgesamt 276 Mrd. Euro.

4 Europa: Solidarisch. Innovativ. Fokussiert. Europäische Struktur- und Investitionsfonds 2014 – 2020; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Mai 2014.