:: 11/2014

Zensus 2011: Was uns der Zensus über die Erwerbssituation in Baden-Württemberg verrät

Der Zensus 2011 hatte nicht nur die Ermittlung der aktuellen amtlichen Einwohnerzahl zum Stichtag 9. Mai 2011 zum Ziel. Neben der Einwohnerzahl wurden weitere Informationen über die Bevölkerung im Land erhoben, darunter auch die Erwerbssituation der Bevölkerung. Der vorliegende Beitrag bietet eine (regionale) Übersicht über den Erwerbsstatus, die wichtigsten Wirtschaftszweige sowie das Pendlerverhalten in Baden-Württemberg (siehe i-Punkt »Erwerbstatus«).

Rund 55 % der Gesamtbevölkerung sind Erwerbspersonen

Der Erwerbsstatus beschreibt die Beteiligung der Bevölkerung am Erwerbsleben, die sich damit in Erwerbstätige und Erwerbslose (beide zusammen bilden die Erwerbspersonen) und Nichterwerbspersonen gliedert.1 Demnach standen zum Stichtag des Zensus landesweit etwa 5,8 Mill. (55 %) Erwerbspersonen rund 4,7 Mill. (45 %) Nichterwerbspersonen gegenüber. Unter den Erwerbspersonen waren 5,6 Mill. Menschen erwerbstätig, dies entsprach einem Anteil von annähernd 54 % an der Bevölkerung. Die Anzahl der Erwerbslosen lag bei 180 300 Menschen (rund 2 %). Von ihnen war der Großteil (149 350) zuvor erwerbstätig, während 30 950 Personen zuvor nie gearbeitet hatten. Die Nichterwerbspersonen gliedern sich nach Ergebnissen des Zensus im Weiteren in Personen unterhalb des Mindestalters2 von 15 Jahren (1,5 Mill.), Empfänger/-innen von Ruhegehalt/Kapitalerträgen3 (2,1 Mill.), Schüler/-innen und Studierende (500 690), Hausfrauen und Hausmänner (347 420) sowie sonstige Personen (250 400).

Hohe Erwerbsbeteiligung unter den Frauen im Landkreis Emmendingen

Die Erwerbstätigenquote in Baden-Württemberg – also der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren – lag bei 78 %. Männer waren häufiger erwerbstätig als Frauen. So lag die Erwerbstätigenquote der Männer mit 83 % gut 9 Prozentpunkte über der der Frauen mit annähernd 74 %.

Im Vergleich der Stadt- und Landkreise zeigte sich, dass die Stadtkreise mit zusammen 75 % eine vergleichsweise niedrigere Erwerbstätigenquote aufwiesen, die Landkreise mit einer durchschnittlichen Quote von 79 % dagegen knapp über dem Landeswert von 78 % lagen. In den Stadtkreisen Pforzheim, Heidelberg und Mannheim lag die Quote noch unterhalb der 75-Prozentmarke. Die höchsten Erwerbstätigenquoten waren in den Landkreisen Ravensburg, Emmendingen, Biberach und Breisgau-Hochschwarzwald zu verzeichnen, wo jeweils mehr als 80 % der Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren erwerbstätig waren. In den Stadtkreisen lag die Erwerbstätigenquote in Ulm und Heilbronn (jeweils rund 77 %) und Stuttgart (über 76 %) am höchsten.

Auch in den einzelnen Stadt- und Landkreisen waren Männer häufiger erwerbstätig als Frauen. Am größten war dieser Unterschied mit einer Differenz von jeweils rund 12 Prozentpunkten in den Landkreisen Böblingen und Ostalb. Die Erwerbstätigenquote der Frauen lag hier bei 71 % bzw. 72 %, die der Männer bei 83 % bzw. 84 %. Geringere Differenzen zwischen der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen wiesen hingegen die Stadtkreise Karlsruhe und Freiburg im Breisgau auf. Hier lag die Erwerbstätigenquote der Frauen bei jeweils 74 %, die der Männer bei gut 77 % bzw. 78 % und damit unter dem Landesdurchschnitt. Auch im Landkreis Emmendingen (Frauen 78 %, Männer annähernd 84 %) waren Frauen im Vergleich zu den Männern besonders häufig erwerbstätig, darüber hinaus war die Erwerbstätigenquote der Frauen in keinem anderen Kreis höher. Die höchsten Erwerbstätigenquoten der männlichen Bevölkerung wurden für die Landkreise Alb-Donau-Kreis, Tuttlingen und Ravensburg mit jeweils rund 86 % ermittelt.

Viele Erwerbstätige im Produzierenden Gewerbe

Die Wirtschaft wird im Zensus in drei Hauptbereiche (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei; Produzierendes Gewerbe; Dienstleistungen) unterteilt. Diese können nach Abschnitten4 oder Unterbereichen5 weiter untergliedert werden. Der weitaus überwiegende Anteil von 67 % der Erwerbstätigen mit 15 Jahren und älter war im Wirtschaftszweig Dienstleistungen beschäftigt. Zu diesen Dienstleistungen gehören unter anderem der Handel, Verkehr und Lagerei, das Hotel- und Gaststättengewerbe, Versicherungen, die öffentliche Verwaltung sowie das Gesundheits- und Sozialwesen.

Trotz der zahlreichen Beschäftigten im Dienstleistungsbereich kommt dem Wirtschaftszweig des Produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg ein hoher Stellenwert zu. Denn mit rund 1,79 Mill. bzw. 32 % der Erwerbstätigen verzeichnete Baden-Württemberg anteilig mehr Beschäftigte im Produzierenden Gewerbe als jedes andere Bundesland. Charakterisiert ist dieser Bereich vor allem durch die Fertigung von industriellen Produkten. Darüber hinaus zählen zum Beispiel das Handwerk, das Baugewerbe, sowie die Energie- und Wasserversorgung zum Wirtschaftszweig des Produzierenden Gewerbes. Der Abschnitt Verarbeitendes Gewerbe, dem in dieser Vergleichsgruppe die meisten Erwerbstätigen zuzurechnen waren, hatte in Baden-Württemberg mit einem Anteil von 26 % den höchsten Anteil im Bundesländervergleich. An zweiter Stelle stand Bayern mit einem Anteil von 22 % an allen Erwerbstätigen und an dritter Stelle Thüringen mit annähernd 21 %.

Rund 75 600 Personen waren in Baden-Württemberg im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei beschäftigt. Verglichen mit den Dienstleistungen und dem Produzierenden Gewerbe im Land waren mit einem Anteil von etwas über 1 % damit die wenigsten Menschen in Baden-Württemberg in diesem Bereich erwerbstätig.

Ein regional differenziertes Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Wirtschafts(unter)bereiche in den Stadt- und Landkreisen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass über alle Landkreise hinweg das Verarbeitende Gewerbe (einschließlich Bergbau) den am stärksten besetzten Bereich darstellte (28 %). Über alle Stadtkreise betrachtet war hingegen die Mehrheit (28 %) im öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereich (ohne öffentliche Verwaltung), aber immerhin noch rund ein Fünftel im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt. In den Stadtkreisen Heidelberg (42 %) und Freiburg im Breisgau (39 %) dominierte der Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen (ohne öffentliche Verwaltung) deutlich. In industriell geprägten Stadtkreisen nahmen die Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe zusammen mit dem Bergbau einen größeren Anteil ein. So waren in Pforzheim (31 %) und Heilbronn (26 %) die meisten Beschäftigten dem Verarbeitenden Gewerbe oder dem Bergbau zuzurechnen.

Eine noch detailliertere Einteilung der Wirtschaftszweige erlaubt die Abgrenzung nach Wirtschaftszweig-Abschnitten. Danach waren in nahezu allen Stadt- und Landkreisen des Landes die meisten Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe tätig. Ausnahmen bildeten hier die Stadtkreise Heidelberg und Freiburg im Breisgau, wo mit 20 % bzw. 18 % die meisten Erwerbstätigen im Abschnitt »Gesundheit- und Sozialwesen« Beschäftigung fanden.

Für die einzelnen Wirtschaftszweige zeigen sich deutliche Unterschiede im Geschlechterverhältnis der dort Erwerbstätigen. Während 57 % der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor Frauen waren, fiel der Anteil bei den Männern in diesem Bereich mit 43 % deutlich geringer aus. Umgekehrt war dieses Verhältnis im Produzierenden Gewerbe. Hier lag der Anteil der Männer mit 73 % weit über dem der Frauen mit 27 %. Ebenfalls stärker vertreten waren die Männer im Wirtschaftszweig Land-, Forstwirtschaft und Fischerei (Männer 60 %, Frauen 40 %).

Pendlerregion Rhein-Neckar

Um eine Aussage über die Wohnort- oder Arbeitsortattraktivität zu treffen, kann die aus unterschiedlichen Ein- und Auspendlerquoten resultierende Differenz zwischen der Anzahl an Erwerbstätigen am Arbeitsort und am Wohnort herangezogen werden. Diese Quoten können als Anhaltspunkt für die Bedeutung des regionalen Pendlerverhaltens dienen. Im Zensus erfolgte die Abgrenzung zwischen Einpendler und Auspendler am Arbeitsort bzw. am Hauptwohnsitz (siehe i-Punkt »Pendler«).

Baden-Württembergs Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern/-innen wiesen zum Zensusstichtag landesweit eine Auspendlerquote von 55 % auf. Das heißt mehr als die Hälfte, nämlich knapp 3 Mill. aller Erwerbstätigen, die ihren Hauptwohnsitz in Baden-Württemberg hatten, pendelten von ihrer Hauptwohnsitz zu ihrer Arbeitsortgemeinde. Bei gut 2,4 Mill. (knapp 45 %) Erwerbstätigen waren Wohn- und Arbeitsortgemeinde identisch, wobei etwa 2,1 Mill. (39 %) innerhalb ihrer Hauptwohnsitzgemeinde pendelten (sogenannte »Binnenpendler«) und über 300 000 (6 %) überwiegend zu Hause arbeiteten.

Die höchsten Auspendlerquoten (aus der Hauptwohnsitzgemeinde) besaßen die Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis (70 %) gefolgt von jenen in den Landkreisen Enzkreis (knapp 70 %) und Ludwigsburg (68 %). Demgegenüber pendelten in den Stadtkreisen weniger Erwerbstätige aus. Die geringste Auspendlerquote gab es in den Stadtkreisen Freiburg im Breisgau (23 %), Stuttgart (26 %) und Karlsruhe (27 %).

Die höchsten Einpendlerquoten (in die Arbeitsortgemeinde) – der Landeswert lag bei 55 % – verzeichneten die Gemeinden in den Landkreisen Böblingen (rund 68 %) sowie Ludwigsburg, Hohenlohekreis und Heilbronn (je 63 %). Darüber hinaus wiesen fast alle Stadtkreise des Landes, angeführt von Ulm (60 %), Heilbronn und Heidelberg (je 56 %), überdurchschnittlich hohe Einpendlerquoten auf. Lediglich in Freiburg und Karlsruhe lag die Quote unterhalb der 50-Prozentmarke.

Landesweit waren die Saldi zwischen Aus- und Einpendlern in Stadtkreisen – angeführt von Ulm, Stuttgart und Heidelberg – am höchsten. Hier pendelten wesentlich mehr ein als Erwerbstätige mit dortigem Hauptwohnsitz auspendelten. Anders in den Gemeinden der Landkreise. Mit Ausnahme der Landkreise Böblingen, Hohenlohe, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar-Kreis und Bodenseekreis war hier ein Auspendlerüberschuss zu verzeichnen. Im Alb-Donau-Kreis und im Enzkreis war die Differenz zwischen Aus- und Einpendlern am größten.

Die Ergebnisse des Zensus zeigen, dass die Erwerbstätigen in den Großstädten in größerem Umfang am Arbeitsplatzangebot direkt am Wohnort partizipieren konnten als Bewohner der Landkreise Baden-Württembergs. Die sogenannten Binnenpendler, welche an ihrem Hauptwohnsitz auch ihren Arbeitsort haben, besaßen die größten Anteile in den Stadtkreisen, so in Freiburg im Breisgau (70 %) gefolgt von Stuttgart (68 %) und Karlsruhe (66 %).6 Anhand dieser Zahlen zeigen sich speziell für die Kreise der Rhein-Neckar-Region die starken Stadt-Umland-Verflechtungen in dieser Region. Gerade die periphere Lage einzelner Arbeitsorte, gelegen zwischen den Oberzentren Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Heilbronn, führt zu hohen Einpendler- und Auspendlerquoten. Landkreise wie der Rhein-Neckar-Kreis, Ludwigsburg und Heilbronn sind demnach nicht nur Wohn- und Schlafstätten, sondern bieten in erheblichem Umfang Arbeitsplätze für die Erwerbstätigen in Baden-Württemberg. Gerade dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes kommt in den genannten Kreisen eine verhältnismäßig große Bedeutung zu, wenn es um die Bereitstellung von Arbeitsplätzen geht.

Grundaussagen des Zensus zur Erwerbssituation im Land

Das nach Einwohnern drittgrößte Bundesland in Deutschland präsentiert sich überaus positiv hinsichtlich seiner Erwerbssituation. Im Bundesländervergleich besaß Baden-Württemberg nach Bayern (79 %) die zweithöchste Erwerbstätigenquote (78 %). Gleichzeitig waren die Ein- und Auspendlerquoten für die Gemeinden Baden-Württembergs im Vergleich zu den anderen Bundesländern ausgewogen, wobei sich durchaus regionale Unterschiede feststellen ließen. Besonders starke Pendlerbewegungen zeugten in den Landkreisen rund um die industriellen Hochburgen bei Mannheim, Heilbronn, Stuttgart und Karlsruhe für eine starke Anziehungskraft. Dabei stellt der Wirtschaftszweig des Produzierenden Gewerbes, allen voran das Verarbeitende Gewerbe, die meisten Erwerbstätigen. Selbst in den Großstädten des Landes war im Schnitt jeder fünfte Arbeitsplatz dem Verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen.

1 Die Grundlage für diese Merkmale ist das Labour-Force-Konzept der International Labour Organisation (ILO): Erwerbstätig ist jede Person im erwerbsfähigen Alter ab 15 Jahren, die in einem einwöchigen Berichtszeitraum (9. bis 15. Mai 2011) mindestens eine Stunde lang gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen oder mithelfenden Tätigkeit gearbeitet hat. Auch eine Person, die sich in einem formalen Arbeitsverhältnis befindet, das diese im Berichtszeitraum nur vorübergehend nicht ausgeübt hat, gilt als erwerbstätig. Erwerbslos ist jede Person im erwerbsfähigen Alter ab 15 Jahren, die im Berichtszeitraum nicht erwerbstätig war, aber in den letzten 4 Wochen vor der Befragung aktiv nach einer Tätigkeit gesucht hat. Eine neue Arbeit muss innerhalb von 2 Wochen aufgenommen werden können.

2 Das Mindestalter beträgt gemäß ILO 15 Jahre (siehe Fußnote 1).

3 Überwiegende Einkünfte aus Ruhegehalt und/oder Kapitalvermögen, Vermietung/Verpachtung.

4 Stellt die Wirtschaftszweig-Abschnitte auf Basis der aktuellen Wirtschaftszweigklassifikation von 2008 (WZ 2008) dar.

5 Stellt die Wirtschafts (unter)bereiche gemäß Mikrozensus auf Basis der aktuellen Wirtschaftszweigklassifikation von 2008 (WZ 2008) dar.

6 Die Anteile der Binnenpendler wurden an allen Erwerbstätigen mit Hauptwohnsitz in der jeweiligen Gemeinde berechnet.