:: 11/2014

Bioabfallverwertung in Baden-Württemberg: Ein Baustein für Ressourcen- und Klimaschutz

Rund 29 % der häuslichen Siedlungsabfälle in Baden-Württemberg bestanden 2013 aus getrennt erfassten organischen Abfällen. Dies waren 1,38 Mill. Tonnen (t) an Abfällen aus der Biotonne sowie Garten- und Parkabfällen. Hochgerechnet könnten weitere mindestens 300 000 t, die derzeit noch gemeinsam mit den Restabfällen entsorgt werden, durch geeignete Maßnahmen abgeschöpft werden. Daher strebt die Landesregierung an, das kommunale Pro-Kopf-Aufkommen getrennt gesammelter Bio- und Grünabfälle von aktuell 45 bzw. 85 auf 60 bzw. 90 Kilogramm je Einwohner und Jahr (kg/Ea) bis zum Jahr 2020 zu steigern.

In den zahlreichen Anlagen zur biologischen Abfallbehandlung im Land werden Bioabfälle zu hochwertigen Komposten und Gärresten umgewandelt, die anstelle synthetischer Düngemittel und Torfsubstrate eingesetzt werden können. Das Biogas, das bei der anaeroben Behandlung (Vergärung) entsteht, sowie holzige Abfälle können zur Energieerzeugung genutzt werden und ersetzen dort fossile Brennstoffe. So sind die getrennte Erfassung der organischen Abfälle sowie deren stoffliche und energetische Verwertung schon heute bedeutende Bausteine für wirksamen Klimaschutz und Ressourcenschonung.

Das landesweite Aufkommen an Haushaltsabfällen belief sich im Jahr 2013 auf rund 4,8 Mill. t, darunter 1,5 Mill. t Haus- und Sperrmüll, 1,8 Mill. t Wertstoffe aus Haushalten und 1,4 Mill. t getrennt erfasste organische Abfälle. Gemäß § 3 (7) Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) fallen unter den Begriff »Bioabfälle« unter anderem »biologisch abbaubare pflanzliche, tierische oder aus Pilzmaterialien bestehende« Garten-, Park- und Landschaftspflegeabfälle – im Folgenden kurz »Grünabfälle« – sowie Nahrungs- und Küchenabfälle aus Haushaltungen (»Abfälle aus der Biotonne«). Die häuslichen Garten-, Park- und Küchenabfälle unterliegen der Überlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE), das heißt, für die Erfassung und ordnungsgemäße Verwertung sind kommunale Abfallzweckverbände oder die Abfallwirtschaftsbetriebe der Land- und Stadtkreise verantwortlich. Art, Menge, Herkunft und Verbleib der im Gebiet der einzelnen örE angefallenen und von ihnen entsorgten Abfälle werden jährlich in der Landesabfallbilanz dokumentiert, sodass die Aufkommensentwicklung seit 1990 lückenlos und landkreisspezifisch betrachtet werden kann.

Die Erfassung von häuslichen Bio- und Grünabfällen erfolgt auf unterschiedlichen Wegen. Für Grünabfälle besteht mittlerweile in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs die Möglichkeit zur Getrenntsammlung. Verbreitet sind sowohl Bringsysteme wie Häckselplätze und Wertstoffhöfe, wo die Bürger ihre Grünabfälle selbst anliefern, als auch Holsysteme wie zum Beispiel Straßensammlungen. Insgesamt sammelten die örE 2013 rund 906 000 t oder 85 kg/Ea an Grünabfällen.

Küchen- und andere feuchte Bioabfälle werden typischerweise über eine separate Biotonne bei den Haushalten gesammelt. Im Jahr 2013 hatten in Baden-Württemberg rund 8 Mill. Bürger die Möglichkeit, eine Biotonne zu nutzen. Dies entspricht einem Anschlussgrad von gut 75 %. Seit Einführung der Biotonne Anfang der 1990er-Jahre hat das Aufkommen getrennt gesammelter häuslicher Bioabfälle im Land erheblich zugenommen. Im Jahr 1990 lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Aufkommen noch bei 2 kg/Ea und stieg auf aktuell rund 45 kg/Ea. Zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen gibt es spürbare Unterschiede bei den Pro-Kopf-Aufkommen. Die Spanne reichte im Jahr 2013 von 19 kg/Ea im Enzkreis bis 133 kg/Ea im Stadtkreis Baden-Baden. Mögliche Gründe dafür können zum Beispiel unterschiedliche Anteile der Haushalte mit Garten, die Möglichkeit zur Eigenkompostierung oder die Beteiligungsquote der Haushalte in Gebieten mit freiwilliger Biotonnennutzung sein. Ab dem Jahr 2015 wird nach § 11 (1) KrWG die Pflicht zur flächendeckenden Getrenntsammlung von häuslichen Bioabfällen bestehen, was mit einer weiteren Aufkommenssteigerung verbunden sein dürfte.

In der Industrie und dem gewerblichen Bereich fallen noch weitere Bioabfälle nach § 3 (7) KrWG an. Dazu zählen zum Beispiel Produktionsabfälle aus der Papierherstellung, Speiseabfälle aus Großküchen oder landwirtschaftliche Abfälle. Auch sie werden in biologischen Behandlungsanlagen oder Biomasseheizkraftwerken verwertet. Jedoch sind Sammlung und Verwertung dieser Abfälle überwiegend privatwirtschaftlich und teils überregional organisiert, sodass deren landesweites Aufkommen und deren Verbleib nicht vollständig in der amtlichen Statistik erfasst werden können. Die vorliegende Betrachtung bezieht sich daher nur auf denjenigen Anteil, der in baden-württembergischen Anlagen entsorgt wurde.

In Bioabfällen stecken wertvolle Pflanzennährstoffe …

Biogene Abfälle enthalten eine Reihe chemischer Elemente wie Phosphor, Stickstoff oder Kalium, die als Pflanzennährstoffe genutzt werden können. Unbehandelte Bio- und Grünabfälle eignen sich jedoch meist nicht zur Düngung, da sie Erreger von Pflanzenkrankheiten oder Pflanzensamen enthalten können, deren Verbreitung nicht erwünscht ist. Zudem können die Pflanzen die Nährstoffe nicht direkt aus den Abfällen aufnehmen. Erst durch die biologische Behandlung in Vergärungs- und/oder Kompostierungsanlagen entsteht aus den Abfällen ein hochwertiger organischer Dünger. Bei diesen Verfahren zersetzen Mikroorganismen das organische Material, wobei die Pflanzennährstoffe in wasserlöslicher Form freigesetzt werden. Während die Vergärung unter Sauerstoffausschluss stattfindet und sowohl für feste als auch flüssige Ausgangsstoffe geeignet ist, wird beim Kompostieren festes Substrat in der Gegenwart von Sauerstoff abgebaut. In den 80 Kompostierungs- und 56 Abfallvergärungsanlagen Baden-Württembergs wurden 2013 knapp 1,2 Mill. t organischer Abfälle behandelt und dabei 360 000 t Gärrückstände und 357 000 t Kompost erzeugt1. Mit einem Anteil von 99 % bzw. 65 % der erzeugten Mengen wurden diese Gärrückstände und Komposte zum überwiegenden Teil als Wirtschaftsdünger und Bodenverbesserer in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt.

… und klimafreundliche Energie

Das wichtigste Produkt der Vergärung neben dem nährstoffreichen Gärrückstand ist Biogas. Je nach Zusammensetzung der Ausgangsstoffe und Verfahren können pro Tonne Bioabfall zwischen 80 und 140 m³ Biogas mit einem Methangehalt von 50 bis 65 % produziert werden. Biogas eignet sich zur dezentralen Wärme- und/oder Stromerzeugung beispielsweise in einem der Vergärungsanlage angeschlossenen Blockheizkraftwerk. Der Großteil (66 %) des 2012 in baden-württembergischen Bioabfallvergärungsanlagen erzeugten Biogases (insgesamt 50 Mill. m³, durchschnittlicher Methangehalt 59 %) wurde auf diese Weise genutzt. Weitere 28 % wurden soweit erforderlich aufbereitet und in ein (Erd-)Gasnetz eingespeist.

Die Bioabfallvergärung bietet gegenüber der Energieerzeugung aus anderen nachwachsenden Rohstoffen den Vorteil, dass keine Nutzungskonkurrenz mit Anbauflächen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion besteht. Daher ist der Aufbau zusätzlicher Vergärungskapazitäten von besonderem Interesse. In Baden-Württemberg haben sich seit 2008 die in Vergärungsanlagen behandelten Abfallmengen sowie die entsprechenden Anlagenkapazitäten mehr als verdoppelt. So standen im Jahr 2012 landesweit rund 408 000 t Vergärungskapazität zur Verfügung. Durch die Kombination von Vergärung und nachgeschalteter Kompostierung kann sowohl das energetische als auch das stoffliche Potenzial der organischen Abfälle abgeschöpft werden (sogenannte Kaskadennutzung). Bisher existieren allerdings nur wenige Anlagen zur kombinierten Vergärung und Kompostierung im Land, weitere Anlagen befinden sich in Bau oder Planung.

Holzige (Grün-)Abfälle eignen sich nicht, um in größeren Mengenanteilen in biologischen Behandlungsanlagen verwertet zu werden, da sie sich im Behandlungsprozess nur zu einem geringen Grad abbauen lassen. Daher bietet sich für diese Bioabfallfraktion eine Abtrennung und effiziente thermische Verwertung zum Beispiel in einem Biomasseheizkraftwerk an. 2013 wurden insgesamt gut 1,2 Mill. t Abfälle in baden-württembergischen Biomasseheizkraftwerken in nutzbare Wärme und Strom umgewandelt, darunter rund 45 000 t an unbehandelten Garten- und Parkabfällen.

Vom Klimaschädling zum Klimaschützer

In der Vergangenheit wurden organische Abfälle als Bestandteil des Restabfalls auf Deponien abgelagert. Durch die biologischen Abbauprozesse in den Deponien entstanden dabei erhebliche Mengen des Klimagases Methan. Mit Einführung der Getrennterfassung für Bioabfälle in den 1990er-Jahren und nicht zuletzt durch das Deponierungsverbot für Rohabfälle, welches die Entfernung der im Restabfall verbliebenen organischen Bestandteile durch geeignete Behandlung vor der Deponierung verlangte, ging die Klimabelastung durch Deponiegase fast vollständig zurück. Die jährlichen Deponiegasemissionen konnten in Baden-Württemberg bis 2012 im Vergleich zu 1990 um rund 182 000 t (−80 %) reduziert werden. Umgerechnet in CO2-Äquivalenten (CO2-Äq) entsprach dies 28 % der insgesamt erreichten Minderung der Treibhausgasemissionen im Land. Darüber hinaus sinkt das Rest­abfallaufkommen durch die Getrenntsammlung der Bioabfälle um mehr als ein Viertel (2013: −27 %). Der verbleibende Restabfall enthält weniger nasse Bestandteile, was unter anderem die maschinelle Sortierung des Abfalls erleichtert und die Effizienz der thermischen Abfallbehandlung erhöht.

Die Verwertung von Bioabfällen kann zum Klimaschutz beitragen. Entscheidende Faktoren sind der Energieverbrauch und die Emissionen aus dem Betrieb der Behandlungsanlagen sowie der Wirkungsgrad, mit dem der Energieinhalt der Abfälle in Nutzenergie umgewandelt wird. Während des biologischen Abbaus in den Kompostierungs- und Vergärungsanlagen sowie bei der Verbrennung zur Wärme- und Stromerzeugung werden zwar erhebliche Mengen CO2 freigesetzt, diese gelten jedoch als klimaneutral. Methanhaltiges Biogas ersetzt fossile Energieträger, sodass die bei deren Verbrennung ansonsten freigesetzten klimaschädlichen Emissionen vermieden werden. Gelangt Methan unverbrannt in die Atmosphäre, beispielsweise weil keine Abluftabsaugung in der Behandlungsanlage besteht, wirkt es dort selbst als Treibhausgas und belastet das Klima 21-mal stärker als die gleiche Menge an CO2.

Weiterhin können durch den Einsatz von Komposten und Gärrückständen synthetische Düngemittel eingespart werden, die ansonsten energie- und somit CO2-intensiv hergestellt werden müssten. Und auch als Torfersatz bei der Herstellung von Blumenerden und anderen Kultursubstraten tragen Komposte zum Klimaschutz bei, indem sie den Nutzungsdruck auf Torfmoore, die einen bedeutenden CO2-Speicher darstellen, verringern.

Stellt man die genannten Klimabe- und -entlastungen der Bioabfallverwertung in einer Ökobilanz einander gegenüber, überwiegen bei den biologischen Verfahren die positiven Effekte auf das Klima. Die durchschnittliche CO2-Einsparung pro Tonne eingesetzten Bioabfalls liegt je nach Behandlungsart zwischen 32 kg CO2-Äq (Bioabfallkompostierung) und 92 kg CO2-Äq (Vergärung).2 Demnach erzielte 2013 allein die biologische Abfallbehandlung im Land eine Klimagutschrift von etwa 70 000 t CO2-Äq.

Ziel 2020: pro Kopf 15 % mehr kommunale Bioabfälle aus getrennter Sammlung

Die Verwertung von Bioabfällen wird von einer Reihe gesetzlicher Regelungen gesteuert. Rahmenwerk ist das bereits erwähnte KrWG, das eine nachhaltige, verstärkt auf hochwertige Verwertung ausgerichtete Abfallwirtschaft zum Ziel hat. Ergänzend wirken stoff(strom)bezogene wie die Bioabfallverordnung und technische Vorschriften, die den Anlagenbetrieb betreffen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz unterstützt die energetische Nutzung von Bioabfällen mit – gegenüber anderen erneuerbaren Energieträgern – erhöhten Vergütungssätzen.

Die Anforderungen aus der Bioabfallverordnung an die Sammlung und Verwertung von Grünabfällen haben für die örE, die im Wesentlichen die Entsorgungspflicht für diese Abfälle innehaben, weitreichende Konsequenzen. Auf den Wertstoffhöfen und Häckselplätzen müssen der Grundwasserschutz und die Pflanzenhygiene zukünftig verstärkt eingehalten werden. Mit dem Aufbau von entsprechenden Hygienisierungseinrichtungen sind auch Vorteile verbunden, da sich dadurch zusätzliche hochwertige Verwertungswege für Grüngut zum Beispiel als Strukturverbesserer in der Landwirtschaft ergeben.

Einer wissenschaftlichen Studie zur Hausmüllzusammensetzung in Baden-Württemberg zufolge beträgt das hiesige Bioabfallpotenzial, also der maximal zusätzlich abtrennbare Bioabfallanteil im Hausmüll, etwa 18 % bis 40 % des aktuellen Aufkommens an Restabfällen.3 Dies bedeutete für das Jahr 2013, dass mehr als 300 000 t an Bioabfällen nach wie vor über den Restabfall entsorgt wurden. Das Ressourcen- und Energiepotenzial dieser Bioabfälle konnte dadurch nicht vollständig genutzt werden, was nicht dem Sinn einer nachhaltigen Abfallbewirtschaftung entspricht. Auf dieser Grundlage hat die baden-württembergische Landesregierung im Entwurf zum neuen Abfallwirtschaftsplan vorgegeben, die Sammelmengen von aktuell 45 kg/Ea an Abfällen aus der Biotonne und 85 kg/Ea an Grünabfällen auf durchschnittlich 60 kg/Ea bzw. 90 kg/Ea bis zum Jahr 2020 zu steigern. Zeitgleich sollen die erforderlichen Verwertungsstrukturen für Vergärung und Kompostierung weiter ausgebaut werden.

Fazit

Eine nachhaltige Bewirtschaftung biogener Abfallströme kombiniert stoffliche und energetische Verwertungswege mit dem Ziel eines möglichst optimierten Zusammenwirkens von Nährstoff- und Kohlenstoffrecycling, Energiebereitstellung und Klimaschonung durch den Ersatz fossiler Energieträger und Torfsubstrate. Schon heute kann die baden-württembergische Abfallwirtschaft für den Bereich der Bioabfallbehandlung Erfolge auf dem Weg zu einer Kreislauf- und Wertstoffwirtschaft vorweisen. Deren Ausbau und Optimierung werden auch von politischer Seite intensiv gefördert.

1 Anlagenbezogene An­gaben wie Kapazität, behandelte Mengen usw. für das Jahr 2013 beruhen auf vorläufigen Berechnungen, Stand: August 2014.

2 Umweltbundesamt, UBA-Texte 31/2012, Optimierung der Verwertung organischer Abfälle.

3 ATZ Entwicklungszentrum (2011), Analyse von Status und Entwicklung der Abfallwirtschaft in Baden-Württemberg zur Fortschreibung des Teilplans Siedlungsabfälle.