:: 3/2015

Vom Fräulein vom Amt zum Handy

Als 1877 in Deutschland das Telefon durch den Generalpostmeister Heinrich von Stephan eingeführt wurde, war nicht absehbar, welch große Bedeutung dieses Kommunikationsmedium einmal haben würde. Stephan war es auch, der als erster das Telefon als »Fernsprecher« bezeichnete, eine Begrifflichkeit, die im deutschen Sprachraum lange verwendet wurde und von älteren Mitbürgern heute noch gelegentlich gebraucht wird. Der Generalpostmeister hatte 1877 von der Erfindung des Amerikaners Bell erfahren und bestellte daraufhin bei der »Western Union Telegraph Company« in New York einige Telefonapparate.

Die Anfänge

Wie bei vielen anderen Erfindungen und Entdeckungen waren an der Entwicklung eines ersten Telefonapparates mehrere Personen beteiligt. 1844 bereits konzipierte der Italiener Innocenzo Manzetti die Idee zum Bau eines Telegrafen und baute 1864/65 einen elektrischen Apparat, welcher die menschliche Stimme über einen halben Kilometer übertragen konnte. Ein Durchbruch gelang dem Deutschen Philipp Reis mit seiner Konstruktion von 1861. Reis erfand hierfür den Begriff Telefon. Für die praktische Einführung von Telefonen entscheidend war jedoch, dass es dem Amerikaner Alexander Graham Bell 1876 gelang, einen erfolgreichen Patentantrag zur Markteinführung von Telefonapparaten zu stellen, was dann zur Gründung der ersten Telefongesellschaft in den USA führte.

Mit den von Bell gekauften Telefonapparaten ließ Heinrich von Stephan ab Oktober 1877 Versuche durchführen. Dann nahm eine 2 Kilometer lange Telefonverbindung am 25. Oktober 1877 den Testbetrieb auf. Um die Grundlage für weitere Versuche zu schaffen, beauftragte man die Firma Siemens & Halske mit der Herstellung eigener Telefonapparate. Das führte dazu, dass am 12. November 1877 die Inbetriebnahme eines ersten Telegrafenamtes in Friedrichsberg bei Berlin erfolgte. In der Folge produzierte Siemens & Halske ab November 1877 täglich 200 Telefone, von denen ein Großteil bald auch an Privathaushalte verkauft wurde.

Schon bald danach wurden in Deutschland die ersten Fernsprechnetze eingerichtet. Die Ära begann 1881. Alle Gespräche wurden noch von Hand vermittelt. Diese Aufgabe war in der Anfangszeit ausschließlich Männern vorbehalten. Aber schon bald dominierten hier die sogenannten »Fräuleins vom Amt«. Die Frauenstimmen waren bei der oftmals schlechten Leitungsqualität einfach besser zu verstehen. Erste Ortsnetze wurden in den Folgejahren in Berlin, Breslau, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Mannheim und München eröffnet.

Das 20. Jahrhundert …

Das Telefonnetz wurde in den folgenden Jahrzehnten in Deutschland stetig ausgebaut. Darüber hinaus gab es auch schon erste internationale Verbindungen. So wurde am 6. August 1900 die erste Telefonleitung zwischen Berlin und Paris freigeschaltet. In Württemberg und Baden gab es in diesen frühen Jahrzehnten des Telefons auch schon eine beachtliche Zahl an Anschlüssen (Übersicht 1).

So wurden im Jahr 1903 im Großherzogtum Baden rund 10 500 und im Königreich Württemberg immerhin schon mehr als 15 100 Fernsprechteilnehmer gezählt. Damit waren aber lange noch nicht alle Städte und Gemeinden an das öffentliche Fernsprechnetz angeschlossen. In Württemberg waren es 193 und in Baden 158 Orte, von denen aus man mit der großen weiten Welt telefonieren konnte. Das waren zu dieser Zeit in beiden Ländern weniger als 10 % aller Städte und Gemeinden (Übersicht 2).

Die Zahl der Fernsprechanschlüsse hat sich im Verlauf der nächsten 3 Jahrzehnte ungefähr verzehnfacht. So verzeichnet das Statistische Jahrbuch für das Land Baden für das Jahr 1936 gut 113 300 Anschlüsse. Im Land Württemberg waren es 1935 mehr als 125 000 Fernsprechanschlüsse. 1936 gab es im Deutschen Reich bereits 6 647 Ortsnetze mit 3,39 Mill. Anschlüssen und 86 000 öffentliche Sprechstellen. Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde das Fernsprechnetz in der Bundesrepublik Deutschland schnell wieder auf- und auch stetig weiter ausgebaut. So steigerte sich die Zahl der Anschlüsse in Baden‑Württemberg zwischen 1950 und 1963 von 322 000 auf 1 027 000.

Bis in die 1970er‑Jahre änderte sich am technischen Aufbau der Telefonapparate nichts Grundsätzliches. Das Telefon gehörte zur Grundausstattung fast jedes Haushaltes. Alleine der Wunsch nach neuen Farben und Designs kam auf. Dann ermöglichten die Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik 1975 die ersten Tastentelefone im Privathaushalt. Danach wurden Telefone in immer kürzeren Abständen technisch verbessert. Es begann mit der Rufnummernspeicherung und dem Anzeigedisplay. Die elektronischen Ruftöne und die Freisprecheinrichtung folgten. Schließlich wurden Mitte der 1980er‑Jahre die ersten Schnurlostelefone auf den Markt gebracht.

… und heute

Die Anzahl der Telefonanschlüsse in Deutschland im herkömmlichen Festnetz liegt laut der Bundesnetzagentur derzeit bei rund 34,4 Mill. Regionalisierte Daten für die einzelnen Bundesländer liegen nicht vor. Sehr wohl gibt es aber Erkenntnisse für Baden‑Württemberg aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). So sind fast 93 % der baden‑württembergischen Haushalte über einen Festnetzanschluss erreichbar (Tabelle).

Das mobile Netz

Im Jahre 1958 begann die Deutsche Bundespost, bundesweit ein erstes öffentliches Mobilfunknetz aufzubauen. Bis 1970 gelang es, mit dem Funknetz vier Fünftel der Fläche der Bundesrepublik zu überziehen. Schon 1986 ließen sich durch das C‑Netz, eine Folgeeinrichtung des 1958 konzipierten Netzes, bis zu 400 000 mögliche Endbenutzer gleichzeitig bedienen. Die dazu notwendigen tragbaren Endgeräte wogen allerdings noch etwa 700 Gramm. Das C‑Netz zählte nach 2 Betriebsjahren bereits über 100 000 tatsächliche Nutzer. Für das Ende der 1990er‑Jahre erwartete die Deutsche Bundespost 1 Mill. Teilnehmer im Mobilfunk.

Die Erfolgsgeschichte des Mobilfunks in Deutschland begann vor gut 20 Jahren mit der Einrichtung des D‑Netzes. Am 30. Juni und 1. Juli 1992 startete der Regelbetrieb der digitalen Handy‑Netze von Mannesmann und der Deutschen Telekom. Nach der Inbetriebnahme der neuen Netze nach GSM‑Standard1 stieg in kurzer Zeit die Zahl der Handy‑Nutzer stark an: Bereits Ende 1993 gab es mehr als 1½ Mill. Mobilfunk‑Kunden in Deutschland. 3 Jahre später waren es schon rund 5,5 Mill. Mittlerweile hat die Zahl der Mobilfunkanschlüsse in Deutschland mit mehr als 115 Mill. die Zahl der Einwohner deutlich überschritten. Die ersten Handys kosteten um die 3 000 DM. Schnell sorgte der Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Anbietern für sinkende Verbindungsgebühren. Durch den Markteintritt weiterer Mobilfunkprovider ab Mitte der 1990er‑Jahre wurde dieser Prozess beschleunigt. Fortlaufende Innovationen bei den Handy‑Tarifen führten dann zu einem regelrechten Boom. Auch die Einführung von Prepaid‑Karten beschleunigte zusätzlich das Wachstum bei den Mobilfunkanschlüssen, zudem trugen technische Neuerungen, insbesondere die SMS, zur großen Beliebtheit bei.

Die pseudoenglische Bezeichnung Handy für ein Mobiltelefon gibt es übrigens nur in Deutschland. Im englischsprachigen Raum wird das Wort »handy« fast nur als Adjektiv verwendet und bedeutet dort »praktisch, bequem, handlich«. Das US‑amerikanische sowie südafrikanische Englisch spricht beim Mobiltelefon vom »cell phone« und im britischen Englisch vom »mobile phone« oder kürzer »mobile« gesprochen. Wie sich die Mobilfunksparte in den nächsten Jahren weiter entwickeln wird, ist aufgrund der ständigen Innovationen in diesem Bereich derzeit kaum absehbar, zumal sich die Funktionalitäten eines Mobiltelefons bei Weitem nicht allein auf das Telefonieren beschränken.

1 GSM: Global System for Mobile Communications.