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Jugend- und Altenquotient zur Beschreibung der demografischen Entwicklung in Baden‑Württemberg

Der Jugend- und der Altenquotient sind zwei Indikatoren aus der Demografie, die zur Beschreibung des Verhältnisses der Generationen zueinander herangezogen werden. Sie werden häufig auch als Belastungsmaße interpretiert. Als Belastungsmaß sollen sie über das Verhältnis der nicht erwerbstätigen zur erwerbstätigen Bevölkerung Auskunft geben. Im Zeitverlauf sollen sie die Entwicklung der (unter anderem finanziellen) Belastung der Erwerbsbevölkerung durch die Versorgung der Jungen bzw. Alten beschreiben.

Der Vorteil der Jugend- und Altenquotienten liegt darin, dass sie alleine auf der Bevölkerungsstatistik beruhen und damit leicht über lange Zeiträume und auch international vergleichend berechnet werden können. Bezüglich der Interpretierbarkeit als (ökonomische) Belastungsmaße sind ihnen jedoch Grenzen gesetzt. Im folgenden Artikel werden die Berechnung und die Ergebnisse im Zeitverlauf in Baden‑Württemberg sowie der aktuelle Stand in den Gemeinden des Landes dargestellt. Außerdem werden die Grenzen der Interpretierbarkeit als »Belastungsquoten« erläutert.

Entwicklung des Jugendquotienten

Der Jugendquotient beschreibt das Verhältnis der jungen Bevölkerung zur Bevölkerung im Erwerbsalter. Aufgrund der längeren Ausbildungszeiten und des späteren Renteneintritts wurde die Abgrenzung der Altersgruppen in den letzten Jahren angepasst. Wurde früher die junge Bevölkerung meist nur bis unter 15 Jahre definiert und die Erwerbsbevölkerung von 15 bis unter 60 Jahren, ist mittlerweile eine Abgrenzung von unter 20 Jahren bzw. unter 65 Jahren üblich.

Der Jugendquotient gibt an, wie viele Menschen unter 20 Jahre auf 100 Personen von 20 bis unter 65 Jahre kommen. Da die Altersgruppe der Jüngeren nur 20 Jahrgänge umfasst, die der Bevölkerung im Erwerbsalter hingegen 45, sind die Jahrgänge im Durchschnitt gleich stark besetzt, wenn der Jugendquotient bei 44 liegt (20/45*100). Ein Jugendquotient unter 44 besagt, dass die nachwachsende Generation dünner besetzt ist als die derzeitige Bevölkerung im Erwerbsalter. Sofern der fehlende Nachwuchs nicht durch Zuwanderung ausgeglichen wird, führt dies zu einem in der Zukunft abnehmenden Arbeitskräftepotential. Der Wert von 44 wurde in Baden‑Württemberg bereits Anfang der 1980er-Jahre unterschritten. Um 1970 hatte der Jugendquotient aufgrund des Babybooms mit einem Wert über 54 den höchsten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht. Nachfolgend sank er beinahe kontinuierlich.1 Um das Jahr 2000 herum stieg die absolute Zahl der Geburten und in der Folge auch der Jugendquotient nochmals leicht an, da die Babyboomer ihrerseits das geburtenstarke Alter erreichten.

Im Jahr 2013 kamen auf 100 Personen im Erwerbsalter nur noch 32 Menschen unter 20 Jahren. Diese Quote wird, sofern sich nicht am Geburtenverhalten etwas Wesentliches ändert, voraussichtlich bis zum Jahr 2060 nahezu unverändert bleiben.

Entwicklung des Altenquotienten

Ganz anders stellt sich die Entwicklung beim Altenquotienten dar. Der Altenquotient beschreibt das Verhältnis der älteren Bevölkerung zur Bevölkerung im Erwerbsalter, also nach aktueller Definition der 65-Jährigen und Älteren zu den 20 bis unter 65-Jährigen. Ein hoher Altenquotient besagt, dass es relativ viele ältere Menschen in einer Bevölkerung gibt. Noch 1950 kamen lediglich 16 ältere Menschen auf 100 Personen im Erwerbsalter. Seither ist der Wert auf 32 angestiegen und hat damit das Niveau des Jugendquotienten erreicht. Im Jahr 2013 gab es erstmalig mehr Menschen über 65 Jahre in Baden‑Württemberg als Personen unter 20 Jahre. Ursächlich für die Zunahme des Altenquotienten ist im Wesentlichen die gestiegene Lebenserwartung, sodass immer mehr Menschen auch in ein hohes Alter hineinwachsen. Aber auch eine sinkende Besetzungsstärke der jüngeren Altersgruppen lässt die Altenquotienten steigen.

Der Altenquotient wird voraussichtlich in den nächsten Jahren nur leicht ansteigen, jedoch ab ca. 2020 deutlicher zunehmen, da dann die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach das Alter von 65 Jahren erreichen und überschreiten. Ab ca. 2035 wird sich die Zunahme des Altenquotienten voraussichtlich wieder etwas abschwächen. So lange die Lebenserwartung weiter steigt und es nicht zu einer wesentlichen Steigerung der Geburtenhäufigkeiten kommt, wird der Anstieg des Altenquotienten jedoch anhalten.2 Im Jahr 2050 dürften die Älteren ungefähr den Anteil an der Bevölkerung ausmachen, den 1950 die Jüngeren hatten. Binnen 100 Jahren werden sich damit die Generationenverhältnisse voraussichtlich umgekehrt haben.

Der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter wird nach 2020 deutlich sinken

Der Jugend- und der Altenquotient beschreiben Teilaspekte der Veränderung der Altersstruktur, die im Gesamtquotienten miteinander verbunden werden. Der Gesamtquotient beschreibt das Verhältnis der Bevölkerungsanteile, die üblicherweise nicht im Erwerbsleben stehen, zu den Bevölkerungsanteilen im Erwerbsalter (siehe i-Punkt).

Da der Jugendquotient von 1900 bis 1990 stärker abgenommen hat, als der Altenquotient zunahm, nahm der Gesamtquotient – von temporären Schwankungen abgesehen – ab. Sein Allzeittief erreichte er 1990 mit einem Wert von 56. 1960 lag er mit 64 fast exakt auf dem Niveau von 2013 und wird in dieser Höhe voraussichtlich bis 2020 verharren. Getrieben von der Entwicklung des Altenquotienten wird der Gesamtquotient ab 2020 aus heutiger Sicht deutlich zu steigen beginnen. Der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter an der Gesamtbevölkerung und auch die absolute Zahl der potenziell Erwerbstätigen werden deutlich zurückgehen. Diese Entwicklung könnte durch anhaltend hohe Zuwanderung abgeschwächt, aber nicht aufgehalten werden.3

Wanderungsbewegungen haben auf Ebene des Landes nur mäßigen Einfluss auf die Höhe der Quotienten. Da Baden‑Württembergs Wanderungsgewinne hauptsächlich durch Personen im jüngeren Erwerbsalter entstehen, wirken sie sich kurzfristig leicht senkend auf alle drei Indikatoren – Jugend-, Alten- und Gesamtquotient – aus. Mittelfristig könnten sie zu einem Anstieg des Jugendquotienten führen, wenn die Zugewanderten in Baden‑Württemberg viele Kinder bekämen.

Beschreibt der Gesamtquotient die Belastung der Erwerbsbevölkerung?

Häufig wird der Gesamtquotient, über seine die Altersstruktur beschreibende Bedeutung hinaus, auch als Belastungsquotient interpretiert. In einer ganz groben Annäherung soll er angeben, wie stark die potenziell im Erwerb stehende Bevölkerung durch die Versorgung jüngerer und älterer Bevölkerungsanteile unter anderem finanziell belastet wird.

Diese Sichtweise wird durch den sogenannten Generationenvertrag begründet, wonach die derzeit im Erwerb stehende Bevölkerung die Renten der vorangegangenen Generation erwirtschaftet (Umlageverfahren) sowie für Unterhalt und Ausbildung der nachwachsenden Generation sorgt. Mit steigendem Gesamtquotienten nimmt nach dieser Lesart die Belastung der mittleren Generation zu.

Bei der Interpretation des Gesamtquotienten als Maß der (ökonomischen) Belastung der Erwerbsbevölkerung ist allerdings Vorsicht geboten.

Zum einen unterscheiden sich die Erwerbstätigen deutlich von den Personen im Erwerbsalter. Mit dem Zensus 2011 liegt die Möglichkeit vor, die nicht erwerbstätigen Personen auf die tatsächlich Erwerbstätigen zu beziehen. Dieser Quotient liegt für Baden‑Württemberg bei 87 (Stand Mai 2011). Das heißt, auf 100 Erwerbspersonen kamen 87 Personen, die nicht erwerbstätig waren, weil sie zu jung waren, sich noch in Ausbildung befanden, Hausfrauen, Hausmänner oder erwerbslos bzw. Empfänger von Ruhegehalt/Kapitalerträgen waren oder aus sonstigen Gründen keiner Erwerbstätigkeit nachgingen. Der Gesamtquotient bei einer Abgrenzung des Erwerbsalters von 20 bis unter 65 Jahren lag Ende 2011 hingegen bei 64 und damit deutlich unter dem Wert, der sich bei Berücksichtigung des Erwerbsstatus ergibt.

Zum anderen beschreibt der Gesamtquotient im Zeitverlauf zwar die altersstrukturelle Veränderung und damit mögliche Veränderungen der Belastungssituation, die reale Belastung kann jedoch einen deutlich anderen Verlauf nehmen. Zum Beispiel durch die Veränderungen im Erwerbsverhalten, die sich durch längere Ausbildungszeiten, höhere Frauenerwerbsquoten oder die Verschiebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters ergeben. Auch durch die Stärkung kapitalgedeckter Altersvorsorge etc. wird der Belastungsverlauf beeinflusst. Die Entwicklung des Gesamtquotienten beschreibt die demografische Komponente der Belastungsverschiebung, nicht jedoch unbedingt deren realen Verlauf.

Jugend- und Altenquotient zur Beschreibung der regionalen Altersstruktur

Jugend- und Altenquotienten eignen sich auch zur Darstellung regionaler Unterschiede in der Bevölkerungsstruktur. Die kleinräumige Betrachtung zeigt, dass Wanderungsbewegungen – neben der Geburtenentwicklung und der Lebenserwartung – die Altersstruktur hier anders als auf der Landesebene durchaus deutlich beeinflussen können.

Der Jugendquotient in den Gemeinden ­Baden‑Württembergs

Schaubilder 2 und 3 zeigen die Jugendquotienten auf Gemeindeebene 2013 als Flächeneinfärbung. Zusätzlich wurde in die Karten die Kinderzahl je Frau (TFR)4 als Indikator mit aufgenommen, um den Zusammenhang zwischen Geburten und Jugendquotienten zu verdeutlichen. Die Höhe der TFR lässt sich aus der Einfärbung der Kreise erkennen. Es wird durch die vielen Gemeinden mit gleicher oder ähnlich dunkler Einfärbung deutlich, dass eine hohe Kinderzahl je Frau häufig mit einem hohen Jugendquotienten einhergeht und umgekehrt.

Beispielhaft sei dies an Schaubild 2 für Gemeinden im Landkreis Ravensburg erläutert. In der Stadt Weingarten treten eine niedrige TFR und ein niedriger Jugendquotient gemeinsam auf, dies ist ein für Hochschulstandorte typischer Befund. Sie verzeichnen zumeist hohe positive Wanderungssalden bei den jungen Erwachsenen, was die Zahl der Personen im Erwerbsalter ansteigen und somit den Jugendquotienten sinken lässt. Die besonders stark besetzten Jahrgänge der jungen Erwachsenen haben darüber hinaus, insbesondere so lange sie sich noch in der Ausbildung befinden, niedrige Geburtenraten. Dies führt zu einer ebenfalls unterdurchschnittlichen TFR von 1,29 im Falle der Stadt Weingarten (Landesdurchschnitt: 1,36). Der westliche Nachbar, die Gemeinde Berg, ist ein typischer Fall einer ländlichen Gemeinde mit einer überdurchschnittlichen TFR von 1,64. Zusammen mit Wanderungsbewegungen, die die Bevölkerung im Erwerbsalter abnehmen lassen, kommt in Berg ein hoher Jugendquotient von 37 zustande (Landesdurchschnitt 32). Es gibt auch Gemeinden, in denen beide Indikatoren deutliche Unterschiedlich aufweisen. In der Stadt Isny im Allgäu beispielsweise ist der Jugendquotient deutlich höher als es aufgrund der sehr niedrigen TFR von 1,14 zu erwarten wäre. Ein Blick auf die Wanderungen zeigt hier, dass Familien mit Kindern und Jugendlichen deutlich mehr zu als fortziehen, junge Personen im Erwerbsalter der Stadt jedoch eher den Rücken kehren, was den Jugendquotienten auf fast 35 ansteigen lässt.

Mittels der im Demografie-Spiegel des Statistischen Landesamtes dargestellten Daten und Indikatoren lassen sich häufig Erklärungen für die dargestellten Ergebnisse finden.5 Manchmal sind aber auch ganz spezielle Bedingungen vor Ort für spezifische Konstellationen verantwortlich, die mit statistischen Daten schwerlich zu fassen sind.

Regionale Unterschiede beim ­Altenquotienten

Der Altenquotient ist aufgrund der Stärke der Altersgruppe der Erwerbstätigen in den Stadtkreisen überwiegend niedrig. Baden-Baden sticht hier als Ausnahme hervor. Erhöhte Zuwanderung Älterer führte dort zu einem sehr hohen Altenquotienten von 46 (Landesdurchschnitt 2013: 32). Ein Band mit hohen Altenquotienten zieht sich über den gesamten Höhenzug des Schwarzwaldes. Hier sind vor allem negative Wanderungssalden bei jungen Erwachsenen dafür verantwortlich, verstärkt in einigen Gemeinden durch einen positiven Wanderungssaldo der Älteren. Im Bodenseeraum wie in Baden-Baden ist der Zuzug Älterer die wesentliche Triebfeder für hohe Altenquotienten. Die gute Infrastruktur und landschaftliche Attraktivität machen diese Gemeinden zu einem beliebten Alterswohnsitz. Auch Gemeinden, in denen sich verhältnismäßig große Alten- und Pflegeheime befinden, haben in der Regel erhöhte Altenquotienten.

Weiteres Angebot des Statistischen Landesamtes zur Demografie

Weitere Regionalergebnisse zum Stand und zur voraussichtlichen Entwicklung des Jugend- und Altenquotienten sind im interaktiven Kartenangebot zur Bevölkerungsvorausrechung (Basis 2012) unter www.statistik-bw.de/iAtlas/BevoelkVor/ abrufbar. Dort kann auch die Entwicklung vieler weiterer Altersgruppen und der Gebietsebenen von der Gemeinde über die Stadt- und Landkreise bis hin zu den Regionen im Zeitverlauf analysiert werden.

Ergebnisse zum Durchschnittsalter 2013 – als ein weiterer Indikator der Altersstruktur – wurden in einer Pressemitteilung dargestellt: www.statistik-bw.de/Pressemitt/2015086.asp

Anhaltspunkte über Ursachen und Wirkungen sowie viele weitere demografische Indikatoren sind im Demografie-Spiegel des Statistischen Landesamtes unter www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/Demografie-Spiegel abrufbar.