:: 6/2015

Stand der öffentlichen Abwasserentsorgung in Baden‑Württemberg

Die öffentliche Abwasserentsorgung in Baden‑Württemberg leistet schon geraume Zeit auf hohem Niveau einen maßgeblichen Beitrag zum Schutz der Oberflächengewässer sowie der Grundwasservorkommen im Land. Dennoch bestehen auch aktuell vielfältige Herausforderungen. Maßstab für den erreichten Stand sind die in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie formulierten Umweltziele einer guten ökologischen Qualität der Gewässer. Um einen solchen guten Zustand insbesondere auch kleinerer Bäche und Flüsse zu erreichen bzw. zu sichern, ist die integrierte Betrachtung des Gesamtsystems der öffentlichen Abwasserentsorgung – bestehend aus Kanalsystem, Regenentlastungsbauwerken und Klärwerken – erforderlich. Im Hinblick darauf werden aktuell verschiedene Aufgabenstellungen diskutiert. Neben der Forderung nach einer weiteren Verbesserung der Klärleistung durch eine sogenannte vierte Ausbaustufe zur Elimination von Spurenstoffen im Abwasser geht es weiterhin um die Sanierung des Kanalnetzes. Hinzu kommen Möglichkeiten zur Verbesserung des Zustandes und Betriebes der in großer Zahl im Land errichteten und verfügbaren Regenüberlaufbecken. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem aktuellen Stand des Ausbaus und Betriebs der Einrichtungen zur öffentlichen Abwasserentsorgung in Baden‑Württemberg.

Praktisch flächendeckende zentrale Abwasserreinigung

Ein grundlegender Indikator zum erreichten Stand der öffentlichen Abwasserentsorgung ist der Anschlussgrad der Bevölkerung an Einrichtungen der zentralen Abwasserreinigung. Mitte des Jahres 2013 waren in Baden‑Württemberg 99,1 % der insgesamt knapp 10,6 Mill. Einwohner über die öffentliche Sammelkanalisation an eine zentrale kommunale Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen. Weitere 30 000 Einwohner in 7 (Teil-)Gemeinden nutzten industrielle oder ausländische Anlagen zur zentralen Abwasserbehandlung.

Lediglich meist kleinere und zerstreut liegende Siedlungen mit zusammen etwas mehr als 65 000 Einwohnern waren Mitte 2013 nicht an eine öffentliche Kanalisation angeschlossen. Das Abwasser dieser weiter verringerten Einwohnerzahl wird überwiegend in Kleinkläranlagen (41 500 Einwohner), in abflusslosen Gruben (22 600 Einwohner) oder anderen dezentralen Einrichtungen gesammelt und behandelt. Ein genau bezifferter Vergleich der nicht an zentrale Abwasserbehandlungsanlagen angeschlossenen Einwohner zwischen 2013 und 2010 ist wegen der unterschiedlichen Grundlagen für die Ermittlung der Einwohnerzahlen, Zensus 2011 bzw. Volkszählung 1987, nicht möglich. In 22 Gemeinden bzw. Teilgemeinden werden noch Kanäle genutzt, über die Abwasser aus Gruben ohne weitere Behandlung in einer zentralen Abwasseranlage direkt in ein Oberflächengewässer (20 Gemeinden) bzw. in den Untergrund (2 Gemeinden) eingeleitet wird. Die Zahl der Einwohner, deren Abwasser 2013 auf diese Weise entsorgt wurde, hat sich gegen­über 2010 mehr als halbiert. Betroffen waren noch rund 1 400 Einwohner.

Kanalnetz auf fast 74 000 km ausgebaut

Das gesamte öffentliche Kanalnetz für die Sammlung und Ableitung von Abwasser einschließlich Transportkanälen hat zum Stand 30. Juni 2013 in Baden‑Württemberg eine Länge von fast 74 000 Kilometern (km) erreicht. Dies entspricht einer mittleren Kanallänge von rund 7 Metern pro Einwohner. In den 3 Jahren seit 2010 kamen gut 1 900 km Kanallänge dazu.

Bei mehr als zwei Dritteln (68 %) der 2013 genutzten Kanäle handelt es sich um Mischwasserkanäle, in denen häusliches und gewerbliches Schmutzwasser zusammen mit Regenwasser abgeleitet wird. Der Anteil dieser Mischwasserkanäle ist leicht rückläufig, da bei den neugebauten Kanälen das Prinzip der getrennten Ableitung von Schmutz- und Regenwasser deutlich überwiegt. Von den seit Mitte 2010 hinzugekommenen Kanälen handelt es sich nur zu 20 % um Mischwasserkanäle.

Um regelmäßig den bestehenden Sanierungsbedarf bei den öffentlichen Kanalisationsanlagen offenzulegen, schreibt die Eigenkontrollverordnung eine regelmäßige Prüfung des Zustands der Kanäle vor. Unter diesen Aspekten ist das Baujahr der Kanäle von hohem Interesse. Den aktuellen Angaben zufolge stammen mindestens rund 9 700 km des öffentlichen Kanalnetzes im Land, zu fast 90 % Mischwasserkanäle, noch aus der Zeit vor 1961. Es ist davon auszugehen, dass ein noch größerer Teil der Kanäle bereits länger als 55 Jahre besteht, da für fast ein Viertel der aktuell verfügbaren Kanallängen das Baujahr als nicht bekannt angegeben wird.

Regional wird die Länge des Kanalnetzes sehr stark von den jeweiligen Siedlungsstrukturen bestimmt. Deshalb streut auch die Kanallänge je Einwohner in den Stadt- und Landkreisen zwischen 3 und über 10 Metern erheblich. Auch der Anteil der Mischwasserkanäle ist ­regional sehr verschieden groß.

Gewässerentlastung durch Regenentlastungsanlagen

Verstärktes Augenmerk kommt in den letzten Jahren wieder dem Ausbau und vor allem auch dem Betrieb der Regenentlastungsanlagen zu. Gerade hierin wird offenbar noch erhebliches Potenzial zur Entlastung der Oberflächengewässer im Land gesehen. Dabei geht es jedoch offenbar weniger um den weiteren Zubau als vielmehr um die Sanierung und den richtigen Betrieb der verfügbaren Anlagen.

Insgesamt waren Mitte 2013 in Baden‑Württemberg 8 232 Regenentlastungsbauwerke mit Becken und einem Gesamtvolumen von 5,66 Mill. Kubikmetern (m3) sowie weitere 3 816 Regenüberläufe ohne Becken verfügbar. Seit 2010 kamen knapp 350 Anlagen mit einem Volumen von 344 000 m3 dazu. Die Zahl der Regenüberläufe ohne Becken ging in den zurückliegenden 3 Jahren zurück (minus 31 Anlagen). Das als notwendig erachtete Volumen der Regenüberlaufbecken ist offenbar im Wesentlichen erreicht, allerdings noch nicht die notwendige Leistung. Vor allem Maßnahmen zur Verringerung der Entlastungshäufigkeit der Regenüberläufe stehen bei der Optimierung weit vorne, da offenbar im Entlastungsfall den betroffenen Gewässern häufig eine weitaus höhere Schadstofffracht zugeführt wird als durch den gleichzeitigen Kläranlagenabfluss. Deshalb wird der Überprüfung der Regenüberlaufbecken ebenso hohe Priorität beigemessen wie der Überprüfung der Sanierung undichter Kanäle. Die Forderung geht bis hin zu einem Leistungsvergleich für Regenüberlaufbecken, um die inzwischen meist sehr gute Leistung der Klärwerke möglichst wenig durch Regenentlastungen zu mindern.

Weitere Konzentration der kommunalen Abwasserbehandlung

Für die zentrale öffentliche Abwasserbehandlung standen 2013 in Baden‑Württemberg 979 kommunale Kläranlagen mit mehrstufiger Behandlung des Abwassers zur Verfügung. Hinzu kamen drei industrielle Kläranlagen mit vergleichbaren Verfahrensstufen. Damit hat sich die Zahl der betriebenen Klärwerke weiter verringert. 2010 waren noch 1 025 Kläranlagen in Betrieb. Die erhöhten Anforderungen an die Reinigungsleistung führen zur Stilllegung vor allem kleinerer Anlagen. Neben der bei allen Anlagen vorhandenen biologischen Reinigung verfügten 892 Anlagen über mindestens eine weitergehende Reinigungsstufe. Bei 876 Anlagen wurde die Stickstoffelimination durch Nitrifikation und/oder Schlammstabilisierung durchgeführt. Bei 726 Anlagen waren Einrichtungen zur Denitrifikation verfügbar und 552 Anlagen ergriffen Maßnahmen zur Phosphorentfernung (Phosphatelimination). Eine vierte Reinigungsstufe zur Filtration gab es 2013 im Land bei 51 Anlagen (plus fünf gegenüber 2010). Sieben Anlagen führten eine Desinfektion des Abwassers und 14 Anlagen eine gezielte Elimination von Mikroschadstoffen (Spurenstoffen) durch.

Die 2013 insgesamt in den verfügbaren Anlagen behandelte Abwassermenge summierte sich auf 1 725,8 Mill. m3. Der weitaus überwiegende Teil davon waren Fremd- und Niederschlagswasser. Die behandelte Menge an häuslichem und betrieblichem Schmutzwasser lag bei zusammen 553 Mill. m3. Damit fiel die den kommunalen Kläranlagen zugeleitete Schmutzwassermenge nur geringfügig niedriger aus als im Jahr 2010 (556 Mill. m3). Hingegen war die den Kläranlagen zusammen mit dem Schmutzwasser zugeführte Fremdwassermenge mit 516 Mill. m3 deutlich größer als noch 2010 (plus 57 Mill. m3 oder plus 12 %). Und auch die über das Kanalsystem zugeleitete Niederschlagswassermenge überstieg mit 657 Mill. m3 die Menge von vor 3 Jahren sehr deutlich. Im Anstieg der Niederschlags- und Fremdwassermenge schlug sich vor allem die 2013 im Vergleich zu 2010 höhere Niederschlagshäufigkeit nieder. Die besonders starke Fremdwasserzunahme ist aber auch ein Indikator für das undichte und vielfach sanierungsbedürftige Kanalnetz.

Reinigungsleistung auf hohem Niveau

Die Schadstoffbelastung der nach Behandlung in den kommunalen Kläranlagen in die verschiedenen Vorfluter abgeleiteten Abwässer wird anhand mehrerer Parameter gemessen. Abgesehen von Einzelfällen wurden im Jahr 2013 bei allen Anlagen die Konzentrationen der Parameter Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB), Phosphor (Pges) sowie Stickstoff (Nges) regelmäßig ermittelt. Die durchschnittlichen Konzentrationen lagen, bezogen auf die Abwassermenge von jeweils rund 1 726 Mill. m3 Abwasser, im Mittel bei 0,6 mg/l für Pges, 8,2 mg/l für Nges und 19,7 mg/l für CSB. Damit wurde die mittlere Belastung der abgeleiteten Abwässer bezogen auf diese drei Hauptparameter gegenüber 2010 trotz des bereits niedrigen Niveaus weiter verbessert.

Weitere in deutlich geringerer Anzahl gemessene Parameter sind der AOX, Adsorbierbare organisch gebundene Halogene (angegeben als Chlorid), sowie verschiedene Schwermetalle, die jeweils bei rund einem Drittel der Anlagen gemessen wurden. Bei der Mehrzahl der Anlagen lagen die Konzentrationen unter der Nachweisgrenze. Die Zahl der Anlagen mit Messergebnissen oberhalb der Nachweisgrenze streut zwischen 143 Anlagen beim AOX und 18 Anlagen bezogen auf Quecksilber. Die mittlere AOX-Konzentration bei diesen Anlagen lag bei 26,6 µg/l, die gemessenen mittleren Konzentrationen an Schwermetallen lagen praktisch durchweg unter den zugehörigen Schwellenwerten. Angaben über die Belastung der Abwässer mit organischen Spurenstoffen, die vor allem als Begründung für eine vermehrt propagierte vierte Reinigungsstufe angeführt werden, liegen nicht vor.