:: 8/2015

Die EU, USA und China

Drei Großräume im Vergleich

Die Machtverhältnisse in der Weltpolitik und Weltwirtschaft haben sich seit dem Ende des 20. Jahrhunderts nachhaltig verschoben. Die Volksrepublik China als neue, aufstrebende Großmacht hat gemessen an der Wirtschaftsleistung zu den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union aufgeschlossen, auch wenn ihr Pro-Kopf-Wert noch deutlich hinterherhinkt. Angetrieben von Fähigkeiten und Wissen seiner rund 1,4 Milliarden (Mrd.) Menschen scheint derzeit vielen der Aufstieg Chinas unaufhaltsam. Im folgenden Beitrag werden die drei Großräume hinsichtlich ihrer geografischen, demografischen und wirtschaftlichen Stellung in der Welt genauer unter die Lupe genommen.

Historischer Abriss

Die Verbindung zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika hat historische Wurzeln. Die Entscheidung der USA sich 1945 nicht, wie nach dem Ersten Weltkrieg, aus Europa zurückzuziehen, sorgte für ein Element der Stabilität in Westeuropa. Dies war auch eine Grundlage dafür, das Projekt der europäischen Einigung anzugehen.

Die im Jahr 1975 zwischen der EU und China aufgenommenen diplomatischen Beziehungen haben sich in den zurückliegenden 40 Jahren zu großer Vielfalt, beachtlicher Dichte und zunehmender politischer Substanz entwickelt. Auf dem Weg zu einer zukunftsgerichteten Partnerschaft ermutigt die Europäische Union das »Reich der Mitte«, seinen Rechtsstaat zu stärken und die Reformen in Zusammenhang mit der Achtung der Menschenrechte und dem Schutz der Minderheiten zu intensivieren. Als Ping-Pong-Diplomatie bezeichnete man die politische Annäherung zwischen China und den USA mit Hilfe des Tischtennissports in den 1970er-Jahren. Das amerikanisch-chine­sische Verhältnis ist mit die wichtigste bilaterale Beziehung im 21. Jahrhundert. Die alte Supermacht USA begegnet der kommenden Großmacht China.

Fläche und Bevölkerung

Die Gesamtfläche der Europäischen Union liegt bei rund 4,5 Mill. km², das ist weniger als die Hälfte der Fläche der USA (9,8 Mill. km²) und Chinas (9,6 Mill. km²). Von den weltweit über 7 Mrd. Menschen im Jahr 2014 lebten fast 1,4 Mrd. (19,2%) in China. Die EU hatte mit über einer halben Milliarde Einwohner einen Anteil von gut 7 % an der Weltbevölkerung, die USA mit fast 320 Mill. Einwohnern weniger als 5 %. Darüber hinaus lebten in China mit fast 150 Einwohnern je km² rund viermal mehr Menschen auf einem km² als in den USA (35 Einw. je km²). Selbst in der EU lebten nur 113 Einwohner auf einem Quadratkilometer. Damit ist die Bevölkerungsdichte dieser drei Großräume weitaus geringer als in Deutschland (226 Einw. je km²) und Baden‑Württemberg (297 Einw. je km²). Die Geburtenrate, das heißt die Zahl der Kinder, die eine Frau in ihrem Leben im Durchschnitt zur Welt bringt, bewegt sich in den untersuchten Gebieten auf relativ niedrigem Niveau. Mit 1,9 Kindern je Frau weisen die Vereinigten Staaten zwar die höchste Geburtenrate auf, aber die bestandserhaltende Rate von über 2 Kindern je Frau wurde trotzdem nicht erreicht. Mit Werten von 1,7 bzw. 1,6 haben auch China und die 28 Länder der EU eine etwas höhere Geburtenziffer als Deutschland und Baden‑Württemberg (jeweils 1,4). Die jüngste Altersstruktur ist in China festzustellen. Hier sind nur rund 9% der Menschen älter als 65 Jahre, aber fast ein Fünftel unter 15 Jahre alt. Damit stehen einem älteren Menschen rund zwei junge Personen gegenüber. Dagegen trifft Deutschland und auch Baden‑Württemberg die Alterung der Gesellschaft sehr stark. Hier ist der Anteil der über 65-Jährigen höher als der unter 15-Jährigen.

China mit rasantem Wirtschaftswachstum

Der Aufstieg Chinas begann 1978 mit der wirtschaftlichen Öffnung unter Deng Xiaoping. Es entstand Chinas Weg in eine »sozialistische Marktwirtschaft«. China erlebt seitdem ein nie vorher dagewesenes Wirtschaftswachstum mit einer Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts von jährlich durchschnittlich fast 10 %. Dies hat zur Folge, dass China im Jahr 2014 eine höhere Wirtschaftsleistung als die Vereinigten Staaten aufwies. Nur die 28 EU-Länder vereinigten eine noch höhere Wirtschaftsleistung. Damit machen die drei Großräume zusammen annähernd die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung aus. Die diesbezüglichen Berechnungen des Internationalen Währungsfonds beruhen dabei auf der Kaufkraftparität (KKP). Dies ist eine künstliche Währung, die Verzerrungen aufgrund von Unterschieden im Preisniveau verschiedener Länder ausschaltet.

Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, ein Indikator für die Wirtschaftskraft, die Wettbewerbsfähigkeit und den Entwicklungsstand eines Landes, betrug nach Angaben des Internationalen Währungsfonds in den USA im Jahr 2014 knapp 55 000 KKP (US-$). Damit belegten die Vereinigten Staaten im Welt-Ranking einen der vordersten Plätze. Nur einige kleinere Staaten wie zum Beispiel Katar, Luxemburg, Singapur und die Schweiz konnten einen noch höheren Wert aufweisen. Den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung Chinas kann man gut an der Entwicklung des BIP je Einwohner erkennen. Im Jahr 1990 betrug es nicht einmal 1 000 KKP (US-$), im Jahr 2000 waren es annähernd 3 000 KKP (US-$) und in 2014 bereits knapp 13 000 KKP (US-$). Damit belegt das Reich der Mitte einen Mittelfeldplatz unter den Ländern der Erde. Vergleichbare Werte wie China wiesen 2014 Kolumbien, Serbien und Südafrika auf. Baden‑Württemberg, als ökonomisch hoch entwickelte Region, erreichte mit knapp 52 000 KKP (US-$) annähend den Wert der USA. Der Südwesten lag damit um mehr als 40 % über dem EU-Durchschnitt.

Der technische Fortschritt, die Wissensintensivierung und der demografische Wandel verändern die Bedürfnisse in Gesellschaft und Wirtschaft. Es findet eine Tertiarisierung der Wirtschaft statt, also ein Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Der Dienstleistungssektor hat in China mittlerweile einen Anteil an der Gesamtwirtschaft von 46% und ist damit größer als der Industriesektor (44%). Trotz dieser Aufholjagd sind die Dienstleistungsanteile der USA (78%) und der EU (74%) immer noch wesentlich höher. Dagegen spielt der Agrarsektor in China mit 10% weiterhin eine wichtige Rolle. In den USA und der EU hingegen entfallen auf die Land-und Forstwirtschaft sowie die Fischerei lediglich noch 1,3% bzw. 1,7% der Bruttowertschöpfung.

China seit 2009 Exportweltmeister

Auch im Jahr 2014 konnte China wieder seinen Titel als »Exportweltmeister« verteidigen. 2009 hatte Deutschland den Titel an den asiatischen Konkurrenten verloren. Nach Angaben der WTO wurde im Jahr 2014 über die Hälfte der weltweiten Exporte von der EU, den USA und China bestritten. Dabei wickelten die 28 Länder der EU knapp ein Drittel der weltweiten Exporte ab. Mit deutlichem Abstand folgten China (12,4%) und die USA (8,6%).

USA und China wichtigste Abnehmer baden-württembergischer Waren

Die Europäische Union ist die wichtigste Abnehmerregion baden-württembergischer Produkte. Über 90 Mrd. Euro oder gut die Hälfte aller Warenexporte gingen in 2014 in die Partnerländer der EU. Im Länderranking waren die Vereinigten Staaten von Amerika weltweit der wichtigste Abnehmer baden-württembergischer Güter. Im vergangenen Jahr konnten die Exporteure des Landes über 21 Mrd. Euro in den USA absetzen, dies entspricht einem Anteil an der Gesamtausfuhr von fast 12%. Die Bedeutung Chinas als Abnehmer von Produkten »Made in Baden‑Württemberg« nimmt kontinuierlich zu. Mittlerweile ist das »Reich der Mitte« mit einem Anteil von knapp 8% das zweitwichtigste Zielland baden-württembergischer Ausfuhren geworden.

China auf dem Weg zur führenden Forschungsweltmacht

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in China steigen rasant. Schon 2009 hat China den Dauerkonkurrenten Japan überholt und nun steht China kurz davor, auch die EU bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu übertreffen. Die OECD prognostiziert, dass China hinsichtlich der FuE-Ausgaben sogar die Vereinigten Staaten innerhalb dieser Dekade einholen wird.

2013 standen 336 Mrd. KKP (US-$) Forschungs- und Entwicklungsausgaben in China ganzen 345 Mrd. KKP (US-$) in der EU-28 gegenüber. Dabei hat China in den Jahren 2003 bis 2013 seine Forschungs- und Entwicklungsausgaben – allerdings ausgehend von einem Niveau, das damals mit gut 56 Mrd. KKP (US-$) noch unter dem der FuE-Ausgaben Deutschlands lag – versechsfacht. Im Gegensatz dazu stiegen die Ausgaben vor allem nach 2008 für FuE in der EU und den Vereinigten Staaten nur verhalten. Dadurch sanken die Anteile der weltgrößten Forschernation USA und der EU-28 an den globalen FuE-Ausgaben zwischen 2003 und 2013 stetig von 37% auf 29% bzw. von 27% auf 22%, während China innerhalb dieser ­Dekade seinen Beitrag auf nunmehr 21% verdreifachen konnte.

Die 2 500 Unternehmen, die weltweit im Jahr 2013 am meisten in Forschung und Entwicklung investierten, repräsentierten nach Angaben der Europäischen Kommission mit über einer halben Billion Euro 90% der weltweiten Ausgaben der Wirtschaft für FuE. Insgesamt konnten diese Unternehmen ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung gegenüber 2012 um 4,9% steigern. Die 633 Unternehmen mit Sitz in einem der 28 Mitgliedstaaten der EU entwickelten sich mit einem Plus von 2,6% gegenüber dem Vorjahr deutlich unterdurchschnittlich – überdurchschnittlich mit einem Plus von 6 % konnten allerdings die 138 deutschen Unternehmen zulegen. Die 804 Unternehmen mit Sitz in USA steigerten ihre Investitionen in FuE gegenüber dem Vorjahr um 5%. Am dynamischsten entwickelten sich aber die 199 chinesischen Unternehmen mit einem Plus von fast 10%.

Unter den 100 internationalen Top-Unternehmen war der Volkswagenkonzern mit FuE-Investitionen in Höhe von 11,7 Mrd. Euro wie schon im Vorjahr weltweiter Spitzenreiter. Europas größter Autobauer Volkswagen steckte so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie kein anderer börsennotierter Konzern der Welt. Er liegt damit klar vor dem südkoreanischen Samsung-Konzern mit Ausgaben von 10,2 Mrd. Euro, gefolgt von den US-amerikanischen Unternehmen Microsoft und Intel auf den Plätzen 3 und 4. Unter den 100 Besten befanden sich allein elf deutsche Unternehmen, drei davon sind in Baden‑Württemberg ansässig: Daimler auf Platz 10, Robert Bosch (16) und SAP (46). Huawei, der chinesische Kommunikationsriese, belegte mit FuE-Ausgaben von 3,6 Mrd. Euro den 26. Platz und ist damit das bestplatzierte chinesische Unternehmen im weltweiten Ranking.

Deutliche Unterschiede gibt es allerdings zwischen dem Image eines Unternehmens und seinen Forschungsausgaben. Als innovativstes Unternehmen der Welt gilt seit Jahren der US-Technologiekonzern Apple. Dabei ist das Forschungsbudget des Erfinders von iPhone, iPad und Co mit 3,2 Mrd. Euro (Platz 35) vergleichsweise gering.