:: 9/2015

Einkommenseffekte der Berufspendler

Pendlerströme stellen einen bedeutsamen Faktor für die regionale Einkommensverteilung dar, da mit ihnen Einkommenstransfers von den Arbeitsorten zu den Wohnorten verbunden sind. In der Folge unterscheidet sich bei einzelnen Regionen das Einkommen recht deutlich, je nachdem, ob sie aus der Warte des Arbeitsort- oder Wohnortkonzepts betrachtet werden. So weisen auf Bundesländerebene vor allem die Stadtstaaten nach dem Arbeitsortkonzept ein vergleichsweise hohes Einkommen auf, das jedoch teilweise wieder an die Wohnorte der Einpendler in die angrenzenden Länder abfließt.

Das gleiche Bild ergibt sich in Baden‑Württemberg für die Stadtkreise. Hier liegt das geleistete Arbeitnehmerentgelt durchgängig deutlich über dem empfangenen, gleichzeitig zeichnen sie sich durch einen beträchtlichen Einpendlerüberschuss aus. Insgesamt ist das nach dem Wohnortkonzept dargestellte empfangene Einkommen tendenziell regional gleichmäßiger verteilt als das Einkommen nach dem Arbeitsortkonzept.

Berufspendler und Einkommen – Zusammenhänge?

Seit den 1960er-Jahren nimmt die Trennung von Wohn- und Arbeitsort in Deutschland im Trend zu. Dies ist zum einen auf die Abwanderung der Bevölkerung aus der Kernstadt ins Umland der Städte zurückzuführen. Vergleichsweise hohe Miet- und Baulandpreise in den innerstädtischen Gebieten, aber auch individuelle Wohnpräferenzen, beispielsweise der Wunsch nach einem eigenen Haus im Grünen sind hierbei eine Erklärung.1 Weitere Gründe für das Pendeln dürften im regional unterschiedlich gut ausgebauten Arbeitsangebot zu finden sein, das heißt, je schlechter die Situation auf dem lokalen Arbeitsmarkt ist, desto höher ist die Pendelbereitschaft.

Welche Bedeutung hat nun das Pendeln der Berufstätigen für die Einkommen einzelner Regionen? Im Folgenden werden zunächst die Einkommen der Bundesländer beleuchtet, differenziert nach den Flächenländern und den Stadtstaaten. Anschließend wird für Baden‑Württemberg aufgezeigt, in welchem Maße Zusammenhänge zwischen dem Pendlersaldo und den Einkommensgrößen am Arbeits- bzw. Wohnort bestehen.2

Arbeitnehmerentgelt als Einkommensgröße

Zur Untersuchung der Frage nach der Bedeutung der Berufspendler für die regionale Einkommensverteilung sind neben Angaben zu den Pendlerströmen auch Informationen zum Einkommen der Beschäftigten erforderlich. Entsprechende Daten hierzu werden vom Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« berechnet.3 Als Einkommensgröße wird im Folgenden das Arbeitnehmerentgelt herangezogen.

Das Arbeitnehmerentgelt setzt sich zusammen aus den Bruttolöhnen und -gehältern sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber. Das sogenannte geleistete Arbeitnehmerentgelt wird nach dem Arbeitsort dargestellt und umfasst die Geld- und Sachleistungen, die den in einer Region beschäftigten Arbeitnehmern zugeflossen sind. Im Gegensatz dazu erfolgt beim empfangenen Arbeitnehmerentgelt der Nachweis nach dem Wohnort der Arbeitnehmer. Beim Übergang von Arbeitnehmerentgelt am Arbeitsort zum Arbeitnehmerentgelt am Wohnort werden folglich die Arbeitnehmereinkommen der Einpendler abgezogen und die entsprechenden Einkommen der Auspendler hinzugefügt. Die nachfolgenden Betrachtungen basieren damit auf einem definitionsgemäß gleich gefassten Begriff für die Einkommen am Arbeits- und Wohnort.

Einkommensunterschiede zwischen den Bundesländern

Bevor die Bedeutung der Berufspendler für die regionale Einkommensverteilung innerhalb Baden‑Württembergs betrachtet wird, erfolgt zunächst ein Blick auf die Bundesländer. Das Pendeln von Arbeitnehmern über die Bundesländergrenzen hinweg führt für manche Bundesländer zu Einkommenszuwächsen, andere hingegen erfahren Einkommensabflüsse. Erwartungsgemäß lag das geleistete Arbeitnehmerentgelt je Einwohner4 nach dem Arbeitsortkonzept im Jahr 2012 vor allem für die Stadtstaaten – und hier insbesondere für Hamburg und Bremen – deutlich über den empfangenen Arbeitnehmereinkommen je Einwohner nach dem Wohnortkonzept. Grund hierfür dürfte die Attraktivität der Stadtstaaten als Arbeitsort mit tendenziell besseren Verdienstmöglichkeiten auch für die im Umland wohnenden Arbeitnehmer sein. Darauf deutet die Differenz zwischen Arbeitnehmerzahlen am Arbeitsort und Arbeitnehmer am Wohnort auf Basis der Erwerbstätigenrechnung hin, die für Bremen und Hamburg per Saldo mit über 130 Einpendlern je 1 000 Einwohner im Jahr 2012 im Bundesländervergleich deutlich positiv ausfiel.

Unter den Flächenländern wies Hessen mit knapp 1 200 Euro die höchste Differenz zwischen Arbeitnehmereinkommen je Einwohner nach dem Arbeitsortkonzept und Pro-Kopf-Entgelt nach dem Wohnortkonzept auf. Aber auch im Saarland, in Baden‑Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern lagen die geleisteten Arbeitnehmereinkommen je Einwohner über den empfangenen – allerdings deutlich weniger ausgeprägt als in Hessen. Ebenfalls wiesen diese Länder einen, wenn auch marginalen, Einpendlerüberschuss in 2012 auf.

Anders verhielt es sich in den fünf neuen Bundesländern sowie in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Hier war das Arbeitnehmerentgelt je Einwohner nach dem Arbeitsortprinzip geringer als das Entgelt je Einwohner nach dem Wohnortprinzip und auch der Pendlersaldo, das heißt die Arbeitnehmer am Arbeitsort abzüglich Arbeitnehmer am Wohnort je 1 000 Einwohner, fiel negativ aus. So lag der Saldo der Arbeitnehmer in 2012 zwischen elf Auspendlern je 1 000 Einwohner in Sachsen und 60 in Brandenburg – das heißt, es sind elf beziehungsweise 60 Arbeitnehmer je 1 000 Einwohner mehr aus- als eingependelt. Besonders hoch war die Differenz zwischen dem Pro-Kopf-Entgelt nach dem Arbeitsortkonzept und dem Arbeitnehmerentgelt je Einwohner nach dem Wohnortkonzept mit mehr als 2 600 Euro für Brandenburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Während die Arbeitnehmer in Brandenburg vermutlich vorwiegend nach Berlin und die Berufstätigen aus Schleswig-Holstein oftmals nach Hamburg zum Arbeiten pendeln, dürften es für Rheinland-Pfalz vor allem die angrenzenden Bundesländer Hessen und Baden‑Württemberg sein.

Insgesamt ist zu vermuten, dass das Pendeln über die Landesgrenzen hinweg weniger ausgeprägt ist als das Pendeln über die Kreisgrenzen. Dennoch scheint die Pendelwanderung auch auf Bundesländerebene einen gewissen Einkommensausgleich zu bewirken, denn das empfangene Arbeitnehmerentgelt je Einwohner ist tendenziell gleichmäßiger verteilt als das geleistete. So fällt die Spannweite zwischen höchstem und geringstem Arbeitnehmerentgelt je Einwohner nach dem Wohnortprinzip geringer aus als beim Pro-Kopf-Entgelt am Arbeitsort.

Baden‑Württemberg: Unterschied zwischen Einkommen nach Arbeits- und Wohnortkonzept gering

In Baden‑Württemberg belief sich das geleistete Arbeitnehmerentgelt je Einwohner im Jahr 2012 auf annähernd 19 270 Euro. Das empfangene Arbeitnehmerentgelt je Einwohner lag bei fast 18 780 Euro. Damit sind die durch das Pendeln resultierenden Einkommensunterschiede für Baden‑Württemberg im Ländervergleich relativ gering. Gleichzeitig liegt der Südwesten sowohl beim geleisteten als auch empfangenen Arbeitnehmerentgelt je Einwohner verglichen mit den anderen Flächenländern mit jeweils Platz 2 im Spitzenfeld.

Innerhalb Baden‑Württembergs zeigt sich laut Hoover-Index – einem Maß für die regionale Ungleichverteilung, das angibt, welcher Anteil des Einkommens umverteilt werden müsste, um Gleichverteilung zu erzielen5 –, dass das Arbeitnehmerentgelt nach dem Wohnortkonzept wesentlich gleichmäßiger verteilt ist als das Arbeitnehmerentgelt nach dem Arbeitsortkonzept. Während nach dem Hoover-Koeffizienten in Baden‑Württemberg 2012 nur gut 3,5 % der empfangenen Arbeitnehmereinkommen rechnerisch zwischen den Kreisen umverteilt werden müssten, um eine theoretische Gleichverteilung zu erreichen, wären es beim geleisteten Arbeitnehmerentgelt über 11 %. Inwiefern hierbei das Pendeln über die Kreisgrenzen hinweg eine Rolle spielt, wird nachfolgend näher betrachtet.

Stadtkreise mit deutlichem Einpendlerüberschuss

Ergebnisse zu den Pendlerbewegungen über Kreisgrenzen hinweg liefert die Berufspendlerrechnung Baden‑Württemberg. Diese weist Erwerbstätige mit Wohn- und/oder Arbeitsort in Baden‑Württemberg nach, die in ihrer Wohngemeinde selbst oder in Tagespendelentfernung zum Wohnort tätig sind. Damit sind auch Arbeitsmarktverflechtungen mit den umliegenden Bundesländern und teilweise dem benachbarten Ausland einbezogen. Nicht erfasst sind im Rahmen dieser Pendlerrechnung Erwerbstätige mit Arbeitsort im Ausland.

Die einzelnen Stadt- und Landkreise Baden‑Württembergs unterscheiden sich hinsichtlich Pendlersaldo und Verhältnis des geleisteten zum empfangenen Arbeitnehmerentgelt zum Teil erheblich. Tendenziell ist der Pendlersaldo umso höher, je höher das geleistete Arbeitnehmerentgelt nach dem Arbeitsortkonzept im Verhältnis zum empfangenen Arbeitnehmerentgelt nach dem Wohnortkonzept ist.

Die Tabelle zeigt den Pendlersaldo je 1 000 Einwohner, das heißt die Differenz zwischen den Ein- und Auspendlern, für die Stadt- und Landkreise in Baden‑Württemberg sowie das Verhältnis des Arbeitnehmerentgelts am Arbeitsort zum Arbeitnehmerentgelt am Wohnort.6 Es lassen sich auf der Grundlage dieses Verhältnisses grob vier Gruppen klassifizieren.

Gruppe 1 enthält die neun Stadtkreise Baden‑Württembergs, die alle ein Verhältnis »Arbeitnehmerentgelt Arbeitsort« zu »Arbeitnehmerentgelt Wohnort« von 1,25 und mehr aufweisen. Gleichzeitig haben die Stadtkreise einen dreistelligen positiven Pendlersaldo bezogen auf 1 000 Einwohner, also einen Einpendlerüberschuss. Damit wird in den Stadtkreisen durch die Einpendler zwar ein relativ hohes Arbeitnehmereinkommen erwirtschaftet, das jedoch zu einem großen Teil wieder in die Wohnortkreise der Einpendler abfließt.

Für die Kreise der Gruppe 2, deren Arbeitnehmerentgelt am Arbeitsort ebenfalls – allerdings meist nur geringfügig – höher ist als das Arbeitnehmerentgelt am Wohnort, bewegt sich der Pendlersaldo zwischen einem leicht positiven und leicht negativen Wert. Fast alle dieser zwölf Landkreise grenzen nicht direkt an einen Stadtkreis.

In Gruppe 3 sind diejenigen Kreise mit einem Verhältnis Arbeitnehmerentgelt Arbeitsort zu Wohnort von 0,75 bis unter 1 dargestellt. Das heißt das geleistete Arbeitnehmereinkommen ist etwas geringer als das empfangene. Diese Landkreise weisen – abgesehen vom Landkreis Ravensburg – auch durchgehend einen Auspendlerüberschuss auf. Das Pendeln von Erwerbstätigen führt in diesen Kreisen folglich zu einem, wenn auch zumeist nur leichten, Einkommenszuwachs.

Die Landkreise, deren geleistetes Arbeitnehmereinkommen das empfangene mit einem Verhältnis von kleiner als 0,75 relativ deutlich unterschreitet, weisen für gewöhnlich auch einen hohen negativen Pendlersaldo auf. Ausnahmen bilden die beiden Kreise Lörrach und Waldshut, die nicht ins Bild passen. Dies dürfte an den in der Berufspendlerrechnung nicht erfassten Auspendlern in die Schweiz liegen. Gleichzeitig grenzen die allermeisten dieser Landkreise – bis auf den Landkreis Calw sowie die beiden »Ausnahmen« Lörrach und Waldshut – unmittelbar an einen Stadtkreis. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Großteil der Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Landkreisen der Gruppe 4 zum Arbeiten in die unmittelbar angrenzenden Stadtkreise pendelt.

Pendlersaldo und Arbeitnehmerentgelt am Arbeitsort korrespondieren

Insgesamt ist für den Südwesten ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitnehmerentgelt je Einwohner nach Arbeitsortprinzip und dem Pendlersaldo der einzelnen Kreise zu beobachten – nicht jedoch zwischen Arbeitnehmereinkommen am Wohnort und Saldo der Ein- und Auspendler. Zudem ist das geleistete Arbeitnehmerentgelt innerhalb des Landes ungleicher verteilt als das empfangene Entgelt. Darauf deutet neben dem Hoover-Index auch der Vergleich zwischen dem höchsten und niedrigsten Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelt für die Kreise Baden‑Württembergs hin. So ist die Spannweite zwischen dem höchsten und geringsten Wert nach dem Wohnortkonzept nicht so beträchtlich wie beim Entgelt je Einwohner nach dem Arbeitsortkonzept. Während im Jahr 2012 beim empfangenen Arbeitnehmerentgelt je Einwohner der Kreis mit dem niedrigsten Wert knapp 68 % des bestplatzierten Kreises erreichte, waren es beim geleisteten Pro-Kopf-Arbeitnehmereinkommen nur gut 36 %. Bestehende Einkommensunterschiede zwischen den Kreisen scheinen folglich durch das Pendeln der Arbeitnehmer teilweise ausgeglichen zu werden.

1 Pfaff, Simon: Pendeln oder umziehen? Ursachen und Folgen berufsbedingter räumlicher Mobilität in Deutschland, Dissertation, Universität Karlsruhe 2013.

2 Vgl. auch Winkelmann, Ulrike: Räumlicher Einkommensausgleich durch Pendler, in: Statistisches Monatsheft Baden‑Württemberg 1/2010, S. 25 ff.

3 Vorsitz und Federführung des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« obliegen dem Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg.

4 Die Einwohner werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) als Jah-resdurchschnittszahl ausgewiesen. Die derzeit in den VGR verwendeten Angaben zu den Einwohnern basieren noch auf Daten der Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage früherer Zählungen.

5 Der Hoover-Index (oder auch Hoover-Ungleichverteilung) beschreibt die relative Abweichung vom Mittelwert und wird nach folgender Formel berechnet: mit N: Anzahl der Kreise i, E: Einkommen, A: Einwohner. Der Wert des Hoover-Index ist 0 (oder 0 %) bei völliger Gleichverteilung und 1 (oder 100 %) bei maximaler Ungleichverteilung.

6 Aktuelle Daten liegen für die Berufspendler für das Berichtsjahr 2013 vor, für das Arbeitnehmerentgelt für das Berichtsjahr 2012.