:: 9/2015

Zur Zimmerauslastung in der Hotellerie

In der monatlichen Tourismusstatistik wird als Auslastungsmaß traditionellerweise die Bettenauslastung verwendet. Insbesondere von Branchenvertretern wird dieses Maß als zunehmend unrealistisch kritisiert, weil zumindest in der Hotellerie üblicherweise das Zimmer und nicht das Bett die Vermietungseinheit darstellt. So ist auch ein mit nur einer Person belegtes Doppelzimmer (voll) ausgelastet, weil das freie Bett faktisch nicht mehr zur Vermietung verfügbar ist. Basierend auf diesen Überlegungen wurde die Zimmerauslastung ab 2003 auf nationaler Rechtsgrundlage als zusätzliches Merkmal in der gesamten ­Hotellerie erhoben. Wegen der Belastung der auskunftspflichtigen Betriebe wurde die Erhebung dieser Größe ab Juni 2005 jedoch wieder abgeschafft. Zur Erfüllung einer EU-Anforderung wird die Zimmerauslastung seit Januar 2012 erneut erhoben. Dem Belastungsargument wird aber insofern Rechnung getragen als nur noch größere Hotelleriebetriebe ab 25 Zimmern zu diesem Thema befragt werden. Der nachfolgende Beitrag zeigt nach einer Einordnung des speziellen Berichtskreises, dass bei einem Vergleich zwischen Betten- und Zimmerauslastung durchaus differenzierte Beziehungen erkennbar werden.

Berichtskreis stark städtisch geprägt

Zur sachgerechten Interpretation der Ergebnisse ist zunächst eine Betrachtung der Betriebe sinnvoll, für die Angaben zur Zimmerauslastung vorliegen. Der Berichtskreis der monatlichen Tourismusstatistik1 in Baden‑Württemberg setzt sich wie folgt zusammen.

Angaben zur Zimmerauslastung werden also nur bei den 1 378 Hotelleriebetrieben erhoben, die über mindestens 25 Gästezimmer verfügen. Anhand der Indikatoren in Schaubild 1 wird eine deutliche Abstufung der Bedeutung dieser Teilgruppe nach der Gemeindegröße erkennbar. So gehört in den kleinsten Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern nur etwa jeder zehnte Beherbergungsbetrieb und knapp jeder fünfte Hotelleriebetrieb zum Berichtskreis für die Zimmerauslastung. In den Großstädten ab 100 000 Einwohnern zählt dagegen bereits jeder zweite Beherbergungsbetrieb zur Hotellerie mit mindestens 25 Zimmern, und 58 % der gesamten Hotellerie gehört zu diesem Kreis. Da die größeren Hotelleriebetriebe deutlich überdurchschnittliche Übernachtungen generieren, zeigt sich bei den Übernachtungsanteilen auf wesentlich höherem Niveau eine ähnliche Abstufung nach der Gemeindegröße. So trug die Hotellerie ab 25 Zimmern 2014 selbst in den kleinsten Gemeinden immerhin 30 % des gesamten registrierten Übernachtungsaufkommens bei. In den Großstädten erreichte der vergleichbare Wert sogar nahezu 80 %. Zudem verfügen die größeren Hotelleriebetriebe sowohl innerhalb der gesamten Hotellerie als insbesondere auch unter allen Beherbergungsbetrieben über eine überdurchschnittliche Bettenauslastung. Allerdings ist die Differenz zur jeweiligen Vergleichsgruppe in den kleineren Gemeinden noch deutlich größer als in den größeren Gemeinden.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die größeren Hotelleriebetriebe in den kleineren Gemeinden eine relativ kleine Minderheit darstellen, die sich jedoch besonders stark von den anderen Betrieben abhebt. In den größeren Gemeinden und insbesondere in den Großstädten bilden sie dagegen den Kern des Gewerbes, der die Ergebnisse bereits so stark prägt, dass er sich nur noch geringfügig vom Gesamtergebnis abheben kann.

2014 stellte der Berichtskreis für die Zimmerauslastung in Baden‑Württemberg 21 % aller erfassten und 29 % der Hotelleriebetriebe. Zu den Übernachtungen insgesamt steuerte er 47 % und zu den Übernachtungen der Hotellerie 73 % bei. Mit durchschnittlich 46,6 % lag die Bettenauslastung2 um 5,2 Prozentpunkte über dem Ergebnis der gesamten Hotellerie von 41,4 % und sogar um 9,2 Prozentpunkte über dem Vergleichswert aller erfassten Betriebe von 37,4 %. Die stark städtische Prägung der Hotellerie ab 25 Zimmern schlug sich 2014 auch in überdurchschnittlichen Übernachtungsanteilen von 77 % in der Zusammenfassung der Stadtkreise, von 70 % in den Verdichtungsräumen nach den Raumordnungskategorien und von 63 % in den Gemeinden ohne touristisches Prädikat nieder. Unter den Reisegebieten galt dies mit 74 % für die Region Stuttgart sowie in deutlich abgeschwächter Form mit 53 % für den Nördlichen Schwarzwald sowie mit 51 % für das Nördliche Baden‑Württemberg. In allen Arten von prädikatisierten Gemeinden, in den Raumordnungskategorien außerhalb der Verdichtungsräume sowie den nicht genannten Reisegebieten lagen die Anteile dagegen meist deutlich niedriger.

Starke saisonale Schwankungen der Auslastung

Hinter den jahresdurchschnittlichen Auslastungsergebnissen verbergen sich deutliche saisonale Schwankungen im Jahresverlauf. Sowohl im gesamten Erhebungsbereich der Tourismusstatistik als auch in der Hotellerie insgesamt und ab 25 Zimmern wird im Januar die niedrigste Auslastung der Betten bzw. Schlafgelegenheiten erzielt. In den Folgemonaten bis zur Jahresmitte verbessert sich die Auslastung dann kontinuierlich, wobei die kalendarische Lage der Oster- und Pfingstfeiertage den Umfang des Anstiegs in den Monaten März bis Juni mit beeinflussen kann. Unterschiede zwischen den verschiedenen Betrachtungsgruppen lassen sich dagegen bei der Lage des Saisonhöhepunkts erkennen. Während im gesamten Beherbergungsbereich die höchste Auslastung in den Monaten Juli und dem Spitzenmonat August erzielt wird, sind die Betten in der Hotellerie im September noch etwas besser oder zumindest nahezu gleich gut wie in diesen Monaten ausgelastet. Auch im Oktober, in dem außerhalb der Hotellerie die Auslastung gegenüber dem Saisonhöhepunkt bereits deutlich reduziert ist, verbleibt die Bettenauslastung in der Hotellerie noch auf vergleichsweise hohem Niveau. Ein deutlicher Rückgang erfolgt dann im November.

Wie zu erwarten liegt die Zimmerauslastung3 – wegen der nicht genutzten Betten in belegten Zimmern – durchgehend deutlich oberhalb der Bettenauslastung in den gleichen Betrieben. So waren die Zimmer in den Hotelleriebetrieben ab 25 Zimmern 2014 durchschnittlich zu 59,5 % belegt, also um fast 13 Prozentpunkte besser als die Betten. Anders ausgedrückt befinden sich also fast 60 von 100 angebotenen Betten in einem belegten Zimmer. 13 dieser Betten werden jedoch nicht genutzt. Der saisonale Verlauf der Zimmerauslastung ist vor allem in den Sommermonaten deutlich unruhiger als bei der Bettenauslastung. Auffällig ist dabei insbesondere ein Belegungsrückgang im August, dem dann jedoch ein klarer Saisonhöhepunkt im September bis in den Oktober hinein folgt.

Wechselnde Gästegruppen im Jahresverlauf

Ein klareres Bild über den Zusammenhang zwischen Zimmer- und Bettenauslastung ergibt sich bei der Betrachtung der Relation zwischen beiden Größen im Jahresverlauf. Auf Landesebene betrug die Zimmerauslastung 2014 maximal knapp das 1,4-fache der Bettenauslastung, und zwar in den Monaten Januar bis März sowie im November. In diesen Monaten bleiben damit Betten in belegten Zimmern relativ häufig unbenutzt. Dies deutet auf einen relativ hohen Anteil allein reisender Gäste hin, bei denen es sich häufig um Geschäftsreisende handeln dürfte. In den Monaten April bis Juli, im September, im Oktober sowie im Dezember bewegt sich die Relation auf einem niedrigeren Niveau im Bereich um 1,25. In diesen Jahresabschnitten sind die Zimmer verstärkt mit mehreren Personen belegt, was auf einen erhöhten Anteil von Urlaubsreisenden, insbesondere von Familien hindeutet. Deutlich nach unten aus dem Rahmen fällt der August. Bei annähernd konstanter Bettenauslastung ist die Zimmerauslastung gegenüber den beiden Nachbarmonaten deutlich niedriger. Anders ausgedrückt benötigt hier die gleiche Gästezahl weniger Zimmer, weil die Zimmer häufiger von mehreren Personen genutzt werden. Im Hauptferienmonat August wird das Übernachtungsgeschehen in den größeren Hotelleriebetrieben also von den Urlaubsreisenden dominiert, während Geschäftsreisende nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielen dürften.

Auf abweichendem Niveau findet sich auch in allen Reisezielen des Landes ein ähnliches Verlaufsmuster innerhalb des Jahres. Dabei kann die Höhe der Relation als Indikator dafür interpretiert werden, in welchem Verhältnis die beiden idealtypischen Gästegruppen das Übernachtungsgeschehen in den größeren Hotelleriebetrieben bestimmen. Geschäftsreisende dürften also tendenziell dort eine starke Rolle spielen, wo die Zimmerauslastung die Bettenauslastung relativ stark übertrifft. Dieser Kategorie wären in Baden‑Württemberg eher das Nördliche Baden‑Württemberg, die Schwäbische Alb sowie die Region Stuttgart zuzuordnen. Der Schwarzwald steht dagegen für den eher von Urlaubern bestimmten Tourismus. Die Region Bodensee-Oberschwaben nimmt eine Art Zwitterstellung ein. Hier bewegt sich die Relation zwischen Zimmer- und Bettenauslastung im Jahresdurchschnitt auf Landesniveau. Allerdings sind die Unterschiede im Jahresverlauf überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Dies deutet darauf hin, dass im südöstlichen Landesteil einerseits die Ferienzeiten besonders stark von Urlaubern geprägt sind, während im Rest des Jahres die Geschäftsreisenden relativ stark in den Vordergrund treten.

Ausgeprägte Unterschiede zwischen den Landkreisen

Wie bereits erwähnt zeichnen sich die Stadtkreise durchweg durch eine relativ starke Position der größeren Hotelleriebetriebe innerhalb des Tourismus aus. Bei der Zimmer- und Bettenauslastung nach Kreisen wird eine weitere Gemeinsamkeit erkennbar, nämlich eine überdurchschnittlich hohe Zimmerauslastung. Die meisten Stadtkreise lassen sich zudem mit einem relativ großen Unterschied zwischen Zimmer- und Bettenauslastung als eher an Geschäftsreisenden orientiert charakterisieren. Dies gilt jedoch nicht für Freiburg und Heidelberg sowie insbesondere nicht für Baden-Baden.

Noch deutlich ausgeprägter sind dagegen die Unterschiede zwischen den Landkreisen, und zwar sowohl hinsichtlich des Auslastungsniveaus als insbesondere auch bei der Relation zwischen Zimmer- und Bettenauslastung. Allerdings lässt sich zwischen beiden Größen kein klarer Zusammenhang erkennen. Bei der Zimmerauslastung bewegen sich die Landkreise Konstanz und Bodenseekreis im Spitzenbereich zusammen mit den Stadtkreisen, während sich die größeren Hotelleriebetriebe im Zollernalbkreis sowie in den Landkreisen Rastatt und Calw mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Zimmerauslastung von weniger als 47 % zufrieden geben müssen. Bei der Relation zwischen Zimmer- und Bettenauslastung fällt der Landkreis Freudenstadt durch einen ausgesprochen geringen Unterschied aus der Reihe. Hier werden Doppelzimmer also nur im Ausnahmefall mit allein Reisenden belegt. In abgeschwächter Form gilt das auch für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Mit einer ebenfalls noch deutlich unterdurchschnittlichen Relation zwischen Zimmer- und Bettenauslastung lassen sich weitere Landkreise wie Emmendingen und Waldshut als eher an Urlaubern orientiert identifizieren. Ausgesprochen hohe Werte im Bereich um 1,5 sprechen dagegen dafür, dass die größeren Hotelleriebetriebe im Hohenlohekreis sowie im Landkreis Tuttlingen deutlich stärker von Geschäftsreisenden frequentiert werden. In abgeschwächter Form sind auch der Alb-Donau-Kreis, der Main-Tauber-Kreis sowie der Landkreis Ludwigsburg dieser Kategorie zuzuordnen.

1 In der monatlichen Tourismusstatistik werden Beherbergungsbetriebe ab 10 Betten oder Stellplätzen erfasst. Nicht einbezogen sind also kleinere Betriebe sowie das Dauercamping.

2 Die Bettenauslastung wird bei den Beherbergungsstätten durch Division der Übernachtungen durch die angebotenen Bettentage – ausgedrückt in % – berechnet. Die angebotenen Bettentage wiederum werden erhebungstechnisch durch die Abfrage zweier Merkmale ermittelt, nämlich der angebotenen Betten (am letzten Öffnungstag des Monats) und der Öffnungstage im Monat, die dann miteinander multipliziert werden. Bei den Campingplätzen werden statt der angebotenen Betten die angebotenen Schlafgelegenheiten verwendet, die entsprechend einer EU-Vorgabe dem 4-fachen der (erhobenen) angebotenen Stellplätze entsprechen.

3 Die Zimmerauslastung wird indirekt über die beiden Merkmale angebotene Gästezimmertage und belegte Gästezimmertage (Roomnights) erhoben. Lediglich ersatzweise ist auch eine direkte Angabe der Auslastung der Gästezimmer möglich.