:: 10/2015

Über 3 Millionen Berufspendler täglich unterwegs

Baden‑Württemberg erlebt derzeit einen Beschäftigungsboom. Das bedeutet auch, dass tagtäglich mehr Menschen von ihrer Wohnung zur Arbeit pendeln. Die aktuelle Berufspendlerrechnung Baden‑Württemberg weist für 2013 rund 5,4 Mill. Erwerbstätige am Wohnort nach (i-Punkt). Davon pendelten 3,1 Mill. täglich zur Arbeit in andere Gemeinden und 2,3 Mill. arbeiteten in ihrer Wohngemeinde. Wie bereits in den Vorjahren nahm die Zahl der Pendler über Gemeindegrenzen stärker zu als die Zahl der Erwerbstätigen, die in ihrer Wohngemeinde arbeiten. Der seit Jahren zu beobachtende Trend der langsam aber stetig steigenden Mobilität hat sich weiter fortgesetzt.

Die Zahl der Berufspendler über Gemeindegrenzen hat in den letzten 25 Jahren immer mehr zugenommen. So pendelten im Jahr 1987 laut Volkszählung 42 von 100 Erwerbstätigen in Baden‑Württemberg aus ihrer Wohngemeinde aus. Im Jahr 2013 waren es nach der aktuellen Berufspendlerrechnung fast 58 von 100 Erwerbstätigen, die auf ihrem Weg zur Arbeit mindestens eine Gemeindegrenze überschritten. Die Mobilität der Erwerbstätigen im Südwesten ist auch deshalb so hoch, weil die Arbeitsplätze räumlich deutlich konzentrierter als die Wohnorte der Erwerbstätigen sind. So waren im Jahr 2013 gut 900 der 1 101 Gemeinden im Land per Saldo reine Auspendlergemeinden.

132 000 verschiedene Pendlerströme im Land

Aus der Vogelperspektive betrachtet, muss Baden‑Württemberg während des Berufsverkehrs wie ein geschäftiger Ameisenhaufen wirken. 3,1 Mill. Erwerbstätige pendeln täglich von ihrem Wohnort zur Arbeit in andere Gemeinden. Dabei verteilen sich die Pendler auf 132 000 verschiedene Pendlerströme bzw. Wohnort-Arbeitsort-Kombinationen. Fast zwei Drittel (86 500) dieser Pendlerströme sind dabei mit weniger als fünf Pendlern besetzt. Diese Vielzahl der kleinen Pendlerströme umfasst daher nur knapp 5 % des gesamten Pendlervolumens. Gut 41 % des Pendlervolumens konzentrieren sich dagegen auf die 1 100 größten Pendlerströme mit jeweils 500 und mehr Pendlern. Über die Hälfte des Pendlervolumens entfallen auf jene 44 000 Pendlerströme im Land, die von 5 bis 499 Erwerbstätigen besetzt sind.

Wie viele Erwerbstätige ein Pendlerstrom zählt, hängt wesentlich von der Größe und Attraktivität des Arbeitsortes ab. Aber auch die Größe des Wohnorts und seine Entfernung vom Arbeitsort spielen eine Rolle. Sehr anschaulich wird dies an den beiden größten Pendlerströmen, die gleichzeitig auch Einpendlerströme über die Landesgrenze Baden‑Württembergs sind. Rund 15 000 Erwerbstätige pendelten 2013 von Ludwigshafen zur Arbeit nach Mannheim, knapp 12 000 Erwerbstätige von Neu-Ulm nach Ulm.

Großstädte ziehen Pendler an

Ballungsräume mit einem großen Angebot hoch qualifizierter Arbeitsplätze und einer leis­tungsfähigen Verkehrsinfrastruktur ziehen Berufspendler aus einem weiteren Umkreis an als ländlich-periphere Räume abseits der großen Metropolen. Dies spiegelt sich in der durchschnittlichen Länge der Arbeitswege der Berufspendler nach Größe des Arbeitsortes wider. Danach haben die Großstädte in Baden‑Württemberg deutlich größere Pendlereinzugsgebiete als die übrigen Städte und Gemeinden im Land. Während die durchschnittliche Entfernung des Wohnorts von Einpendlern in Großstädte im Jahr 2013 gut 22 km Luftlinie betrug, waren es bei Einpendlern in Gemeinden unter 10 000 Einwohnern gerade einmal 13 km. Im Landesdurchschnitt war für fast zwei Drittel aller Berufspendler der Wohnort weniger als 15 km vom Arbeitsort entfernt, während nur bei jedem 20. der Arbeitsweg länger als 50 km war und dies obwohl Baden‑Württemberg ein großes Flächenland ist. Allerdings sind hier im Südwesten die Arbeitsplätze nicht allein auf einen Standort konzentriert, sondern auf mehrere Arbeitsmarktzentren verteilt.

Fast ein Drittel aller Arbeitsplätze in 15 Städten

Je höher der Pendlersaldo, also die Differenz zwischen Einpendlern und Auspendlern, desto größer ist die Bedeutung einer Stadt als Arbeitsmarktzentrum für ihr Umland. Von den 1 101 Gemeinden Baden‑Württembergs wiesen im Jahr 2013 nur 197 Gemeinden einen positiven Pendlersaldo auf. Die Städte mit den höchsten Pendlersalden und damit die wichtigsten Arbeitsmarktzentren Baden‑Württembergs liegen in den Ballungsräumen. Zusammen vereinten diese 15 Städte knapp ein Drittel der Einpendler und der Arbeitsplätze des Landes auf sich. Spitzenreiter beim Einpendlerüberschuss waren wie schon in den Vorjahren nach der Landeshauptstadt Stuttgart die Städte Karlsruhe und Mannheim.

Der eigene Pkw – häufigstes Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit

Der Berufsverkehr ist nach dem Freizeitverkehr der zweitwichtigste Verkehrszweck im Per­sonenverkehr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass fast ein Fünftel der rund 1 200 Mrd. Personenkilometern, die in Deutschland 2011 mit dem Auto, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt wurden, auf das Konto der täglichen Wege von und zur Arbeit gingen. Es ist davon auszugehen, dass der Berufsverkehr in Baden‑Württemberg einen vergleichbaren Anteil am Personenverkehr hat.

Berufsverkehr ist auch in Baden‑Württemberg immer noch überwiegend motorisierter Individualverkehr. Bei der Verkehrsmittelwahl kam es in den vergangenen Jahren nur zu marginalen Veränderungen. Ein Trend weg vom motorisierten Individualverkehr und hin zu umweltfreundlicheren Alternativen lässt sich nicht beobachten. Laut Mikrozensus 2012< legten fast 70 % der Erwerbstätigen die Wegstrecke zur Arbeit überwiegend als Fahrer bzw. Mitfahrer im Auto oder mit dem motorisierten Zweirad zurück. Dabei bestehen deutliche Unter­schiede zwischen Erwerbstätigen, die in ihrer Wohngemeinde arbeiten und Pendlern über Gemeindegrenzen. Die Hälfte der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten, aber 84 % der Pendler zwischen den Gemeinden des Landes legen die Wegstrecke zur Arbeit überwiegend mit dem eigenen motorisierten Fahrzeug zurück.

Ein wesentlicher Grund für die Unterschiede in der Verkehrsmittelwahl von Pendlern und Erwerbstätigen, die am Wohnort arbeiten, ist darin zu sehen, dass letztere wesentlich häufiger kurze Wege haben, die sich auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen lassen.

Pendelwahrscheinlichkeit in kleinen Gemeinden tendenziell höher

Neben der Qualität des Arbeitsplatzangebots beeinflusst auch die Größe einer Gemeinde die Wahrscheinlichkeit, dort neben einer Wohnung einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Wegen der hohen Einwohner-Arbeitsplatzdichte liegt der Anteil der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten, in den Großstädten mit 69 % deutlich über dem Landesdurchschnitt von 42 %. Es gibt aber auch Gemeinden im Ländlichen Raum, in denen besonders viele Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz am Wohnort selbst haben.

Den höchsten Anteil von Erwerbstätigen, die in der gleichen Gemeinde wohnen und arbeiten, weist Konstanz mit 80 % auf. Allerdings ist die Aussagekraft dieses Wertes eingeschränkt. Erwerbstätige, die in Konstanz wohnen und in der Schweiz arbeiten, sind in der Pendlerrechnung mangels Datengrundlage nicht erfasst.

In den folgenden 11 Gemeinden arbeiteten 2013 über zwei Drittel der Erwerbstätigen in ihrer Wohngemeinde1:

Konstanz80 %(2005: 82)
Freiburg77 %(2005: 78)
Karlsruhe72 %(2005: 75)
Stuttgart71 %(2005: 74)
Tuttlingen71 %(2005: 74)
Büsingen am Hochrhein70 %(2005: 74)
Mannheim68 %(2005: 73)
Friedrichshafen68 %(2005: 69)
Jestetten68 %(2005: 67)
Schwäbisch Hall67 %(2005: 70)
Ulm67 %(2005: 70)

Auch am rückläufigen Anteil der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten, wird der seit Jahren zu beobachtende Trend der langsam aber stetig steigenden Mobilität deutlich. Laut Berufspendlerrechnung 2007 wohnten und arbeiteten im Jahr 2005 durchschnittlich noch rund 45 % der Erwerbstätigen in ein und derselben Gemeinde. Zudem war die Zahl der Gemeinden, in denen über zwei Drittel der Erwerbstätigen ihren Arbeits­platz am Wohnort selbst hatten, deutlich höher (25 Gemeinden). Ob für den Mobilitätsanstieg Standortverlagerungen von Betrieben verantwortlich sind oder für neue besser bezahlte Arbeitsplätze längere Arbeitswege in Kauf genommen werden, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Auch eine Verbesserung der Infrastruktur oder der Verkehrsanbindung kommt zumindest regional als Ursache der gestiegenen Mobilität in Betracht.

1 Im Rahmen des Mikrozensus wird alle 4 Jahre, zuletzt im Jahr 2012, das Pendlerverhalten der Erwerbstätigen erhoben.

2 Konstanz, Büsingen am Hochrhein, Friedrichshafen und Jestetten - Ohne Berücksichtigung von Auspendlern in die Schweiz.