:: 10/2015

Rückläufige Sterblichkeit in Baden‑Württemberg: wachsende Aussichten für Männer und Frauen auf den 90. Geburtstag

Die Lebenserwartung der baden-württembergischen Männer und Frauen liegt im weltweiten Maßstab sehr weit vorne. Die Baden‑Württemberger stehen unter den rund 230 Ländern, für die die Weltbank Daten bereitstellt, auf Platz 19, die Baden‑Württembergerinnen auf Platz 16. Die Allgemeine Sterbetafel 2010/12 weist für neugeborene Jungen eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 79 Jahren, für neugeborene Mädchen von etwa 83,6 Jahren aus. Das sind rund 11 Jahre mehr als zu Beginn der 1960er-Jahre. Das Spiegelbild dieser Entwicklung findet sich in der deutlich gesunkenen Sterblichkeit von Männern und Frauen in allen Altersphasen wieder. Besonders stark sanken die Sterbewahrscheinlichkeiten von Säuglingen und Kindern in den vergangenen 5 Jahrzehnten. Aber auch bei den Älteren ergab sich ein deutlicher Sterblichkeitsrückgang, sodass immer mehr Menschen in ein hohes Alter hineinwachsen.

Seit Ende der 1960er-Jahre sind in Baden‑Württemberg jährlich mehr als 90 000 Menschen gestorben. Die bislang höchste Zahl wurde 2013 mit knapp 102 000 Sterbefällen verzeichnet. Während seit Gründung des Landes bis Anfang der 1970er-Jahre pro Jahr stets mehr Männer als Frauen starben, hat sich dieses Zahlenverhältnis danach umgekehrt. In den vergangenen 5 Jahren lag der Männeranteil an den Gestorbenen zwischen 47 % und 48 %. Die überwiegende Zahl der Sterbefälle ereignet sich im Alter von 65 und mehr Jahren. Auf diese Altersgruppe entfielen 1960/62 rund 64 % aller Sterbefälle, 1986/88 etwa 79 % und 2010/12 waren es 85 %.

Diese Entwicklungen wurden zum einen von rein demografischen Faktoren wie den Besetzungsstärken der einzelnen Altersjahrgänge von Männern und Frauen beeinflusst. Zum anderen hat sich die Sterblichkeit an sich verändert, auf die wiederum viele andere biologische, genetische, umwelt- und verhaltensbedingte Faktoren einwirken wie auch die vorhandene Gesundheitsinfrastruktur einschließlich einer weiterentwickelten Medizintechnik. Um die Entwicklung der Sterblichkeit bereinigt von demografischen Einflussfaktoren zu betrachten, stehen unter anderem die Sterbetafelberechnungen der amtlichen Statistik zur Verfügung. Sie enthalten beispielsweise Informationen darüber, wie hoch im jeweiligen Berechnungszeitraum die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Mann oder eine Frau im Alter x stirbt, oder wie hoch die weitere Lebenserwartung ausfällt, wenn ein Mann oder eine Frau bereits das Alter x erreicht hat. Grundlage für die weiteren Analysen bilden die seit 1949/51 für Baden‑Württemberg berechneten Allgemeinen Sterbetafeln mit Schwerpunkt auf der jüngsten Sterbetafel 2010/12 (siehe i-Punkt »Was bedeutet »Allgemeine Sterbetafel«?«).

Niedrigste Sterbewahrscheinlichkeiten im Kindesalter

Die Abstufung der Risiken, in einem bestimmten Alter zu sterben, weist nach wie vor einen typischen Verlauf auf, der sich bei der jüngsten allgemeinen Sterbetafel 2010/12 ebenso beobachten lässt wie bei der ersten für das Land berechneten Tafel 1949/51. Während die Sterblichkeit im 1. Lebensjahr im Vergleich zu anderen Altersstufen noch relativ hoch ausfällt, liegt sie im Kinder- und Jugendlichenalter deutlich niedriger als in allen übrigen Altersphasen. Das niedrigste Sterberisiko wiesen 2010/12 Kinder im Alter von 4 bis 13 Jahren auf. Im jungen und mittleren Erwachsenenalter ergibt sich ein allmählicher Anstieg der Sterblichkeit, der sich erst mit Beginn des 7. und 8. Lebensjahrzehnts merklich verstärkt.1 Die Wahrscheinlichkeiten, vor Vollendung des nächsten Altersjahres zu sterben, überstiegen 2010/12 erst ab dem Alter von 62 (Männer) bzw. 70 Jahren (Frauen) einen Wert von 1 %. Für Männer und Frauen, die bereits das 95. Lebensjahr vollendet hatten, lagen sie bei 29 % bzw. 25 %.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Mann, in der »Mitte des Lebens« zu sterben, – nach den Sterblichkeitsverhältnissen 2010/12 im 41. Lebensjahr2 –, lag in dieser Zeit mit rund 0,1 % fast doppelt so hoch wie das Sterberisiko eines 20-Jährigen, betrug aber nur rund ein Neuntel des Sterberisikos eines 60-Jährigen. Bei Frauen – hier befand sich die »Lebensmitte« 2010/12 rechnerisch im 43. Lebensjahr – belief sich die Wahrscheinlichkeit, zwischen 42 und 43 Jahren zu sterben, mit 0,08 % auf das fast Vierfache des Sterberisikos einer 20-jährigen Frau, aber nur auf ein Siebtel des Risikos einer 60-jährigen.

Einfluss der Unfallsterblichkeit junger Männer nach wie vor sichtbar

Trotz der erfreulicherweise niedrigen absoluten Zahlen von Säuglingssterbefällen lag die Wahrscheinlichkeit, 2010/12 im 1. Lebensjahr zu sterben, etwa 55- (Jungen) bis 65-mal (Mädchen) höher als die Sterbewahrscheinlichkeit für ein 8-jähriges Kind. Das Sterberisiko eines Säuglings wird erst wieder im Altersbereich der Anfang 50- (Männer) bzw. Mitte 50-Jährigen (Frauen) erreicht, während in den dazwischen liegenden Altersstufen zum Teil deutlich niedrigere Sterbewahrscheinlichkeiten auftreten. Vergleichsweise hohe Risiken bestanden auch 2010/12 bei den Männern im Altersbereich zwischen 15 und 25 Jahren. Dieses hängt hauptsächlich mit den »nicht natürlichen« Todesursachen zusammen. Von den Sterbefällen in diesen Altersstufen entfielen 2010/12 rund 60 % auf Ursachen wie Unfälle, Selbsttötung und Selbstbeschädigung. Dabei spielen die Verkehrsunfälle eine besondere Rolle. Allein etwa 40 % der Sterbefälle von 15- bis unter 25-jährigen Männern wurden hierdurch verursacht. Bei den jungen Frauen fällt dieser »Sterblichkeitsgipfel« weit weniger ins Gewicht.

»Übersterblichkeit« der Männer

Nach wie vor liegen die Sterbewahrscheinlichkeiten von Mädchen und Frauen in allen Altersstufen niedriger als die von Jungen und Männern. Während die Unterschiede im Kindesalter (mit einem bereits sehr niedrigen Sterblichkeitsniveau) relativ gering ausfallen – bei den 7- bis 9-Jährigen lag die Sterblichkeit der Jungen 2010/12 durchschnittlich rund 40 % höher als die der Mädchen –, werden sie im Erwachsenenalter deutlich sichtbar und gleichen sich heute erst im hohen Alter wieder an. Eine ganz wesentliche Komponente der »Übersterblichkeit« der Männer stellt nach wie vor der »Unfallgipfel« junger Männer dar. Die Sterbewahrscheinlichkeiten der 20- bis 25-jährigen Männer überstiegen die der gleichaltrigen Frauen 2010/12 wie bereits nach Berechnungen früherer Sterbetafeln um fast 200 %, waren also dreimal so hoch. Im höheren Alter schwächen sich die Sterblichkeitsunterschiede deutlich ab. Die Wahrscheinlichkeit, im Alter von 80 bis 81 Jahren zu sterben, war 2010/12 für Männer etwa um 50 % höher als für Frauen, während der Unterschied im Alter 90 bis 91Jahre etwa 20 % betrug. Im Vergleich zu den früher erstellten Sterbetafeln hat die »Übersterblichkeit« der Jungen und Männer bis 2010/12 hauptsächlich im Altersbereich der Kinder und Jugendlichen abgenommen.

Als Gründe für die grundsätzlichen geschlechterspezifischen Sterblichkeitsunterschiede werden über die genetischen Bedingungen hinaus ebenso verschiedene Lebens- und Verhaltensweisen der Geschlechter vermutet.3 Diese Verhaltensweisen können im Weiteren auch mit sozialpsychologischen Hintergründen, zum Beispiel Unterschiede im gesellschaftlichen Status von Männern und Frauen bzw. unterschiedliche Wahrnehmungen der Rollen, zusammenhängen. Ein Aspekt betrifft in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen, die als »Belastungsfaktor« in Frage käme. Sie liegt bei Männern im Durchschnitt auch heute noch höher als bei Frauen. Hinzu kommen verschiedene Berufsstrukturen, die zu unterschiedlichen Belastungen führen können und sich über die gesamte Lebensspanne gesehen auch geschlechterspezifisch in der Sterblichkeit auswirken können. Gleichwohl hat die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. Im etwa gleichen Zeitraum (1986/88 und 2010/12) sind die Sterbewahrscheinlichkeiten der rund 40- bis 70-jährigen Frauen weniger stark gesunken als die gleichaltriger Männer. Diese Entwicklung allerdings allein dem Faktor »Erwerbsbeteiligung« anzulasten, greift mit Sicherheit angesichts der Vielschichtigkeit aller Einflussfaktoren viel zu kurz.

Sterblichkeit bis ins hohe Alter hinein deutlich niedriger als vor 50 Jahren

In den vergangenen rund 50 Jahren sind die Sterbewahrscheinlichkeiten bei beiden Geschlechtern über nahezu alle Altersbereiche deutlich gesunken. So waren sie 2010/12 bei Säuglingen und Kindern bis 10 Jahren um etwa 80 % bis 90 % niedriger als 1960/62. Im Durchschnitt der Altersjahre von 30 bis 64 haben die Sterbewahrscheinlichkeiten seit Beginn der 1960er-Jahre bei Männern und Frauen relativ gleich stark – jeweils um rund 60 %, teilweise bis zu 70 % – abgenommen. Bemerkenswert ist der im Vergleich zu anderen Altersbereichen – insbesondere zum mittleren Erwerbsalter – stärker ausgeprägte Sterblichkeitsrückgang bei den etwa 65- bis 80-jährigen Frauen. Bei ihnen lagen die Sterbewahrscheinlichkeiten 2010/12 durchschnittlich um rund zwei Drittel niedriger als 1960/62.

Im hohen Alter sind die Sterblichkeitsrückgänge bis 2010/12 merklich kleiner, aber dennoch deutlich ausgefallen. Im Vergleich zu 1960/62 waren die Sterberisiken im Altersbereich der 85- bis 89-Jährigen 2010/12 durchschnittlich um etwa 42 % (Männer) bzw. knapp 48 % (Frauen) niedriger, während der Rückgang bei den 90- bis 94-Jährigen im Durchschnitt rund 27 % (Männer) bzw. 30 % (Frauen) betrug. Nicht überbewertet werden darf das rechnerische Ergebnis, dass die Sterblichkeit 100-Jähriger etwa genauso hoch geblieben ist wie vor rund 50 Jahren. Hier können methodische Aspekte wie die unterschiedlichen Berechnungsweisen der Sterbewahrscheinlichkeiten in den betrachteten Sterbetafeln, die auf Grund der kleinen Fallzahlen besonders zu Buche schlagen können, die Vergleichbarkeit einschränken.

Der Vergleich zu den Sterbetafelberechnungen 1986/88 zeigt, dass die Sterblichkeitsrückgänge nicht nur eine längerfristige Erscheinung sind, sondern sich auch in der jüngeren Vergangenheit fortgesetzt haben. So weist die Sterblichkeitsentwicklung in den letzten rund 25 Jahren sehr ähnliche altersstrukturelle Merkmale auf wie die 50-jährige Entwicklung.

Lebenserwartung Neugeborener seit 1960/62 um rund 11 Jahre gestiegen

Als Spiegelbild der durchweg gesunkenen Sterberisiken ergibt sich der Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen. Nach den Sterblichkeitsverhältnissen von 2010/12 haben neugeborene Jungen die Aussicht auf eine Lebensdauer von durchschnittlich 79 Jahren, die neugeborenen Mädchen auf rund 83,6 Jahre. Zu Beginn der 1960er-Jahre betrug die durchschnittliche Lebenserwartung Neugeborener rund 67,6 Jahre bei den Knaben und etwa 72,8 Jahre für Mädchen. Damit hat sich die Lebenserwartung bei der Geburt bis heute – innerhalb von fast zwei Generationen – um rund 11 Jahre erhöht (siehe i-Punkt »Querschnitts- und Längsschnittbetrachtungen«).

Dieser deutliche Anstieg prägte sich jedoch zum großen Teil erst seit Mitte der 1970er-Jahre heraus. Zuvor spielten zum einen sicherlich Spätfolgen des Krieges noch eine Rolle, zum anderen besonders auch Grippewellen, die sich mit einer erhöhten Sterblichkeit in den Ergebnissen der Allgemeinen Sterbetafeln 1960/62 und 1970/72 niederschlugen.4 Vor allem aber beruht der Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt auf der enormen Verminderung der Säuglingssterblichkeit. Bis in die erste Hälfte der 1970er-Jahre hinein lag jedoch die Sterblichkeit im 1. Lebensjahr noch so hoch, dass die 1-Jährigen (die das Risiko der Säuglingssterblichkeit überlebt hatten) die höchste durchschnittliche Lebenserwartung aufwiesen. Erst danach ist es gelungen, das Sterberisiko von Säuglingen so weit zu senken, dass die Neugeborenen die höchste Lebenserwartung aller Altersstufen besitzen. Heute sterben von jeweils 1 000 Neugeborenen drei bis vier Jungen und knapp drei Mädchen im Laufe ihres 1. Lebensjahres. Anfang der 1960er-Jahre waren es demgegenüber 32 Jungen und 25 Mädchen.

Anstieg der Lebenserwartung in allen Altersbereichen

Aus Schaubild 5 wird – stellvertretend anhand ausgewählter Altersjahre – ersichtlich, dass alle Altersbereiche von dem längerfristigen Sterblichkeitsrückgang profitieren konnten. Die verbesserte gesundheitliche Vorsorge und Gesundheitsversorgung haben über eine Senkung der Säuglings- und Kindersterblichkeit hinaus auch im Erwachsenenalter zu einer steigenden Lebenserwartung beigetragen. Zwar ist die Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung – gemessen in Jahren – bei den jüngeren Menschen deutlich stärker ausgefallen als bei älteren. Dennoch haben die älteren Männer und Frauen in den vergangenen rund 50 Jahren eine ausgeprägte Zunahme ihrer weiteren Lebenserwartung zu verzeichnen. Auch wenn die Fortschritte in den 1960er-Jahren vergleichsweise insgesamt moderat ausfielen, so stieg beispielsweise die fernere Lebenserwartung 60-jähriger Männer seitdem um etwa 6,5 Jahre – von 15,6 Jahren (1960/62) auf 21,2 Jahre (2010/12). Der deutlich größere Teil dieses Zuwachses entfiel auf den Zeitraum zwischen 1970/72 und 2010/12. Bei den 60-jährigen Frauen nahm die Lebenserwartung seit 1960/62 im Durchschnitt um etwa 7,1 Jahre zu – auch hier zum größten Teil erst ab 1970/72. Damit hatten sie 2010/12 die Aussicht auf durchschnittlich weitere 25,6 Jahre an Lebensdauer. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei Menschen im höheren Alter festzustellen. So stieg die fernere Lebenserwartung 80-jähriger Männer seit 1960/62 um rund 2,8 Jahre, bei gleichaltrigen Frauen betrug der Anstieg etwa 3,6 Jahre.

Die Aussicht auf den 90. Geburtstag

Eine steigende Lebenserwartung bringt zugleich zum Ausdruck, wie weit sich »das Leben«, aber auch »das Sterben« in immer höhere Altersbereiche hinein bewegt haben. Durch die rückläufige Sterblichkeit in den verschiedenen Altersbereichen wachsen immer mehr Menschen in ein höheres Alter hinein. Das Ausmaß dieser Entwicklung lässt sich aus den »Überlebenskurven« erkennen, die sich aus den Berechnungen einer Sterbetafel ergeben. Im Vergleich zu 1960/62 haben sich die Überlebenskurven jeweils eines (fiktiven) männlichen und weiblichen Geburtsjahrgangs bis heute deutlich nach oben bzw. rechts verschoben. So können unter den Sterblichkeitsverhältnissen 2010/12 rund 87 % der neugeborenen Knaben und etwa 92 % der neugeborenen Mädchen ihren 65. Geburtstag erleben. Nach der Sterbetafel 1960/62 hatten seinerzeit nur rund 71 % eines männlichen und 83 % eines weiblichen Geburtsjahrgangs diese Aussicht. Zu Beginn der 1950er-Jahre lagen diese Anteile nochmals niedriger.

Auch der 90. Geburtstag rückt für immer mehr Menschen – besonders für Frauen – in »erlebbare« Nähe. Während nach den Sterblichkeitsverhältnissen von 1960/62 knapp 4 % eines (fiktiven) männlichen Geburtsjahrgangs und rund 8 % eines (fiktiven) weiblichen Geburtsjahrgangs die Aussicht hatten, ihren 90. Geburtstag zu feiern, waren es 2010/12 bereits rund 19 % eines männlichen und etwa 32 % eines weiblichen Jahrgangs. Von denjenigen Männern und Frauen, die bereits ihren 65. Geburtstag begangen haben, können heute etwa 22 % bzw. 35 % erwarten, auch ihren 90. Geburtstag feiern zu können. Zu Beginn der 1960er-Jahre lagen diese Anteile mit rund 5 % (65-jährige Männer) bzw. knapp 10 % (65-jährige Frauen) deutlich niedriger. Blickt man auf die Zahl der in Baden‑Württemberg lebenden Menschen, die ihren 90. Geburtstag hinter sich hatten, so waren dies Ende des Jahres 2013 knapp 84 600 Menschen im Alter von 90 und mehr Jahren und damit rund 17-mal so viele wie Anfang der 1960er-Jahre.

Zudem haben die Sterblichkeitsverhältnisse insgesamt ein so niedriges Niveau erreicht, dass sich die Überlebenskurven immer weiter auf den Bereich einer physiologisch oder biologisch für maximal möglich gehaltenen Lebensdauer hin bewegen. Die Vorstellungen über die höchstens erreichbare Lebensdauer variieren, gehen jedoch bis in eine Größenordnung von 120 Jahren. Für Baden‑Württemberg lässt sich feststellen, dass bislang in verschiedenen Berichtsjahren vereinzelt Sterbefälle – hauptsächlich von Frauen – mit einem Sterbealter im Bereich von 105 bis 110 Jahren aufgetreten sind, allerdings ohne dass hier eine weitere Verschiebung nach oben erkennbar wird.

Wie lassen sich die Entwicklungen erklären?

Die möglichen Faktoren, die auf die Höhe der Lebenserwartung einwirken und für individuelle, soziale oder regionale Unterschiede sorgen, sind – wie eingangs erwähnt – vielschichtig. Sie können auf biologisch-genetischen Prädispositionen von Menschen beruhen, auf Verhaltensweisen in der Lebensführung, erworbenen Merkmalen wie Bildung, Beruf, Einkommen oder sozialer Status und auf äußeren Lebensbedingungen wie etwa den Versorgungsmöglichkeiten mit medizinischer Infrastruktur oder den Umweltverhältnissen.

Aus einer früheren umfassenden Analyse der sozioökonomischen, umwelt- und infrastrukturbezogenen Faktoren für Baden‑Württemberg geht hervor, dass für eine höhere Lebenserwartung die Lebensumstände entscheidend sind, die mit einem höheren Bildungsstand und Einkommen zusammenhängen.5 So leben beispielsweise Menschen in Kreisen mit hohem Einkommen im Durchschnitt länger als in Kreisen mit niedrigerem Einkommen. Dieser Effekt könnte durch höhere Bildung verstärkt oder sogar verursacht werden. Dabei dürften es nicht nur vordergründig diese beiden Faktoren sein, sondern auch die damit im Hintergrund zusammenhängenden Lebensverhältnisse bis hin zum Gesundheitsverhalten.

Generell spielen sicherlich die Fortschritte in der medizinischen Diagnostik und Behandlung eine ganz wesentlich Rolle, die zu einer deutlich rückläufigen Sterblichkeit an häufig verbreiteten Todesursachen wie den Krankheiten des Kreislaufsystems beigetragen haben. Hinzu kommen ein gewachsenes Gesundheitsbewusstsein und in längerer Retrospektive positive Auswirkungen veränderter Berufsstrukturen und -belastungen.

1 Der logarithmische Maßstab des Schaubildes macht die Differenzierung der niedrigen Sterbewahrscheinlichkeiten im jungen Alter sichtbar, »glättet« aber den deutlichen Anstieg im höheren und hohen Alter.

2 Hier entspricht das bis dahin erreichte Alter in etwa der im Durchschnitt weiteren zu erwartenden Lebensdauer.

3 Vgl. hierzu sehr umfassend Luy, Marc: Die geschlechtsspezifischen Sterblichkeitsunterschiede – Zeit für eine Zwischenbilanz, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 2002, Heft 5, S. 412–429.

4 Vgl. Steinki, Paul: Allgemeine Sterbetafel für Baden‑Württemberg 1960/62, in: Statistische Monatshefte Baden‑Württemberg 9/1965, S. 245 ff; ders.: Allgemeine Sterbetafel für Baden‑Württemberg 1970/72, in: Baden‑Württemberg in Wort und Zahl 9/1975, S. 266 ff.

5 Vgl. von Gaudecker, Hans-Martin: Lebenserwartung in den Kreisen: Bis zu drei Jahre Unterschied, in: Baden‑Württemberg in Wort und Zahl, 2004, Heft 7, S. 3–7; Statistisches Landesamt Baden‑Württemberg, Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demographischer Wandel (MEA) (Hrsg.): Regionale Mortalitätsunterschiede in Baden‑Württemberg, Statistische Analysen, 8/2004, Stuttgart, 2004.