:: 12/2015

Privathaushalte in Baden‑Württemberg: Wie könnte sich ihre Zahl und Zusammensetzung künftig entwickeln?

Ergebnisse einer Modellrechnung bis zum Jahr 2050

Zahlreiche Entscheidungen von sozialer, wirtschaftlicher und politischer Bedeutung werden nicht von einzelnen Personen, sondern von privaten Haushalten getroffen. Private Haushalte treten als Käufer von langlebigen Konsumgütern auf, beispielsweise von Kraftfahrzeugen, und sie empfangen Transfers von öffentlichen Haushalten, so zum Beispiel Wohngeld. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades der Bevölkerung mit Wohnungen sind die Haushalte die Bedarfsträger und damit die geeignete Bezugsgröße für entsprechende Berechnungen. Vorausrechnungen zur künftigen Entwicklung der Privathaushalte sind deshalb für Planungszwecke von grundsätzlicher Bedeutung.

Im folgenden Beitrag wird unter anderem gezeigt, dass – demografisch bedingt – die Zahl der Haushalte in Baden‑Württemberg erst nach dem Jahr 2040 zurückgehen und die Anzahl der Einpersonenhaushalte sogar noch bis etwa 2045 ansteigen könnte.

Ein Blick zurück: Zahl der Haushalte ist stärker als die der Bevölkerung gestiegen

Die Zahl der Privathaushalte und deren Strukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Allein seit 1990 haben sich die Haushaltszahlen in Baden‑Württemberg bis 2013 um ein Sechstel erhöht – die Zunahme der Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum lag nur gut halb so hoch. Getragen wurde diese Entwicklung bei den Privathaushalten von einem überdurchschnittlichen Zuwachs bei den kleinen Haushalten. Die Zahl der Einpersonenhaushalte in Baden‑Württemberg stieg seit 1990 um immerhin rund ein Viertel an; demgegenüber ist die Zahl der Haushalte mit fünf und mehr Personen um ein Achtel zurückgegangen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße hat sich dadurch deutlich verändert. Im Jahr 1990 lebten in Baden‑Württemberg in einem Haushalt im Schnitt noch 2,3 Personen, 2013 waren es nur noch 2,1 Haushaltsmitglieder.

Was ist überhaupt ein Haushalt?

»Als Haushalt (Privathaushalt) zählt jede zusammen wohnende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft (Mehrpersonenhaushalt) sowie Personen, die allein wohnen und wirtschaften (Einpersonenhaushalt, …). Zum Haushalt können verwandte und familienfremde Personen gehören (…).«1 Bereits diese Definition aus dem Mikrozensus lässt erahnen, welch vielfältige Lebensformen sich hinter einem Haushalt verbergen können. Und diese Vielfalt hat in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt aufgrund des Trends hin zu nicht ehelichen Lebensgemeinschaften, deutlich zugenommen. Waren vor etwa 30 Jahren noch über 99 % der Paare verheiratet, so beträgt heute der Anteil der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften an allen Paaren bereits rund 11 %.

Welche Einflussfaktoren bestimmen die künftige Entwicklung der Haushalte?

Die künftige zahlenmäßige Entwicklung der so abgegrenzten Privathaushalte wird vor allem durch die weitere Bevölkerungsentwicklung und deren altersstrukturelle Zusammensetzung sowie durch das Haushaltsbildungsverhalten determiniert. Was die Bevölkerungsentwicklung betrifft, so könnte die Einwohnerzahl des Landes noch bis zum Jahr 2021 auf 10,85 Mill. ansteigen und anschließend bis zum Jahr 2050 relativ stetig auf dann 10,31 Mill. zurückgehen.2

Die Altersstruktur der Bevölkerung in Verbindung mit den derzeit absehbaren Trends bei der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung werden dazu führen, dass die künftige Entwicklung durch einen enormen Alterungsprozess der Bevölkerung geprägt sein wird. Dieser demografische Wandel wird sich auch dann, wenn die derzeit sehr starke Zuwanderung nach Baden‑Württemberg länger andauern sollte, lediglich abschwächen, aber nicht aufhalten lassen.

So wird beispielsweise aller Voraussicht nach die Zahl der 60-Jährigen und älteren im Südwesten ab dem Jahr 2040 etwa doppelt so stark vertreten sein wie die der unter 20-Jährigen. Dagegen war es bis Ende der 1990er-Jahre noch so, dass die Zahl der Jüngeren immer größer als die der Älteren war. Diese Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung werden – wie noch zu zeigen sein wird – erhebliche Auswirkungen auf die Zahl und Struktur der Privathaushalte haben.

In der Vergangenheit zu beobachtende verhaltensbedingte Änderungen im Haushaltsbildungsverhalten, die mit dem Schlagwort »Singularisierung« umschrieben werden können, bleiben dagegen bei der Abschätzung der künftigen Entwicklung der Privathaushalte unberücksichtigt. Dies erscheint deshalb gerechtfertigt, weil entsprechende Verhaltensänderungen der Bevölkerung, die einen Trend hin zu kleineren Haushalten bewirkt haben, in Zukunft an Bedeutung ver­lieren dürften, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Geburtenrate ist bereits seit etwa 4 Jahrzehnten konstant niedrig. Falls das Geburtenniveau in den nächsten Jahren weiter absinken würde, wäre dies mit einem zusätzlichen Rückgang bei der durchschnittlichen Haushaltsgröße verbunden. Hierfür gibt es derzeit aber keine Anzeichen.

Eine künftig möglicherweise weiter sinkende »Heiratsneigung« hätte nur sehr bedingt einen Einfluss auf die Haushaltsstruktur, da – wie beschrieben – auch nichteheliche Lebensgemeinschaften zu den Haushalten zählen.

Darüber hinaus zeichnet sich in den letzten Jahren eine Entwicklung hin zu wieder etwas stabileren Ehen ab, nachdem die Scheidungshäufigkeit jahrzehntelang angestiegen ist.3

Allerdings: Auch in den vergangenen Jahren war noch ein leichter Trend hin zu kleineren Haushalten festzustellen. So zeigt ein Vergleich der Haushaltestrukturen für die Jahre 2009 und 2013, dass die Bevölkerungsanteile in Einpersonenhaushalten tendenziell leicht angestiegen und in den Fünfpersonenhaushalten eher zurückgegangen sind. Der Einfluss auf die Gesamtzahl der Privathaushalte war aber dennoch relativ gering4 – und ob es künftig zu einer merklichen Fortsetzung dieser Singularisierungsprozesse kommen wird, ist – wie beschrieben – zumindest offen.

Rückgang der Haushaltszahlen erst nach 2040

Bei Zugrundelegung der Ergebnisse der aktuellen Bevölkerungsvorausrechnung und unter der Annahme, dass die aktuelle Verteilung der Bevölkerung nach Altersgruppen und Geschlecht auf die Haushalte nach ihrer Größe unverändert bleibt (i-Punkt), wird die Zahl der Privathaushalte im Land noch bis 2030 um knapp 240 000 auf dann 5,28 Mill. ansteigen (+ 4,7 %). Im darauf folgenden Jahrzehnt dürfte sie auf diesem Niveau verharren. Nach 2040 wird die Zahl der Privathaushalte voraussichtlich aber zurückzugehen. Dennoch könnte die Haushaltszahl sogar noch im Jahr 2050 um knapp 140 000 höher als im Basisjahr 2013 liegen – obwohl für diesen Zeitraum mit einem Rückgang der Einwohnerzahl um ca. 300 000 Personen gerechnet wird.

Der Trend der letzten Jahre hin zu immer mehr kleineren und immer weniger großen Haushalten wird sich damit demografisch bedingt in Zukunft fortsetzen: Die Zahl der Einpersonenhaushalte könnte sogar noch bis zum Jahr 2045 ansteigen, während die Zahl der Vier- und Fünfpersonenhaushalte bereits in den kommenden Jahren zurückgehen wird. Damit wird sich aus heutiger Sicht der Anteil der Einpersonenhaushalte von derzeit knapp 39 % auf rund 42 % im Jahr 2050 erhöhen, während der der Vierpersonenhaushalte von 11 auf nur noch 9 % sinken wird. Die durchschnittliche Anzahl der Personen je Haushalt wird von 2,11 im Jahr 2013 voraussichtlich auf 1,99 zurückgehen.

Ursache des weiteren Anstiegs der Zahl kleinerer Haushalte ist das »Hineinwachsen« stark besetzter Altersgruppen in solche Altersgruppen, die überwiegend in kleinen Haushalten leben. Dies gilt insbesondere für die älteren Menschen. So leben derzeit mehr als 90 % der 65-jährigen und älteren Baden‑Württemberger in Ein- oder Zweipersonenhaushalte. Die Zahl der Personen in dieser Altersgruppe könnte bis zum Jahr 2050 um mehr als 40 % ansteigen, während die übrige Bevölkerung, die im Schnitt in größeren Haushalten lebt, aus heutiger Sicht um rund ein Siebtel zurückgehen wird.

Schaubild 3 zeigt abschließend den Zusammenhang zwischen dem Alter der Bevölkerung – differenziert nach dem Geschlecht – und der jeweiligen durchschnittlichen Personenzahl je Haushalt im Detail. In »jungen Jahren« ist die Haushaltsgröße noch relativ hoch, da Kinder und Jugendliche in der Regel mit ihren Eltern und ggf. noch mit ihren Geschwistern zusammenleben. Im frühen Erwachsenenalter erreicht die Haushaltsgröße dann aber nur noch einen Wert von unter zwei Personen je Haushalt, weil relativ viele der jungen Erwachsenen ihr Elternhaus verlassen haben und zunächst noch alleine leben. Danach steigt die durchschnittliche Haushaltsgröße aufgrund von Familiengründungen wieder an, um dann etwa ab dem 45. Lebensjahr wieder abzusinken, weil Kinder ihre Familie verlassen, Ehen geschieden werden oder der Lebenspartner verstirbt.

Ergebnisse haben »nur« Modellrechnungscharakter

Die Zahl der Privathaushalte in Baden‑Württemberg wird also nach den vorgelegten Berechnungen voraussichtlich noch bis zum Jahr 2030 ansteigen und erst nach 2040 moderat zurückgehen. Vor allem aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung wird auch künftig der Trend hin zu kleineren Haushalten anhalten. Bis zum Jahr 2050 könnte dadurch die durchschnittliche Personenzahl je Haushalt von derzeit 2,11 weiter auf 1,99 zurückgehen.

Die Ergebnisse dieser Modellrechnung dürfen aber nicht als »Vorhersagen« interpretiert werden. Mit Hilfe dieser Rechnungen kann beispielsweise »nur« gezeigt werden, wie sich die Zahl der Privathaushalte unter der Berücksichtigung bestimmter Annahmen entwickeln könnte. Es handelt sich damit um reine »Wenn-dann-Aussagen«. Diese Annahmen betreffen dabei nicht nur die in der Bevölkerungsvorausrechnung getroffenen Vorgaben zur Geburtenhäufigkeit, zur Lebenserwartung und zur Zuwanderung nach Baden‑Württemberg. Vielmehr hat auch die Annahme, dass der in den vergangenen Jahrzehnten stattgefundene Singularisierungsprozess sich nicht weiter fortsetzen wird, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die vorgestellten Ergebnisse.

Und schließlich: Der Begriff »Privathaushalt« ist zwar – wie beschrieben – klar definiert, in der Praxis aber oftmals nicht eindeutig. Vor allem der Trend, wonach sich die traditionellen Haushalts- und Familienstrukturen immer mehr aufweichen, macht die exakte Ermittlung der Privathaushalte und eine Abschätzung der künftigen Entwicklung zunehmend schwieriger. Insbesondere bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften ist nicht immer zweifelsfrei, ob diese einen Mehrpersonenhaushalt oder aber mehrere Einpersonenhaushalte bilden – je nachdem, ob diese Personen gemeinsam wirtschaften oder nicht. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten und Unschärfen sind die vorgelegten Ergebnisse »nur« als Ergebnisse einer Modellrechnung einzuordnen.

1 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 1, Reihe 3 – Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, 2014, S. 18.

2 Brachat-Schwarz, Werner: »Der Alterungsprozess der Gesellschaft wird sich auch in Zukunft unvermindert fortsetzen«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2014«. Der Vorausrechnungszeitraum wurde bei der vorgelegten Modellrechnung etwas kürzer als bei der Bevölkerungsvorausrechnung gewählt, da hier zusätzliche Unsicherheiten – insbesondere bezüglich der künftigen Haushaltsbildung – bestehen.

3 Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Baden‑Württemberg vom 28. Juli 2015: »Ehen wieder etwas stabiler«.

4 Würde unterstellt, dass sich die Verteilung der Bevölkerung nach Altersgruppen auf die einzelnen Haushaltsgrößen (»Haushaltsmitgliederquoten«) seit dem Jahr 2009 nicht geändert hat, so wäre die Zahl der Privathaushalte im Jahr 2013 lediglich um 1 % niedriger gelegen. Sollte sich also der Trend der Singularisierung – entgegen der getroffenen Annahmen konstanter Haushaltsmitgliederquoten – fortsetzen, läge die tatsächliche Haushalteentwicklung etwas über der der hier ermittelten Ergebnisse.