:: 12/2015

Ausgaben und Beschäftigung im Gesundheitssektor in Baden‑Württemberg 2013

Auf Basis der Gesundheitsausgaben- und Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes ermittelt die Arbeitsgruppe Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder (siehe i-Punkt) jährlich die Ausgaben und die Beschäftigung im Gesundheitsbereich auf Länderebene. Im September 2015 wurden die Ergebnisse für das Jahr 2013 veröffentlicht. Diese fließen wiederum in die vom Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg erstellte Broschüre »Gesundheitsökonomische Indikatoren für Baden‑Württemberg« ein, welche jährlich im Auftrag des Sozialministeriums Baden‑Württemberg erscheint. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt.

Im Land wurden je Einwohner 3 810 Euro für Gesundheit ausgegeben

Im Jahr 2013 beliefen sich die Ausgaben für gesundheitsbezogene Waren und Dienstleistungen in Baden‑Württemberg auf insgesamt 40,4 Mrd. Euro. Auf jeden Einwohner des Landes entfielen damit im Durchschnitt Gesundheitsausgaben in Höhe von 3 810 Euro. Diese lagen im Vergleich mit den Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland insgesamt um 100 Euro niedriger.

Im internationalen Vergleich sind teilweise deutliche Unterschiede bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit festzustellen. Insbesondere in den USA, aber auch in Norwegen, in der Schweiz und in den Niederlanden lagen die Gesundheitsausgaben bedeutend höher. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) beliefen sich die in US-Dollar kaufkraftbereinigten Ausgaben im Gesundheitssektor der USA im Jahr 2013 auf 9 150 US-Dollar und waren damit annähernd doppelt so hoch wie in Baden‑Württemberg. Die Gesundheitsausgaben korrelieren zum einen mit dem Einkommen (Länder mit hohem Einkommen weisen meist auch hohe Gesundheitsausgaben auf), zum anderen dürften überproportional steigende Preise für Gesundheitswaren und -dienstleistungen ursächlich für teurere Gesundheitssysteme sein.

Die Qualität des Gesundheitssystems in den USA scheint dabei jedoch nicht über jener anderer Gesundheitssysteme in Ländern mit niedrigeren Ausgaben zu liegen (wie bspw. Japan oder Finnland). Auffällig ist auch, dass die privaten Gesundheitsausgaben (private Versicherungen sowie private Eigenleistungen und Zuzahlungen) in den USA im Vergleich zu anderen OECD-Ländern sehr hoch sind. Die generell höheren Preise im Gesundheitssystem könnten wiederum auf Ineffizienzen schließen lassen. So dürfte das stark fragmentierte und komplexe Zahlungssystem in den USA mehr (und damit kostenintensives) Verwaltungspersonal in den Krankenhäusern erfordern. Zudem verfügt die zersplitterte Käuferseite (hauptsächlich Krankenversicherungen) im US-amerikanischen Gesundheitssystem über eine relativ schwache Marktmacht; die Anbieter von gesundheitsbezogenen Waren und Dienstleistungen können somit tendenziell hohe Preise erzielen. Die niedrigeren Ausgaben in manch anderen Ländern könnten auf stärker staatlich kontrollierte Gesundheitssysteme zurückzuführen sein, welche der Käuferseite wesentlich mehr Marktmacht zuweisen.1

Hohe Gesundheitsausgaben können jedoch durchaus ein Indiz für eine qualitativ hohe Gesundheitsversorgung sein. So erzielt die Versorgung in den Niederlanden seit Jahren im Rahmen eines Rankings des »Euro Health Consumer Index«2 (anhand von derzeit 48 Indikatoren) Platzierungen in den vorderen Rängen, im Jahr 2014 sogar den ersten Rang. Dies relativiert die hohen kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-Ausgaben in diesem Land. Auch einige andere Länder mit hohen Ausgaben je Einwohner erzielten gute Platzierungen: Die Schweiz belegte 2014 Rang 2, Norwegen den dritten Rang. Deutschland fand sich an neunter Stelle wieder.

Um die Gesundheitsausgaben eines Landes besser einordnen zu können, lohnt ein Blick auf die Relation der Ausgaben zur Wirtschaftsleistung (nominales Bruttoinlandsprodukt). In Baden‑Württemberg beliefen sich im Jahr 2013 die Ausgaben für Waren und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich auf 9,6 % des Bruttoinlandsprodukts und lagen damit deutlich unter dem Bundeswert von 11,2 %. Dies ist auf die Kombination der niedrigeren Gesundheitsausgaben pro Kopf mit der im Vergleich zum Bund überdurchschnittlichen Arbeitsproduktivität und der unterdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit in Baden‑Württemberg zurückzuführen. Spitzenreiter waren auch im Falle dieses Indikators die Vereinigten Staaten mit 17,1 %, aber auch die Niederlande wendeten mit 12,9 % einen relativ großen Teil für Gesundheitsausgaben auf.

Größter Ausgabenträger: Die gesetzlichen Krankenversicherungen

Die Methodik der Gesundheitsausgabenrechnung der Länder sieht vor, falls vorhanden, immer länderspezifische Daten bzw. Datenquellen zu verwenden. In der Gesundheitsausgabenrechnung werden alle diejenigen Institutionen, die die Leistungen finanzieren, als Ausgabenträger bezeichnet. Neben den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind dies die Soziale Pflegeversicherung, die Öffentlichen Haushalte, die Gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, die Private Krankenversicherung, die Arbeitgeber sowie die Privaten Haushalte (inklusive Private Organisationen ohne Erwerbszweck).

Die GKV stellten 2013 in Baden‑Württemberg mit knapp 21,9 Mrd. Euro den größten Ausgabenposten dar. Dies entsprach einem Anteil an den gesamten Gesundheitsausgaben von gut 54 %. Die Berechnung der Ausgaben der GKV in Baden‑Württemberg berücksichtigt alle Versicherten mit Wohnsitz in Baden‑Württemberg, die in den verschiedenen Ortskrankenkassen Deutschlands versichert sind. Die Ausgaben der Kassenart Ortskrankenkassen (OKK) für Baden‑Württemberg werden dann anhand der jeweiligen Durchschnittskosten und der Zahl der Versicherten der unterschiedlichen OKK berechnet. Die Mehrheit der Versicherten der Kassenart AOK mit Wohnsitz in Baden‑Württemberg ist erwartungsgemäß bei der AOK Baden‑Württemberg versichert, welche vergleichsweise niedrige Durchschnittskosten aufweist.

Gut 35 % aller Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen (es werden in diesem Fall nur AOK und Betriebskrankenkassen berücksichtigt) waren 2014 in Baden‑Württemberg den Leistungen im Krankenhaus zuzuordnen. Auf die Ausgaben für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel sowie Zahnersatz entfielen 27 %; der Bereich ärztliche und zahnärztliche Behandlung wies einen Ausgabenanteil von gut 26 % auf. In Deutschland insgesamt nahmen die Leistungen im Krankenhaus einen wesentlich größeren Anteil ein (über 38 %).

Die zweithöchsten Ausgaben wurden hierzulande von den privaten Haushalten/Organisationen ohne Erwerbszweck mit fast 6,6 Mrd. Euro bzw. gut 16 % der Gesamtausgaben getätigt. Rund 4,3 Mrd. Euro waren der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zuzuordnen. In Deutschland insgesamt belief sich der Anteil der GKV-Ausgaben auf fast 58 %, der Ausgabenanteil der privaten Haushalte auf knapp 14 % und jener der privaten Krankenversicherung auf gut 9 %. Damit zeigt sich die besondere Bedeutung der privaten Gesundheitsausgaben in Baden‑Württemberg. Der entsprechende Anteil von knapp 27 % lag um mehr als 4 Prozentpunkte über dem Bundeswert. Dies dürfte sich durch das höhere Einkommensniveau und der größeren Bereitschaft zur privaten Krankenversicherung in Baden‑Württemberg erklären lassen.

Gesundheitspersonal steigt weiter an

Die Gesundheitsversorgung sollte jedoch nicht einseitig von der Kostenseite betrachtet werden. Eine hohe Bedeutung kommt der Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten im Gesundheitssektor zu. Für das Jahr 2013 wurden im Rahmen der Gesundheitspersonalrechnung der Länder knapp 707 000 Beschäftigungsverhältnisse im baden-württembergischen Gesundheitssektor3 ermittelt. In Vollzeitäquivalenten4 ausgedrückt waren dies über 511 000. Etwa drei Viertel der Arbeitsplätze wurden dabei von Frauen wahrgenommen. 2008 waren es erst gut 629 000 Arbeitsplätze im Gesundheitssektor, bis zum Jahr 2013 stieg die Beschäftigung also um über 12 % an. Zum Vergleich: Die Zahl aller Erwerbstätigen erhöhte sich in Baden‑Württemberg im gleichen Zeitraum nur um gut 3 %. Zwischen 2008 und 2013 nahm prozentual betrachtet vor allem die Beschäftigung in den Einrichtungen »pharmazeutische Industrie« ( +31 %) und der ambulanten Pflege ( +27 %) stark zu.

Fast drei Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse im Gesundheitsbereich waren den ambulanten (gut 270 000) oder stationären und teilstationären Einrichtungen (knapp 247 000) zuzuordnen. Allein in den Krankenhäusern waren 2013 über 143 000 Arbeitsstellen (109 000 VZÄ) zu verzeichnen. In den Arztpraxen belief sich die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse auf knapp 89 000 (gut 58 000 VZÄ).

Beschäftigung auf Stadt- und Landkreisebene

Anhand der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lässt sich zeigen, dass der Gesundheitssektor die beschäftigungsstärkste Branche in Baden‑Württemberg insgesamt darstellt. Dies gilt auch für zwei Drittel der baden-württembergischen Stadt- und Landkreise. Nur in den Landkreisen Böblingen, Rottweil, dem Hohenlohekreis sowie dem Stadtkreis Stuttgart zählte der Gesundheitssektor nicht zu den beiden Branchen mit der höchsten Beschäftigung. Zum 30. Juni 2014 waren in Baden‑Württemberg rund 507 000 Personen in der Gesundheitswirtschaft sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Mit einem Beschäftigungsanteil von knapp 12 % lag der Gesundheitssektor damit deutlich vor den Branchen Maschinenbau und Einzelhandel (ohne die gesundheitsrelevanten Bereiche) mit jeweils rund 6 % sowie der öffentlichen Verwaltung (mit Verteidigung und Sozialversicherungen) mit gut 5 %. In den Landkreisen Tuttlingen und Tübingen sowie in den Stadtkreisen Heidelberg und Freiburg lag der Beschäftigungsanteil des Gesundheitssektors an der Gesamtbeschäftigung sogar bei über 20 %. Während im Kreis Tuttlingen die Medizintechnikindustrie dominiert, ist der hohe Beschäftigungsanteil in den anderen genannten Kreisen zu einem großen Teil auf die Universitätskliniken zurückzuführen.

1 Anderson, Gerard F. et al: It’s The Prices, Stupid: Why The United States Is So Different From Other Countries, Health Affairs 22, no. 3, S. 102 f, (2003): S. 89–105.

2 Health Consumer Powerhouse: Euro Health Consumer Index 2014, (2015).

3 In der Gesundheitspersonalrechnung wird hier der Begriff »Gesundheitswesen im weiteren Sinne« verwendet. In der vom Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg veröffentlichten Broschüre wird zudem auch der Begriff »Gesundheitswirtschaft« synonym zum Begriff »Gesundheitssektor« genutzt.

4 Vollzeitäquivalente (VZÄ) geben die Anzahl der auf die volle tarifliche Arbeitszeit umgerechneten Beschäftigten an. Ein VZÄ entspricht dabei einem Vollzeitbeschäftigten.