:: 12/2015

Wer zahlt die Einkommensteuer?

Zur Verteilung von Einkommen und Einkommensteuerlast in Baden‑Württemberg 2010

Für das Jahr 2010 wurde bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen in Baden‑Württemberg eine Einkommensteuer in Höhe von 31,6 Mrd. Euro festgesetzt. Über 73 % der festzusetzenden Steuer wurden von Steuerpflichtigen mit Jahreseinkünften ab 50 000 Euro getragen. Dabei umfasste diese Gruppe nur knapp 21 % der Steuerpflichtigen. Im Gegensatz dazu wurde bei den 42 % Steuerpflichtigen mit Jahreseinkünften unter 20 000 Euro nur ein Fünfzigstel der Steuer festgesetzt. Die ungleiche Verteilung der Steuerlast ging auf die zugrunde liegende Einkommensverteilung und die progressive Besteuerung zurück. Im Bundesländervergleich kam Baden‑Württemberg nach Nordrhein-Westfalen und Bayern auf die dritthöchste Einkommensteuerfestsetzung. Je Steuerpflichtigen betrachtet, lag die Einkommensteuerlast im Südwesten um rund 650 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Baden‑Württemberg verfügte hier über einkommensstärkere Steuerpflichtige.

Die Einkommensteuer ist neben der Umsatzsteuer die aufkommensstärkste Steuer im Bundesgebiet. Im Jahr 2014 hatte sie ein Volumen von insgesamt 213,6 Mrd. Euro.1 Dies entsprach ziemlich genau einem Drittel der kassenmäßigen Steuereinnahmen von Bund, Länder und Gemeinden. Gemäß ihrer Konzeption als Gemeinschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 GG) werden die Einnahmen zwischen den Gebietskörperschaften aufgeteilt. Dabei entfallen jeweils 42,5 % auf Bund und Länder sowie 15 % auf die Gemeinden. Die Einkommensteuer bildet damit eine zentrale Säule für die Finanzierung der öffentlichen Haushalte. Doch wer zahlt eigentlich die Einkommensteuer? Die folgende Analyse beschäftigt sich mit der Verteilung des Einkommens und der Einkommensteuerlast auf die Steuerpflichtigen in Baden‑Württemberg. Hierfür werden die Ergebnisse der aktuell vorliegenden Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2010 verwendet.2

Verteilung nach Einkommensgrößenklassen

Für das Jahr 2010 wurde bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen in Baden‑Württemberg eine Einkommensteuer (i-Punkt »Einkommensteuer«) in Höhe von 31,6 Mrd. Euro festgesetzt. Berücksichtigt sind hier sowohl veranlagte Steuerpflichtige als auch nicht veranlagte Arbeitnehmer, soweit für letztere Werte in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung enthalten waren (einbehaltene Lohnsteuer). Zusammen waren dies 5,3 Mill. Steuerpflichtige.3 Von ihnen trugen allerdings nur 3,8 Mill. Steuerpflichtige oder 72,3 % (im Folgenden als Steuerbelastete bezeichnet) zum Steueraufkommen bei. Die übrigen Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrages oder fielen aufgrund ausreichend hoher Abzüge aus dem besteuerungsrelevanten Bereich heraus. Die durchschnittlich festzusetzende Steuer je Steuerpflichtigen lag daher auch nur bei 5 976 Euro (je Steuerbelasteter bei 8 270 Euro).

Um die Verteilung der Steuerlast nach dem Einkommen der Steuerpflichtigen darstellen zu können, werden Einkommensgrößenklassen nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte gebildet. Hierfür werden die in der amtlichen Statistik verwendeten Größenklassen zu fünf Klassen verdichtet. Im Vergleich zu einer Betrachtung von Quintilen (gleich viele Steuerpflichtige je Klasse) erlaubt die gewählte Herangehensweise die Verwendung von prägnanten und im Zeitverlauf konstanten Klassengrenzen.4

Von den 5,3 Mill. Steuerpflichtigen erzielten 42 % einen Gesamtbetrag der Einkünfte von unter 20 000 Euro und fielen in die unterste Einkommensklasse. Weitere 22,1 % der Steuerpflichtigen gehörten der Klasse zwischen 20 000 Euro und 35 000 Euro an. Damit enthielt diese Größenklasse auch den Median. Er lag bei 25 453 Euro.5 In die dritte Größenklasse mit Einkünften von 35 000 Euro bis 50 000 Euro fielen 15,2 % der Steuerpflichtigen. Die untere Klassengrenze bildete dabei in etwa den durchschnittlichen Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Dieser betrug 35 118 Euro und lag rund 10 000 Euro über dem Median.6 Die vierte Größenklasse bestand aus 20,2 % Steuerpflichtigen mit Einkünften von 50 000 Euro bis 250 000 Euro. Alle Einkünfte ab 250 000 Euro gingen in die oberste Einkommensklasse ein. Ihr gehörten jedoch nur 0,5 % der Steuerpflichtigen an.

Die Verteilung des Einkommens unterschied sich deutlich von der Verteilung der Steuerpflichtigen.7 So waren die 42 % Steuerpflichtigen mit Einkünften unter 20 000 Euro nur mit 8,8 % am Gesamtbetrag der Einkünfte beteiligt. In der zweiten und dritten Größenklasse lagen die jeweiligen Anteile relativ nahe beieinander. Vor allem aber in den beiden oberen Größenklassen fielen sie deutlich unterschiedlich aus. Steuerpflichtige der Einkommensklasse zwischen 50 000 Euro und 250 000 Euro (rund 20 % aller Steuerpflichtigen) erzielten einen Anteil von 46,3 % am Gesamtbetrag der Einkünfte. Der Anteil der Spitzenverdiener mit Einkünften ab 250 000 Euro (0,5 % der Steuerpflichtigen) betrug knapp 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Das Einkommen in den vier unteren Größenklassen stammte dabei weit überwiegend aus Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. In der obersten Einkommensklasse dominierten hingegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die nicht selbstständige Arbeit machte hier nur etwa ein Viertel der gesamten Einkünfte aus.

Die Einkommensteuerlast war nochmal anders verteilt als das Einkommen. Auf die unterste Größenklasse entfielen lediglich 2 % der gesamten Steuerfestsetzung. Hier trug nur gut ein Drittel der Steuerpflichtigen zum Steueraufkommen bei. Auch der Anteil der zweiten und dritten Größenklasse an der Steuerfestsetzung war kleiner als der entsprechende Anteil am Gesamtbetrag der Einkünfte. Mehr als die Hälfte der festzusetzenden Einkommensteuer (55,4 %) fiel dagegen allein in der vierten Größenklasse an. Die durchschnittliche Steuerfestsetzung lag hier bei 16 354 Euro. Bei den 0,5 % einkommensstärksten Steuerpflichtigen wurden schließlich 17,8 % der Steuer festgesetzt. Im Durchschnitt entfielen auf einen Steuerpflichtigen dieser Einkommensklasse 200 986 Euro Einkommensteuer. Dies war fast 34 mal mehr als der durchschnittliche Wert im Land.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Steuerlast besonders auf die oberen Einkommensklassen verteilt war. So trugen Steuerpflichtige mit Einkünften ab 50 000 Euro insgesamt 73,2 % der Steuerlast, obwohl es sich nur um 20,7 % der Steuerpflichtigen handelte. Im Umkehrschluss war ein Großteil der Steuerpflichtigen nicht oder nur in geringem Maße am Einkommensteueraufkommen beteiligt. Die Ursachen hierfür liegen neben der Einkommensverteilung auch im progressiven Steuertarif begründet (i-Punkt »Einkommensteuertarif«). Dieser bewirkt, dass höhere Einkommen überproportional belastet werden. Ein Großteil der Steuer wurde dabei in den beiden Proportionalzonen des Steuertarifs festgesetzt. Hier greift ein konstanter Grenzsteuersatz von 42 % (respektive 45 % ab 250 000 Euro) und determiniert die Anreize zur Erzielung weiterer Einkünfte. Schaubild 1 kann folglich auch im Sinne des hinterlegten Steuerkonzeptes interpretiert werden. Eine simple Pro-Kopf-Besteuerung (jeder zahlt gleich viel) würde eine Steuerlastverteilung entsprechend der Verteilung der Steuerpflichtigen ergeben, während eine lineare Besteuerung grob der Einkommensverteilung entspräche.8 Die Progression bewirkt schließlich die beschriebene Verschiebung von der Einkommensverteilung zur Verteilung der Steuerlast.

Verteilung nach der Lorenzkurve

Die Verteilung von Einkommen und Einkommensteuerlast auf die Steuerpflichtigen kann auch unabhängig von Größenklassen dargestellt werden. Hierfür wird auf sogenannte Lorenzkurven zurückgegriffen, die den kumulierten Anteil des Gesamtbetrags der Einkünfte bzw. der festzusetzenden Einkommensteuer auf den kumulierten Anteil der Steuerpflichtigen beziehen.9 Daraus können für das Jahr 2010 beispielsweise folgende Eckwerte abgelesen werden: Die 50 % einkommensschwächsten Steuerpflichtigen verfügten zusammen über einen Anteil von 14 % am Gesamtbetrag der Einkünfte. Im Vergleich dazu trugen die 50 % Steuerpflichtigen mit den geringsten Steuerfestsetzungen lediglich 3 % der gesamten Steuerlast. Demgegenüber vereinten die 10 % einkommensstärksten Steuerpflichtigen zusammen rund 38 % des Gesamtbetrags der Einkünfte auf sich. Die 10 % Steuerpflichtigen mit den höchsten Steuerfestsetzungen kamen auf knapp 57 % der gesamten Steuerlast.

Das Ausmaß der ungleichen Verteilung des Einkommens ergibt sich aus dem Abstand von Einkommenskurve und theoretischer Gleichverteilung. Die Kurve der Steuerlast verläuft noch unterhalb der Einkommenskurve. Dies impliziert eine größere Ungleichverteilung bei der festzusetzenden Steuer (infolge der Progression). Da ein beträchtlicher Teil der Steuerpflichtigen keine Steuerfestsetzung verzeichnete, verharrt die Kurve der Steuerlast deutlich länger nahe der Null-Prozent-Linie als die Einkommenskurve. Am größten ist der Abstand zwischen den Kurven um die 85 %-Marke herum. In diesem Bereich erbrachten Steuerpflichtige einen ähnlich großen prozentualen Beitrag zum Gesamtbetrag der Einkünfte wie zur festzusetzenden Einkommensteuer. Während Steuerpflichtige oberhalb der Schwelle entsprechend (prozentual) mehr zur Steuerfestsetzung beitrugen, war bei Steuerpflichtigen unterhalb der 85 %-Marke der Anteil am Gesamtbetrag der Einkünfte höher.

Zur Quantifizierung der dargestellten Ungleichheit kann der Gini-Koeffizient herangezogen werden.10 Dieser nahm beim Gesamtbetrag der Einkünfte einen Wert von 0,54 an. Bei der festzusetzenden Einkommensteuer lag der Wert um knapp 0,2 Punkte höher bei 0,736. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Steuerlast insgesamt ungleicher verteilt war als das Einkommen. Die progressive Besteuerung hat folglich Einfluss auf die Verteilung der Steuerlast.

Verteilung im Bundesvergleich

Unter den Bundesländern verzeichnete Nordrhein-Westfalen mit 46,3 Mrd. Euro (22,4 % der Bundessumme) die höchste Einkommensteuerfestsetzung. Hinter Bayern (38,1 Mrd. Euro bzw. 18,5 %) belegte Baden‑Württemberg hier den dritten Platz. Die bereits erwähnten 31,6 Mrd. Euro stellten 15,3 % der Bundessumme dar. Die Höhe der Steuerfestsetzung in einem Bundesland hängt dabei maßgeblich von der Anzahl an Steuerpflichtigen ab. Je Steuerpflichtigen betrachtet, ergab sich dann auch ein etwas anderes Bild. Steuerpflichtige aus Hamburg kamen mit durchschnittlich 6 982 Euro Einkommensteuer auf die mit Abstand höchste Steuerfestsetzung. Es folgten Steuerpflichtige aus Hessen mit 6 148 Euro und Bayern mit 6 026 Euro. Baden‑Württemberg belegte mit 5 976 Euro knapp dahinter den vierten Platz und übertraf ebenfalls klar den Bundesdurchschnitt von 5 328 Euro. Auf den letzten Plätzen des Rankings lagen Thüringen mit 3 336 Euro und Sachsen-Anhalt mit 3 311 Euro durchschnittlicher Einkommensteuer je Steuerpflichtigen. Die ostdeutschen Bundesländer blieben hier insgesamt deutlich hinter den westdeutschen Ländern zurück. Eine Betrachtung auf Basis der Steuerbelasteten führt zu ähnlichen Ergebnissen.

Ein Steuerpflichtiger in Baden‑Württemberg zahlte demzufolge durchschnittlich 648 Euro (12,2 %) mehr Steuern als ein Steuerpflichtiger im Bundesgebiet.11 Da die Steuergesetzgebung im Bereich der Einkommensteuer bundeseinheitlich ist, lässt die überdurchschnittlich hohe Steuerfestsetzung je Steuerpflichtigen auf Unterschiede in der Einkommensverteilung schließen. Baden‑Württembergs Anteil am bundesweiten Gesamtbetrag der Einkünfte lag mit 14,8 % dann auch höher als der Anteil an den Steuerpflichtigen (13,6 %). Entsprechend übertraf der durchschnittliche Gesamtbetrag der Einkünfte (35 118 Euro) den Bundeswert von 32 285 Euro. Bezogen auf die Einkommensgrößenklassen verfügte der Südwesten vor allem über einen höheren Anteil von Einkünften in den Größenklassen von 50 000 bis 250 000 Euro und ab 250 000 Euro. Während deutschlandweit 51,6 % des Gesamtbetrags der Einkünfte in diesen beiden Größenklassen anfielen, wurde im Südwesten 55,9 % des Gesamtbetrags der Einkünfte von Steuerpflichtigen mit Jahreseinkünften von mindestens 50 000 Euro erzielt. Demgegenüber wurden in den unteren Größenklassen entsprechend niedrigere Anteile in Baden‑Württemberg verzeichnet.

Festzuhalten bleibt, dass Einkommen und Einkommensteuerlast in Baden‑Württemberg ungleich auf die Steuerpflichtigen verteilt waren, wobei die Verteilung der Steuerlast infolge der progressiven Besteuerung ungleicher war als die zugrunde liegende Einkommensverteilung. Baden‑Württemberg verfügte im Vergleich zum Bundesdurchschnitt über einkommensstärkere Steuerpflichtige und trug nicht nur insgesamt, sondern auch je Steuerpflichtigen gesehen eine überdurchschnittliche Steuerlast.

Die nächste Erhebung

Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik wurde bisher 3-jährlich aufbereitet. Ab dem Berichtsjahr 2012 stellt die amtliche Statistik auf einen jährlichen Turnus um. Somit können Verteilungsfragen zukünftig auf der Basis eines dichteren Datenmaterials untersucht werden. Dies erhöht die Aussagekraft von Zeitreihen und damit das Analysepotenzial im Kontext gesellschaftlicher und politischer Veränderungen.

1 Veranlagte Einkommensteuer und Lohnsteuer (ohne Abgeltungsteuer und nicht veranlagte Steuern). Statistisches Bundesamt (2014): Fachserie 14 Reihe 4.

2 Angaben aus der Steuerveranlagung liegen erst mit einer gewissen Verzögerung vor. Daten aus dem Berichtsjahr 2010 stellen die aktuellsten vorliegenden Zahlen dar.

3 Ohne Verlustfälle. Steuerpflichtige mit einem – gemessen am Gesamtbetrag der Einkünfte – negativen Einkommen werden aufgrund der vergleichsweise geringen Fallzahl ausgeklammert. Der Begriff »Einkommen« wird in diesem Beitrag synonym für »Gesamtbetrag der Einkünfte« verwendet, auch wenn beide Begriffe in der Steuergesetzgebung nicht identisch sind (siehe i-Punkt »Einkommensteuer«).

4 Eine Zeitreihenbetrachtung ist allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrags.

5 Der Median besagt, dass jeweils die Hälfte der Steuerpflichtigen einen Gesamtbetrag der Einkünfte unter bzw. über diesem Wert hat. Der Median teilt die Steuerpflichtigen in eine ärmere und eine reichere Hälfte.

6 Beim Durchschnitt fallen hohe Einkünfte beispielsweise von Einkommensmillionären stärker ins Gewicht.

7 Einkünfte aus Kapitalvermögen werden infolge der Einführung der Abgeltungsteuer ab dem Jahr 2010 in der Statistik nur noch teilweise erfasst. Es ist davon auszugehen, dass die aufgezeigte Ungleichverteilung des Einkommens aufgrund der Untererfassung der Kapitaleinkünfte eher unterschätzt wird.

8 Zur Erinnerung: Der Steuertarif wird nicht auf den Gesamtbetrag der Einkünfte angewandt.

9 Die diagonale Gerade (Winkelhalbierende) stellt die Gleichverteilung dar. Die Lorenzkurve liegt immer unterhalb der Winkelhalbierenden. Je mehr sich die Lorenzkurve der Winkelhalbierenden annähert, desto gleichmäßiger ist die Verteilung.

10 Der Gini-Koeffizient entspricht grafisch gesehen zweimal der Fläche zwischen Gleichverteilungsgerade und Lorenzkurve. Er nimmt Werte zwischen 0 (Gleichverteilung) und 1 (maximale Ungleichheit) an.

11 Im Bundesdurchschnitt ist Baden‑Württemberg mit enthalten. Den Durchschnitt der anderen 15 Bundesländer übertraf der Südwesten um 750 Euro (14,4 %).