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Flächenerhebung mit neuer Datengrundlage – Nachwirkungen der »ALKIS-Umstellung«

Auch die neueste Flächenerhebung zum Stand 31. Dezember 2014 steht noch ganz im Zeichen der Verfahrensumstellungen im Liegenschafts­kataster von ALB/ALK (Automatisiertes Liegenschaftsbuch/Automatisierte Liegenschaftskarte) auf ALKIS (Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem). Dabei werden die bisher isoliert geführten Datei- und Programmsysteme der Vermessungsverwaltungen in ein einheitliches Datenmodell überführt und die Merkmalskataloge für die Flächennutzung angeglichen. Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern, zumindest für Baden-Württemberg zeichnet sich jedoch der Abschluss der Verfahrensumstellung ab. Der langfristige Trend abnehmender Flächenverbrauchswerte hat sich nach den nun vorliegenden Ergebnissen fortgesetzt.

Anlässlich der letztjährigen Erhebung 2013 befand sich das Liegenschaftskataster (kurz: Kataster) in Baden-Württemberg noch mitten in der Umstellungsphase. Deshalb war die Vermessungsverwaltung nicht in die Lage gesetzt, für die 3 378 Gemarkungen des Landes Daten zum geforderten Stichtag 31. Dezember 2013 zu liefern. Die Datenbereitstellungen aus dem Kataster erfolgten über das Jahr verteilt in mehreren Tranchen mit Schwerpunkt im August 2014. Das Fehlen eines einheitlichen Stichtags schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse stark ein. Ein sinnvoller Vergleich der Gemarkungen/Gemeinden untereinander ist damit ebenso wenig möglich wie ein Zeitreihenvergleich.

Bei der aktuellen, soeben abgeschlossenen Erhebung für 2014 konnten hier deutliche Fortschritte erzielt werden. Jetzt war es wieder möglich, für alle Gemarkungen des Landes die Daten einheitlich zum Stichtag 31. Dezember 2014 zu melden. Damit kann aus den Ergebnissen von 2012 und 2014 durch Mittelwertbildung näherungsweise der Stand der Flächennutzung zum 31. Dezember 2013 abgeleitet werden. Ein Wermutstropfen bleibt trotzdem: Arbeitsschwerpunkt der Vermessungsverwaltung war bisher die Umstellung der Datenbestände auf ALKIS und der Übergang zum Regelbetrieb im neuen Verfahren, während es im Bereich der Flurbereinigungen noch Verzögerungen gab. Denn derzeit sind rund 30 Flurbereinigungsverfahren zwar abgeschlossen, konnten aber aufgrund technischer Probleme noch nicht ins Kataster übernommen werden. Das ist bedauerlich, muss aber auch in Relation zum üblichen Verfahrensablauf gesehen werden. Insbesondere bei den Unternehmensflurbereinigungen im Zusammenhang mit dem Neubau von Verkehrswegen (Ortsumfahrungen, Bahn, Fernstraßen) können zwischen dem Abschluss der Bauarbeiten bzw. der Verkehrsfreigabe und dem Abschluss der Flurbereinigung durchaus Zeitspannen von mehreren Jahren liegen.

Wichtigstes Ergebnis der Flächenerhebung ist die Feststellung der Siedlungs- und Verkehrsfläche und, davon abgeleitet, deren tägliche Entwicklung: der »Flächenverbrauch«.1 Jede Bundesregierung hielt unabhängig von den sie tragenden Parteien an dem Ziel fest, den Flächenverbrauch bundesweit von vormals (1996) 120 Hektar pro Tag (ha/Tag) bis 2020 auf 30 ha/Tag zu reduzieren. Daraus leitet sich für Baden-Württemberg bis 2020 rechnerisch das Ziel von 3 ha/Tag ab. In den Jahren 2013 und 2014 wurden in Baden-Württemberg zusammen 3 841 ha von vormals naturnaher land- und forstwirtschaftlicher Nutzung in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewidmet. Das entspricht einem durchschnittlichen Flächenverbrauch von 5,3 ha/Tag. Schätzungen des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) gehen davon aus, dass aus den abgeschlossenen Flurbereinigungsverfahren, deren Daten aber noch nicht ins Kataster übernommen werden konnten, bis zu 400 ha an Siedlungs- und Verkehrsfläche neu dazukommen. Rechnet man diese Schätzungen ein, erhöht sich der Flächenverbrauch für die Jahre 2013 und 2014 um jeweils 0,5 ha/Tag. Allerdings war es nicht möglich, aus den Schätzungen des LGL die nicht zur Siedlungs- und Verkehrsfläche rechnenden Wasserflächen zu extrahieren, sodass der angegebene Wert für den Flächenverbrauch als etwas überhöht anzusehen ist. So wichtig die Werte der Einzeljahre auch sind, sollte aber nicht übersehen werden, dass nicht die kurzfristige Entwicklung, sondern der langfristige Trend entscheidend ist. Und selbst mit einem Wert von 5,8 ha/Tag läge Baden-Württemberg im Zielkorridor.

Bis zur vollständigen Umstellung des Katasters in allen Bundesländern werden die Ergebnisse bundesweit nach wie vor in der bisherigen ALB-Nomenklatur veröffentlicht. Das heißt nichts anderes, als dass die von ALB nach ALKIS überführten Datenbestände für einen kurzen Übergangszeitraum von 2 Jahren rückmigriert werden müssen. In Baden-Württemberg erfolgt die Umstellung der Nutzungsarten von ALB/ALK nach ALKIS in der Regel eins zu eins. Wie so oft gibt es auch hier keine Regel ohne Ausnahme.2 Aus der ALB-Nutzung 110 »Gebäude- und Freifläche öffentliche Zwecke« wird die Unternutzung 118 »Friedhof« ausgegliedert und 940 »Friedhof« zugeordnet. Des Weiteren wird aus der ALB-Nutzung 280 »Gebäude- und Freifläche Erholung« die Unternutzung 284 »Kur« ausgegliedert und 110 »Gebäude- und Freifläche öffentliche Zwecke« zugeordnet.

Bei der Vermessung von Neubaugebieten werden die Flurstücke in der Regel zunächst geblockt der Nutzungsart »Gebäude- und Freifläche – nicht weiter untergliedert« zugeordnet. Erst wenn die Gebäude errichtet und eingemessen sind, erfolgt die endgültige Zuordnung zu einer Nutzungsart. Im Rahmen der ALKIS-Umstellung war einer der Arbeitsschwerpunkte die Aktualisierung dieser Datenbestände. So nahm die Gebäude- und Freifläche im Zeitraum 2009 bis 2012 im Jahresmittel um 1 610 ha zu, im Zeitraum 2013/2014 mit jährlich 1 260 ha dagegen um rund ein Viertel ab. Dahingegen verzeichnete die »Gebäude- und Freifläche Wohnen« mit 1 810 ha gegenüber dem vorangegangenen Vergleichszeitraum (1 040 ha) einen annähernd doppelt so großen Zuwachs, die »Gebäude- und Freifläche Gewerbe/Industrie« nahm mit 1 070 ha um mehr als das Doppelte (431 ha) zu. Das sind die Resultate der Umschichtungen aus der »Gebäude- und Freifläche – nicht weiter untergliedert«. Diese Flächen-kategorie hatte im Zeitraum 2009 bis 2012 jahresdurchschnittlich um 530 ha abgenommen, in den Jahren 2013 und 2014 aber fast um das 4-Fache (1 960 ha).

Ein weiterer Umstellungseffekt ist der Tatsache geschuldet, dass die Flächen anderer Nutzung (ALB 900)3 nicht in das neue ALKIS-Gliederungsschema passen. Im Vorfeld der jetzigen Umstellung wurden diese Kategorien von den Katasterbehörden bereits in den vergangenen Jahren sukzessive aufgelöst und anderen Nutzungsarten, insbesondere der Landwirtschafts- und der Waldfläche, zugeordnet. So war Übungsgelände (ALB 910) ausgehend von 5 217 ha im Jahre 2000 auf jetzt 506 ha seit Jahren rückläufig. Ein Teil der Entwicklung steht dabei natürlich im Zusammenhang mit der Auflösung von Kasernen. Auch die Schutzfläche wird zukünftig in ALKIS nicht mehr nachgewiesen. Die Schutzfläche (ALB 920) hat im gleichen Zeitraum von ehemals 4 064 ha auf nun 13 ha abgenommen. Die jetzt noch nachgewiesenen Flächen bei »Übungsgelände« und »Schutzfläche« liegen in Gemarkungen, die 2014 noch nicht komplett auf ALKIS umgestellt waren.

Der Schwerpunkt der Baumaßnahmen lag wie in den Vorjahren auch 2013 und 2014 vorrangig bei der Gebäude- und Freifläche (2 524 ha, +0,9 %) und weniger bei der Verkehrsfläche (731 ha, +0,4 %). Die Erholungsfläche, die sich etwa hälftig aus Sportfläche und Grünanlage zusammensetzt, wurde im Zeitraum 2013/2014 um 438 ha oder 1,4 % ausgedehnt. Die langjährige Betrachtung zeigt seit dem Jahrtausendwechsel bei der Gebäude- und Freifläche tendenziell sinkende jährliche Zuwachsraten, bei der Erholungsfläche dagegen zunächst steigende, ab 2008 dann aber ebenfalls abnehmende Zuwachsraten. Der Flächenverbrauch für Verkehrszwecke ist in seiner Entwicklung schwankend. Hier dürfte nicht zuletzt der Zeitpunkt, wann Großprojekte ihren Niederschlag im Kataster und damit im statistischen Zahlenwerk finden, großen Einfluss haben.

Zum Jahresende 2014 bezifferte sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Baden-Württemberg auf 513 984 ha. Dies entspricht einem Anteil von 14,4 % an der Landesfläche (3,575 Mill. ha). Vor 10 Jahren lag dieser Wert noch bei 13,2 %. Aktuell entfallen 197 371 ha oder knapp 40 % auf Verkehrsflächen, das heißt Straßen, Wege, Plätze sowie den Schienen- und den Luftverkehr. Bei 277 144 ha oder 54 % der Siedlungs- und Verkehrsfläche handelt es sich um Gebäude- und Freifläche, bei weiteren 31 359 ha (6,1 %) um Erholungsfläche. Zu beachten gilt hierbei, dass die Siedlungs- und Verkehrsfläche in erheblichem Umfang Grün- und Freiflächen umfasst. »Flächenverbrauch« ist demnach nicht mit »Versiegelung« – also dem teilweisen oder vollständigen Abdichten offener Böden – gleich zu setzen. Nach Schätzungen des Statistischen Landesamtes ist in Baden-Württemberg knapp die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche, etwa 237 622 ha oder 6,6 % der Landesfläche, tatsächlich versiegelt.

Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Bodenfläche insgesamt differiert bei regionaler Betrachtung sehr stark. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche erreicht in den Verdichtungsräumen des Landes mit durchschnittlich fast 28 % Flächenanteil erwartungsgemäß deutlich höhere Werte als in den Randzonen (16 %), den Verdichtungsbereichen im Ländlichen Raum (17 %) oder im Ländlichen Raum im engeren Sinne mit 10 %. Somit kommt in den eher ländlich geprägten Landkreisen Freudenstadt, Sigmaringen, Waldshut, Breisgau-Hochschwarzwald, Ravensburg oder Neckar-Odenwald-Kreis die Siedlungs- und Verkehrsfläche auf Anteilswerte innerhalb einer Bandbreite von 9,7 bis 10,7 %. In den verdichteten Gebieten wie dem Rhein-Neckar-Kreis sowie den Landkreisen Böblingen, Ludwigsburg und Esslingen erreicht sie dagegen deutlich höhere Anteile von 22,3 bis 24,7 %. In den Stadtkreisen nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche zwischen 30,2 % (Heidelberg) und 58,2 % (Mannheim) der Flächen ein. Eine Sonderstellung unter den Stadtkreisen kommt Baden-Baden (14,7 %) zu.