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Nach dem Zensus 2011 – Perspektiven

Kurzfassung eines Vortrages auf der Statistischen Woche 2015 in Hamburg

Der Beitrag beschreibt die Hintergründe, die zum Modell des registergestützten Zensus 2011 geführt haben sowie die sich daran anschließende Ausgestaltung der Erhebungsdurchführung. Im Hinblick auf die zu ermittelnden amtlichen Einwohnerzahlen werden insbesondere die methodischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Gemeindegrößen erläutert sowie Nutzen und Qualität der weiteren gewonnenen Daten thematisiert. Darüber hinaus wird das Verhältnis von Datenbedarf und Erhebungsmodell kritisch beleuchtet, um hieraus, insbesondere hinsichtlich kommender Zensus, mögliches Optimierungspotenzial abzuleiten.

Vorbemerkungen

Mit der politischen Entscheidung Ende der 1990er-Jahre, in Deutschland keine herkömmliche Volkszählung mehr durchzuführen, hat es begonnen. Zur Jahrtausendwende fand der europaweite Zensus ohne deutsche Beteiligung statt. Nach langen methodischen Diskussionen zwischen den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder zum weiteren Vorgehen entschied die Politik das Modell eines registergestützten Zensus zu erproben. Dieser sogenannte Zensustest im Jahr 2001 zeigte, dass wesentliche Teile des Zensusmodells realisierbar sein könnten, wie zum Beispiel die postalische Gebäude- und Wohnungszählung und die Zusammenführung der Daten der Bundesagentur für Arbeit mit den kommunalen Melderegistern. Hinsichtlich der Feststellung einer amtlichen Einwohnerzahl zeigten sich dagegen die Schwächen eines rein registergestützten Zensus. Die Genauigkeit der Melderegister ließ zu wünschen übrig, die Anteile der sogenannten Karteileichen und Fehlbestände zwischen den einzelnen Gemeinden wiesen deutliche Unterschiede auf. Das hieß, ein Umstieg auf die Bevölkerungszahl aus den Melderegistern hätte die Gemeinden mit den besonders fehlerhaften Registern bevorzugt und die Gemeinden mit den nahezu fehlerfreien Melderegistern benachteiligt. Was tun? Eine primärstatistische Vollerhebung sollte es nicht geben. Und eine Stichprobe, die den Registerfehler für alle Gemeinden zuverlässig feststellen konnte, wäre vom Umfang her einer Vollerhebung nahe gekommen. Zwar hätte für sehr große Gemeinden eine Stichprobe von deutlich unter 10 % ausgereicht, aber für die Vielzahl der kleinen Gemeinden Deutschlands hätte quasi eine Vollerhebung durchgeführt werden müssen, um eine hinreichende absolute Fallzahl zu erreichen. Eine Stichprobe mit derartig unterschiedlichen Auswahlsätzen zwischen den einzelnen Gemeinden wäre auch den Statistikern in Bund und Ländern komisch vorgekommen. Vor allem weil in den sehr großen Städten weniger als 5 % der Bevölkerung zu befragen gewesen wären, in den sehr kleinen Gemeinden aber alle. Politisch wäre ein solches Modell auch kaum durchsetzbar gewesen, da die Kosten einer Realisierung ähnlich hoch wie bei einer herkömmlichen Volkszählung gewesen wären.

Es wurde ein Ausweg gesucht und auch gefunden. Der Zensustest lieferte keine Ergebnisse für einzelne Gemeinden, erlaubte es aber, für verschiedene Größenklassen von Gemeinden die mittleren Anteile der Karteileichen und Fehlbestände festzustellen. Nicht unerwartet zeigte sich, dass mit zunehmender Größe der Gemeinde die Registerfehler zunahmen. Die sehr kleinen Gemeinden wiesen im Mittel kaum Karteileichen oder Fehlbestände auf. Und dass Registerführung und Meldeverhalten in einem 100-Seelen-Dorf anders sind als in einer Millionenmetropole hat kaum jemanden überrascht.

Es war also festgestellt worden, dass tendenziell der Korrekturbedarf bei den großen Gemeinden deutlich höher lag als bei den kleinen Gemeinden. Dies nahmen die Statistik und Politik als Fingerzeig für das Zensusmodell 2011. Für die größeren Gemeinden sollte eine Stichprobe die Registerfehler ermitteln und Grundlage der Korrektur sein. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Zensustest und unter Abwägung von Kosten und Nutzen wurden Gemeinden mit 10 000 und mehr Einwohnern als größere und die darunter liegenden als kleinere Gemeinden gewertet. Nur für die größeren Gemeinden wurden dann die Melderegisterergebnisse durch eine Haushaltsstichprobe korrigiert.

Berücksichtigt man, dass das Modell des Zensus 2011 sehr komplex war und noch dazu zum allerersten Mal durchgeführt wurde, konnten die aufgetretenen Verzögerungen nicht wirklich überraschen. Auch, dass einige Schwächen des Konzeptes und der Organisation erkennbar wurden, war zu erwarten. Letztlich war der Zensus 2011 auch ein Test. Daran gemessen gelang die Umsetzung sogar einigermaßen gut.

Angesicht der Komplexität erfolgten Programmierung, Datenhaltung und -bearbeitung arbeitsteilig durch das Statistische Bundesamt und einige Statistische Landesämter. Die fachlichen und organisatorischen Aufgaben wurden durch elf weitgehend parallel arbeitende Projektgruppen und eine koordinierende Projektleitung erledigt. Als Aufsichtsgremium wurde die aus den Leitern1 der statistischen Ämter des Bundes und der Länder zusammengesetzte und häufig tagende Lenkungsgruppe eingerichtet.

Eine wesentliche Erkenntnis aus der Evaluierung des Zensus 2011 war, dass ein deutlich umfassenderes Controlling des Gesamtprojektes erforderlich ist. Neben den fachlichen, organisatorisch-technischen Aspekten sollte insbesondere das Kosten-Controlling verstärkt werden.

Die Bausteine des Zensus 2011

Die Erstellung eines Adress- und Gebäuderegisters (AGR) auf Basis der Melderegister, der Anschriften der Bundesagentur für Arbeit und der Vermessungsämter gestaltete sich aufwändiger als erwartet. Dem AGR kam aufgrund seiner Funktion als Auswahlbasis für die Stichprobe und Grundlage der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) große Bedeutung zu. Nur ein vollständiges und richtiges AGR ermöglicht eine repräsentative Stichprobe und eine vollzählige Erfassung der Gebäude und Wohnungen. Die Erstellung des AGR erfolgte durch das Statistische Bundesamt unter Mitwirkung der Statistischen Ämter der Länder. Obwohl das AGR am Ende auch Anschriften ohne Wohnraum enthielt, welche in der Folge zu Ausfällen in der Stichprobenerhebung führten, scheint es die Anforderungen erfüllt zu haben. Gleichwohl sollten auch angesichts einiger Reibungs- oder Transparenzverluste zwischen den beteiligten Stellen die Schnittstellen und Zuständigkeiten überprüft werden.

Auch die primärstatistische Vollerhebung der Gebäude und Wohnungen gestaltete sich schwieriger als erwartet. Das Konzept, das vorsah, dass jeder Eigentümer hinsichtlich seiner Gebäude und Wohnungen Auskunft erteilen musste, hatte jedoch auch einige Nachteile. Selbst wenn die Angaben bereits von einem der Eigentümer vollständig vorlagen, wurden andere Eigentümer des Gebäudes noch zur Auskunft herangezogen. Da die von der Verwaltung bereitgestellten Eigentümernamen und -anschriften nicht immer aktuell waren, erhielten gelegentlich auch bereits Verstorbene noch Heranziehungsbescheide. Zu Recht verursachte das einigen Unmut, der gerne von den Print-Medien aufgegriffen wurde. Auch die Ergebnisse wurden durch die Befragung aller Eigentümer nicht unbedingt besser. Ein kleiner Fehler bei der Eintragung der Anschrift konnte so schon zu einem »weiteren« Gebäude führen. Eine Übererfassung, die oft erst in einem sehr späten Arbeitsgang erkannt wurde. Dies hatte zur Folge, dass es für die GWZ zwei Veröffentlichungstermine mit unterschiedlichen Ergebnissen gab. Auch waren die Möglichkeiten der Statistischen Ämter, den zentral gespeicherten Bestand einzusehen, erst sehr spät, und die Möglichkeiten, aufgrund neuer Erkenntnisse Korrekturen durchzuführen, nur eingeschränkt gegeben.

Für die Erhebung in den Sonderbereichen gestaltete sich vor allem die Abgrenzung zwischen Personen mit und ohne eigene Haushaltsführung sowie die Zuordnung zu einem sensiblen beziehungsweise nicht-sensiblen Bereich als schwierig, welche für die Auskunftspflicht entscheidend war. Gleichwohl verlief diese primärstatistische Vollerhebung relativ unproblematisch.

Auch die sogenannte Haushaltestichprobe, in der knapp 10 % der Bürger befragt wurden, konnte einigermaßen reibungslos durchgeführt werden. Ihr Ziel, die Registerfehler in den größeren Gemeinden festzustellen und weitere Merkmale zu erheben, die nicht in Registern enthalten waren, konnte weitgehend umgesetzt werden. Auch wenn die angestrebte Genauigkeit in vielen Fällen nicht ganz erreicht wurde. Die Durchführung der Haushaltestichprobe erfolgte dezentral durch kommunale Erhebungsstellen. Eine besondere Herausforderung stellte die zentrale Bereitstellung von Eingangsdatenbanken mit den erforderlichen Funktionalitäten für alle beteiligten Stellen im Bundesgebiet dar. Hier gab es zwar deutliche Verzögerungen, aber insgesamt ist die durch eines der Statistischen Landesämter erfolgreich erbrachte Leistung zu würdigen. Bei den kleineren Gemeinden wurde der Korrekturbedarf aufgrund der Ergebnisse des Zensustests als sehr gering angesehen. Letztlich wurden daher im Zensus 2011 in kleinen Gemeinden nur offensichtliche Unplausibilitäten überprüft und die Frage, ob ein Einwohner in mehr als einer Gemeinde mit Hauptwohnsitz oder gar nicht gemeldet war.

Die amtliche Einwohnerzahl

Für die Gemeinden mit 10 000 Einwohnern und mehr führte die Feststellung der Über- und Untererfassungen in den Melderegistern zum Teil zu erheblichen Korrekturen der amtlichen Einwohnerzahl. Sie waren im Mittel deutlich höher als die Korrekturen bei den kleineren Gemeinden.

Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Melderegister bei den kleineren Gemeinden tendenziell geringere Fehler als die größeren aufweisen, ist der Verdacht auf einen Methodeneffekt nicht von der Hand zu weisen. Die Korrekturen, die auch oder nur für die kleinen Gemeinden durchgeführt wurden, hatten einen deutlich geringeren Effekt. Die Prüfung auf Personen, die in mehr als einer oder in keiner Gemeinde mit Hauptwohnsitz gemeldet waren (Mehrfachfallprüfung) und die Befragung bei offensichtlichen Unplausibilitäten führten tendenziell zu weniger Korrekturen als die Haushaltsstichprobe.

Nicht ausgeschlossen werden kann, dass auf diese Weise die kleineren Gemeinden besser abgeschnitten haben als die größeren. Wahrscheinlich aber nicht in dem Ausmaß, wie bei der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung zuletzt oft die größeren Städte im Vorteil waren, weil ihre Einwohnerzahl aufgrund fehlender Abmeldungen überhöht war. Da die im Zensusgesetz geregelten Verfahren dem damals bei der Erstellung gegebenen Stand der Methodenforschung und empirischen Kenntnissen entsprach, ist, nach gegenwärtigem Stand, die Rechtsgrundlage nicht zu beanstanden. Entsprechend äußerte sich auch das Verwaltungsgericht Bremen.2 Jedoch ist auf Basis der Erkenntnisse aus dem Zensus 2011 für 2021 entsprechend nachzubessern. Welche Konsequenzen das für die konkrete Ausgestaltung des Zensuskonzeptes 2021 hat, bleibt abzuwarten. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder analysieren derzeit die möglichen Auswirkungen des Verfahrens und die Möglichkeiten seiner Optimierung.

In der Phase der Durchführung wurde erkennbar, dass den kommunalen Entscheidungsträgern die Bedeutung der Arbeiten in der Erhebungsstelle nicht immer hinreichend bewusst war. So mussten Statistische Landesämter in einigen Fällen die Entscheidungsträger auffordern, die erforderliche personelle Ausstattung der Erhebungsstellen sicher zu stellen.

Dies änderte sich grundlegend mit der Bekanntgabe der amtlichen Einwohnerzahlen durch die Statistischen Landesämter. Zahlreiche Widersprüche gegen das Ergebnis und die Methode waren die Folge. Einwohnerverluste gegenüber der amtlichen Fortschreibung aufgrund einer nicht so einfach nachvollziehbaren Methode der Ermittlung waren die Ursache.

Die bisherigen Klagen vor den Verwaltungs­gerichten haben, bis auf vereinzelte Anordnungen, die im Zensusgesetz vorgegebenen Löschungen von Merkmalen zu unterlassen, noch keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Ergebnisse des Zensus für einzelne Gemeinden oder ins­gesamt in Frage gestellt werden könnten.

Im Hinblick auf das von Berlin und in Kürze wahrscheinlich auch von Hamburg angestrebte Normenkontrollverfahren wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten sein. Im Wesentlichen werden in der Begründung die bereits bekannten Argumente vorgetragen:

Das Stichprobenverfahren verletzt das interföderale und interkommunale Gleichbehandlungsgebot.

Die Vernichtung der Hilfsmerkmale verletzt die grundgesetzliche Rechtsweggarantie.

Das Stichprobenverfahren war nicht aus­reichend im Gesetz geregelt.

Es ist derzeit noch offen, inwieweit sich das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen mit dem Zensusgesetz 2011 befassen wird. Sollte es allerdings dazu kommen, wären auch größere Veränderungen gegenüber der jetzigen Rahmenplanung zum Zensus 2021 nicht auszuschließen.

Insgesamt steht die Vielzahl der Widersprüche gegen die mit Bescheid festgestellte Einwohnerzahl und die dadurch ausgelöste Diskussion um den Zensus 2011 im Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung. Die Tatsache, dass die weiteren Ergebnisse des Zensus wichtige Eck- und Planungsdaten verfügbar gemacht haben, hat dadurch leider zu wenig Beachtung erfahren.

Regionalstatistische Ergebnisse

Volkszählungen haben in der Vergangenheit neue, aktuelle Regionalergebnisse und die seltene Möglichkeit kleinräumlicher Auswertungen geliefert.

Das kann dieser registergestützte Zensus 2011 nur zum Teil leisten, und zwar für die Gebäude- und Wohnungszählung, die Daten aus den Melderegistern und damit natürlich auch für die Ergebnisse aus der Haushaltegenerierung. Diese Ergebnisse sind die einzigen, die im Sinne einer herkömmlichen Volkszählung wirklich kleinräumlich ausgewertet werden konnten.

Weiterhin wurden zwar die Dateien der Bundesagentur für Arbeit und der personalführenden öffentlichen Stellen erhoben und mit den Melderegistern zusammengeführt, diese wurden aber nicht kleinräumlich mit weiteren Zensusergebnissen ausgewertet. Da die bildungs- und erwerbsstatistischen Merkmale unter anderem keine hinreichende Qualität und Aktualität aufwiesen, wurden sie nur in Verbindung mit der Haushaltestichprobe ausgewertet.

Positiv hervorzuheben ist die Haushaltegenerierung, die aus den Daten der Melderegister und der Gebäude- und Wohnungszählung die Wohnhaushalte generiert. Und das relativ genau. Im Rahmen der Haushaltegenerierung erfolgt auch die Korrektur der Daten aus den Melderegistern anhand der bei der Stichprobe festgestellten Über- und Untererfassungen. Ebenso erfolgt hier die abschließende Plausibilisierung der Gebäude- und Wohnungszählung. Allerdings erfordert aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der Verfahrensschritte die Vermittlung der Details der Haushaltegenerierung einen sehr großen Aufwand. Sie sind daher nur wenigen Fachleuten bekannt.

Die Personen ohne eigene Haushaltsführung in sensiblen Einrichtungen wurden nur mit wenigen Merkmalen erhoben. Außer ihrer Berücksichtigung im Rahmen der amtlichen Einwohnerzahlen sind keine Veröffentlichungen der hier erhobenen Daten vorgesehen.

Alle übrigen Ergebnisse wurden durch die Haushaltsstichprobe erhoben und können somit nur für Gemeinden ab 10 000 Einwohnern und die Kreise ausgewertet werden. Unterhalb der Gemeindeebene können nur Ergebnisse für Bezirke oder Stadtteile mit rund 200 000 Einwohnern ermittelt werden.

Auch hier sind, bedingt durch den Stichprobenumfang, der fachlichen Gliederungstiefe enge Grenzen gesetzt. Schnell werden, aufgrund der geringen zugrunde liegenden Fallzahlen, selbst Ergebnisse, die nur nach Alter und Geschlecht differenzieren, unplausibel oder mit einem so hohen Fehler belastet, dass auf eine Veröffentlichung verzichtet wird.

Einige Merkmale wurden anders als bei früheren Volkszählungen nicht erhoben. Wie die Frage nach der Quelle des überwiegenden Lebensunterhalts oder der Miethöhe. Erst diese Angaben ermöglichen eine Bewertung des örtlichen Wohnungsmarktes.

Die klassischen kleinräumlichen Ergebnisse für Stadtteile, Quartiere und Baublöcke liegen also nur für die Gebäude- und Wohnungszählung, die Melderegisterangaben und die Ergebnisse der Haushaltegenerierung vor. Dies gilt auch für Gitterzellen, zum Beispiel Raster von 1 000 mal 1 000 Metern. Dennoch sind auch hier für viele Nutzer Einschränkungen zu machen. Ob die Entwicklung von »Small-Area-Schätzverfahren« hier zu Verbesserungen führen oder sogar Lücken schließen kann, ist derzeit noch offen.

Das gewählte Geheimhaltungsverfahren SAFE ist seinem Namen entsprechend zwar sicher, reduziert aber die verfügbaren Ergebnisse weiter. Der Grundgedanke einer Geheimhaltung, die bereits auf Basis der Mikrodatensätze, also vor der Tabellierung, erfolgt, ist bestechend. Der ansonsten sehr große Aufwand für die primäre, sekundäre und tabellenübergreifende Geheimhaltung, die auch alle Sonderauswertungen auf Nachfrage einschließt, kann damit auf ein Minimum beschränkt werden. Allerdings zeigte sich, dass bereits für einfache Verhältniszahlen, wie beispielsweise die Anteile großer Bevölkerungsgruppen an der Grundgesamtheit, die Geheimhaltungsmethodik viele weiße Flecken produzierte. Um die mit großem Aufwand erhobenen und aufbereiteten Zensusdaten umfassend nutzen zu können, ist hier deutlich nachzubessern.

Positiv ist festzuhalten, dass mit den Ergebnissen des Zensus 2011 erstmals seit 1987 wieder eine neue Basis für die amtliche Fortschreibung der Bevölkerung sowie der Gebäude und Wohnungen vorliegt.

Fazit

Volkszählungen oder Zensus waren lange Zeit in Deutschland die einzige Erhebung, die in größeren zeitlichen Abständen kleinräumliche Planungsdaten für nahezu alle relevanten Bereiche lieferte. Bis 1987 sogar hinsichtlich der Pendlerströme zwischen den Gemeindeteilen, aufgeschlüsselt nach genutzten Verkehrsmitteln und erforderlichem Zeitaufwand.

Das früher übliche Verfahren, zunächst den Datenbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden festzustellen und dann eine geeignete Erhebungsmethode zu gestalten, ist in der Realität inzwischen weitgehend abgelöst worden. Zumindest für den Zensus 2011 konnte der Eindruck entstehen. Hier wurde mehr oder weniger von einem Datenbedarf ausgegangen, den die EU-Verordnung festgelegt hatte. Anschließend wurde dann eine möglichst kostengünstige Methode gewählt, die diesen Bedarf erfüllen kann. Dem nationalen, regionalen oder kommunalen Datenbedarf kommt offenbar nicht mehr die Bedeutung zu, die er in der Vergangenheit hatte. Für den Zensus 2021 soll an der Methode 2011 festgehalten werden, auch wenn die Frage des Datenbedarfs noch nicht abschließend geklärt ist.

Der Zensus 2011 wurde registergestützt durchgeführt. Dies soll auch für den Zensus 2021 gelten. Bedenklich erscheint, dass diese (Vor-?) Entscheidung auf ministerialer Ebene erfolgt ist, bevor die endgültigen Ergebnisse der Evaluierung vorliegen und bevor sich die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie die Kommunalstatistik oder die Wissenschaft intensiv mit dieser Frage beschäftigen konnten.

Betrachtet man, aus welchen Registern für 2011 Zensusergebnisse ermittelt worden sind, scheint im Nachhinein die Bezeichnung »registergestützt« ein wenig hochgegriffen. Es wurden nur die Melderegister mit wenigen demografischen Merkmalen sowie die Daten der Bundesagentur für Arbeit einbezogen, wobei die Daten der Bundesagentur nur in Kombination mit der Haushaltsstichprobe und damit nicht kleinräumlich ausgewertet wurden. Für den Zensus 2021 soll sogar vollkommen auf die Erhebung der erwerbsstatistischen Verwaltungsdaten verzichtet werden. Der registergestützte Zensus könnte daher auch präziser als »melderegistergestützter Zensus« beschrieben werden. Wenn der Zensus 2011 und voraussichtlich der Zensus 2021 über die reinen primärstatistischen Erhebungen hinaus überhaupt noch zusätzliche Ergebnisse liefern kann, wäre dies im Wesentlichen der Haushaltegenerierung zu verdanken.

Es stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Beabsichtigt ist, dass zum Zensus 2031 erstmals die amtliche Einwohnerzahl aus den Melderegistern übernommen wird.

Wie werden dann die übrigen statistischen Daten gewonnen? Wird es trotzdem eine große Stichprobe zur Erhebung der statistischen Merkmale geben? Oder werden die vorhandenen Verwaltungsdaten den statistischen Erfordernissen entsprechend verbessert, aktualisiert und ergänzt? Hier könnte es ein zeitliches Problem geben. Es sind derzeit keine Projekte bekannt, die das Ziel haben, die erforderlichen weiteren Verwaltungsdaten in diesem Sinne zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Inwieweit unsere niederländischen Nachbarn hier ein Vorbild sein können, wäre zu prüfen. Im Hinblick auf den Zensus 2021 können derartige Analysen und Entwicklungsarbeiten wahrscheinlich nicht rechtzeitig abgeschlossen werden. Um sicherzustellen, dass diese Situation für den Zensus 2031 nicht erneut auftritt, sollten diese Arbeiten nicht erst nach dem Zensus 2021 in Angriff genommen werden. In den Niederlanden und in Dänemark hat die Schaffung der Voraussetzungen für einen »echten« registergestützten Zensus deutlich mehr als ein Jahrzehnt gedauert.

Auch der derzeitige Zustrom von Flüchtlingen und die sehr große Herausforderung an die Integration der dauerhaft in Deutschland verbleibenden Menschen werfen für die Statistik und eventuell auch für den Zensus Fragen auf. Wird es für das Jahr 2021 notwendig sein, das Merkmalsprogramm zu erweitern oder sind sogar methodische Veränderungen erforderlich?

Die häufige Reduktion der öffentlichen Wahrnehmung der Zensusergebnisse 2011 auf die festgestellte Einwohnerzahl ist bedauerlich. Im Hinblick auf die künftigen Zensus ist es noch mehr als in der Vergangenheit erforderlich, deutlich zu machen, dass ein Zensus auch andere wichtige Bestands-, Struktur- und Planungsdaten liefern soll.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Publikation in der Regel die männliche Schreibweise verwendet; grundsätzlich beziehen sich alle Angaben jedoch auf beide Geschlechter.

2 VG Bremen, Urteil vom 6. November 2014 – 4 K 841/13 –, Rn. 48, juris.