:: 3/2016

Zufriedenheit und Wohlbefinden der Bevölkerung in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Ergebnisse des EU-SILC-Zusatzmoduls 2013

Ergänzend zu den Wirtschafts- und Sozialstatistiken mit objektiven Daten, beispielsweise zum Einkommen oder zu Sozialleistungen, werden von der amtlichen Statistik heutzutage auch subjektive Einschätzungen der Menschen erhoben, um ein umfassendes Bild der sozialen Lage zeichnen zu können. In der Erhebung EU-SILC wurde 2013 erstmals nach der Zufriedenheit und dem subjektiven Wohlbefinden der Menschen gefragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zufriedenheit beispielsweise mit dem Alter und dem Vorhandensein eines sozialen Umfeldes der Menschen zusammenhängt. Bei der allgemeinen Lebenszufriedenheit liegt Baden-Württemberg gleichauf mit Deutschland und knapp über dem EU-Durchschnitt. In Europa zeigt sich im Grundsatz ein Nord-Süd-Gefälle.

Fragen nach der Zufriedenheit mit dem Leben und dem subjektiven Wohlbefinden waren im Jahr 2013 Thema des jährlich wechselnden Zusatzmoduls der Erhebung EU-SILC (siehe i-Punkt). Hintergrund sind die Erkenntnisse der letzten Jahre1, dass neben objektiven Wirtschafts- und Sozialindikatoren wie dem Bruttoinlandsprodukt zunehmend auch subjektive Einschätzungen der Menschen benötigt werden, um ein umfassendes Bild von den Lebensverhältnissen und dem sozialen Fortschritt zu zeichnen.

Mit den Ergebnissen des EU-SILC-Zusatzmoduls 2013 wird im folgenden Beitrag Baden-Württemberg mit Deutschland und den europäischen Staaten zum Thema Lebenszufriedenheit der Bevölkerung verglichen.2

Lebenszufriedenheit mit Nord-Süd-Gefälle in Europa

Die zentrale Frage des Moduls zur Lebenszufriedenheit lautete »Wie zufrieden sind Sie derzeit mit Ihrem Leben insgesamt?« und gibt wieder, wie eine Auskunftsperson ihre persönliche Lebenslage insgesamt einschätzt. Diese Zufriedenheit spielt eine wichtige Rolle, da sie als ein Schlüsselindikator für das subjektive Wohlbefinden angesehen werden kann. Auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10(vollkommen zufrieden) lag 2013 die durchschnittliche Zufriedenheit der Menschen3 in Baden-Württemberg bei 7,3. Dieser Wert wurde ebenso für ganz Deutschland gemessen und lag damit leicht über dem Durchschnitt von 7,1 für die Bevölkerung in der gesamten EU (Schaubild 1).

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass die Bevölkerung in eher wohlhabenden Staaten eine positivere Bewertung bei der Lebenszufriedenheit abgibt. An der Spitze standen im Jahr 2013 die nördlichen EU-Staaten wie Schweden, Finnland und Dänemark (jeweils Durchschnittswert 8,0). Das gilt auch für die Nicht-EU-Staaten Schweiz (ebenso 8,0) sowie Island und Norwegen (jeweils 7,9). Es folgten die Niederlande und Österreich. Mit einem Wert von 7,3 waren neben Deutschland und Baden-Württemberg auch die Menschen in Großbritannien und Polen im EU-Vergleich leicht überdurchschnittlich zufrieden. Deutlich geringere Durchschnittswerte bei der Lebenszufriedenheit wurden in Bulgarien, Ungarn, Portugal, Griechenland und Zypern ermittelt. Insgesamt zeigt sich im europäischen Vergleich, dass – durchaus erwartungsgemäß – die Bevölkerung in den wirtschaftsschwächeren und den süd- und osteuropäischen Ländern meist unzufriedener mit ihrer Lebenssituation ist.

Einzelne Aspekte der Lebenszufriedenheit

Neben der Einschätzung zur allgemeinen Lebenszufriedenheit wurden auch einzelne Aspekte der Zufriedenheit abgefragt, um das komplette Lebensumfeld der Menschen abzubilden – von der Zufriedenheit mit der finanziellen Situation eines Haushaltes bis hin zu persönlichen Beziehungen. Die Tabelle zeigt die Ergebnisse der einzelnen Fragen für Baden-Württemberg im Vergleich zu Deutschland und dem Durchschnitt in der Europäischen Union.

Auffällig ist dabei, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit sowohl in Baden-Württemberg wie auch in Deutschland etwas geringer war (6,9 von 10) als im europäischen Schnitt (7,1). Auch bei der verfügbaren Zeit für Dinge, die man gerne macht, waren die Menschen im Land und im Bund unzufriedener als der EU-Durchschnitt. Beides kann als ein Effekt einer höheren Belastung durch die Erwerbstätigkeit interpretiert werden. Demgegenüber zeigte sich hierzulande eine vergleichsweise höhere Zufriedenheit mit der finanziellen Situation des Haushalts, mit der jeweiligen Wohngegend und ihren Freizeit- und Grünflächen.

Ergebnisse für unterschiedliche Personengruppen

Bei der Lebenszufriedenheit zeigen sich zwischen Frauen und Männern nur geringe Unterschiede. In Baden-Württemberg bewerteten die Frauen mit einem Durchschnittswert von 7,4 ihre Zufriedenheit knapp positiver als die Männer (7,2). Im Blick auf die gesamte Europäische Union werden die geschlechtsspezifischen Unterschiede noch geringer, hier lagen Männer (7,1) und Frauen (7,0) fast gleichauf.

Etwas größere Differenzen ergeben sich bei einer Analyse nach Altersgruppen. Bei jüngeren Menschen ist ein höheres Maß an Lebenszufriedenheit zu beobachten (Schaubild 2). So gaben die 16- bis 24-Jährigen sowohl in Baden-Württemberg wie auch in Deutschland und der gesamten EU mit einem Mittelwert von 7,6 eine überdurchschnittliche Zufriedenheit an. Diese sinkt mit dem Älterwerden kontinuierlich leicht ab. Erst mit der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen – also den Menschen kurz nach Eintritt in den Ruhestand – steigen hierzulande die Zufriedenheitswerte wieder an. Bemerkenswert ist, dass in Deutschland bei der Altersgruppe der Menschen ab 75 Jahren nochmals ein Anstieg der allgemeinen Lebenszufriedenheit erfolgt. In Baden-Württemberg lag der Durchschnittswert der Menschen ab 75 Jahren mit 7,7 sogar knapp über dem Wert der jungen Generation. Diese ausgeprägte Zufriedenheit im höheren Alter ist europaweit nur noch in der Schweiz und in Dänemark zu beobachten, während im EU-Durchschnitt bei den ab 75-Jährigen eine etwas geringere Lebenszufriedenheit (6,8) festzustellen ist.

Neben dem Alter bestimmen zahlreiche weitere Faktoren die allgemeine Zufriedenheit der Menschen wie beispielsweise die gesundheitliche Situation der einzelnen Personen oder die finanzielle Lage des Haushalts. Einen wichtigen Einfluss hat auch die Einbettung in ein gutes soziales Umfeld. Menschen, die die Möglichkeit haben, Verwandte, Freunde oder Nachbarn um Hilfe zu bitten, sind in ihrem Leben deutlich zufriedener als Personen, die auf sich alleine gestellt sind. So ordnete sich in Baden-Württemberg knapp ein Viertel der Menschen mit einem guten sozialen Umfeld auf der Skala der allgemeinen Zufriedenheit zwischen 9 und 10, also sehr zufrieden, ein. Menschen ohne diese sozialen Beziehungen schätzten ihre Zufriedenheit hingegen deutlich negativer ein. Lediglich knapp 5 % dieser Personen kreuzten auf der Punkteskala 9 oder 10 an, dafür über die Hälfte von 0 bis 5. Der Mittelwert für die Lebenszufriedenheit lag bei dieser Gruppe nur bei 5,9.

Vertrauen in Politik, Polizei und Justiz

Neben der Lebenszufriedenheit wurde auch nach dem Vertrauen in die staatlichen Institutionen gefragt, und zwar im Einzelnen nach dem politischen System, dem Rechtssystem und der Polizei. Von diesen drei Institutionen bekam die Polizei von den Menschen in Baden-Württemberg mit einem Mittelwert von 6,6 auf der Skala von 0 bis 10 höhere Vertrauensbewertungen als die Justiz (5,6) und die Politik (5,1). Während zwischen Frauen und Männern hierbei nur geringe Unterschiede bestehen – Männer bewerteten Politik und Justiz etwas positiver als Frauen –, zeigten sich etwas größere Differenzen in Abhängigkeit vom Alter (Schaubild 3). Die Jüngeren (16 bis 34 Jahre) äußerten etwas mehr Vertrauen in die Politik und das Rechtssystem als die mittleren Generationen (35 bis 64-Jährige). Im Rentenalter steigt das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wieder deutlich an und erreicht bei den ab 75-Jährigen die höchsten Werte.

In einem europäischen Vergleich ergibt sich eine große Bandbreite an Bewertungen der staatlichen Institutionen (Schaubild 4). Ähnlich wie bei der Lebenszufriedenheit zeigen die Menschen vor allem in den nordeuropäischen Ländern, aber auch den Benelux-Staaten, der Schweiz und Deutschland ein größeres Vertrauen in Politik, Justiz und Polizei als der europäische Durchschnitt. In vielen südeuropäischen Staaten wird hingegen ein geringeres Vertrauen in den Staat geäußert. Dabei gilt fast durchgängig, dass die Bewertung für die Polizei (EU-Durchschnitt: 6,0) positiver ausfiel als diejenige für das Rechtssystem (4,6) und das politische System (3,5).

1 Im Jahr 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung mit dem Titel »Das BIP und mehr – Die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel«. Das Ziel ist, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit Indikatoren zu ergänzen, um den gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt besser abzubilden. Ebenso 2009 veröffentlichte die »Stiglitz/Sen/Fitoussi-Kommission« einen Bericht, der zwölf Empfehlungen zur genaueren Messung der Wirtschaftsleistung, des gesellschaftlichen Wohlbefindens und der Nachhaltigkeit ausspricht.

2 Veröffentlichungen zum Thema: Eurostat (Hrsg.): Quality of life. Facts and views. Luxemburg 2015, außerdem Eurostat-Pressemeldung Nr. 51/2015 sowie zahlreiche Tabellen in der Datenbank im Internetangebot von Eurostat. http://ec.europa.eu/eurostat/home (Abruf: 1. 2. 2016).

3 Bei EU-SILC werden nur Personen ab 16 Jahren befragt.