:: 7/2016

Ist Heiraten wieder »in«?

Zur Entwicklung der Eheschließungen in Baden-Württemberg

»Heiraten wird zum Auslaufmodell« – solche oder ähnliche Schlagzeilen beherrschten jahrelang die Diskussion, wenn es um das Heiratsverhalten ging. Tatsächlich wurde in Baden-Württemberg – wie auch in Deutschland insgesamt – immer seltener geheiratet. In jüngster Zeit scheint sich aber eine Trendwende abzuzeichnen. Heiraten sei so beliebt wie nie, wird sogar behauptet.1

Im folgenden Beitrag wird deshalb insbesondere der Frage nachgegangen, ob Heiraten für Paare in Baden-Württemberg tatsächlich wieder attraktiver geworden ist. Darüber hinaus soll unter anderem auch thematisiert werden, ob Eheschließungen zwischen Deutschen und Ausländern heute häufiger als früher stattfinden, ob sich der Altersunterschied zwischen den Eheschließenden verändert hat und weshalb in den letzten Jahren der Dezember zunehmend als Monat für eine Hochzeit gewählt wird.

Die Eheschließungszahlen in Baden-Württemberg wiesen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Schwankungen auf. 1962 erreichte die Zahl der Hochzeiten mit annähernd 73 000 ihren höchsten Stand seit Bestehen des Landes. In den Folgejahren sank deren Zahl auf den bisher niedrigsten Wert im Jahr 1978 (47 000), um danach bis 1990 wieder deutlich auf rund 61 000 anzusteigen. Zwischen 1990 und 2010 war die Zahl der Eheschließungen erneut rückläufig. Zuletzt gab es wiederum tendenziell leicht steigende Zahlen. Dieser Trend könnte sich aller Voraussicht nach aufgrund der zahlenmäßigen Entwicklung der Bevölkerung im »heiratsintensiven« Alter in den nächsten Jahren fortsetzen.

Trend sinkender Heiratshäufigkeit gestoppt

Aus der Entwicklung der Eheschließungszahlen lassen sich allerdings nur sehr bedingt Rückschlüsse auf das Heiratsverhalten ziehen. Denn diese sind nicht nur von der eigentlichen »Heiratsneigung« abhängig, sondern – wie bereits angesprochen – auch von der Entwicklung der Erwachsenenzahl und deren altersstrukturellen Zusammensetzung. Das heißt, der leichte Anstieg der Heiratszahlen in den vergangenen Jahren könnte möglicherweise auch »nur« auf eine positive Veränderung der Personenzahl im heiratsfähigen Alter zurückzuführen sein.

Um diesen Einfluss der Bevölkerungszahl und -struktur zu eliminieren, werden üblicherweise Heiratshäufigkeiten in den einzelnen Altersgruppen durch den Bezug auf jeweils 1 000 Männer bzw. Frauen im entsprechenden Alter berechnet. Da im Folgenden der Fokus auf die Heirat von Ledigen gerichtet wird, werden deren Eheschließungen auf 1 000 ledige Frauen bzw. 1 000 ledige Männer bezogen (siehe i-Punkt).

Schaubild 2 zeigt die so berechneten Erstheiratsziffern der Männer und Frauen in Baden-Württemberg für die Berichtsjahre 1970, 1990, 2010 und 20142. Deutlich wird, dass die Heiratshäufigkeit der Frauen zwischen 1970 und 1990 bis zu einem Alter von etwa 32 Jahren und bei den bis zu 33-jährigen Männern enorm zurückgegangen ist. Zwischen 1990 und 2010 ist die »Heiratsneigung« bei den unter 30-Jährigen nochmals abgesunken, während bei den übrigen Altersgruppen kaum Veränderungen erkennbar sind.

Dieser Trend hin zu einer stetig geringeren Heiratshäufigkeit hat sich in den vergangenen Jahren umgekehrt – dies legt zumindest Schaubild 2 nahe. Demnach lag die Heiratshäufigkeit im Jahr 2014 in der Altersgruppe der 30-Jährigen und Älteren wieder höher als noch im Jahr 2010. Tatsächlich ist dieses Ergebnis aber nicht auf eine Verhaltensänderung, sondern praktisch vollständig auf die Umstellung der Fortschreibungsergebnisse von der Volkszählung 1987 auf den Zensus 2011 zurückzuführen. Dadurch wurde nämlich die Zahl der Ledigen, die die Basis zur Berechnung der Erstheiratsziffern bilden, zum Teil erheblich nach unten korrigiert. Aufgrund dessen ergeben sich rein rechnerisch höhere Heiratsziffern. Wird dieser Effekt herausgerechnet, kann ein Anstieg der Heiratshäufigkeit nicht mehr festgestellt werden. Anhand von Schaubild 3 wird aber auch deutlich, dass sich der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende Trend hin zu einer stetig geringeren Heiratsneigung seit 2010 zumindest nicht mehr fortgesetzt hat.

Aus den Schaubildern 2 und 3 waren das Niveau der Heiratshäufigkeit und dessen Veränderung im Zeitablauf nach Altersjahren und Geschlecht ersichtlich. Dagegen kann aus den dargestellten Heiratshäufigkeiten nicht abgeleitet werden, welcher Anteil der Frauen bzw. der Männer bis zu einem bestimmten Alter (mindestens einmal) geheiratet hat. Hierzu sind Ergebnisse zu sogenannten kumulierten Heiratsziffern erforderlich (siehe i-Punkt). Schaubild 4 zeigt diesbezüglich, dass im Jahr 1970 noch mehr als 80 % der 50-jährigen Männer und sogar über 90 % der 50-jährigen Frauen nicht mehr ledig waren. Dagegen galt dies in den Jahren 1990, 2010 und 2014 nur noch jeweils bei rund 55 % der Männer und bei etwa 55 bis 60 % der Frauen.

Paare heiraten immer später

Das durchschnittliche Heiratsalter ist seit Mitte der 1970er-Jahre deutlich angestiegen. Noch vor 4 Jahrzehnten heirateten ledige Männer in Baden-Württemberg im Durchschnitt mit ca. 26 Jahren, 2014 dagegen erst mit 32,7 Jahren. Bei den ledigen Frauen hat sich das durchschnittliche Heiratsalter seit den 1970er-Jahren ebenfalls um knapp 7 Jahre erhöht und zwar auf zuletzt 30,2 Jahre.

Ursache für den Anstieg des Erstheiratsalters ist unter anderem, dass sich die Ausbildungszeiten und das Alter bis zur beruflichen Etablierung erhöht haben. Hinzu kommt, dass Paare zunehmend vor der Eheschließung längere Zeit unverheiratet zusammenleben und oftmals erst nach der Geburt eines Kindes heiraten.3

Noch stärker ist das durchschnittliche Heiratsalter der Geschiedenen seit Mitte der 1970er-Jahre angestiegen, nämlich um jeweils etwas mehr als 10 Jahre auf zuletzt 48,7 Jahre bei den Männern und auf 45,2 Jahre bei den Frauen.

Altersunterschied der Ehepartner seit Jahrzehnten unverändert

Noch 1970 konzentrierten sich die Eheschließungen auf Alterskombinationen, bei denen die Männer bei der Heirat 21 bis 23 Jahre und die Frauen sogar erst 18 bis 21 Jahre alt waren. Heute heiraten in Baden-Württemberg am häufigsten Paare, bei denen die Frauen zwischen 26 und 30 Jahre und die Männer zwischen 27 bis 31 Jahre alt sind.

Allerdings ist die Verteilung der Alterskombinationen im Vergleich zu früheren Jahren gleichmäßiger geworden – einfach deshalb, weil häufig auch in einem höheren Alter geheiratet wird. Während es noch 1970 immerhin 22 Alterskombinationen bei den Hochzeitspaaren gab, deren Anteil an allen Eheschließungen jeweils mindestens 1 % betrug, waren es 1990 noch 16 Alterskombinationen, 2014 aber keine einzige.

Dass die Verteilung der Alterskombinationen gleichmäßiger geworden ist, sagt noch nichts darüber aus, ob der durchschnittliche Altersunterschied der Ehepartner in den letzten Jahrzehnten größer oder kleiner geworden ist. Tatsächlich hat sich dieser Unterschied in den vergangenen Jahrzehnten – entgegen der landläufigen Meinung – praktisch nicht verändert: Der Ehemann war im Schnitt sowohl 1970 und 1990 als auch 2014 jeweils gut 4 Jahre älter als die Ehefrau.4

Wenn auch bei den meisten Hochzeiten der Altersunterschied zwischen den Brautpaaren nur wenige Jahre beträgt, so gab und gibt es doch Vermählungen, bei denen das Paar praktisch unterschiedlichen Generationen angehört. Immerhin 84 Männer heirateten im Jahr 2014 eine mindestens 25 Jahre jüngere Frau. Dagegen war nur bei zwölf Hochzeiten die Braut mindestens 1 Vierteljahrhundert älter als der Bräutigam.

Witwer heiraten sechsmal so häufig wie Witwen

Die mit Abstand meisten Männer und Frauen, die sich das »Ja-Wort« geben, gehen als Ledige zum Standesamt. 2014 waren dies sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern 79 %. Jeweils 20 % der Männer und Frauen waren vor der erneuten Eheschließung geschieden.

In 71 % der Hochzeiten waren beide Eheschließenden ledig, bei jeweils 8 % war einer der Partner ledig, der andere geschieden. In 11 % der im Jahr 2014 geschlossenen Ehen waren beide Partner geschieden.

Nur in jeweils rund 1 % aller Hochzeiten gingen Witwen bzw. Witwer eine neue Ehe ein. Dabei ist allerdings auffällig, dass die Bereitschaft, nach dem Tod des Ehepartners erneut zu heiraten, bei den Männern deutlich stärker ausgeprägt ist: Witwer heiraten – gemessen an der jeweiligen Zahl der Verwitweten – sechsmal so oft wie Witwen.

Immer mehr Ehen zwischen Deutschen und Ausländern

Bei knapp 81 % der im Jahr 2014 geschlossenen Eheschließungen besaßen sowohl die Frau als auch der Mann die deutsche Staatsangehörigkeit. Noch 1970 hatten bei fast neun von zehn Ehen beide Partner die deutsche Nationalität. Spiegelbildlich ist in den letzten Jahrzehnten der Anteil gemischtnationaler Ehen angestiegen – von lediglich etwas mehr als 7 % im Jahr 1970 auf zuletzt immerhin gut 15 %. Während bis zu Beginn der 1990er-Jahre die Fälle in der Mehrzahl waren, in denen die Braut Deutsche und der Bräutigam Ausländer war, sind heute Heiraten von deutschen Männern und ausländischen Frauen unter den binationalen Eheschließungen in der Überzahl.

Bei deutsch-ausländischen Eheschließungen waren 2014 solche zwischen deutschen Frauen und türkischen Männern (791) sowie zwischen deutschen Frauen und italienischen Männern (591) am häufigsten. Relativ häufig waren auch Eheschließungen zwischen türkischen Frauen und deutschen Männern (493) sowie zwischen italienischen Frauen und deutschen Männern (328).

Deutlich seltener haben Deutsche in Baden-Württemberg Staatsangehörige aus den Nachbarstaaten geheiratet. Deutsche Frauen schlossen im Jahr 2014 mit 117 Franzosen bzw. mit 113 Schweizern den Bund für das Leben, deutsche Männer wählten 98-mal eine Schweizerin und 94-mal eine Französin zur Lebenspartnerin.

Lediglich bei 4 % der Eheschließungen waren beide Partner Ausländer,5 wobei Hochzeiten von Italienerinnen und Italienern (443) am häufigsten stattfanden, gefolgt von Eheschließungen zwischen türkischen Staatsangehörigen (411).

Im Trend: Heiraten im Sommer, aber auch im Dezember

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Präferenzen der Paare hinsichtlich ihres Heiratsmonats verändert. Noch in den 1990er-Jahren sowie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts war der Mai in den meisten Jahren der beliebteste Monat. Diese Spitzenposition konnte der »Wonnemonat« nach dem Jahr 2005 nie mehr einnehmen. In den vergangenen 4 Jahren war entweder der Juli oder der August am begehrtesten – wahrscheinlich deshalb, weil diese Jahreszeit beste Aussichten auf warmes und beständiges Wetter bietet und sich die Hochzeit deshalb im Freien feiern lässt. Im Jahr 2014 war der August mit rund 6 400 Eheschließungen der beliebteste Hochzeitsmonat. Am zweithäufigsten wurde im Juni geheiratet, gefolgt vom Mai.

Früher der Mai, heute dagegen der Hochsommer als begehrteste »Hoch-Zeit«. Dazwischen, also in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, wurde die saisonale Verteilung der Hochzeiten auch davon bestimmt, in welchem Monat es einen sogenannten »Schnapszahl-Tag« gab. So hat das Heiraten an einem solchen besonderen Tag in den Jahren 2005 bis 2009 dazu beigetragen, dass im jeweiligen Monat am häufigsten geheiratet wurde (2005: Mai; 2006: Juni; 2007: Juli; 2008: August; 2009: September). Und auch der 12.12.12. hat wohl dazu geführt, dass im Jahr 2012 der Dezember zum Heiraten am häufigsten ausgewählt wurde.

Der Monat Dezember ist aber auch unabhängig von einem solchen besonderen Datum in den vergangenen Jahrzehnten zum Heiraten immer attraktiver geworden. Während noch bis Anfang der 1990er-Jahre die Zahl der Hochzeiten im letzten Monat des Jahres unter dem Durchschnitt der 12 Kalendermonate eines Jahres lag, wurden nicht nur im Jahr 2012, sondern auch im Dezember 2004 die häufigsten, im Dezember der Jahre 2003, 2005, 2006 und 2008 jeweils die zweitmeisten Ehen geschlossen. 2014 rangierte der letzte Monat des Jahres immerhin noch auf dem 5. Rang. Für diesen Trend dürften nicht zuletzt steuerliche Gründe eine Rolle spielen.6

Fazit

Lange Jahre galt, dass das Heiraten an Attraktivität verloren und andere Formen des Zusammenlebens an Bedeutung gewonnen haben. Als ursächlich für diesen Trend wurde unter anderem die gestiegene Bildungs- und Erwerbsbeteiligung der Frauen angesehen, die deren Unabhängigkeit erhöht hat.7 Ganz entscheidend für die jahrzehntelang gesunkene Heiratsneigung ist aber auch der Bedeutungsrückgang sozialer Normierungen und Kontrollen des Familienlebens. Die früher enge Verknüpfung von Ehe, Familie, Elternschaft und Sexualität hat sich im Zuge dieser Entwicklung teilweise aufgelöst. Wurde noch in den 1960er-Jahren zum Beispiel das unverheiratete Zusammenwohnen erheblich diskriminiert, ist dies heute Normalität und ganz überwiegend frei von sozialen Bewertungen.8 Schließlich wurde mit der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder auch die Elternschaft außerhalb der Ehe erleichtert.9

Vor diesem Hintergrund ist es einerseits beachtlich, dass sich der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende Trend hin zu einer stetig geringeren Heiratsneigung nicht fortgesetzt hat. Andererseits kann aber auch die im Titel gestellte Frage, ob Heiraten wieder »in« sei, sicherlich nicht mit einem klaren »Ja« beantwortet werden.

1 Kurz, Lea-Patricia: Heiraten ist immer noch in, in: Zeit Online, www.zeit.de/angebote/partnersuche/magazin/magazin_heiraten_ist_in (Abruf: 09.03.2016).

2 Die Ergebnisse für das Berichtsjahr 2015 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

3 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 36.

4 Ermittelt wurden diese Ergebnisse, indem die Zahl der Ehepartner einer bestimmten Alterskombination mit dem jeweiligen Altersunterschied (in Jahren) multipliziert wurde, anschließend alle Einzelwerte aufaddiert und durch die Zahl der Eheschließungen dividiert wurden.

5 Zu beachten ist allerdings, dass Eheschließungen von Personen mit Wohnsitz in Baden-Württemberg, die im Ausland stattgefunden haben, nicht berücksichtigt sind.

6 So können Ehepaare bei einer Zusammenveranlagung von den Steuervorteilen des Ehegattensplittings für das gesamte Jahr profitieren, unabhängig davon, in welchem Monat die Eheschließung stattgefunden hat.

7 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 45.

8 Schneider, Norbert F.: Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Familienforschung – Einführende Betrachtungen, in: Schneider, Norbert F.: Lehrbuch Moderne Familiensoziologie, Theorien, Methoden, empirische Befunde, 2008, S. 15 ff.

9 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 45 ff.