:: 7/2016

Zur Bautätigkeit 2015: Steigende Nachfrage im Wohnungsbau

Im vergangenen Jahr wurden so viele Wohnungen neu gebaut, wie schon seit einigen Jahren nicht mehr. Die verstärkte Zuwanderung nach Baden-Württemberg und die wachsenden Verdichtungsräume dürften den Bedarf an neuen Wohnungen befeuern, was sich in einer steigenden Zahl von Baugenehmigungen niederschlug. Und auch das laufende Jahr dürfte von einer starken Wohnungsbaunachfrage geprägt sein, wie die Genehmigungszahlen zwischen Januar und März 2016 signalisieren.

Für die Wohnungsbauwirtschaft war 2015 ein erfolgreiches Jahr. Die Zahl der in diesem Jahr von den Baurechtsbehörden neu genehmigten Wohnungen hat im Vergleich zum Vorjahr um gut 8 % zugenommen. Die Zahl der Baugenehmigungen gibt einen aussagekräftigen Hinweis auf das in der Folgezeit zu erwartende Baugeschehen. Doch nicht alle Genehmigungen münden dann in eine Baufertigstellung noch im Genehmigungsjahr, sondern können im Folgejahr oder noch später umgesetzt werden. In den Wintermonaten muss jederzeit mit witterungsbedingten Verzögerungen gerechnet werden, was im abgelaufenen Jahr in Baden-Württemberg allerdings nur selten der Fall war. Deshalb können Fertigstellungszahlen im selben Berichtsjahr auch einmal höher ausfallen als die Zahl der Baugenehmigungen. Einige Bauvorhaben werden darüber hinaus – häufig aus Kostengründen – nicht realisiert.

Gleichwohl konnten 2015 33 476 fertiggestellte neue Wohnungen in Wohngebäuden gezählt werden. Das waren knapp 5 % mehr als 2014. Es handelte sich um Bauvorhaben mit 5,9 Mrd. Euro veranschlagten Bauwerkskosten1 und 3,72 Mill. Quadratmeter (m2 ) neuer Wohnfläche. Hinzu kommen noch 765 neugebaute Wohnungen, die in sogenannten Nichtwohngebäuden errichtet wurden. Dabei handelt es sich um Gebäude, in denen die Wohnfläche weniger als die Hälfte der Nutzfläche beträgt. Die überwiegende Nutzung des Gebäudes liegt zum Beispiel im gewerblichen Bereich. Schließlich gibt es noch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden, die teilweise dem Wohnungsbau zuzurechnen sind. Mittels genehmigungspflichtiger Baumaßnahmen werden dabei Veränderungen an bestehenden Gebäuden durch Umbau-, Ausbau-, Erweiterungs- oder Wiederherstellungsmaßnahmen vorgenommen. Zusammengenommen – also neu errichtete Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden – wurden 2015 37 686 Wohnungen fertiggestellt.

Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Genehmigungen, Fertigstellungen und Bauabgänge seit dem Jahr 2000. Seit 2010 steigen in Baden-Württemberg die Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen wieder, ohne allerdings das Niveau von 2000 oder früherer Jahre zu erreichen.

Bei Bauabgängen handelt es sich um »Wohnungsverluste«, die den Wohnungsbestand vermindern. Häufig gehen zwei (kleinere ältere) Wohnungen durch eine Umbaumaßnahme in einer renovierten und modernisierten Wohnung auf. Weiterhin kann zum Beispiel ein altes Haus abgerissen, was als Abgang zu registrieren wäre, und an derselben Stelle neugebaut werden, was den Wohnungsbestand zahlenmäßig nicht erhöht – wohl aber die Qualität der Wohnsubstanz. In diesem Fall wird die Baumaßnahme zunächst bei den Baugenehmigungen registriert und findet später nach vollendetem Bau in den Fertigstellungen ihren zahlenmäßigen Niederschlag. Auch die Umwidmung eines bisher zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes mittels Baumaßnahmen in Büros oder in Arztpraxen wäre als Wohnungsabgang im Wohnungsbestand zu verzeichnen, da jetzt die Gebäudenutzung Nichtwohnzwecken dient.2

Baufertigstellungen seit 1952

Das Auf und Ab der Baufertigstellungen im Wohnungsbau über die Jahre seit Gründung des Landes Baden-Württemberg hinweg verdeutlicht Schaubild. Auch wenn, wie schon erwähnt, die Fertigstellungszahlen seit 2010 wieder zunehmen, erreicht der Wohnungsneubau immer noch nicht das Niveau zum Beispiel der 1990er-Jahre – mit dem Spitzenjahr 1994 und 101 716 fertiggestellten Wohnungen –, in denen überdurchschnittlich viele Menschen vor allem auch aus den östlichen Bundesländern nach Vollendung der deutschen Einheit nach Baden-Württemberg zuwanderten3 und auf den Wohnungsmarkt drängten, was sich dann zeitverzögert in steigenden Baufertigstellungen niederschlug.

Das Allzeithoch seit Landesgründung von 1973 mit 119 198 Wohnungsfertigstellungen dürfte jedoch nicht wieder erreicht werden, zumal die Zeiten vergleichsweise günstig verfügbaren Baulands in den Rand- und Verdichtungszonen der Städte vorbei sein dürften. Damals wurde die starke Baunachfrage im Wohnbau durch eine anhaltend günstige Einkommensentwicklung befeuert, gepaart mit verglichen zu heute relativ hohen Inflationsraten, entsprechenden Hypothekenzinsen und stetig steigenden Baupreisen.4 Teilweise wurde von Wohnungsbaugesellschaften, die im Mehrfamilienhausbau engagiert waren, sogar »auf Halde« produziert und ein gewisser Wohnungsleerstand bei Neubauten hingenommen.5 Dies war ein deutlicher Hinweis auf die immer besser werdende Wohnungsversorgung. In den Folgejahren gingen die Fertigstellungen entsprechend der rückläufigen Nachfrage wieder deutlich zurück.

Eigenheim- oder Mehrfamilienhausbau?

In welcher Bauform entstehen in Baden-Württemberg heutzutage die meisten Wohnungen? Betrachtet man die letzten 15 Jahre ist der Wandel offensichtlich. Der Anteil der neu fertiggestellten Wohnungen in Einfamilienhäusern ging zwischen den Jahren 2000 und 2015 von 42 % auf 34 % zurück. Einfamilienhäuser müssen nicht freistehend sein, sondern können auch als Reihenhäuser entstehen. Mehrheitlich entstehen nun Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (Geschosswohnungsbau). Die Zahlen belegen einen Anteilszuwachs im Wohnungsneubau von 41 % im Jahr 2000 auf gegenwärtig 52 %. Tabelle 2 zeigt diese Entwicklung. 11 % der Wohnungen entstanden 2015 als Wohngebäude mit zwei Wohnungen, zum Beispiel als Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, die restlichen 3 % der neuen Wohnungen wurden in Wohnheimen errichtet. Wohnheime sind Wohngebäude, die primär dem Wohnen dienen und in denen Personen gemeinschaftlich wohnen und Gemeinschaftseinrichtungen (zum Beispiel Gemeinschaftsverpflegung oder Gemeinschaftsräume wie in Altenwohn- oder Studentenwohnheimen) nutzen.6

Steigt die durchschnittliche Wohnfläche weiter?

Im hier dargestellten Vergleich zwischen 1990 und 2015 sind die Wohnflächen in Neubauwohnungen deutlich gestiegen, vor allem Eigenheime (Wohngebäude mit einer Wohnung) wuchsen von durchschnittlichen 131 m2 auf 156 m2 Wohnfläche. In Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen nahmen die durchschnittlichen Wohnflächen im selben Zeitraum von 72 m2 auf 86 m2 zu. Betrachtet man jedoch die Jahre zwischen 2013 und 2015, scheinen die Wohnflächenzunahmen nicht mehr weiter zu gehen. Bei allen Bauformen scheint jetzt eine gewisse Wachstumsgrenze erreicht zu sein. So ist selbst im Eigenheimbau (Einfamilienhäuser) die Wohnfläche nicht mehr gestiegen und bewegt sich seit 3 Jahren um 156 m2. Die Kosten für das Baugrundstück und die steigenden Kosten für den Neubau an sich dürften der Hauptgrund dafür sein, dass das Wohnflächenwachstum nicht mehr wie in der Vergangenheit weitergeht. Auch im Mehrfamilienhausbau erzwingen die Baukosten eine kompaktere und verdichtete Bauweise.

Interessanterweise bauen private Haushalte, wenn sie als Bauherren auftreten, mit durchschnittlich 160 m2 Wohnfläche bei neuen Einfamilienwohnungen, die überwiegend als Eigenheime genutzt werden dürften, großzügiger als Wohnungsunternehmen (Bauträger), die mit 138 m2 Durchschnittswohnfläche für denselben Haustyp deutlich zurückhaltender disponieren. In Wohngebäuden mit drei oder mehr Wohnungen (Mehrfamilienhäuser) ist der Unterschied der durchschnittlichen Wohnflächen nicht so groß. Wohnungsunternehmen als Bauträger errichteten 2015 im Neubau Wohnungen mit durchschnittlich 85 m2, private Haushalte als Bauherren mit 92 m2 Wohnfläche.

Was wird das Jahr 2016 bringen?

Zwischen Januar und März 2016 meldeten die Baubehörden den genehmigten Bau von 10 738 neuen Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden. Im Vergleich der entsprechenden Vorquartale der letzten 10 Jahre ragt das 1. Vierteljahr 2016 mit den höchsten Genehmigungszahlen für Wohnbaumaßnahen heraus. Im Jahr 2015 gab es zwischen Januar und März 8 597 Genehmigungen, im 1. Vierteljahr 2006 waren es noch 10 070. Von den 10 579 Neubauvorhaben von Wohnungen in Wohngebäuden sollen 30 % der Wohnungen in Einfamilienhäusern, 10 % in Gebäuden mit zwei Wohnungen und 43 % in Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen entstehen. Die restlichen 17 % der neu zu bauenden Wohnungen sind in Wohnheimen geplant. Im Wohnheimbau schlägt sich die Aufgabe, Wohnungen für Flüchtlinge zu schaffen, sichtbar nieder.

2016 verspricht für den Wohnungsbau also wiederum ein »starkes« Jahr zu werden. Offensichtlich können die historisch niedrigen Hypothekenzinsen oder Geldbeschaffungskosten die deutlich anziehenden Baukosten7 wenigstens zum Teil kompensieren und beflügeln, gemeinsam mit dem durch die steigende Zuwanderung generierten Bedarf, die Nachfrage im Wohnungsbau weiter.

1 Die tatsächlichen Bauwerkskosten nach der Fertigstellung dürften über diesem Betrag liegen. Die Bauherren setzen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens die erwarteten Kosten je Kubikmeter umbauten Raum eher niedrig an, da sich nach diesen Kosten die Genehmigungsgebühren der Baubehörde berechnen.

2 Ein Gebäude gilt als Nichtwohngebäude, wenn der Anteil der Wohnfläche an der gesamten Nutzfläche weniger als die Hälfte beträgt.

3 Brachat-Schwarz, Werner: »Wanderungen von Ost nach West – und wieder zurück?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2015«, S. 3 ff.

4 Wetzel, Eugen: 1972, ein Rekordjahr im Wohnungsbau. Auch für 1973 hohes Bauergebnis zu erwarten, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 7/1973, S. 204 ff.

5 Richter, Hans J.: Einige Aspekte der Wohnungsbautätigkeit seit 1952, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 5/1992, S. 209, sowie Frank, Eberhard: Zur kritischen Situation im Wohnungsbau, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, 9/1975, S. 278.

6 Davon zu unterscheiden sind »Anstaltsgebäude«, die zu den Nichtwohngebäuden gehören und in denen die primäre Zweckbestimmung nicht das Wohnen sondern zum Beispiel wie in Altenpflegeheimen die Pflege ist.

7 Statistischer Bericht »Preisindex für Bauwerke in Baden-Württemberg im Februar 2016« (M I 4 – vj 1/16).