:: 10/2016

Kuba im Wandel

In Kuba herrscht Aufbruchsstimmung. Durch Schaffung größerer privater Freiräume für die Bevölkerung, die Annäherung an die USA und Anerkennung neuer Aktivitätsfelder hat Kuba internationale Aufmerksamkeit erzielt. Allerdings ist die Öffnung keine schnelle Angelegenheit, eher eine Politik der kleinen Schritte. Zu viele Probleme gleichzeitig sind zu lösen. Eine halbe Million Staatsbedienstete werden entlassen oder versetzt, hinzu kommen in Auflösung begriffene unproduktive Staatsunternehmen – die Berufsperspektive der Freigesetzten ist in aller Regel die des Kleinunternehmers. Beschäftigung im Dienstleistungssektor, vor allem in der Tourismusbranche, ermöglicht den Zugang zu Devisen. Geld für Investitionen fehlt oft, viele Kubaner sind auf Zuwendungen von Verwandten im Exil, hauptsächlich in der USA, angewiesen. Nicht-Kubaner dürfen keinen Grundbesitz erwerben, andernfalls ginge der Verkauf von Grundeigentum wohl schnell vonstatten. Auf längere Sicht wird der begonnene Wandel für die Entwicklung des Landes hilfreich sein.

Der Beitrag soll beispielhaft aufzeigen, wie es um Kubas Wirtschaft und Handel steht und welche gesellschaftlichen Auswirkungen das Wirtschaftsembargo mit sich brachte und bringt. Zudem wird das Gesundheitswesen des Landes näher beleuchtet und beschrieben, wohin der Wirtschaftsfaktor Nummer eins, der Tourismus, steuert.

Die Ereignisse überschlagen sich

Der 1. Januar ist der Gedenktag für die kubanische Revolution. An jenem Tag vor 57 Jahren wurde die von den USA unterstützte Diktatur des Oberst Fulgencio Batista von der Guerrilla-Bewegung unter Führung von Fidel Castro besiegt. Die ersten 3 Monate des Jahres 2016 waren für den sozialistischen Inselstaat sehr international geprägt. Im Januar reiste der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Begleitung von rund 60 Unternehmern nach Kuba und traf den Präsidenten des kubanischen Staats- und Ministerrates, Raúl Castro. Gut 10 Jahre, nachdem Kuba die bilaterale Zusammenarbeit mit der EU nach deren heftiger Kritik an der Inhaftierung Dutzender Systemgegner abgebrochen hatte, »wolle die Bundesregierung Kuba eine neue Partnerschaft auf Augenhöhe anbieten«1. Am 1. Februar besuchte Raúl Castro Frankreich und wurde betont freundschaftlich empfangen. Am 12. Februar trafen in Kuba 962 Jahre nach der Spaltung in Ost- und Westkirche erstmals die Oberhäupter der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche, Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I., zu einem Versöhnungsgespräch aufeinander. Am 16. Februar hielt sich der kubanische Minister für Außenhandel und Ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca, zu einem Arbeitsbesuch in den USA auf. Es war der erste Besuch eines kubanischen Außenhandelsministers in Washington. Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer besuchte als erstes österreichisches Staatsoberhaupt am 2. März Kuba. Der Aufenthalt in Havanna sorgte angesichts der diplomatischen Annäherung zwischen dem sozialistischen Karibikstaat und den USA für besondere mediale Aufmerksamkeit. Im Februar genehmigte die Regierung der Vereinigten Staaten die Errichtung und Inbetriebnahme einer ersten US-Fabrik auf Kuba seit mehr als 55 Jahren. Nach der teilweisen Lockerung der US-Blockade gegen das sozialistische Kuba erreichte am 16. März die erste direkte Postlieferung seit mehr als einem halben Jahrhundert den internationalen Flughafen von Havanna. US-Präsident Barack Obama kam – seit 1928 der erste Besuch eines US-Staatschefs – am 20. März für 2 Tage zu einem international viel beachteten Besuch und kündigte ein neues Kapitel zwischen den beiden Staaten an. Raúl Castro kritisierte das seit fast 60 Jahren immer noch bestehende Embargo. Am 25. März schließlich gaben die »Rolling Stones« vor einer halben Mill. Menschen ein Konzert in Havanna.

Wirtschaft und Finanzen

Kubas Wirtschaft ist im Jahr 2014 um 1,4 % gewachsen. Der Staat bemüht sich um eine Reduzierung der Importe, nennenswerte Steigerungen der Exporte sind noch nicht zu erkennen. Die Arbeitslosenquote lag bei 3,3 %. Geschätzte Devisenreserven von 10 Mrd. US-Dollar stehen gegenwärtig aufgrund des eingeschränkten Handels Kubas Auslandsschulden gegenüber, die auf 25 bis 30 Mrd. US-Dollar geschätzt werden.2 Seit 2010 hat die Regierung Maßnahmen beschlossen, mit denen »nichtstaatliche« Formen der Erwerbstätigkeit teils erlaubt, teils gefördert werden sollen. Die Schaffung neuer marktwirtschaftlicher Elemente und Freiräume für selbstständige Erwerbstätige in zurzeit etwa 200 Berufsfeldern betrifft vor allem das Kleingewerbe wie Friseure, Taxis und Privatrestaurants. Inzwischen gibt es etwa eine halbe Mill. Selbstständige. Seit 2011 dürfen kubanische Bürger untereinander Handel mit nach 1959 gebauten Autos oder auch mit Immobilien betreiben. Das lange vorbereitete neue Investitionsgesetz trat Ende Juni 2014 in Kraft und zielt explizit auf ausländische Investitionen ab, um der kubanischen Wirtschaft Schwung zu verleihen. Kubas Wirtschaft ist nach wie vor planwirtschaftlich gelenkt. So sehen die Richtlinien für die »Aktualisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei und der Revolution« nach wie vor eine zentrale Rolle des Staates vor, neben der »nichtstaatliche Formen« von Beschäftigung und Eigentum zugelassen werden können. Das staatliche monatliche Durchschnittseinkommen betrug im Jahr 2014 knapp 600 Peso Cubano (CUP), also etwa 25 Peso Convertible (CUC) bzw. US-Dollar (siehe auch i-Punkt).

Staatliches Außenhandelsmonopol

Der kubanische Markt wirkt auf den ersten Blick wenig anziehend für deutsche Unternehmen. Begrenzte Kaufkraft aufgrund knapper Devisen und staatliche Kontrollen fordern eine besondere Vorgehensweise. Abnehmer in Kuba sind staatliche Unternehmen und die Struktur des Außenhandels ist durch das planwirtschaftlich organisierte Wirtschaftssystem geprägt, in dem der Staat ein Außenhandelsmonopol hält. Eine klassische Markterschließung macht somit wenig Sinn.

Kuba stand 2015 in der Rangfolge der Handelspartner mit Deutschland auf Rang 101. Die deutschen Warenausfuhren nach Kuba betrugen im Jahre 2015 rund 259 Mill. Euro, 2014 waren es noch ca. 191 Mill. Euro. Deutschland lieferte vor allem Maschinen, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Kunststofferzeugnisse, Nahrungsmittel, Medizintechnik, Kraftfahrzeuge und Ersatzteile. Bereiche wie Umwelttechnik, Energieeffizienz, Telekommunikation und Transportwesen sind Treiber der Entwicklung Kubas, hier ist auch Technologie aus Baden-Württemberg gefragt. Viele Unternehmer wünschen sich allerdings einen Abbau bürokratischer Hürden und eine schnellere Abwicklung von Verfahren. Die kubanischen Exporte nach Deutschland lagen 2015 bei 35 Mill. Euro (Vorjahr ca. 33 Mill. Euro), hier liegt Kuba auf Rang 120. Kuba exportierte hauptsächlich alkoholische Getränke (Rum), Tabakwaren (Havanna-Zigarren), Honig sowie Obst- und Gemüsesäfte nach Deutschland3.

Ausländer in Kuba

Ausländer in Kuba dürfen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sofern sie entweder eine befristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung besitzen und eine Entsendung durch eine ausländische Firma erfolgt ist oder eine ständige Aufenthaltsgenehmigung haben. Dann ist eine Tätigkeit allerdings nur bei staatlichen Unternehmen bzw. Einrichtungen möglich. Die Bezahlung erfolgt in kubanischen nichtkonvertiblen Peso (Peso Cubano).4 Ausländische Firmen und Organisationen können in Kuba selbst keine Mitarbeiter einstellen, diese werden durch eine zentrale kubanische Personalstelle vermittelt. Der Erwerb von Immobilien durch Ausländer ist derzeit noch nicht möglich. Die (ausschließlich) staatlichen kubanischen Immobilienunternehmen vermieten Wohnraum auch an Ausländer. Kubaner dürfen ausländische Bürger nur beherbergen, wenn sie dafür die notwendige staatliche Genehmigung besitzen. Andernfalls müssen sie mit einer Strafe bzw. sogar mit Enteignung des Wohnraums rechnen.

Warenknappheit am Beispiel der Autos

Ein Charme Kubas geht zu einem guten Teil auch von den Oldtimern aus. Die Straßen der Karibikinsel erscheinen wie eine Reise in die Vergangenheit. Zwischen 50 000 und 60 000 Fahrzeuge aus den 1940er- und 1950er-Jahren sollen noch fahrtüchtig sein. Nur Einheimische dürfen übrigens Oldtimer fahren und keineswegs an Ausländer verkaufen – noch. Für die einen sind es Schmuckstücke, für die anderen völlig heruntergekommene »Rostlauben«. Bislang fahren auf Kuba fast nur Fahrzeuge, die vor 1959 ins Land gekommen sind, danach verhängten die USA ein weit reichendes Wirtschaftsembargo, dem andere Staaten folgten. Die Kubaner mussten fortan mit den Dingen zurechtkommen, die bereits im Land waren. Es wurden weiterhin Autos importiert – aus Osteuropa und neuerdings aus China – jedoch blieben diese Fahrzeuge in staatlicher Hand, nicht erwerbbar für Privatpersonen. Ersatzteile gibt es nicht für die alten Pontiacs und Chevrolets, Oldsmobile und Old Plymouth. Also sind die Kubaner Experten darin, sich ihre Ersatz- und Verschleißteile selbst herzustellen. Defekte Dichtungen werden ersetzt aus dem Gummi von Autoreifen, auf Drehbänken und Fräsmaschinen wird Ersatz für gebrochene oder verschlissene Teile geschaffen. Der Antrieb unter der Motorhaube ist oft längst nicht mehr original, die Autos werden oftmals mit russischen Lada-, Wolga- oder Gaz-Motoren betrieben. Und der Kofferraum ist mit Werkzeug für den Ernstfall gefüllt.

Ende 2013 wurde das Verbot für den Kauf eines neuen oder gebrauchten Autos abgeschafft. Nach 54 Jahren ist nunmehr der Ankauf von neuen Autos auch für Privatpersonen wieder erlaubt. Moderne Autos kommen auf die Insel, das bringt mehr Sicherheit und Umweltfreundlichkeit. Das Recht, Autos zu importieren, ist jedoch dem kubanischen Staat vorbehalten und diese Fahrzeuge werden mit astronomischen Aufschlägen angeboten. Ein Peugeot 206, auf dem internationalen Markt für ungefähr 15 000 US-Dollar zu haben, kostet einen Kubaner aber ca. 90 000 US-Dollar.5 Der Staat kommt so an Devisen, denn viele Kubaner werden von ihren Verwandten aus dem Exil finanziell unterstützt. Der Ankauf von Autos ist also erlaubt, in der Realität aber schwierig – aufgrund horrender Preise und niedriger Löhne.

Medizin für alle – das kubanische Gesundheitssystem

Jedem Kubaner ist seit 1959 eine umfassende und kostenlose Gesundheitsfürsorge garantiert. Das in Kuba existierende hervorragend ausgebaute Gesundheitswesen für jedermann wird über Steuern finanziert. Die Wirkungen sind positiv: 95 % der Bevölkerung sind gegen elf verschiedene Krankheiten geimpft, die Kindersterblichkeit ist niedriger als in den USA.

Auf 10 000 Einwohner kommen 67 Mediziner, die Ärztedichte ist damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Aufwendige Behandlungen und Notfälle übernehmen die Polikliniken und in den Städten gibt es große Krankenhäuser mit hoch spezialisierten Fachärzten und Chirurgen. Jeder Gemeinde wird einer oder mehrere Hausärzte zugeteilt, die dann über Jahrzehnte hinweg für dieselbe kleine Gruppe von Menschen verantwortlich sind. Die medizinische Forschung ist erstklassig. Kuba war eines der ersten Länder, die Impfstoffe gegen Meningitis B und C sowie Hepatitis B entwickelten.

Die kostenlose Ausbildung der Mediziner hat jedoch auch Schattenseiten. Kubas Ärzte arbeiten nach ihrer Ausbildung für den Staat und werden ins Ausland »vermietet«. Offiziellen Angaben zufolge arbeiten allein in Brasilien mehr als 11 000 kubanische Ärzte. Das erwirtschaftete Geld kommt in großen Teilen Kubas Staatsbudget zugute.

Kuba unterstützt Entwicklungsnationen trotz eigener wirtschaftlicher Probleme, vor allem im medizinischen Bereich. Der arme Karibikstaat stellt weltweit mehr medizinisches Personal zur Verfügung als die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization; WHO). Afrika und Lateinamerika standen immer im Mittelpunkt der kubanischen Hilfe. Anfang 2010 war Kuba eines der ersten Länder, die Haiti nach dem verheerenden Erdbeben zu Hilfe eilten.

Rekord bei den Touristenankünften

Der Tourismus ist der stärkste Wirtschaftszweig Kubas und bringt wichtige Devisen ins Land. Die Zahl der Touristen hat sich in den letzten 20 Jahren verfünffacht. 3,5 Mill. Touristen besuchten 2015 Kuba, das waren 17 % mehr als im Jahr davor. Mehr als 175 000 von ihnen kamen aus Deutschland, das ist eine Steigerung von 26 % gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt Deutschland auf Platz 2 nach Kanada. Für 2016 wird eine nochmalige deutliche Steigerung erwartet.6 Dass Kuba sich zur Spitzendestination in der Karibik entwickelt, liegt auch an der Normalisierung der Beziehungen zu den USA. Noch müssen US-Amerikaner zwar mühsame Umwege über Drittländer wie Kanada oder Mexiko in Kauf nehmen. Eine direkte Einreise ist nur in Ausnahmefällen möglich, Besuche sind aber unter Auflagen erlaubt und weitere Lockerungen sollen folgen. Der Pauschaltourismus konzentriert sich im Wesentlichen auf wenige Zentren an der Nordküste. Der Individualtourismus erfreut sich immer größerer Beliebtheit, auch weil seit 2007 das Tourismusministerium verstärkt Privatunterkünfte zulässt. Allerdings ist die touristische Infrastruktur diesem Ansturm nicht mehr gewachsen.7 Mietwagen sind Monate im Voraus ausgebucht, die Infrastruktur hinkt dem Touristenansturm hinterher. Der Staat investiert deshalb kräftig in den Ausbau der Hotelinfrastruktur. Das Tourismusministerium spricht von zunächst 10 000 zusätzlichen Betten. Private Unterkünfte, sogenannte »Casas particulares«, sprießen wie die Pilze aus dem Boden.

1 »Reuters« am 7. Januar 2016.

2 Quellen: Statistisches Bundesamt, UNCTAD, Weltbank.

3 Quelle: Statistisches Bundesamt.

4 Quelle: Deutsche Botschaft, Havanna.

5 Vergleiche auch »DIE ZEIT«: »Gummi für die alten Schlitten«, »Süddeutsche Zeitung«: »Kuba und die Autos«, »Die Welt«: »Automarkt in Kuba«, »Cuba HEUTE«: »54 Fahrzeuge in sechs Monaten«, »Lateinamerika Reisemagazin«: »Man muss Millionär sein«, »MotorTalk«: »Fast keine Neuwagen verkauft«.

6 Laut dem »Ministerium für Touristik Kubas« kam 2016 die erste Million internationaler Besucher 11 Tage früher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres nach Kuba. Hochgerechnet dürften somit für das ganze Jahr 2016 um die 4 Mill. Besucher zu erwarten sein, ein neuer Rekord.

7 Am 9. März 2016 titelt die »Tageszeitung junge welt«: »Es wird eng auf Kuba«, am 10. April 2016 meldete die »Sputniknews«, dass der unstillbare Bierdurst der Touristen erstmals dazu geführt habe, dass der Gerstensaft auf der Insel fast vollständig aufgebraucht sei.