:: 11/2016

Wachstum geht im 2. Halbjahr in die Verlängerung

Südwestwirtschaft dürfte im 4. Quartal preisbereinigt um 1 ¾ % wachsen

Die baden-württembergische Wirtschaft konnte im 1. Halbjahr ein Wachstum von gut 2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum erzielen. In der 2. Jahreshälfte dürfte das Wachstum in die Verlängerung gehen. So rechnen wir für das 4. Quartal 2016 mit einem realen Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 1 ¾ %. Damit entwickelte sich die Südwestwirtschaft positiver als es noch zur Jahresmitte erwartet wurde.

Im 3. Quartal 2016 wuchs die Auslandsnachfrage des Verarbeitenden Gewerbes gegenüber dem Vorquartal saison- und arbeitstäglich bereinigt um 1 %. Damit stiegen die Auslandsumsätze gegenüber dem jeweiligen Vorquartalswert das mittlerweile 3. Quartal in Folge, wodurch sich das Minus zum Vorjahresquartal auf nur noch 0,6 % verringerte. Der für Baden-Württemberg wichtige Fahrzeugbau steigerte seinen Auslandsumsatz um 2,4 % zum Vorquartal, allerdings liegen dort die Umsätze 2,8 % unterhalb des Vorjahresquartals.

Die Inlandsnachfrage im Verarbeitenden Gewerbe zeigt sich im 3. Quartal stabil. Insgesamt stiegen die Erlöse zum Vorquartal leicht um 0,4 %, sodass diese nun genau auf dem Niveau des Vorjahresquartals liegen. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist die Entwicklung zweier Branchen auffällig. Der Maschinenbau wies dabei ein Umsatzplus von 3,9 % gegenüber dem Vorquartal auf, während der Inlandsumsatz im Fahrzeugbau mit 3,4 % zum Vorquartal rückläufig war.

In der Summe ließen die Bremswirkungen aus dem Ausland nach und auch die Binnensektoren entwickelten sich positiv. So stieg der Umsatz ausgewählter Dienstleistungsbereiche im 2. Quartal um 6,9 % zum Vorjahresquartal. Die Rahmenbedingungen für die weitere Jahresentwicklung bleiben positiv. Mit 0,4 % im Vergleich zum Vorjahresquartal lag die Inflationsrate im 3. Quartal etwas höher als noch im 2. Quartal (0,0 %), allerdings deutlich unter der EZB-Zielrate von knapp 2 %. Mit 3,8 % liegt die Arbeitslosenquote im September zwar leicht höher (0,1 Prozentpunkte) als im Juli. Dies entspricht aber immer noch einem sehr niedrigen Niveau. Durchschnittlich stellten baden-württembergische Unternehmen in den Monaten Mai bis Juli im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gut 90 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ein, sodass der Beschäftigungsaufbau weiter dynamisch blieb.

Brexit-Schock in der Realwirtschaft bisher kaum spürbar

Das Brexit-Votum der britischen Wähler führte kurzfristig zu starken Bewegungen an den Kapitalmärkten. Um die Unsicherheit nach dem Austrittsreferendum einzudämmen, senkte die Bank of England ihren Leitzins auf ein historisch niedriges Niveau und kaufte zur zusätzlichen Stabilisierung Wertpapiere auf. Als Folge erreichte das Britische Pfund handelsgewichtet seinen bisherigen historischen Tiefststand. Diese Wechselkursreaktion entspricht der vom Internationalen Währungsfond (IWF) geschätzten Abwertung, durch die sich die aufgrund des Austritts reduzierte Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessern dürften. Stimmungsindikatoren für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor im Vereinigten Königreich erholten sich dank der raschen geldpolitischen Reaktion schnell vom Brexit-Schock und so scheint die Realwirtschaft bisher kaum unter dem nahenden Austritt zu leiden. Die augenblickliche Erholung dürfte allerdings einzig auf die kräftige Pfund-Abwertung zurückzuführen sein, da Großbritannien trotz seines Austrittswunsches diesen noch nicht vollzogen hat und weiterhin Teil des gemeinsamen europäischen Marktes ist.

Der EU-Austritt wird sich auch auf den britischen Staatshaushalt auswirken. Schatzkanzler Philip Hammond signalisierte bereits, mit zusätzlichen Staatsausgaben der durch den angekündigten Austritt entstandenen wirtschaftlichen Unsicherheit entgegenzuwirken. Somit rückt der für 2020 avisierte ausgeglichene Haushalt in weite Ferne. Wie hoch der finanzpolitische Spielraum tatsächlich ist, dürfte angesichts des bereits hohen Defizits fraglich sein. So gehörte die britische Neuverschuldung mit 4,2 % des BIPs im Jahr 2015 zur zweithöchsten der G7-Länder. Insgesamt summierte sich die Gesamtverschuldung 2015 auf 89 % der jährlichen Wirtschaftsleistung und liegt somit um 38,7 Prozentpunkte höher als vor der Finanzkrise 2008. Schwächt sich das britische Wachstum in den nächsten Jahren allerdings ab, wie es von globalen Institutionen wie dem IWF prognostiziert wird, so dürfte die Staatsverschuldung in wenigen Jahren über 100 % des BIPs liegen. Damit würde die Zinslast im Staatshaushalt deutlich zunehmen, da auch die Käufer von Staatsanleihen aufgrund der durch die Pfundabwertung gestiegenen Inflation für die nun höhere Geldentwertung teilweise mit höheren Zinsen entschädigt werden wollen.

In der Summe dürften die Südwestexporteure nach Großbritannien zukünftig über zwei Hauptkanäle belastet werden. Erstens verteuert der nun schwächere Wechselkurs zum Euro die Exporte (15,1 % seit dem Referendum). Zweitens dürften sich britische Unternehmen aufgrund der Unsicherheit mit Investitionen zurückhalten und damit auch weniger Produkte aus dem Südwesten ordern. An den aktuellen Exportzahlen sind diese aber noch nicht abzulesen. So stiegen die Ausfuhren auf die Insel von Januar bis August 2016 um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr.