:: 11/2016

Die Zahl der Schulabschlüsse wird unterschiedlich stark zurückgehen

Aktualisierte Modellrechnung zur Entwicklung der Schulabsolventenzahlen bis 2025

Die Entwicklung der Schulabsolventenzahlen ist eng mit der Entwicklung der Schülerzahlen verknüpft. Somit wirken sich bildungspolitische Weichenstellungen – wie die Einführung der Gemeinschaftsschule oder der Ausbau der beruflichen Gymnasien – und externe Einflüsse – wie die Zuwanderung von Schutzsuchenden – auch darauf aus, wie viele und welche Schulabschlüsse in Baden-Württemberg erworben werden. Aufbauend auf die Ergebnisse der Modellrechnung der Schülerzahlen ergab die Modellrechnung für die Schulabsolventenzahlen bis 2025 einen mehr oder weniger deutlichen Rückgang für alle Abschlussarten. Demnach würden 47 600 Schülerinnen und Schüler die Schulen mit der Hochschulreife verlassen und 17 500 mit der Fachhochschulreife. Einen mittleren Abschluss würden dann 58 500 Absolventinnen und Absolventen erwerben und 21 200 einen Hauptschulabschluss. 5 100 würden nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht abgehen, ohne den Hauptschulabschluss erreicht zu haben.

Der Wandel in der Struktur der Schullandschaft in Baden-Württemberg – als Stichpunkte seien hier nur Gemeinschaftsschule und Inklusion genannt – setzt den Rahmen für die künftige Entwicklung der Schülerzahlen in den einzelnen Schularten. Als »bildungsexterner« Faktor wird auch die Wanderungsbewegung über die Landesgrenzen die Schülerzahlen beeinflussen. Diese Einflussgrößen werden sich auch auf die Entwicklung der Absolventenzahlen auswirken. Um dies zu quantifizieren, hat das Statistische Landesamt auf Grundlage der aktuellen Modellrechnung der Schülerzahlen1 eine Modellrechnung zur Zahl der Schulabsolventinnen und -absolventen durchgeführt.

Gut 172 000 allgemeinbildende Abschlüsse oder Abgänge nach Erfüllung der Schulpflicht im Jahr 2015

Im Jahr 2015 hatten 114 778 Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule in Baden-Württemberg nach dem Erwerb eines Abschlusses verlassen. Von ihnen hatte rund die Hälfte den mittleren Schulabschluss erworben, 31 % hatten mit der Hochschulreife oder Fachhochschulreife eine Hochschulzugangsberechtigung erlangt und 19 % hatten den Hauptschulabschluss erreicht. Weitere 5 768 Jugendliche hatten die Schule verlassen, ohne den Hauptschulabschluss erworben zu haben. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie keinen Schulabschluss erreichten. Von diesen hatten 2 143 mit dem Abschluss der Förderschule und 1 043 mit dem Abschluss der Schule für Geistigbehinderte das Bildungsziel ihres Bildungsgangs erreicht. Lediglich 2 582 waren nach Beendigung der Vollzeitschulpflicht ohne allgemeinbildenden Abschluss von der Schule abgegangen.

Auch an den beruflichen Schulen können die Schülerinnen und Schüler einen allgemeinbildenden Abschluss erreichen. So konnten von den insgesamt 158 959 Absolventinnen und Absolventen, die im Schuljahr 2014/15 erfolgreich einen Bildungsgang an einer beruflichen Schule abgeschlossen hatten, 51 563 zusätzlich einen allgemeinbildenden Abschluss erwerben. Knapp drei Viertel dieser Abschlüsse waren Hochschulzugangsberechtigungen, 20 % waren mittlere Abschlüsse und 6 % Hauptschulabschlüsse. Somit hatten 2015 insgesamt 172 109 Schülerinnen und Schüler an einer Schule in Baden-Württemberg einen allgemeinbildenden Abschluss erreicht oder waren nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht ohne Abschluss abgegangen.

Weiterhin wird mehr als die Hälfte der Hochschulzugangsberechtigungen an beruflichen Schulen erworben

An allgemeinbildenden Schulen hatten im Jahr 2015 insgesamt 35 128 Absolventinnen und Absolventen die Hochschulreife erworben. Ein relativ stark besetzter Abgangsjahrgang an den Gymnasien sorgte dafür, dass diese Zahl um rund 1 600 über dem Wert des Jahres 2014 lag. In den kommenden Jahren dürfte die Zahl der Hochschulreifezeugnisse an allgemeinbildenden Schulen bis 2020 auf 30 200 absinken. Im Jahr 2022 ist dann ein Sprung nach oben auf 31 700 Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulreife erkennbar.

Ursache für diesen Sprung sind die Gymnasien mit 9-jährigem Bildungsgang. Dieser war in den Schuljahren 2012/13 und 2013/14 in zwei Tranchen an jeweils 22 Gymnasien wieder eingeführt worden. Die um 1 Jahr längere Schulzeit hat zur Folge, dass 2020 und 2021 die Absolventenzahl verringert wird. Während ihre Mitschülerinnen und -schüler des 8-jährigen Bildungsgangs, die zum selben Zeitpunkt in das Gymnasium gewechselt sind, die Abiturprüfung bestreiten, besuchen die Schülerinnen und Schüler des 9-jährigen Bildungsgangs noch 1 Jahr länger den Unterricht. Im Jahr 2022 verlassen dann wieder – wenn auch um 1 Jahr zeitversetzt – vollständige Schülerjahrgänge die 8- und 9-jährigen Gymnasien. Bis 2025 könnte die Zahl der Absolventinnen und Absolventen allgemeinbildender Schulen mit Hochschulreife dann recht stabil bei Werten zwischen 31 000 und 32 000 liegen.

Der Ausbau der beruflichen Gymnasien hat dazu geführt, dass die Zahl der Jugendlichen, die an beruflichen Schulen die Hochschulreife erwerben, deutlich angestiegen ist. Im Jahr 2015 waren hier 18 224 Absolventinnen und Absolventen erfolgreich, während 2010 ihre Zahl noch bei 14 353 und 2005 bei 12 545 lag. Innerhalb von 10 Jahren ergab sich somit eine Steigerung um 45 %. Die Phase des raschen Anstiegs der Absolventenzahlen ist mittlerweile weitgehend abgeschlossen. Bis 2017/18 ist noch mit einer leichten Zunahme auf bis zu 18 700 Absolventinnen und Absolventen zu rechnen. Danach könnte die demografische Entwicklung dafür sorgen, dass die Zahl der Hochschulreifezeugnisse an beruflichen Schulen bis 2025 wieder auf 16 300 absinkt.

Weitere 20 031 Absolventinnen und Absolventen hatten im Jahr 2015 – fast ausschließlich an beruflichen Schulen – mit der Fachhochschulreife ebenfalls eine Hochschulzugangsberechtigung erreicht. Die Gesamtzahl der Hochschulzugangsberechtigungen lag mit 73 383 weiterhin auf einem sehr hohen Stand. Rund 52 % dieser Zeugnisse wurden von einer beruflichen Schule ausgestellt. Ausgehend von diesem Niveau dürfte die Zahl der Hochschulzugangsberechtigung in den kommenden Jahren etwas zurückgehen und sich bis 2025 bei rund 65 000 einpendeln, darunter 17 500 Fachhochschulreifezeugnisse. Das wären etwa 11 % weniger als 2015 und würde etwa der Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung des Jahres 2009 entsprechen. Der Anteil der beruflichen Schulen wird dabei auch in Zukunft über 50 % liegen.

Der mittlere Abschluss behält auch künftig seine Spitzenposition

An allgemeinbildenden und beruflichen Schulen wurden 2015 insgesamt 67 442 mittlere Abschlüsse erworben – rund 2 000 weniger als im Jahr 2013, in dem mit 69 538 mittleren Abschlüssen der bisherige Höhepunkt erreicht worden war. Bis 2018 dürfte sich die leicht rückläufige Entwicklung zunächst weiter fortsetzen. Von 2018 bis 2020 ergibt die Modellrechnung relativ konstante Werte für die mittleren Abschlüsse um 62 000.

Für das Jahr 2021 wird dann ein recht deutlicher Rückgang um fast 4 000 Absolventinnen und Absolventen ausgewiesen. Das sich hieraus ergebende Niveau von rund 58 000 Absolventinnen und Absolventen, die an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen einen mittleren Abschluss erwerben, könnte dann bis 2025 erhalten bleiben. Die Zahl der mittleren Abschlüsse läge dann um rund 14 % unter dem Stand des Jahres 2015. Der mittlere Abschluss bleibt aber vor der Hochschulreife beständig der am häufigsten erworbene Schulabschluss im Land.

Der starke Rückgang im Jahr 2021 ist auf die Annahmen der Modellrechnung zurückzuführen, die mit der Einführung der Möglichkeit des regulären Erwerbs des Hauptschulabschlusses an Realschulen verknüpft sind. Es wird angenommen, dass ab 2021 ein gewisser Teil der Realschülerinnen und -schüler bereits nach Klassenstufe 9 mit dem Hauptschulabschluss abgeht. Ob die hier angenommene Wirkung zum Tragen kommen wird, ist abzuwarten und in der modellhaften Betrachtung auch davon abhängig, wie sich die Übergänge auf die weiterführenden Schulen entwickeln. Sollten vermehrt Schülerinnen und Schüler auf eine Realschule anstelle einer Werkreal- und Hauptschule wechseln, würde dieser Effekt ein geringeres Ausmaß annehmen.

Rückläufige Tendenz der Zahl der Hauptschulabschlüsse setzt sich zunächst fort

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit Hauptschulabschluss lag 2015 mit 25 516 nur um gut 400 unter dem Vorjahreswert. Bis 2019 dürften jedoch die stark rückläufigen Übergangszahlen auf die Werkreal- und Hauptschulen in Folge der Aufhebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung für einen deutlichen Rückgang der Absolventenzahl auf 21 000 sorgen. Dabei ist bereits die Annahme berücksichtigt, dass ein Teil der Schutzsuchenden, denen im Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf in erster Linie berufsvorbereitende Kenntnisse sowie weitere Deutschkenntnisse vermittelt werden, zusätzlich auch den Hauptschulabschluss erwirbt. Diese Annahme führt zu einer vorübergehenden Erhöhung der Absolventenzahl aus beruflichen Schulen.

Für das Jahr 2020 ergeben die Annahmen der Modellrechnung einen deutlichen Anstieg der Absolventenzahl von 21 000 auf 23 300. Diese Entwicklung ist auf die bereits oben beschriebenen Annahmen zu den Auswirkungen des Erwerbs des Hauptschulabschlusses an Realschulen zurückzuführen. Damit steht sie auch unter den oben genannten Vorbehalten. Bis zum Ende des Modellrechnungszeitraums im Jahr 2025 ergibt sich hieraus ein Wert von 21 200 Hauptschulabschlüssen – 17 % weniger als im Jahr 2015. Dabei dürfte sich der rückläufige Trend im Lauf der Zeit abflachen.

Die Zahl der Schulabgänge ohne Hauptschulabschluss hat sich in den letzten Jahren nur noch wenig verändert. Im Jahr 2015 lag sie bei 5 768 im Vergleich zu 5 922 im Jahr 2011. Bezogen auf einen Altersjahrgang bedeutet dies, dass rund 5 % die allgemeinbildenden Schulen verlässt, ohne einen Hauptschulabschluss erworben zu haben. Ein wesentlicher Grund für diese nur noch leicht rückläufige Tendenz ist die Tatsache, dass ein großer Teil dieser Schulabgänge auf Schülerinnen und Schüler entfiel, die an Sonderschulen2 Bildungsgänge besuchten, deren Ziel nicht der Erwerb eines Hauptschulabschlusses ist. Auch die zunehmende Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot in Regelschulen dürfte daran nur wenig ändern, da in vielen Fällen ein zieldifferenter Unterricht stattfinden wird. Dies bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler einen auf ihren spezifischen Förderungsbedarf ausgerichteten Abschluss erwerben (zum Beispiel den Abschluss mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung) und nicht den an der besuchten Schulart üblichen Abschluss (zum Beispiel den Hauptschulabschluss). Die Modellrechnung ergibt daher auch bis 2025 nur einen leichten Rückgang der Zahl der Schulabgänge ohne Hauptschulabschluss auf dann 5 100.

Regelmäßige Aktualisierung der Modellrechnung notwendig

Im Vergleich zur letzten, im Jahr 2015 veröffentlichten Modellrechnung3 kann sich diese Modellrechnung in manchen Bereichen stärker auf erste Erfahrungen mit neuen Bildungsangeboten stützen. Dennoch müssen weiterhin bei vielen Fragen plausible Annahmen an die Stelle konkreter Erfahrungswerte treten, da letztere noch nicht vorliegen. Zudem ist auch die Entwicklung der Schülerzahlen als Basis für die Berechnung der Abgängerzahlen von vielen Faktoren abhängig, deren Einfluss nur schwer kalkulierbar ist. Daher gilt für die Berechnung der Entwicklung der Absolventenzahlen ebenso wie für die Schülerzahlen, dass eine jährliche Aktualisierung der Modellrechnung auf Basis der Ergebnisse der amtlichen Schulstatistik erforderlich ist. Hierdurch können aktuelle Erfahrungen in die Annahmen eingebunden werden.

Trotz dieser Unsicherheiten kann die hier vorgelegte Modellrechnung einen Ausblick auf künftige Entwicklungslinien auf Grundlage der heute vorliegenden Kenntnisse und Erwartungen geben. Im Detail wird sich die tatsächliche Entwicklung sicher von der Modellrechnung unterscheiden, grundsätzliche Trends dürften aber deutlich werden.